Polizeirevolte im Saargebiet
Fortsetzung von der 1. Seite.
Die Aftion trüge nicht nationalsozialistischen Charakter, wenn sie nicht auf propagandistische Wirkung berechnet wäre. Die ganze Welt soll erfahren, daß die Sehnsucht nach dem dritten Reich" nicht mehr zu bändigen ist. Eine ausgeflü
gelte Taktik bezweckt die Täuschung, daß die Saarländer den Barthou ,, in Berlin "
Abstimmungskampf nicht erwarten können und schon vorher Bürger des„ dritten Reiches" werden möchten. Vermutlich ist das die neue Methode, der demokratischen Entscheidung aus dem Wege zu gehen, nachdem die diplomatischen Versuche in dieser Richtung fehlgeschlagen sind.
Der Arierparagraf
Die Wirkung
Barthous Mission
DNB. Paris, 23, April. Ueber die Durchreise des fran zösischen Außenministers Barthou durch Berlin schreibt der Sonderberichterstatter des„ Petit Journal" aus Warschau : Auf dem Bahnhof 300 stieg der französische Botschafter Francois Poncet in den Zug und begleitete Barthou bis Frankfurt a. d. Oder. Auf dem Schlesischen Bahnhof begrüßte Gesandter Graf Bassewiß, der Chef des Protofolls, den französischen Minister und unterhielt sich während des 10 Minuten dauernden Aufenhalts mit ihm.
fübruna des Arierparagrafen in der Wehrmacht find in Herzliche Redeu
zwischen die notwendigen Feststellungen getroffen worden. Insgesamt werden davon betroffen:
Jm Reichsheer:
5 Offiziere, 2 Offiziersanwärter, 1 Sanitätsoffiziersanwärter, 31 Unteroffiziere und Mannschaften.
In der Reichsmarine:
2 Offiziere, 4 Offiziersanwärter, 5 Unteroffiziere und Mannschaften.
Sie scheiden bestimmungsgemäß aus der Wehrmacht aus.
Gleichzeitig aber wächst die Verstimmung in der Reichs wehr wegen Hakenkreuzbinde und Arierparagraf.
DNB. London, 23. April. Der Pariser Korrespondent der Times" berichtet, höchstwahrscheinlich werde Frankreich in Genf anregen, daß die Mächte gemeinsame Vorstellungen bei Deutschland erheben sollten, falls genügend Unterstützung für diesen Gedanken zu gewinnen sei. Ob die französische Regierung auf Abfassung eines Abkommensentwurfes dringen werde, der Deutschland später vorgelegt werden könnte, sei noch nicht klar. Mit Sicherheit könne aber angenommen werden, daß die französische Regierung entschlossen sei, ein Rüstungswettrennen um jeden Preis zu vermeiden, falls diefer Preis nicht in einem Verzicht auf unmittelbare Sicher heit, d. h. auf die Fähigkeit Frankreichs , einen Angriff abzu wehren bestehe.
Französisch - englisches Defensivbündnis
London , 23. April. Der italienische Staatssekretär Suvich ist hier eingetroffen und hat heute die Besprechungen über die Abrüstungsfrage mit der britischen Regierung auf genommen. Die öffentliche Meinung schwankt zwischen den wachsenden Sorgen um die britische Sicherheit in der Luft und der noch immer lebenden Hoffnung, daß eine weitere Aufrüstung vermieden werden könne. In den Konferenzen mit Suvich wird die Frage erörtert werden, in welchem Verhältnis die Rüstungen Frankreichs und Englands während der Dauer des Rüstungsabkommens aneinander stehen so n join und welche Sicherheiten Frankreich gegeben werden können, Der Gedante eines Defensvbündnisses mit Frankreich , au dem sich auch das große Sonntagsblatt Observer" in seiner heutigen Ausgabe bekennt, wird lebhaft erörtert. Man verweist darauf, daß die aggressive Politik Japans im F: cuen Often einen engeren Zusammenschluß Europas notwendig machen werde. Im großen und ganzen sind aber die Hoffnungen auf einen befriedigenden Verlauf der Besprechungen mit Suvich sehr gering.
Seine Stellung gegen die ganze übrige Welt
Washington , 28. April. Der japanische Botschafter Saito hat einem Vertreter des„ Washington Star" zum Fernostproblem u. a. erklärt, daß Japan ein Einspruchsrecht geltend mache, falls China Verhandlungen mit dritten Staaten führe. Japan werde jedes Abkommen, das eine dritte Macht mit China gegen Japans Einspruch tätige, als unfreundliche Handlung betrachten, was nach diplomatischem Sprachgebrauch den Abbruch der Beziehungen bedeute.
