Deutscfie Stimmen Beilage zur Deutschen Freifieit" Ereignisse und Geschichten
Freitag, den 29. Dezember 1933
Weihnachten im Konzentrationslager
Hermann Grote und der junge Karl schliefen nun schon lange Monate nebeneinander. In vielen Nächten, wenn die Schreie der Verhörten sie geweckt und den Schlaf vertrieben hatten, war ihr Flüstern zu hören gewesen. Sie hatten sich ordentlich aneinander gewöhnt.
Früher, im Sommer 1932 noch, als sie ihre Zelte am Müggelsee wieder bezogen hatten, gings oft schwer mit der Verständigung. Hermann Grote , schon hoch in den Sechzigern, lebte zurückgezogen und interessierte sich nicht viel für Politik. Seine Frau war schon lange tot, Kinder hatte er keine mehr, seit sie den einzigen Sohn im letzten Krieg irgendwo in Frankreich verscharrt hatten. Als er auch den Weg in die AEG. nicht mehr zu machen brauchte, der durch Jahrzehnte zu ihm gehört hatte wie ein lieber Mensch, war er noch stiller geworden.
Natürlich hatte er nie einen Hehl daraus gemacht, immer rot gewählt zu haben. Auch am 1. Mai und bei mancher Demonstration fehlte er nicht.
An manchem Abend aber saß Karl bei ihm, dann diskutierten sie, oft bis in die Nacht. Mehr als einmal war Karl, der schon seit Jahren aktiver Funktionär der Arbeiterbewegung war, wütend losgerannt, weil er nicht begreifen konnte, daß Hermann Grote Stunde um Stunde seine Pfeife raucht und zuschaute, wie die Genossen den schwersten Kampf um ihre Freiheit und Rechte zu bestehen hatten.
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Es war im letzten Sommer. Eigentlich hatte sich kaun etwas in ihrer Zeltstadt verändert. Nur so eigentümlich still war es jetzt überall geworden. Franz Schubert , ihr Zeltstadtobmann, war schon lange fort. Viele Wochen hatten sie nicht gewußt, wo er steckte, bis eines Tages in den Berliner Zeitungen stand: Beim Fluchtversuch aus dem Konzentrationslager Oranienburg wurde der Arbeiter Franz Schubert erschossen! Ja, da wußten sie wieder, wo ihr Franz immer zu finden sein wird.
Bei einer erneuten ,, Reinigungsaktion der SA. zur Säuberung der Zeltstädte von marxistischen Elementen, die dort noch immer ihr Unwesen treiben", wurden auch Hermann Grote und der junge Karl verhaftet.
So kam es, daß sie viele Monate nebeneinander lagen.
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Inzwischen ist es Winter geworden. Unerwartet früh hat er sich an einem Morgen mit schneidend- kaltem Ostwind beim Rundgang im Hof des Konzentrationslagers angekündigt. Und als zwei Tage drauf gleich nach dem Wecken vier Mann zum Schneefegen heraus mußten, da wußte es jeder: jetzt ist der Winter da. Jetzt quält uns nicht nur der Hunger, und nicht nur Stahlrute und Peitsche werden unsere zerschundenen, ausgehungerten Leiber mißhandeln, nun auch noch die Kälte.
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,, Verflucht," sagte mittags einer ,,, wie soll das nur werden.
Frost, nicht genügend Decken. Kein warmes Zeug. Dabei dieses kleine Heizungsrohr, das kaum eine Hundehütte warm kriegt. Da krepieren wir ja alle!"
,, Sag mal, Karl," meinte eines Tages Hermann Grote , ,, bald ist doch Weihnachten. da können die Angehörigen besondere Pakete schicken, mit Lebensmitteln und Zeug. Das war doch immer so, was?...
was
Paß auf. da kann es doch noch sein, daß sie uns Richtiges einpacken. Was die Minna ist, meine Schwester, bei der meine Sachen jetzt sind, die denkt gewiß daran. Ja, bestimmt wird sie mir das dicke Unterzeug mitschicken. Und auch etwas Gutes zum Essen. Was meinst Du, Karl?"
Aber niemand antwortet. Wieder ist es still in dem Raum. Mehr als dreißig Männer hängen ihren Gedanken nach. Die meisten hocken auf den Pritschen. Hin und wieder steht jemand auf und geht ein paar Schritte.
