Deutsche   Stimmen Beilage zur Deutschfien Freiheit". Ereignisse und Geschichten

Die 88

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Sonntag, den 28. Oktober 1933

Ihnen Here Reichskanzler, das Gelöbnis treuester Gefolgschaft"

Von A bis Z

88 deutsche   Schriftsteller haben durch ihre Unter­schrift Adolf Hitler   das folgende Treuegelöbnis abgelegt:

Güter jeder Nation um die Voraussetzung eines aufrichtigen " Friede, Arbeit, Ehre und Freiheit sind die heiligsten Zusammenlebens der Völker untereinander. Das Berruẞt= sein der Kraft und der wiedergewonnenen Einigkeit, unser aufrichtiger Wille, dem innern und äußeren Frieden vorbe haltlos zu dienen, die tiefe Ueberzeugung von unsern Auf­schlossenheit, nichts zu tun, was nicht mit unserer und des Vaterlandes Ehre vereinbar ist, veranlassen uns, in dieser ernsten Stunde vor Ihnen, Herr Reichskanzler, das Gelöb nis treuester Gefolgschaft feierlichst abzulegen.

Friedrich Ahrenhövel, Gottfried Benn, Werner Beumels burg, Rudolf G. Binding  , Walther Bloem, Max Garl Böttcher, Hans Fr. Blund, Rudolf Brandt  , Arnolt Bronnen  , Cito Brües, Alfred Brust, Carl Bulte, Herman Claudius, Hans Martin Cremer, Wiers, Peter Dörfler, Max Dreger, Franz Dülberg, Ferdinand Eckardt, Richard Euringer, Ludwig Finth, Hans Frant, Otto Flake  , Heinrich von Gleichen  , von Gleichen- Rußwurm, Gustav Frensen, Friedrich Griefe, Mag Grube, Johannes Günther  , Max Halbe  , Ilse Hamel  , Agnes Harder  , Carl Haensel  , Hans Ludwig Held  , Karl Heinl, Friedrich W. Herzog, Rudolf Herzog  , Hans von Hülsen  , Paul Oskar Höcker  , Rudolf Huch  , Bruno W. Jahn, Hanns Johst  , Mag Jungnidel, Hans Knudsen  , Ruth Köhlers Irrgang, Gustav Kohne, Karl Lange  , Johann von Leers  , Heinrich Lilienstein, Heinrich Lerch, Otto Loerte, Herrybert Menzel, Gerhard Menzel, Alfred Richard Meyer  , Agnes Miegel  , Walter von Molo  , Borries Freiherr von Münch­hausen, Müller- Partenkirchen, Mühlen- Schulte, Ecard von Saso, Helene von Roftia Wallwig, Josef Ponten  , Rudolf Presber  , Hofrat Rehbein, Ilse Reite, Hans Ritter, Heinrich Schauwecker, Johannes Schlaf  , Anton Schnack  , Friedrich Schnat, Richard Schneider- Edenkoben  , Wilhelm von Scholz  , Lothar Schreyer  , Gustav Schroer  , Schussen( Wilhelm), Ina Seidel  , Professor Heinrich Sohnrey  , Dr. W. Seidel, Dietrich Spertmann, Heinz Steguweit  , Lulu von Strauß und Torney, Eduard Studen, Will Bejper, Magnus Wehner  , Leo Weißs mantel, Bruno Werner  , Zerkaulen, Hans Caspar von Zobeltig.

Seit einiger Zeit war bekannt, daß sich deutsche Schrift­steller, die das Naziland mit der Seele suchten, um das Zu­standekommen dieser Huldigungsliste bemühten. Es war nicht ganz einfach, und mit einigen gab es einen interessanten Briefwechsel, ehe sie sich entschlossen. Sie waren zwar bereit

Menzel und einige andere noch, um die es schade ist, dem Führerprinzip unterwerfen. Ueber den Häuptern des alten Johannes Schlaf  , des naturalistischen Mitkämpfers von Arno Holz  , von Max Halbe  , des Dichters der " Jugend", schweben die krachlederischen Hosen des Balladen Borries   von Münchhausen und der Rheinpokal des Romankitschgrossisten Rudolf Herzog  ! Dazwischen ein somnambuler Traum des Herrn Wilhelm von Scholz  , und siehe da!- auch Walter von Molo  , die Weimarer   Säule, die der alten preußischen Dichter­akademie vorstand und freiheitlich- republikanisches Herzblut verströmte.