Neue Unruhen in Spanien Straßenkämpfe und Generalstreik in Madrid
Madrid , den 22. April 1934. Die Gewerkschaftsverbände der Sozialisten haben in der Nacht vom Samstag auf Sonntag in Madrid einen 24stün digen Generalstreif proflamiert. Weder die Regierung, noch die Polizei war darauf vorbereitet, so daß diefer Schlag völlig unvermutet und überraschend fam. Innerhalb einer halben Stunde war der gesamte Kraftdroschfen-, Straßenbahn- und Autobusverkehr eingestellt.
Der Streif ist von den Sozialisten als Protestaktion gegen die Regierung und gegen die am heutigen Sonntag im Escorial stattfindende Versammlung der Reaktion gedacht. Cafes und Restaurants und sämtliche Theater und Kinos mußten ebenfalls schließen.
Troß dieser Lage in der Hauptstadt erklärt der Innenminister, Herr der Lage zu sein.
Paris , 28. April. In Madrid tam es am Sonntag zu ernsteren Zwischenfällen im Anschluß an den Aufmarsch der fatholischen Jugend, die gegen die revolutionären Umtriebe demonstrieren wollte. Sofort wurden Gegenfundgebungen von extremistischer Seite ins Werk gesezt. An der Puerta del Sol gab die Polizei einige Warnungsschüsse ab, um die Kundgeber zu vertreiben. Doch diese eröffneten das Feuer auf die Hüter der Ordnung. Die Folge war eine allgemeine Schießerei, bei der viele Personen verlegt wurden und eine den Tod fand. Unter den Verletzten befindet sich ein junger englischer Student. Gegen verschiedene Kirchen und Klöster von Madrid wurden Bomben geschleudert, die jedoch keinen größeren Schaden anrichteten. Auch aus Katalonien werden Zwischenfälle gemeldet. In Sabadell drangen 300 mit Revolvern bewaffnete Personen in die Geschäftsräume der fatalanischen Liga ein und zertrümmerten alles, was ihnen unter die Finger fam. In Reus drang eine Gruppe von Rundgebern in ein Theater, in dem ein religiöses Stüd aufgeführt wurde. Die Zuschauer wurden mit Stockhieben bearbeitet, so daß die Vorstellung abgebrochen werden mußte. ilmen Jugend, ble von einem Bankett tamen, mit Steinen In Barcelona haben junge Burschen Anhänger der christ beworfen. Zwei Verhaftungen sind vorgenommen worden.
, 23. April. Der polnische Außenminister Beck gab zu Ehren des französischen Außenministers Barthou ein Essen, an dem u. a. der Staatssekretär des Auswärtigen, Szombek, der französische Botschafter in Warschau , Laroche, der Finanzminister Zawadzki und die Präsidenten der aus wärtigen Ausschüsse der beiden Kammern teilnahmen. Außenminister Be d erflärte in seiner Begrüßungsansprache u. a., daß die polnisch- franzöfifchen Abkommen eins der stärksten und dauerhaftesten Elemente der internationalen Politik seien; denn sie hätten lediglich den Zweck, den Frieden zu organisieren und zu festigen. Tief von der unveränderlichen Dauer des Bündnisses unserer Länder überzeugt, erhebe ich mein Glas zu Ehren des Präsidenten der französischen Republik, zu Ehren unseres Gastes und zu Ehren des Wohlergehens der befreundeten großen Nation.
In seiner Erwiderungsrede erklärte Barthon u. a., daß er stolz sei, ganz Frankreich vertreten zu dürfen, das die Treue wohl zu schäßen wisse. Diejenigen, die bestrebt sind, Schwierigkeiten, die im Leben der Völker unvermeidbar sind, auszunuzen, wissen nicht, was zwei Willen vermögen, die im selben Ideal verwurzelt sind und sich zur Erreichung des= selben Zieles feft verknüpft haben. Frankreich und Polen wollen niemanden angreifen oder bedrohen: fie achten jedes Recht. Inmitten all der europäischen Probleme stellt die französisch- polnische Freundschaft einen Faktor des Friedens, der Ordnung, der Sicherheit und der Stabilität dar. Frankreich ist erfreut darüber, daß es durch nichts von diesem Lande getrennt wird. Die allgemeine Sicherheit ist die unerläßliche Bedingung für eine Herabsetzung der Rüstungen. Obwohl vom wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet die Interessen Frankreichs und Polens mitunter im Gegensatz zueinander stehen könnten, so bemühen sich die beiden Länder, in gleicher loyaler Weise ihre Interessen wieder einander za nakern.
