Deutsche   Stimmen Beilage zur Deutschen Freiheit"

Sonntag- Montag, den 4. und 5. Februar 1934

Neues Horst- Wessel- Lied

Die Wirtschaft:

Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen, zum Sozialismus führt Minister Schmitt! Kapitalisten, die das Geld ihm vorgeschossen, marschieren mit Gott   und Adolf Hitler   mit.

Der Wirtschaftsführer ist Herr August Thyssen  , ein Sozialist von neuem Schrot und Korn.

( SA.   murrt drohend: Adolf  , hast uns schön beschissen den Sozialismus schuf der Herr im Zorn!)

Der Doktor Feder macht die Kommentare,

den Text jedoch, den macht die Industrie.

Das dritte Reich" ist für'n Profit' ne prima Ware: so ungehemmt war Ausbeutung noch nie!

Die Unternehmer sind vergnügt und grinsen:

Der Adolf Hitler   ist ein treuer Knecht,

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er bricht mit allem außer unsern fetten Zinsen, hier zeigt sich deutsche   Treue wahr und echt.

Man spuckt auf Warenhaus und Einheitsläden, indes das Kapital die Arbeit würgt.

Der kleine Mann hält sich an große Führerreden: , Der deutsche   Sozialismus bleibt verbürgt!

Akademische Führerbildung: Die Straße frei den Kommiliteutonen, Wehrsport ist Trumpf, ein Dreck die Lernerei! Studieren heißt jetzt, Hirn und Denken möglichst schonen, der Wissenszwang ist Gott   sei Dank vorbei.

Jetzt fallen nur Dozenten durchs Examen, die ihren Arm nicht hitlertreu gereckt.

Ans Schwarze Brett klebt man die unliebsamen Namen: , Professor Cohn hat rassisch' nen Defekt!"

Und stud. med. Krause, dreimal durchgefallen, ist heut der Herr der Universität,

Von Lot Anker

Dem Herrn Reichspropagandaminister zur Jahresfeier des ,, dritten Reiches übereignet. vor dem die Professoren wedelnd Hacken knallen, weil Krause hier als Vorgesetter steht,

Die Presse  :

Die Spalten frei für Schmuser und für Schmöke! Wenn Göbbels   pfeift, dann heißt's den Stift gezückt! Schießt Hitler   ein paar auslandsscharfe Redeböcke weh' dem Bericht, der die nicht unterdrückt!

Es drängen sich die braunen Journalisten, ein jeder möcht' dem Göbbels hinten' rein, doch der läßt sich so leicht von keinem überlisten: Gesinnungsschmutz- gut. Aber rasserein!

Für Hoflakaien- Lyrik ist jetzt Hausse.

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Wer gestern schwarzrotgold noch, strahlt heut' braun. Fix war'n die Herrn vom nicht ganz kosch'ren Hause Mosse  und mancher Dichter ward zum Zirkusclown.

Bilanz:

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NS.  - Partei wer wollte sie nicht wählen, als sie noch nicht an der Regierung war! Von Brot und Arbeit ließ sich jeder gern erzählen doch Brot und Arbeit sind heut' reichlich rar!

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So blüht und wächst das Reich der gleichen Schaltung und vielen wächst es schon zum Halse' raus. Das Stimmungsbarometer neigt sich auf Erkaltung. In Luthers Kirche tobt ein Sturmgebraus.

Noch schwillt der Kamm den braunen ,, Volksbefreiern", SA. marschiert solang der Sold noch zieht. Doch geht's nicht ewig so mit diesem Festefeiern, man singt schon heimlich euch das Abschiedslied:

Ereignisse und Geschichten

Literatur der Wotanschristen

Gemeinden freien deutschen Glaubens

Unter dem Titel, Deutscher Glaube" beginnt eine neue Zeitschrift im ,, Dienste der Deutschen Glaubensbewe gung" zu erscheinen. Das Blatt will ,, deutsche   Gottschau, deutsches Welterleben und germanisch- deutsche Sittenlehre weg- und zielweisend herausarbeiten... Die beim Aufbau von Gemeinden eines freien deutschen Glaubens unentbehr­lichen Anregungen und Richtlinien für eine neue religiöse Führung, für Feiergestaltung, für die Vermittlung und Ver­tiefung religiösen Erb- und Gegenwartsgutes zu geben, wird eine ihrer vordringlichsten Aufgaben sein." Herausgeber ist J. W. Hauer, Tübingen  ; Mitarbeiter: Ernst Bergmann  , L. F. Clauß, Ludwig Fahrenkrog  , Hildulf R. Flurschütz, Georg Groh, F. K. H. Günther, Hermann Mandel, Graf Revent­lov, Friedbert Schultze, Georg Stammler  , Hermann Wirth  .