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Wahrhaft, jeder und jede wären reif au einer kleinen Arabeste: früher und heute. Es wäre ein zu billiges Ver­gnügen. Die treuen Gefolgsmannen Adolf Hitlers  , die Friede, Arbeit, Ehre und Freiheit- wahrhaftig, auch Frei­heit!- bei ihm in guter Hut wissen; die die heiligsten Güter der Nation, nämlich die Freiheit des Geistes, der Kunst und der Gesinnung verschmieren, verprügeln und ver= brennen lassen; die schweigsam sind vor dem Schicksal ihrer nahen Freunde, die im Konzentrationslager entwürdigt werden oder im Eril darben- diese Bewahrer der Ehre des Vaterlandes läßt jeder dumme fleine SA.- Mann, der als Landsknecht   gedungen wird und Befehle ausführt, ohne zu wissen, was er tut, an menschlicher Würde vor den großen ethischen Richterstühlen erheblich hinter sich.

Freilich, es ist noch eine Frage offen. Diefe nämlich: wer hat nicht unterzeichnet? Trotz emfiger Be

arbeitung, trotz der Drohung, höheren Ortes gemeldet zu werden, trotz Aussicht auf Boykott und auf schmerzhafte Stockprügel auf den Magen? Es sind ihrer nicht wenige, aber wir werden es nie erfahren. Denn das ist die Grimasse dieser großen Zeit: für das offene Bekenntnis einer noblen Haltung und einer Kameraderie des Geistes wird man aus gestoßen und gezüchtigt, wird man Landesverräter, Pazifist oder gar Marrist und hat das Lumpenrecht zum Leben in diesem dritten Reich" verloren. Andreas Howald.

Hitler leent   tanzen

,, So geführt wurden wir noch nie!"

Wie die englischen Blätter aus Berlin   berichten, wurde den deutschen   Zeitungen verboten, auf die neueste Tätigkeit des Reichskanzler Hitler   hinzuweisen. Welch unerwartete Be­scheidenheit des Führers, von dessen Leben bisher die Zet tungen überquollen: der Führer, wie er spricht, schweigt, ißt, trinkt, grüßt, fliegt, fährt, denkt, droht, lächelt- und auf einmal sollen die Leute nicht erfahren, was der Gottbegna dete unternimmt? Die englischen Zeitungen plaudern aus, was die deutschen   ehrfurchtsvoll totschweigen: Hitler  

nimmt derzeit bei dem Ballettmeister der

Berliner Oper Tanzunterricht. Der Führer muß den bisher verabsäumten Tanzunterricht, wie die Engländer

und wer wäre das nicht?., für die Ehre ihres Vater­landes einzutreten, aber sie zögerten, dieses für sie selbst­verständliche Bekenntnis mit einem Treueakt für Hitler zu verbinden. Wir haben keine Möglichkeit die letzten Gründe dieser Gesinnungsentscheidung nachzuprüfen, die 88 Männer des deutschen Schrifttums vom Geist der Humanität und vom Menschlichkeit und der Freiheit trennt. Nur mit der Gabe der Einfühlung lassen sie sich in den Umrissen erkennen. wenn die deutschen   Zeitungen, die deutschen   Zeitschriften, die Es sind Leute dabei, die dem Hunger ausgeliefert wären, schmunzelnd mitteilen, mit Rücksicht auf die Repräsentations­deutschen Verleger nichts mehr von ihnen druckten. Andere wiederum sind Schriftleiter an nationalsozialistischen oder gleichgeschalteten Zeitungen, die auf der Ebene der Ge­sinnungswandlung schon einige Erfahrung befizen. Einige der Unterschreiber sind literarische Snobs mit dem un­bändigen Verlangen, für die jeweils herrschende Macht und im Angesicht des noch einigermaßen kauffräftigen Publi­fums in jedem Fall repräsentativ zu bleiben. Wir finden auch Namen von Schriftstellern darunter, die lange mit dem Gedanken umgingen, das dritte Reich" zu verlassen und sich Anstand zu erhalten. Wir können diese Namen leider nicht nennen. Denn übermorgen drohte ihnen Verlegerboykott, wenn nicht gar Konzentrationslager.

Von den Johsten, Schauweders, Benns und Stegu weits, den SS.  - Sturmführern des neudeutschen Schrifttums, braucht nichts mehr gesagt zu werden. Sie werden Leute wie Otto Flake  , den Weldfreund und Weltfriedensbeichter, den Ethiker und Sozialkritiker, Josef Ponten  , den Griechensänger, Oskar koerte, den früheren feinsinnigen Humanisten, die beiden Schnads, Mitarbeiter des asphaltliberalen Berliner Tageblatts", den ehemals radikal- jugendbewegten Schlesier Gerhard

pflichten bei den gesellschaftlichen Veranstaltung nachholen." Offenbar hat ihm zum großen Staatsmann nichts andres gefehlt als die tänzerische Ausbildung; wenn er auch tanzen kann, mit Rücksicht auf die erwachte Nation, im Interesse der Winterhilfe und ähnlicher gesellschaftlicher Veranstal­tungen, versteht sich, ist er der vollkommene Uebermensch Wir freuen uns schon heute auf die ersten Fotograften, auf denen die Exekutionen des neuen deutschen Reichs- Tänzers sichtbar sind. Die Jungfrauen werden in Seligkeit versinken und in ihre Poesiealben schreiben: So geführt wurde ich noch nie!"

