Deutsche   Stimmen. Beilage zur Deutschen Freifieit"

DonnerstSg, den 14. März 1934

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Der Biolog"

I

Das jus primae noctis", das einstens waltete,

Wünscht er wieder, für Gleichgeschaltete.

Er ist Professor... und lehrt die Art,

Wie sich der Pg. passend paart.

Er hebt die Feder zum Hitlergruß

Und schreibt ein Buch, das hat Hand und Schmuß.

' Auf biologischem Wege

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Liefert er die Belege.

II

, Wer einem Weib die Unschuld nimmt, Und als der Erste bei ihr liegt,

Dem ähneln die künftigen Kinder bestimmt

Die sie von einem Andern kriegt.

Sie denkt bei dem an diesen...

Das ist erwiesen.

Drum bleibe der Bräutigam erstmals fern- Die Hochzeitsnacht gehört dem Herrn!

Der tut es mit den Mädeln:

Die Rasse zu veredeln."

So er.

-

III

- Doch weigert sich eine Braut

( Die Trulle hat eine Schrulle), Wird Göbbels   mit dem Amt betraut

Als idealer Bulle.

Dann kriegt sie ein Kind wie Baldur süß, Genordet, mit zwei linke Füß, Vom Ohr zum Oehrchen reicht sein Mund, Die Bäckchen hängen tief herunt,

Das Köpfchen, gottbehüte,

Gleicht einer Tüte,

Platt rückwärts weicht das Stirnchen hin. Am Unterkiefer fehlt ein Kinn; Das Rüsselnäschen blutlos- weiß,

Ein langgedehnter spitzer Steiß, Die Aeuglein spärlich wie ein Spalt,

Jedoch die Klappe schleimt und lallt; Zwei Aermchen hebt es, dürr wie Holz Der Vizevater lächelt stolz: ,, Es ward emporgezüchtet!"

Die Mutter schreit und flüchtet.

Der Biologe sieht das Kind

IV

Und sagt, indem er sachte sinnt:

,, Den ersten tastenden Versuch

Der Zukunftszeugung zeigt mein Buch. Zwar Stamm und Rasse sind gestählt,

Doch schmerzt mich, daß die Krönung fehlt; Mein Bändchen, schwer von deutschem Geist, Fühlt sich im Grunde doch verwaist: Was soll mein Zukunftszeugungsband In Röhms und Hitlers Hinterland?"

' Alfred Kerr  .

*) Dieses Gedicht hat bereits ein Schicksal hinter sich. Es lag zuerst der Redaktion des ,, Simplicus" in Prag   vor, die es für den Abdruck fertig machte. Der tschechoslowakische Zensor machte jedoch einen Strich durch den Teil II( von: ,, Wer einem Weib die Unschuld nimmt..." bis Die Rasse zu veredeln"). Dieser Abschnitt mußte wegfallen und an seiner Stelle steht darum die ,, Simplicus" das Wort ,, konfis­ziert"...

Das Bettelmonopol

Auwi kassiert unter den Linden

In Deutschland   sind die Bettler von den Straßen verjagt, denn die Bettelei ist zum Monopol des braunen Staates geworden. Bruno Brandy.

Von allen Demagogen der Nazipartei wußte keiner, gegen Marxismus   ,,, vollgefressene rote Bonzen, bequeme Pöstchen" und Gehälter sozialdemokratischer Angestellter wütender zu belfern als Heinz. Keiner versprach vom ,, dritten Reich" so viel und so freigebig wie Heinz: sofortiges Ende des Elends, der Arbeitslosigkeit, des Almosenwesens, Erneuerung, neue Moral, schlichte Gehälter für Führer...

Als auf diese Weise endlich das ,, dritte Reich" erschwindelt ward, machte auch Heinz große Karriere, besiedelte eine Siebenzimmerwohnung, saß im Parlament, hatte noch zwei Posten nebenbei, bezog dreifaches Gehalt, fuhr im eigenen Auto ein satter, vollgefressener Typus des braunen Um­sturzgewinnlers. Er könnte ebenso gut Heines oder Ley oder Killinger heißen.

