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Fretheil

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Nummer 145-1. Jahrgang Saarbrücken , Samstag, den 9. Dezember 1933 Chefredakteur: M. Braun

Aus dem Inhalt

Die Unfruchtbarmachung

Seite 2

Ufa und Scheel

Seite 4

Röchling- Prozeß

Seite 5

Heimwehr mit Rizinusöl Seite 7

Insecatenteil beachten!

Hitlers Forderungen an Frankreich

Die

volle Revision des des Versailler Vertrages do

innar

Nach Informationen, die wir von unterrichteter und zu­rerlässiger Seite aus Berlin erhalten, hat Reichskanzler Hitler in seiner Unterredung mit dem französischen Bot­schafter vier Forderungen aufgestellt:

1. Eine sehr wesentliche Aufrüstung; 2. Ridgabe der Saar ohne Abstimmung; 3. Rüdgabe von Eupen Malmedy; 4. Freie Hand im Osten.

Diese Forderungen hat Reichskanzler Hitler in endlosen weitschweifigen Ausführungen begründet. Mit besonderem Rachorud und an der Hand eines genau ausgearbeiteten Manuskriptes hat er über die Saarfrage gesprochen, die im Interesse beider Staaten und Völker ohne Abstimmung zu= gunhen Deutschlands gelöst werden müsse. Art und Umfang der deutschen Forderungen haben in Paris abschreckend ge= wirkt, was aus der Zurückhaltung der französischen Presse und dem Ausbleiben jeder Antwort aus Paris hervorgeht. Der Reichskanzler persönlich ist nun aufs tiefste enttäuscht. Er ähnelt auch darin seinem weithin nachgeahmten Vorbild Wilhelm II. , der auch nie begriff, warum die Franzosen seinen Freundschaftsbeteuerungen nicht ohne weiteres

glaubten.

Hitlers Forderungen haben auch auf die britische Regie: rung starten Eindruck gemacht und ihr gezeigt, daß die von thr begünstigte Vermittlung zwischen Frankreich und Deutschland auf noch viel größere Schwierigkeiten stoßen wird, als das britische Kabinett angenommen hatte.

Infolgedessen bemüht sich England jezt, die geplante deutsch - französische Aussprache nur auf die Abrüstung zu beschränken und den Reichskanzler davon zu überzeugen, daß er seine Einzelforderungen zunächst zurückstellen müsse. Frankreich anderseits ist durch das außenpolitische Pro­gramm. das der Reichskanzler dem französischen Botschafter vorzutragen für gut fand, noch mehr in dem Willen bestärkt worden, ein deutsch - französisches Gespräch nur mit aller Vorsicht und unter genügender Rückendeckung bei England zu beginnen. Die gilt gerade auch für die Abrüftungsfrage. Die franzöfifchen Staatsmänner glauben nicht an die Mög lichkeit eines befriedigenden Ausganges der deutsch - fran­

zösischen Gespräche über die Abrüftung und wollen, daß Chaufemps reglert links

England, das so stark auf diese Unterhaltungen drängt, die Verantwortung für das etwaige Scheitern mitträgt. Das bedeutet also, daß Frankreich eine Verständigung mit Eng­land über die mit Deutschland zu verhandelnden Gegen­stände und die Grenzen des Entgegenkommens als Voraussetzung für den Beginn der deutsch - französischen Gespräche fordert.

Nicht minder wird Frankreich , ehe es sich mit Deutschland an den Verhandlungstisch sett, mit seinen öftlichen Ver: bündeten sich beraten. Der tschechische Außenminister Be= nesch hat, wie aus Prag gemeldet wird, eine Einladung nach Paris erhalten und gedenkt, spätestens zu Beginn der nächsten Woche, in der französischen Hauptstadt einzutreffen.

Paris , 8. Dez. Ministerpräsident Chau temps ist den Linksparteien dadurch entgegengekommen, daß er im Art. 6 seiner Finanzvorlage eine Verringerung der Kür­zung bei den unteren Beamtengehältern und die Beseitigung der in Artikel 12 vorge= sehenen Steuererhöhungen zugestanden hat. Dafür soll eine mäßige Erhöhung der Benzinsteuer ein­treten. Infolgedessen rechnet man mit einer Linksmehrheit für Chautemps. Die sozialistische Kammerfraktion hat allerdings am Donnerstag abend nur Stimmen Ihat­tung bei den erwähnten Artikeln beschlossen, während man vielfach mit einer positiven Abstimmung für diese Artikel gerechnet hatte.