Und das Volk? Wird es auch fünftig heißen: Ihr müßt tanzen, wie der Führer pfeift!?" Oder wird künftig der Führer tanzen und das Volt ihm etwas pfeifen?

Alles Recht in der Welt ist erftritten worden, jeder wichtige Rechtssatz hat erst denen, die sich ihm widers segten, abgerungen werden müssen, und jebes Recht, sowohl das Recht eines Boltes wie das einen eins

zelnen, setzt die stetige Bereitschaft zu seiner Be

hauptung voraus.

Die Großmutter des Windhunds Leipzig   sorgt für Russereinheit im Hundereich

Aus Sachsen   wird dem Neuen Vorwärts" geschrieben: Die Leipziger   Hunde lassen ihre mehr oder minder rein­rassigen Ohren hängen, feine Wurst schmeckt ihnen mehr und sie erfüllen die Straßen mit traurigem Gewinsel. Die Mermiten sind von der nationalen Erneuerung er­griffen worden! Der Stadtrat hat sich ihrer erinnert und hat seiner Entrüstung darüber Ausdruck verliehen, daß Mischehen unter den Vierbeinern der Stadt nicht selten sind und daß die Unsittlichkeit in erschreckendem Maße zunimmt. Um hinfort alle renitenten Tiere zu strafen, die selbst im Dritten Reiche" noch nicht begriffen haben, daß der Hunde­Adel aus Blut und Boden gewachsen, nicht geschändet wer= den darf, hat der Stadtrat zu Leipzig   in Sachsen   soeben eine Verordnung, die Hundesteuer betreffend, herausgegeben, nach der in Zukunft Bastarde und Hunde minderwertiger Rasse weiter 60,- RM. im Jahre zu zahlen haben, indes die edlen Rassehunde mit beglaubigtem Stammbaum nur 20,- RM. zu erlegen brau= chen, da es gilt, die deutsche Hundezucht zu heben.

Ihering.

Windhunde unsittlich nähert, an den Pranger gestellt wer­den. Vielleicht werden auch besondere Laternenpfähle für

die edlen Reinrassigen reserviert, um sie vor der Gesellschaft minderwertiger Unterhunde zu bewahren. Uebrigens trifft die Bestimmung, die auf die braune Tierfreundlichkeit ein

seltsames Licht wirft, wieder mal die ärmsten Teufel, benn wer sich für 1000,- RM. und mehr einen Stammbaum leisten kann, vermag auch die Hundesteuer spielend zu be­zahlen.

Es ist wirklich ungerecht, von Göbbels   und Gitler auf die Minderwertigkeit der Bastarde im allgemeinen zu schließen, nicht jede Hakenkreuzung muß derart mißglücken. Andererseits liefern die Hohenzollernprinzen, die neuer­

Habt ihr sie vergessen?

Habt ihr sie vergessen, die Herren vom Stabe mit Lampas und Tressen und Goldportepee? Durch Gräben zum Grabe wer wurde gefragt durch Dreck und Schnee hat man euch gejagt! Habt ihr sie vergessen, die blechernen Kragen, die sich in den Messen bei Wein und Juchhe  den Bauch vollgeschlagen? Da ihr stumm frepiert, ist das Goldportepee immer frech avanciert.

Sabt ihr sie vergessen, die Herrn Fabrikanten? Ließt ihr euch nicht pressen schmiß man ench ins Feld! Die Herrn Spetulanten, fie rechnen geschickt: Sie meinen, daß Geld den Trozz uns erstickt! Habt ihr das vergessen? Kein Pathos, Herr Dichter! Trop Kerfer und Richter Siegt übers Gelichter doch unsre Idee!

Wenzel Sladek.

Göbbels   bestiehlt und fälscht Schopenhauer  

Die berühmten Affen Europas  " sind nicht von Göbbels  , sondern von Schopenhauer   erfunden worden.( Reclam- Aus­gabe des handschriftlichen Nachlasses, Band 4, Seite 172). Ein paar Zeilen nach dem Affen- Aphorismus fährt Schopen­ hauer   fort: Den Deutschen   hat man vorgeworfen, daß sie bald den Franzosen  , bald den Engländer nachahmen: Das ist aber gerade das Klügste, was sie tun können: Denn aus eigenen Mitteln bringen sie doch nichts Gescheites zu Markte." Welches Schopenhauerwort also auch auf den Göb­ bels   zutrifft.