A. Sch. Die Reise des französischen Außenministers nach Warschau und Prag zeigt, daß Frankreich an die Aktivierung seiner Ditpolitit herangeht. Sie unterstreicht, daß Frankreich feine west europäische Macht wie England ist, sondern eine fontinental europäische Macht. Frankreichs Lebensinteressen sind mit den Ereignissen an der Donau und an der Weichsel verbunden, wie keine andere europäische Großmacht, weder Italien noch Deutschland , ist es im europäischen Osten engagiert. Hier liegt das Schwergewicht seines Bündnis systems. Frankreich kann sich hinter dem Rhein gar nicht zurückziehen, weil seine Verbündeten ostwärts von dem Inn und von der Oder liegen. Die Aktivierung der Ostpolitik bedeutet für Frankreich nichts anderes, als die Wiederaufs richtung seiner Bündnispolitik und die Bereinheitlichung der Politik seiner Verbündeten. Vor den schweren Ent scheidungen, vor allem in der Rüstungsfrage und im Kampf um Mitteleuropa , will Frankreich sein Bündnissystem enger zusammenschließen und seine Verbündeten auf eine einheit liche Linie der europäischen Politik bringen. Es kann in Europa teine Kirchturmpolitit, feine beschränkte regionale Politik mehr geben.
Frankreichs Verbündete sind eben durch ihre Verbindungen mit der großen tontinentalen Macht an fämtlichen enro: päischen Entscheidungen beteiligt, auch an solchen, die sie nicht unmittelbar territorial berühren. So wird Barthou über die österreichische Frage auch in Warschan, über die Haltung gegenüber der Sowjetunion auch in Prag ver: handeln.
Die Verhandlungen in Prag werden einfacher und leichter zu führen sein. Im französischen Bündnissystem ist die Tschechoslowakei eine ständige Größe, mit fester unabänderlicher Tendenz. Durch das Bündnis mit der Tschecho slowakei ist Frankreich gleichzeitig mit Mitteleuropa und dem Donauraum verbunden, als führendes nach dem Westen vorgeschobenes Glied der Kleinen Entente ist die Tschecho slowakei gleichzeitig Einfallstor nach dem Mitteleuropa und Brückenkopf nach der Donau . Zwischen Frankreich und der Tschechoslowakei gibt es feine Streitigkeiten und selbst keine ungelöste Probleme. Für beide Länder gibt es nur gemeinsame Aufgaben. In der österreichischen Frage vertritt die Tschechoslowakei durch ihren Standpunft auch die fran zösischen Interessen am besten: weder Anschluß, noch Habs burg , noch die italienische Lösung der österreichischen Frage. In der Stellungnahme zum dritten Reich" bleibt die Tschechoslowakei fest und wird auf keinen Röder hereinfallen. Hier bleibt das französische Bündnissystem gesichert.
Biel tomplizierter ist die Stellung Polens . Einheitlich und unzweideutig ist heute der Standpunkt Polens nur in der russischen Frage, wo es konform mit Frankreich vorgeht. Sonst muß Barthou in Warschau um die feste Einreihung Polens in das einheitliche Bündnissystem noch schwer tämpfen.
Es genügt für Frankreich nicht, daß Polen mit ihm 3- sammengeht, Frankreichs Ziele werden erst erreicht werden, wenn Polen auch mit seinen Verbündeten zusammen auftritt. Frankreich will im Osten gegen die Angriffs- und Ausdehnungsabsichten des Hitler- Deutschlands einen Groß Elock aufrichten, der von Moskau über Warschau mindestens bis nach Prag gehen soll. Hier zeigen sich die Gefahren der jüngsten Wendung der polnischen Politik. Denn Polen hat nicht nur eine zweideutige Stellung zum dritten Reich" eingenommen, sondern auch seine Beziehungen zu den beiden Flanken der großen osteuropäischen Front, mit der Frant reich zusammenarbeitet und in deren Mitte Polen steht, mit der Tschechoslowakei und der Sowjetunion, sind gespannt geworden. Die Wiederherstellung dieser Front ist heute die entscheidende Aufgabe der französischen Politif. Barthou tritt als Bermittler zwischen Warschau einerseits, Prag und Mosfan andererseits.