Die Reichsregierung ist troß der fühlen Reſerve Frant: Schutz der Saar - Minderheit

reichs feft überzeugt, daß unter dem Drucke Englands eine deutsch - französische Unterredung zustandekommen wird und glaubt, daß die Verhandlungsbereitschaft auf der franzö= fischen Seite gewachsen ist.

Außerhalb des engsten Kreises um den Reichskanzler weiß man aber auch, daß nicht nur in Frankreich , sondern auch in England die Abschen vor der Hitler - Barbarei groß ist. Zwar versucht man immer wieder, den maßgebenden französischen und englischen Politikern flarzumachen, daß die nicht zu leugnenden Ausschreitungen vorübergehend seien. Es gibt leugnenden Ausschreitungen vorübergehend seien. Es gibt aber in beiden Ländern maßgebende Leute genug, die er­tennen, welche europäischen Gefahren im Wesen des Nationalsozialismus und den daraus entspringenden innen­und außenpolitischen Methoden liegen. Ein sehr urteils= fähiger und einflußreicher Engländer, der jüngst Deutsch : land bereifte, hat seinen Eindruck gegenüber englischen Staatsmännern in den Saß zusammengefaßt: Deutschland ist ein Land von Verrückten, die von Gangsters regiert werden".

Man wird begreifen, wie schwer es ist, bei einer solchen Beurteilung, die diplomatisch natürlich in sehr viel milderen Worten ausgedrückt wird, zu aussichtsreichen Verhandlungen zu kommen.

Eine französische Stimme

Der Figaro" schreibt: Man soll die psychologischen Pro­bleme des Saargebietes nicht verkennen, eines Gebietes, in dem das Prinzip noch herrscht, dem Frankreich traditionell am stärksten verbunden ist: das Recht der Völfer, in aller Freiheit über sich selbst zu bestimmen. Gäbe es an der Saar nur eine Minderheit von 1000, ja selbst von 100 Einwohnern, die der Rückgliederung nach Hitler- Deutschland feindlich gegenüberstehen, dürfte rank­reich sie ohne Volfsabstimmung den Sturmtrupps der Nazis ausliefern, denen die politische und individuelle Freiheit ihrer eigenen Volksgenossen so wenig gilf? mio

Ganz abgesehen von den wirtschaftlichen Interessen Frankreichs an einem Gebiet, das an fünfter Stelle auf der Liste seines Außenhandels ranaiert welche französische Regierung könnte es mit ihrer Ehre vereinbaren, ein solches Vorgehen gegen Menschlichkeit und Gerechtigkeit zu billigen? Litwinow elligst

Berlin , 8. Dezember. Der russische Volkskommissar Sit­winow hat Berlin schon nach wenigen Stunden Aufenthait verlassen Er hat keine Verhandlungen mit irgendeiner Stelle der Reichsregierung geführt.

Christentum als Geisteskrankheit

Der Aufstand gegen den Sinai- Gott"

Die Niederlage der Nationalsozialisten auf firchenpoli­tischem Gebiete ist so deutlich geworden, daß der Reichs­tanzler versucht, eine Rückzzugslinie für seine von dem alten Protestantengeist zurückgedrängten braunen Scharen zu finden. Er hat zugestimmt, daß die Glaubensbewegung der Deutschen Christen " aufgelöst wird, wenn gleich­seitig sämtliche firchenpolitischen Organisationen einschließ lich des Pfarrernotbundes verschwinden.

Die katholische Kirche ist zwar noch ruhig, aber sie verhehlt ihre Sympathien für den Glaubenskampf der Protestanten gegen das neuheidnische Germanentum der Nationalsozia= listen nicht. Der Münchener Kardinal Faulhaber, der starf im Gegensatz zu dem hitlerischen Schleppenträger Erz­bischof Dr. Gröber in Freiburg ein grimmiger Gegner des dritten Reiches ist, hat in seiner Adventspredigt in der Münchener St.- Michaels- Hofkirche den evangelischen Blau­bensbrüdern ein Bündnis zur gemeinsamen Abwehr der Angriffe auf das Alte Testament angeboten.

Der Kardinal begann damit, daß in bestimmten Streisen heute die Forderung erhoben werde, das Alte Testament zu beseitigen und die Kinder nicht mehr mit den Ge: schichten von Abraham zu plagen". Auch Christus selbst sei als Jude abzulehnen, und man versucht, ihn durch seine Mutter, obwohl sie aus dem Hause Davids stamme, zum Arier umzufälschen. Damit werden die Grundlagen des Christentums berührt. Da tönne der Kardinal nicht schweigen. Nicht Blut, sondern Glaubensbeziehungen bilben die Grundlagen der Religion, erklärte er.