Zeit- Notizen

Führer und Gefecht. E. S. Mittler und Sohn bringt: ,, Unter­führer- ABC". Ein Handbuch für Lehrer und Schüler... In gedrängter Form gibt es einen Ueberblick über den wichtig. sten Ausbildungsstoff und die Ausbildung des Unteroffizier­ersatzes. Auch die Waffen und Kampfmittel sind behandelt, die uns durch das Versailler Diktat verboten, wurden, deren Kenntnis aber für die Ausbildung des Soldaten unerläßlich ist. Gerade das macht das Buch besonders wertvoll." Wei­ters: Die Gruppe im Gefecht" sehr nützliches Hand­buch für die Ausbildung in den Kompanien." Bei Abnahme von 50 Stück 25 Prozent Rabatt.

Die Preise hoch! Der Verleger Oldenbourg  , Führer des deutschen Buchhandels, klagt in einem Aufruf vom 18. Janu ar, daß die Buchhändler einander bei Lieferungen ins Aus­land unterbieten. Maßnahmen dagegen werden von den Buch­handelsführern vorbereitet. Das Jammern hilft nichts; man schmeißt einem im Ausland die deutschen Bücher nach; wir sind in der Lage, aus dem Verlag Oldenbourg etwa in Sofia  , Budapest   oder Rom   jedes Buch und jede Zeitschrift um 20 bis 50 Prozent billiger als im Reich zu beziehen.

Noch ein Führer, Staatssekretär in der Reichskanzlei Dr. Lammers ist Führer des Reichsverbandes Deutscher Ver­waltungsakademien" geworden. Das Ziel der Verwaltungs­

Die Straße frei den Gläubiger- Millionen! Dem ,, dritten Reich" samt Hilter   einen Tritt! Betrognes Deutschland, jagst du fort die braunen Drohnen, akademien ist die Durchdringung aller Beamten mit der marschiert das ganze Volk zum Kampfe mit!

nationalsozialistischen Weltanschauung".

Intellektuelle

Gewöhnlich nennt man als die Schichten, deren Ausrottung von Hitler   erstrebt wird, die Juden und die Marxisten. Man muß jedoch noch eine dritte hinzufügen: die Intellek tuellen. Jeder braune Landsknecht   wird freilich über diese Gruppierung lachen: für seinen begrenzten Horizont ist ein Intellektueller entweder ein Jude oder ein Marxist. Wäre das wirklich so, dann würde das für Juden und Marxi­sten ein großes Kompliment sein. Aber bei aller Anerken­nung der Tatsache, daß die Lehre von Karl Marx   zahlreiche denkfähige Menschen in ihren Bann gezogen hat, muß man doch feststellen, daß der Kreis der denkfähigen Menschen weit über ihre Anhänger hinausgeht, und diesen Ueberschuß kuzerhand den Juden zuzurechnen, wäre eine schwere Be­leidigung des deutschen Volkes. Allerdings werden sich Intellektuelle nicht häufig einer Bewegung anschließen, der die menschliche Intelligenz als verdächtig, ja minderwertig gilt.

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Allerdings erwarte ich hier den Einwand: Es kommt doch niemand allein deswegen in ein Konzentrationslager, weil er Intellektueller ist! Das wird auch nicht behauptet. Aber man nehme einmal die Parallele: was gestaltet das Schicksal der Juden in Deutschland   so aussichtslos die wilden Exzesse Streichers und seiner Spießgesellen, die gelegent­lichen Prangeraufzüge und Folterungen, oder ist es nicht der stille, alltägliche, Boykott? Ganz ähnlich liegt der Fall der Intellektuellen: jeden Tag bröckelt lautlos ein Teil der Grundlagen ab, auf denen ihre geistige und wirtschaft­liche Existenz ruht.

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Intellektuell ist der Mensch mit beweglichem Geist, der durch die Feinheit seiner Empfindungen, seines Urteils, seines Geschmackes, durch die Tiefe seines Denkens und bis­weilen auch durch die Fähigkeit, diese Feinheiten und Tiefen seiner Umwelt mitzuteilen, über den Durchschnitt hervor­ragt. Intellektuell ist der Mensch mit der angeborenen Liebe für das Geistige, der das Geistige weshalb eben nicht jeder Arzt, Redakteur oder Zeitungsschreiber intellektuell ist nicht nur zu seinem Beruf macht, sondern zu seinem Lebensstil erhebt. Was aber soll dieser Mensch in einer Umwelt, die zu ihrem Lebensstil das Ungeistige, die Gewalt, den Instinkt macht?