Eines Tages stand er auf der Straße, streckte den Arm aus und bettelte. Aha, denkt ihr, also gibt es eine Nemesis, auch im dritten Reich"... Nein, lieber Leser, die gibts vorläufig noch nicht. Der Mann schüttelte seine Büchse im Auftrag der Hitler  - Partei, denn in diesen Tagen begab sich die große Sammelaktion des SA.  - Führerkorps der SA  - Gruppen Berlin­Brandenburg", wie es in der Presse hieß, Nazipresse und Rundfunk rühmten, daß die Führer, keinerlei Unbilden der

Wied Ley sterilisiert?

Tötung der Vielfraßer und Trunkenbolde!

In einem Vortrag über die Rassenpflege der Germanen erklärte der bekannte Rasseprophet Günther nach dem Be­richt des ,, Völkischen Beobachters":

Die Tötung und Vernichtung erbschwachen und erb­kranken Nachwuchses sowie erwachsener Schädlinge wie Verbrecher, Trunkenbolde, Vielfraße, Verräter, Feiglinge u. a., dürfe nicht als Vergeltung oder als Abschreckung, sondern müsse vom Gesichtspunkt der Reinhaltung der Sippe betrachtet werden."

Das sind ja traurige Aussichten für den trinkfrohen Ley und manchen andern. Gegen das Christentum aber wet­terte Günther folgendermaßen:

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,, Gegen diese in einer Weltgeborgenheit ruhende Reli­gion der Rassenstärke und Rassenreinheit sei die jüdisch­christliche Weltanschauung mit oft beispielloser Härte Sturm gelaufen. An Stelle des jeder Arroganz fernen inneren Stolzes, an Stelle des Ideals vom Starken, vom Gesunden, sei die Demut, sei der Schutz des Schwachen und Kranken als Vorbild aufgestellt worden."

Natürlich steht der Professor des dritten Reiches" voll und ganz auf dem germanischen" Standpunkt, wonach die Kranken und Schwachen mit Kastriermessern, Sterilisation und sonstigen Gewaltmitteln auszurotten sind. Der, unge­heure Beifall", den der V. B." notiert, könnte manchem Christen, der sich nicht nur so nennt, zu denken geben.

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Die Kehlen der Referendare Gemeinschaftslager Hanns Kerrl   denkt an Horst Wessel  

Des Todestags Horst Wessels wurde im Gemein. schaftslager Hanns Kerrl   durch einen Alarm mit anschließendem Marsch gedacht. Um 4 Uhr weckte der Trom­peter die Lagerinsassen, 4.07 Uhr stand der Lehrgang ange­treten auf dem Kasernenhof. Auf getrennten Wegen mar­schierten die einzelnen Züge über den Truppenübungsplatz hinweg und hinein in das märkische Land. Nach einem langen

Witterung scheuten, um im Rahmen des Winterhilfswerks" auf der Straße für ihre arbeitslosen Kameraden die Sammel­büchsen zu schwingen. Bei Wotan, die scheuen weder Wind noch Sonnenschein, die scheuen nur eins: ihre Bonzengehälter zeitgemäß herabzuset e n. Lieber greifen sie zum Klingelbeutel, denn das tut ihnen nicht weh, sondern nur dem angeschnorrten Publikum und macht außerdem noch populär. Denn da die Presse das Maul zu halten hat und über die

Riesenbezüge der korrupten Nazibürokratie nicht zu be richten wagt, entsteht daraus in naiven Volksteilen der Oel­druck von den armen, braven, proletarischen Naziführern mit den Sammelbüchsen.

Prinz Auwi kassierte unter den Linden, vor dem Hotel Bristol. Die Gegend kennt er gut. Dort erholen er und seinesgleichen sich bei proletarischen Gedecken ab 4 Mark aufwärts von den Beschwernissen des Führerdaseins. Der dreifache Gehaltsempfänger und Großverdiener Heinz aber stand in der Nähe des Luxushotels Kaiserhof, in dem Ar­beiterführer Hitler 1931 schon für 10 Tage und 11 Mann nicht mehr als 4048 Mark verpraßte. Dort sammelte er in schlichtester Uniform, ein einfacher, anspruchsloser Soldat, der ebenso gut Heines oder Ley oder Killinger heißen könnte und den von seinen armen Kameraden nichts unterschied als drei Garderobenschränke, eine luxuriöse Wohnung, eigenes Auto, bourgeoises Einkommen und ditto Menü sonst nichts.