Arnold Schönberg   verläßt Europa  

Arnold Schönberg   ist nach Amerika   verpflichtet wor= den; noch in diesem Monat wird er sein neues Amt als Kompositionslehrer an einem Bostoner   Konservatorium antreten. Die Meldung von der Beurlaubung" Professor Schönbergs, der eine Meisterklasse für Komposition an der Berliner Kunstakademie leitete, die Nachricht von seinem Uebertritt zum einst von ihm aufgegebenen Judentum, den er im Sommer d. J. in Paris   vollzog, ist noch im Ge­dächtnis.

Deutschland   war dem heute 59jährigen, dem gebürtigen Desterreicher zweimal Wahlheimat einmal dem musi­

falischen Emigranten" der Vorkriegszeit, das zweite Mal

dem gereiften, wenn auch nicht vom großen Publikum aner­fannten Altmeister der musikalischen Moderne. Auch Europa  wird er verlassen, aus dessen Musikgeschichte er nicht mehr wegzudenken ist. Seine Gurrelieder  "( letzte Ausstrahlung der Linie Wagner- Mahler), seine Kammer- Symphonie" ( Quartenmusik), sein Pierrot Lunaire"( wichtigste Aus­wirkung und Fortführung des musikalischen Impressionis­mus), seine Klavier- und Orchesterstücke( 12- Ton- Musik) sind Marksteine auf dem Wege der Neuen Musik  ". Seine Musikdramen( Erwartung" und" Glückliche Hand") sind

trotz allem, was später kam das Zukunftsweisendste, das die deutsche Opernbühne je sah. Seine Harmonielehre ist das bisher einzige Kompendium moderner Musiklehre und Musiktheorie.

Es bleibt zu bedauern, daß keine der großen europäischen  Musikakademien den Versuch gemacht hat, den neben Stra­ winsky   bedeutendsten modernen Musikschöpfer und Musik­lehrer aus seiner Schule sind die Komponisten Alban Berg   und Anton von Webern   hervorgegangen, unbeein flußt von ihm ist von der jüngeren Musikergeneration wohl feiner geblieben dem europäischen   Musikleben zu er­halten. Man beglückwünscht Amerika   zu diesem Meister, Deutschland   ist- dant Hitler wieder um einen Charakter­Paul Walter. topf ärmer.

Kelsen   wird bedroht

Aus Genf   wird berichtet: Gegen Professor Hans Kel­ sen  , einen der größten Rechtsgelehrten Europas  , sind von deutscher   nationalsozialistischer Seite, wie die schweizer  Behörden erfahren haben, Drohungen ausgestoßen worden, die für die Sicherheit und das Leben Kelsens schwere Be­fürchtungen hegen lassen.- Professor Kelsen  , der zuletzt an der Kölner   Universität dozierte, hat Deutschland  , als das Hitlerregime zu wüten begann, sofort verlassen und in­zwischen einen Ruf an die Universität in Genf   angenom­men. Die Schweizer   Behörden, denen der Fall Theodor Les­

fing in schrecklicher Erinnerung ist, haben sofort umfassende Schußmaßnahmen getroffen.

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Warum der besondere Haß gegen Kelsen  ? Er ist Jude und der Schöpfer der österreichischen Verfassung. Er mußte gleich im März die Kölner   Universität verlassen, obwohl er sich niemals politisch betätigt hatte. Als er ging, hielt ihn feiner seiner Kollegen, die sich anderthalb Jahre zuvor die größte Mühe gegeben hatten, um ihn für Köln   zu gewinnen.

dings bei allen S.- Aufmärschen als Paradepferde mit­wirken, den Beweis dafür, daß auch ziemlich reine Rassen ,, Deutscher Acat"

degenerieren, und der Menschheit Schande bereiten können. Wie dem auch sei das Leipziger Straßenbild wird zweifel­los durch den Bastard- Boykott erheblich gesäubert werden, und wenn die Leipziger   Hunde nichts zu lachen haben, so wird die Welt über diese neueste Blüte an Hitlers   Rasse

Nun wird die Jagd nach der Großmutter auch im Tier­reich beginnen, nun wird eine Pinscherin, die sich einem baum desto mehr lachen.

Der NSD.- Aerztebund, Gau Hessen- Nassau- Süd, macht seinen Mitgliedern zur Pflicht, den Aufdruck Deutscher Arat" auf ihrem Arztschild anzubringen. Das ist die un­ausgesprochene, aber deutliche, öffentliche Aufforderung zum Boykott selbst zugelassener nicht- arischer" Aerzte.