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In der Atmosphäre des dritten Reiches" fehlt jener Ozon, ohne den der Intellektuelle nicht leben kann. Täglich schlägt an sein Auge, an sein Ohr, was sein Denken verletzt. Aber die geistige Nahrung, nach der er sich sehnt, fließt immer spärlicher. Die gesinnungstüchtige Banalität flegelt sich breitspurig in den ehemaligen Gärten des Geistes und, der Schönheit. Die Oede im Theater, in den Zeitungen, im Rundfunk wächst von Tag zu Tag. Die Machthaber bemerken es selber, die Totlangweiligkeit ihrer gleichgeschalteten Gazetten ekelt selbst sie an, und die Göbbels   und Ammann schreien alle Tage die verängstigten Pressekulis an: ,, Werdet bunt, werdet mannigfaltig!" Aber dann genügt es, daß ein so bekannter Autor wie der österreichische Dramatiker Schön­herr sich öffentlich zum Geiste der Humanität bekennt, daß dieselben Leute ein Gekreisch nach einem Aufführungsverbot für alle Dramen Schönherrs erheben!

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Gewiß haben einzelne Intellektuelle den Individualismus zur Verschrobenheit gesteigert, haben einzelne Ichnaturen das Persönliche überbetont und damit wie alle Aus­artungen eine Reaktion hervorgerufen. Aber die Ver­achtung, die das Hitlerreich den Intellektuellen als solchen bezeugt, entspringt einer völligen Verkennung der Bedeu­tung, die die ziffernmäßig winzige Schicht im Volksganzen hat, ähnlich den Hefebazillen im Brotteig. Heute zeigt sich bereits, daß das gesamte Geistesleben, sogar rein wirt­schaftlich betrachtet, ohne die Intellektuellen abstirbt. Nicht etwa nur, weil diese die besten Bücherkäufer, die eif­rigsten Theaterbesucher usw. waren. Selbst das würde bei der Kleinheit der Schicht den gewaltigen Rückgang des Bücherverkaufs, des Theaterbesuchs usw. nicht erklären.

Die ganze Atmosphäre des dritten Reiches" ist ihnen feindlich. Der Intellektuelle gilt ohne weiteres als, wurzel­los", als, volksfremd", wahrscheinlich ist er auch ,, dekadent". Die von der Hitlerbewegung allein anerkannten Werte fließen aus mystischen Instinkten. Intellektueller sein heißt aber, durch Urteil und Verstandeskraft sich über das rein trieb- und instinktmäßige der menschlichen Natur zu erheben. Sobald dies einer tut ,,, löst" er sich aber nach der Terminologie des Neubarbarentums aus der Verwurze­lung mit Volk und Rasse", die Resultate seines Denkens werden ,, unfruchtbar", kurz und gut: das ganze Subjekt wird verdächtig, unvorschriftsmäßige Gesinnungen zu hegen. Intellektuelle Geisteshaltung ist undenkbar ohne Frei­heit des Individuums. Nun aber erinnere man sich, welches Uebermaẞ von Reglementierungen gerade auf gei­stigem Gebiete vom ,, dritten Reiche" getroffen wurden. Man denke z. B. an das Schriftleitergesetz mit seinen Gesinnungs­vorschriften, Arierparagrafen und Ausschlußbestimmungen, wodurch der Zugang zum Schriftleiterberuf im ,, dritten Reich" noch schärfer eingeengt und kontrolliert ist als zu Wilhelms, Zeiten der Zugang zum Regierungsassessor! Es illustriert nur dieses Bild, wenn neulich auf ängstliche An- Neue Propaganda- Institute

fragen den Schriffleitern amtlich mitgeteilt wurde, daß- welche Weitherzigkeit! auch Beiträge von solchen Per­sonen in einer Zeitung abgedruckt werden dürfen, die nicht dem nationalsozialistischen Schriftstellerverbande angehörten allerdings trage der Schriftleiter für diese Beiträge die Verantwortung. Ob es einer daraufhin wagt? Jedenfalls: wo ein Intellektueller sich heute betätigen will, überall starren die Gitter der Vorschriften ihm feindlich entgegen. Wer ist ein Intellektueller? Nicht der Beruf macht ihn. Es kann einer Arzt, Rechtsanwalt und doch kein Intel­lektueller sein, im ,, dritten Reich" ist das sogar die Regel.