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aber Gregor.

Umweg wird Jüterbog   erreicht. Auf dem Marktplatz tritt der Lehrgang in geschlossenem Karree an. Durch wenige kurze soldatische Worte gedenkt ein Abteilungsführer der Bedeutung des Tages. Nach einem kurzen ,, Stillgestan. den" zu Ehren Horst Wessels steigt das Horst- Wessel- Lied aus den Kehlen der Referendare. Um 7.45 Uhr, nach 18 Kilo­meter langem Marsch, marschieren die Referendare wieder in ihrem Lager ein. Um 8 Uhr steht der Lehrgang im offenen Karree zur Flaggenparade angetreten. Unter stummem Gruß steigt die Hakenkreuzflagge auf Halbmast. Um 9.30 Uhr beginnt wieder der alltägliche Dienst."

Land des Lächelns

Lehar

ein ,, Wehrkomponist"?

,, Die Justiz."

,, Der Erzieher", ein Organ des Nationalsozialistischen Lehrerbundes  ", kennzeichnet die Aufgaben der deutschen Kunst folgendermaßen: Theater, Malerei, Bildhauerei und

Ereignisse und Geschichten

Klassenkampf um die Festuniform Die Frackfront gegen die Kluftfront

Die deutschen Unternehmer haben sich dagegen-gewehrt, daß sie die gleiche Uniform der Deutschen Arbeitsfront   tragen sollen wie die Arbeiter. Im Zeichen der nationalsozialisti­schen Volksgemeinschaft wurde darauf verfügt, daß der Arbeitsfront- Anzug in vier Stoffqualitäten geliefert wird, deren Preise von 5,40 RM. pro Meter für die Proleten­uniform bis auf 11 RM. für den Anzug des Herrn General­direktors steigen. Dem Proleten werden 30 RM. vom Lohn für einen Anzug von der Stange abgezogen; die feinen Leute, die beim Maßschneider arbeiten lassen, zahlen je nach der Qualität der Zutaten: ,, Die Preise werden vom Schneider­meister selbst bestimmt, es gibt also demnach keine fest­gesetzten Preise." Da aber für alle Qualitäten die gleiche Machart vorgeschrieben ist, erkennt man die feinen Leute erst, wenn die Proletenkluft blankgewett ist. Die Unter­nehmer verlangten deshalb für sich das Recht, bei Abend­veranstaltungen im Frack oder Smoking erscheinen zu dürfen.

Die Leitung der Arbeitsfront kam in Verlegenheit. Gäbe sie den Unternehmern nach, so würden die Arbeiter sich noch stärker gegen die Lohnabzüge für die Arbeitsfront­Uniform wenden als bisher. Sie half sich schließlich auf eine salomonische Weise: die feinen Leute müssen zwar die Uni­form erster Klasse anziehen, aber sie dürfen dazu statt der Arbeitermütze einen Zylinderhut aufsetzen. Die Unter­nehmer gaben sich damit nicht zufrieden. Die Leitung der Arbeitsfront erklärte schließlich erregt: Fest steht, daß die alten Nationalsozialisten Frack, Smoking und Cut als die Requisiten einer vergangenen. Epoche ansehen." Die Unter­nehmer beriefen sich jetzt auf Adolf Hitler  , von dem Dr. Ley am 10. September 1933 im Kölner Rathaus berichtet hatte: ,, Adolf Hitler   hat einmal zu mir gesagt: wenn ich es könnte, ich würde jedem Arbeiter einen Smoking schenken."

nichtarische Studenten

Wenn sie auf Approbation in Deutschland   ver­zichten...

Der Preußische Kultusminister Rust   hat in einem frü­heren Runderlaß zum Ausdruck gebracht, daß bei reichs­deutschen Studierenden der Medizin und der Zahnmedizin eine Promotion erst nach erfolgter Approbation erfolgen könne. Solchen reichsdeutschen Studierenden nicht­arischer Abstammung, die entsprechend den für Aus­länder geltenden Bestimmungen ohne vorherige Erteilung der Approbation promovieren wollten, blieb daher bisher nur übrig, auf die deutsche Staatsangehörigkeit zu verzichten.