Die Evangelische Rorrespondena" wirft in ihrer Nr. 48 den Deutschgläubigen" vor, daß fie eine Gottlosenbewegung in nationaler Aufmachung seien und ein getarnter Boliche­wismus. Aus einem der deutschgläubigen" Bücher wird folgender Abschnitt zitiert:

Erst heute beginnen wir, von der Geistes: frankheit des Christentums wieder zu ge= nesen. Aber in all unserem Denken und Tun zitiert die Psychose noch nach. Es ist, als wären wir noch gelähmt durch den lebens- und wirklichkeitsfeindlichen Geistglauben dieser Religion... Volf unterm Kreuz! Ueber tausend Jahre haben wir Deutschen das Kreuz von Golgatha getragen, das uns Winfried- Bonifatius, den sie den Apostel der Deutschen " nennen, auferlegte. Und wir haben darunter gestöhnt und geblutet wie kein anderes europäisches Bolt, weil wir bis heute keine rechte Form gefunden haben, die Fremdreligion anzueignen oder abzuwehren oder sonstwie für unsere Entwicklung unschädlich zu machen... Deshalb ist es auch fraglich, ob die heutige deutsche Freiheitsbewegung, die ausdrücklich auf dem Boden des positiven Christentums steht, jemals ihr Ziel, die Einswerdung und Freiwerdung der Dent schen als Bolt, erreichen wird. Der Weg hierzu geht über die Ausmerzung jeder Art Fremdreligion. Wer das Christentum in seiner römischen Form erhalten will, erhält die Zwietracht der Deutschen . Man kann aber nicht das Golgathakreuz mit dem uralt nordischen Wende: trenz vertauschen, ohne zugleich an Stelle des Christen= tums die Deutschreligion zu sehen. Auch diese Be= freiungstat wäre nur eine halbe Maßnahme und würde ebensowenig zum Ziele führen wie Luthers und Bismards Wert... Die christlichen Strafgerichtsideen, Fegfeuerwahn und Jüngstes Gericht, die littlich sehr zweifel haite Lehre vom gefallenen Menschen und vom römischen Gnadenmonopol haben es vermocht, daß das Bolk der Gimbern und Teutonen, der Goten und Bandalen, die das kaiserliche Rom zerschingen, ihrerseits vom päpstlichen Rom endgültig besiegt und

überwunden wurden. Besiegt und überwunden bis auf den heutigen Tag. Denn nur durch diese raffis nierten feelischen Machtmittel, die wie ein Gift in der reinen und wehrlosen Seele der Germanen weiterfraßen, konnte der 3auberer von Rom es erreichen, daß unsere Vorfahren vor tausend Jahren sich die Zwangschristianisierung gefallen ließen, eine gepredigte Religion mit ihrer gewachsenen vertauschten, den arts eigenen Glauben mit einer zurechtgemachten Lehre und mit Dogmengehorsam, das Naturgöttliche des nordischen Kultus mit dem halbasiatischen Sinaigott, dem Lohn- und Strafgott der Juden, ihre landgeborene uralte Mythologie mit einer in fremder Sprache einem längst­versunkenen Mittelmeervolt angeblich geoffenbarten Heiligen Schrift, die Reinheit ihrer Ehefitten mit einer " Kultur", welche durch römische Priester in Deutschland eingeführt worden war... Das fatholische Pfarrhaus, in dem der unfruchtbare androkratische Geist der Selbsts betrachtung regiert, hat aber nie etwas für uns Deutsche geboren, nichts Großes und nichts Kleines.

Man muß sich nur wundern, daß jetzt evangelische und katholische Fromme gemeinsam sich über solche Gedanken­gänge wundern. Was die Deutschgläubigen" verkünden, steht alles in dem Buche Alfred Rosenbergs Mythos des 20. Jahrhunderts". Dieser Mann, der wie kein anderer den kulturpolitischen Willen der Nationalsozialisten geformt hat, und seit 18 Jahren der maßgebende geistige Berater Hitlers ist, hat stets das Christentum mit mehr Verachtung als Haß abgelehnt. Er hat vom Papst nie anders als vom Medizin­mann" gesprochen und den Ratholizismus stets den Zauber­religionen der Primitiven gleichgesetzt. Das alles wußten die Führer sowohl der evangelischen wie der katholischen Kirche . Und dennoch haben sie sich aus recht irdischen poli­