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Nein, das wesentliche ist, daß jeder wirkliche Intel­lektuelle hundert, ja tausend andere Menschen zum Theater­besuch, zum Bücherkauf veranlaßt. Man bedenke z. B., wie stark eine schmissige und glänzende Theaterkritik da­

zu beigetragen hat, das Interesse des Publikums am Theater zu steigern. Maler wie Böcklin  , Feuerbach, Marées, Lieber­mann und erst recht die Moderneren, über die zunächst alle Welt nur gelacht hat, würden völlig unbekannt sein, wenn nicht ein Häuflein Intellektueller mit zäher Energie sich für sie eingesetzt hätte. Als Richard Strauß   mit seinen ersten Kompositionen auftrat, erklärten die Massen der Musiklieb­haber diese Musik für Kakophonie( Mißgetön), das gleiche Urteil hat vordem jahrzehntelang Richard Wagner   verfolgt. Das Neue in der Kunst, zumal das Geniale im höchsten Sinne, mutet bei seinem ersten Erscheinen so fremdartig an, daß die an anderes gewöhnte Masse es regelmäßig ablehnt. Immer wieder sind die Intellektuellen die Entdecker, die Bahnbrecher des Genies gewesen. Auch in kleinerem und kleinstem Maßstabe kann man oft sehen, wie ein einzelner Intellektueller im Kreis seiner Familie, seiner Freunde für ein neues Buch, für eine neue Idee, für eine neue Entdeckung eintritt, die alle anderen miẞtrauisch ablehnen, wie er ihre Einwände widerlegt, ihre Widerstände besiegt.

Gewiß hat dies Bild des Intellektuellen auch seine Kehr­seiten, wir bestreiten das nicht. Auch in der Arbeiterbewe gung hat man sich mitunter gegen eine gewisse Sorte ,, Ge­hirnfatken" gewehrt, die immer und unter allen Umständen für sich das letzte Wort beanspruchten. Aber trotzdem war die sozialistische Arbeiterbewegung alles andere als intel­lektuellenfeindlich. Mit vollem Recht wurde der Anspruch weltfremder Stubengelehrter oder eigensinniger, in ein System versponnener Rechthaber auf Führung abgelehnt. Wie unberechtigt die Klagen derer' waren; die behaupteten, daß in der sozialistischen   Arbeiterbewegung für die Intelli­genz kein Platz gewesen sei, das zeigt am besten der Ver gleich mit der Rolle, die der faschistische Antipode der Arbeiterbewegung ihr zuweist. Gewiß hat auch die Arbeiter bewegung dem unbekümmerten Individualismus eine Grenze setzen müssen, nämlich dort, wo er die Bedingungen jedet Gemeinschaftsarbeit negieren zu können meinte. Aber davon abgesehen hat die Arbeiterklasse in ihrem Ringen um kultu rellen und geistigen Fortschritt jeden Intellektuellen be grüßt, der sich zu ihr fand und niemals hat sie von dieser Schicht, so fremdartig ihr manches an dieser erscheinen mußte, die Aufgabe ihres Wesens verlangt.

Wallenstein   klagt an der Bahre des toten Max Pikkolomini, daß nun die Blume, die Zier in seinem Leben, hin sei. Es scheint das Schicksal des deutschen Volkes zu sein, daß es auch erst am Totenbett seiner vom ,, dritten Reich" er. schlagenen Intellektuellenschicht zu dieser schmerzlichen Er. kenntnis gelangen wird.

Auslandswissenschaft mit Hakenkreuz

ein

An der Technischen Hochschule Aachen wurde Deutsches Institut errichtet, das die systematische Pflege der Grenzlandkunde zur Aufgabe hat. Zum Leiter wurde Privatdozent Dr. Overbeck ernannt. Stadt, Gau­leitung, VdA. und Universität Halle   haben gemeinsam ein grenz- und auslanddeutsches Institut gegründet. Es wird von Dr. H. H. Schacht geleitet. Der Rektor der Universität Heidelberg   hat den ordentlichen Honorarprofessor Dr. Alfred Zintgraff zum Mitglied des Senats ernannt und ihm die Be­arbeitung aller Fragen der Auslandswissenschaft,

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des Austauschdienstes und der Ausländerbetreuung über­tragen. Zintgraff hat sich einen Beirat ernannt, der ihm zu helfen hat. Darin sitzen: Kaiserlicher Gesandter a. D. Exzel­lenz von Reichenau  , Professor Dr. Brinkmann, Dr. Adler, Fritz Gabler, Dr. Himmel, Professor Hoops, cand. med. Scheel, cand. jur. Schoch, Prof. Schuster, cand. phil. Six, Pro­fessor Sölch, cand. jur. Graf Wedel  , Bürgermeister Wetzel. - Das württembergische Kultusministerium hat Dr. Alexan­der Dieckmann zum Assistenten am geographischen Seminar der Universität Tübingen   mit dem Referat Auslanddeutsch­tum ernannt. AdV. und Grenzlandamt der deutschen Stu dentenschaft veranstalten gemeinsame Schulungslehrgänge.