Um jedoch solchen reichsdeutschen Medizinstudierenden nichtarischer Abstammung, die nach der Ablegung des Staats­examens das Deutsche Reich   verlassen und im Ausland eine feste Stellung angenommen haben, Gelegenheit zur Er werbung des Doktorgrades zu geben, hat sich in diesem Falle das Preußische Kultusministerium in einem neuen Erlaß mit der Aushändigung des Doktordiploms unter besonderen Be­dingungen einverstanden erklärt. Nach diesem Erlaß haben im Ausland befindliche reichsdeutsche Studierende nicht­arischer Abstammung, die auf die Aushändigung des Doktor­diploms Wert legen, bei der zuständigen Fakultät einen ent­sprechenden Antrag einzureichen. Dem Antrag sind aus­reichende glaubhafte Unterlagen beizufügen, aus denen sich ergibt, daß der Betreffende eine feste Anstellung oder die Aussicht auf eine solche im Ausland erlangt hat. Dem Gesuch ist ferner beizufügen eine besondere Erklärung, mit der auf die Approbation im Deutschen Reich   verzichtet wird. Diese Erklärung ist an die zuständige oberste Behörde zu richten. Das Preußische Kultusministerium behält sich die Genehmi­gung in jedem einzelnen Fall vor. Ein Anspruch auf Aus. händigung des Diploms besteht nicht.

Zeit- Notizen

Die Gratis- Verdeutschten

Der amtliche preußische Pressedienst teilt mit: Dem preußischen Minister des Innern gehen fortgesetzt Anträge auf kostenlose Verdeutschung fremdklingender Namen zu. Alle diese Anträge sind den Regierungspräsidenten einzureichen." Diese Teutonen, die sich ihrer Namen schämen und sich, allerdings kostenlos ,,, verdeutschen" wollen, sind schon eine Nummer für sich.

Die Reinigung

Aus den Volksbüchereien und Lesehallen des Berliner  Wedding sind 1000,, marxistische" Bücher entfernt worden. Sie wurden im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel" durch Naziliteratur ersetzt.

Musik- sie haben einen Zusammenhang mit dem Wehr. Was man sich zuflüstect

willen. Ja, sie vermögen ihn zu stärken, sie stärken ihn... Nicht nur Stücke vom Heldentum eines Schlageter, nicht nur kleine vaterländische dramatische Werke können und sollen letzten Endes den Wehrwillen stärken, auch die Operette kann den Kampf ums Deutsche Reich und seine Größe, die langersehnte, stärken. Wenn ich in Lehars Land des Lächelns" sitze und von der Heimatliebe der deutschen Prin­zessin höre, die sich im fremden Chinesenland nicht wohl­fühlen kann, dann weckt auch dieses sogenannte ,, leichte" Werk letzten Endes ein Gefühl der deutschen Heimatliebe, und diese kann sich nur auswirken, wenn Wehrwille die Heimat in sicherem Schutz ist, wenn- da ist."

Geschändeter Boden

,, Es mag ja in Palästina ein ganz nettes Bild geben, wenn der Isaak Trompetenschleim den Acker bebaut und die Rebekka Löwenmaul ihre Ziegen melkt. Unsere Bauern aber werden sich dafür bedanken, ihren deutschen Boden auch nur von den Plattfüßen des Auswurfs fremder Rasse betreten zu lassen. Der Deutsche  ", Organ der Deutschen Arbeitsfront  .

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, Wissen Sie, wie der Volksmund Görings Berliner Palais nennt? Das Gewandhaus  !"

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Was ist der Eintopfsonntag?" ,, Eine falsche Vorspiege lung brauner Tatsachen!"

Göring   hat an Hitler   einen Brief geschrieben. Wissen Sie, was darin stand? ,, Adolf, Adolf, gib mir meine drei Bulgaren  wieder!"

,, Haben Sie die letzte Hitler  - Rede gehört?"- ,, Ja, schon vor einem Jahr!"

,, Waren Sie gestern in der Versammlung?" Ja, es war sehr erhebend! Am Schluß haben wir alle das Horst- Wessel­Lied gesungen. Vierzig Leute sind festgenommen worden." Weshalb denn?" ,, Weil die Stimmung so einmütig war!"

,, Sind Sie auch gleichgeschaltet?" Natürlich. Ich hungre genau so wie die anderen!" Pips.