Karl steht in der Nähe des Fensters, dem einzigen in dem Loch, das mehr eine Dachluke ist. Herausschauen ist zwar verboten und Zuwiderhandeln mit Erschießen bedroht, seit im Herbst der Leichenwagen von vielen Gefangenen im Hof gesehen worden war. Aber manchmal muß man hinausschauen.
Die Dächer des nahen Dorfes sind weiß, und dahinter steigt weißer Rauch einer Lokomotive in den grauen Winterhimmel. Rechts ragt der Kirchturm aus dem Geäst kahler, schneebedeckter Baume. Zur linken Hand dehnt sich weit das winterliche Land.
.., Bald ist Weihnachten. Wie sagt man doch, was es für ein Fest ist?" Karl dreht sich herum, man weiß nicht genau, hat er gefragt oder redet er mit sich selbst. Aber da sagt er schon: Fest der Liebe" ja, so nennen sie es. Und wie
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oft schon haben sie erzählt, daß ,, Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen" werden soll. Zum wieviel tausendsten Male schon," er hält inne. Draußen im Gang nähert sich der Schritt der SS.- Wache. In die dunkle Fläche der Tür fällt ein Loch, ein schmaler Lichtstreifen steht für Minuten im Rahmen.
Die Tage gehen hin. Immer wieder ist die Hoffnung auf den Weihnachtstag mit Paketempfang Gesprächsstoff gewesen, zumal die Kälte schärfer geworden ist.
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Am Weihnachtsmorgen standen beim Frühappell die Gefangenen in langer Front auf dem Hof. Der Lagerkommandant begann mit der unvermeidlichen Morgenansprache heute so: ,, Das nationalsozialistische Deutschland hat mit aller Humanitätsduselei ein für allemal Schluß gemacht. Jetzt wird Strafe wieder Strafe sein. Ich habe deshalb folgende Verfügung vorzulesen: Zum diesjährigen Weihnachtsfest dürfen den Gefangenen in Deutschland keine Weihnachtspakete mit Lebensmitteln und sonstigen Dingen übersandt werden!" Klaus Platter.
,, Abtreten!",
Die Mätresse des Schwarzen"
Dec Lump, dec Sultan , das Mädchen und die Kölnische Illusteiecte"
Jüngst machte eine Straßburger Verkäuferin auf unangenehmste Weise die Bekanntschaft des ,, dritten Reiches". Sie kam nicht gerade ins Konzentrationslager oder in die SA... Kaserne aber in die gleichgeschaltete Presse, und ob jemand in eine Nazizeitung oder in die Jauchegrube fällt, das kommt ungefähr auf eins heraus:
Die kleine Verkäuferin aus dem großen Warenhaus dachte nicht im Traum an das ,, dritte Reich", sie dachte an den Sultan von Marokko , dem vorgestellt zu werden sie berechtigte Hoffnung zu haben glaubte. Da wohnte nämlich auf dem gleichen Flur, auf dem ihr möbliertes Stübchen liegt, ein Ehepaar, ein besseres Ehepaar sozusagen. Der Herr war immer sehr freundlich und machte auf das Mädchen
Urteil gefällt: die einst hochangesehene deutsche Presse ist nach der ,, nationalen Erhebung" auf das Niveau schmutzigster Skandal- und Erpresserblätter herabgesunken, zur Schürung des Rassewahns und Völkerhasses ist ihr jedes, auch das übelste Mittel recht. Saubere Journalisten verbitten es sich, von gleichgeschalteten Zeitungsschreibern mit ,, Kollege" angesprochen zu werden, ein neudeutscher Presseausweis öffnet seinem Inhaber jede Tür nach außen.
Wo lag Bethlehem ? Wo stand Nazareth? Wo der Stern, von dem Die Verheißung weht? Wo lag Golgatha, da der Herr verging? Er, an dem geschah
Kreuz und Dornenring?
Wo die Büßerin,
die im Tränentau seine Spur ging hin
in dem Kleide blau?
Wo erscholl das Wort hell vom Bergeshang? Ist es uns verdorrt? Blühts noch im Gesang?
Keltert man die Frucht? Erntet man sie ein? Wieder auf der Flucht, müd bei Brot und Wein?
Wieder Gottes Sohn jagt man durch die Welt. Kreuz und Schächerhohn sind schon aufgestellt.
Hört! Sie sagen laut: Erntet Gottes Lohn! Liebt die Gottesbraut! Preist den Gottessohn!
Eh der Hahn nicht kräht dreimal in das Licht:
der Verräter geht, der die Lüge spricht.
Täglich kräht der Hahn dreimal in das Licht und der Natternzahn des Verrates sticht.
Die Verheißung ward Formel, Spiel und Fluch. Eine Faust schloß hart Gottes heiliges Buch.
nicht mehe voe„ Gott dem Gerechten" Das jüdische" Dankgebet
Die sächsische Kirchenregierung hat folgende Verordnung erlassen:„ Der Wortlaut des Niederländischen Dankgebets, der schon seit langem durch den unchristlichen Geist, den er atmet, Anstoß erregt hat. wird immer untragbarer als das Geistesprodukt eines jüdischen Verfassers. Die Ersatztexte, die hier und da aufgetaucht sind, befriedigen jedoch nicht ganz. Es ist deshalb wünschenswert, daß ein neuer Text gefunden werde, der sich zur allgemeinen Einführung eignet. Nachrichten über etwa vorhandene bessere Texte oder Einsendungen neuer Vorschläge werden an das Evangelischlutherische Landeskirchenamt erbeten."
Bei den Nazi- ,, Siegesfeierlichkeiten" des 30. Januar war das jüdische" Niederländische Dankgebet offizielles Schlußlied.
Der braune Kunstbesen
einen so vertrauenerweckenden Eindruck, daß sie ihm ohne Beurlaubt, pensioniect, entlassen- Dec Aufmarsch der Minderwertigen nach dem Kehcaus
weiteres Glauben schenkte, als er ihr eines Tages erzählte, der Sultan von Marokko werde demnächst das Elsaß bereisen, wünsche jedoch zuvor einen Beweis dafür zu erhalten, wie freundlich seine Landsleute in Frankreich aufgenommen werden. Er, der Nachbar unserer Verkäuferin, sei dazu auserwählt, ein solches Dokument zu beschaffen. Wenn sie sich das Wohlwollen des Sultans zu erwerben wünsche, so brauche sie sich nur mit einem farbigen Soldaten fotografieren zu lassen weiter nichts. Das Bild solle dann dem Sultan mit Flugzeug übersandt werden.
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Vor dem Mädchen tat sich im Handumdrehen eine leuchtende Filmkarriere auf. Nicht mehr mit müden Füßen hinterm Ladentisch stehen und ein freundliches Gesicht schneiden, wenn einen die nörgelnden, ewig unzufriedenen Kundinnen stundenlang plagen, um am Ende mit einem Bandrest oder einem Knopfdugend abzuziehen! Nicht mehr vor der Entlassung bangen das wäre ein Leben! Der Preis: eine Fotografie! Was gabs da lange zu überlegen? Als die Ehefrau des Nachbarn eines Sonntagsmorgens erschien, um das Mädchen abzuholen, hing das beste Kleid schon frischgebügelt am Rechen. Der Fotograf wartete, der farbige Schütze wartete. die Aufnahme wurde gemacht.
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Und acht Tage später traf die kleine Verkäuferin einen Freund, der ihr stirnrunzelnd eine Zeitung entgegenhielt- die..Kölnische Illustrierte". Das Mädchen schlug sie auf. wurde sehr blaß. Mitten in einer Bildserie..Dokumente aus der schwarzen Armee", die den Text trug: Und diese Menschen sollen gegen Weiße kämpfen", sah sie ihr eigenes Bild, das an den Sultan geschickt werden sollte. Darunter stand: Die Mätresse des Schwarzen". Diese Geschichte wurde nicht von uns erfunden, derart Hirnen deutscher Rasseschnüffler entspringen. Das Mädchen
Wie der Amtliche Preußische Pressedienst mitteilt, hat der Herr Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, Rust , im Laufe der Neuorganisation der preußischen Kunstverwaltung bisher folgende personelle Aenderungen verfügt: Es werden beurlaubt, pensioniert und entlassen:
An den Meisterateliers bei der Preußischen Akademie der Künste : Direktor Professor Bruno Paul ;
an den Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst Berlin : der Direktor Professor Poelzig, die Professoren Schlemmer, Weiß, Hofer und Reger, die Lehrer Kaiser und Täuber, Professor Edwin Scharff wurde als Lehrer an die Kunstakademie in Düsseldorf , der Kustos Professor Sörrensen an die staatlichen Museen in Berlin versetzt;
an der Kunstakademie Düsseldorf: der Direktor Dr. Kaesbach, die Professoren Aufseeser, Moll, Heuser, Campendonck, Mataré, Holzmeister und Albrecht;
Professor Grund, die Professoren Kersting, Radziwill, Humer und Peiner, der Lehrer Schwarzkopff;
an die Meisterateliers Breslau : Professor Zimbal als Leiter. Professor Merz;
an die Meisterateliers Königsberg : Professor Frick als Leiter, Professor Wissel;
an die Kunstschule Berlin : Direktor Professor Kanoldt , die Professoren Schorling und Schrimpf, die Lehrer Dr. Biedrzynski und Higgemann;
an die Staatlichen Museen: der komm. Generaldirektor Professor Dr. Kümmel und die komm. Direktoren Professor Dr. Koetschau und Prof. Dr. Hermann Schmitz , ferner Dr. Wühr und der Dr. Trautwein;
an die Nationalgalerie: Direktor Dr. Hanfstängel;
an die Musikhochschule Berlin: der Direktor Professor Dr. Stein, die Professoren Lohmann, Grümmer, Dr. Bieder,
an den Meisterateliers in Breslau : die Professoren Mol- Strub, Mahlke, Schmalstich und Vollerthun; zahn, Rading, Scharoun , Muche und Bednorz; zahn, Rading, Scharoun , Muche und Bednorz;
Leipziger- Heuschner, Professor Dr. Fischel, Dr. Hilker.
an der Kunstschule Berlin : Professor Laß, die Lehrer Frau
in der Nationalgalerie: der Direktor Geh.- Rat Professor Dr. Justi, der Kustos Professor Dr. Thormaelen wurde an das Landesmuseum in Kassel versett;
an der Musikhochschule Berlin: die Professoren Prüwer, von Hornbostel, Feuermann, Dr. Daniel Kreutzer, Dr. Sachs und Frau Pfeffer, die Lehrer Frau Löbenstein , Dr. Streliter, Borris- Zuckermann, Frau Waburg, Eisner, Jeidels und Schlesinger, der Direktor Professor Dr. Schünemann wurde in cine Lehrerstelle der Anstalt übernommen;
an der Musikhochschule Köln: Direktor Professor Braunfeld, die Professoren Jolles, Vittels und Hofmüller.
Neu berufen wurden: An die Vereinigten Staatsschulen für Kursell, Erik Richter, Wehlte, Lenk, Zaeper und Vocke, der Kustos Wendland ;
zählen, einem Anwalt übergeben, und die Gerichte werden freie und angewandte Kunst, Berlin : die Professoren von sich demnächst damit befassen. Die öffentliche Meinung- das kommt in den außerdeutschen Blättern deutlich zum Aushat schon vor der richterlichen Entscheidung ihr
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an die Kunstakademie Düsseldof: der komm. Direktor
an die Musikhochschule Köln: der Direktor Professor Abendroth.
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Es ist, mit geringen Abwandlungen, immer das gleiche Bild. Die Tüchtigen und die Könner werden verjagt, teils, weil sie nicht die vorgeschriebene Rasse besitzen, teils, weil sie den neuen Kunstpäpsten nicht in die Linie ihrer nationalsozialistischen Aesthetik passen. Darunter sind Architekten wie Pölzig , Maler wie Weiß, Hofer und Schlemmer. Justi und Thormaelen von der Nationalgalerie werden in die Provinz verbannt, um Hitlers Günstling Hanfstängel Platz zu machen. Wer das Intrigenspiel hinter der Fassade von Museen, Kunstakademien und Musikhochschulen kennt, der weiß, welch ein Postenkampf auf dem großen Schlachtfelde der Abgesetten entbrannte. Wer den kräftigsten Schnabel besaß, bekam den fettesten Bissen, der jetzt seinen Mann nährt. Für die Kunst beginnen im Zeichen der braunen Vetterles wirtschaft die mageren Jahre, gemildert durch arische Aeolsharfen,