Das Gewicht der sowjetrussischen Frage darf bei den Bers handlungen Barthous teinesfalls unterschätzt werden. Denn die pofitive osteuropäische Politik Frankreichs findet ihre Grenze nicht an den Pfählen, die Polen von der Sowjetunion trennen, in diese Politik wird auch bie Sowjetunion immer fefter einbezogen. 2
Die weitgehende russisch- französische Verständigung ist bisher eine Parole und eine Tat der französischen Linfen gewesen. Barthou ist kein Mann der Linken, er gehört zum gemäßigten Zentrum. Aber die russisch- französische Annäherung ist auch unter seiner Leitung weiter fortgeschritten und unter seiner Obhut ist die Vorbereitung des Eintritts der Sowjetunion in den Völkerbund in das entscheidende Stadium eingetreten. Die prosowjetrussische Orientierung gehört von jetzt an zum besten Bestand, zur Kontinuität der französischen Außenpolitik, daran wird keine innenpolitische Schwenfung was ändern können. Dagegen ist es fein Geheimnis nur die Sowjetpresse verschweigt das daß die russisch- polnischen Beziehungen nach dem Abschluß des deutsch- polnischen Paftes unter dem Einfluß Berlins und durch die plöblich veränderte Haltung Polens stark abgefühlt sind. Polen hat es abgelehnt, den gemeinsamen Patt mit der Sowjetunion zu unterschreiben, um die Baltischen Staaten gegen die Angriffspläne des Hitler- Deutschland zu sichern; es hat seine Zustimmung zum russischen Vorschlag des Pattes der gemeinsamen Unterstüßung gegen den Angreifer ( wiederum Deutschland gemeint) nicht gegeben; es äußert seinen Unwillen gegenüber dem bevorstehenden Eintritt der Sowjetunion in den Völkerbund. Polen kann zum Bindeglied zwischen Frankreich und der Sowjetunion werden: das will Frankreich. Oder kann es zu einem Bindeglied zwischen Deutschland und Japan und zu einem Aufmarschplatz gegen die Sowjetunion werden: das will Deutschland. Polen schwankt heute zwischen zwei Entscheidungen.
Die Mission Barthous wird Klarheit schaffen müssen, ob die West- Ost- Richtung Paris- Prag- Warschau- Moskau gegen die Intriguen und die Kriegspläne des dritten Reiches" möglich ist.
Doumergue und Suvich
Die italienisch- englischen Rettungsversuche für die Abrüstungskonferenz
sondern angesichts einer die Lage völlig verändernden Aufrüstung, deren Umfang übrigens niemand fenne, die fran zösischen Verteidigungsmittel auch nicht im geringsten zu schwächen. Was die Verschiebung der Verhandlungen von der Grundlage der Rüstungsherabsehung auf die der Rüstungsbeschränkung anlange, dürfte der Ministerpräsident Suvich davon unterrichtet haben,
daß Frankreich in einer Aussprache hierüber erst eintreten könne, wenn der allein zuständige Hauptausschuß der Ab: rüftungskonferenz sich für diese Veränderung der Grund: lage einer ewaigen Konvention ausgesprochen habe. Endlich habe Doumergue darauf hingewiesen, daß durch diese Aenderung die Frage der Durchführungs- und Sicherheitsgarantien unberührt bleiben würde, in der weder die Regierung, noch das Parlament, noch die öffentliche Meinung Frankreichs mit sich handeln lassen könnte.
DNB, Paris, 28. April. In der Unterredung, die der italienische Unterstaatssekretär Suvich am Sonntag mit Ministerpräsident Doumergue hatte, ist wie die Presse aunimmt der Wunsch Italiens, die Rüstungsbesprechungen auf der Grundlage des italienischen Vorschlags einer Rüstungsbeschränkung fortzusetzen, erörtert worden. Daß diese Anregung der nationalen Verteidigung Frankreichs weniger Abbruch tun würde, als der englische Abrüstungsvorschlag, gibt man hier zu, erklärt aber im gleichen Atemzuge, daß auch sie zu einer Legalisierung der unerlaubten deutschen Aufrüstung führen würde, mit der Frankreich sich unmöglich einverstanden erklären könne. Die Lösung des heiflen Problems wird, so schreibt„ Excelsior", in starkem Maße von den Sicherheitsgarantien abhängen, die England und Italien im Falle eines Angriffs bieten. Daß diese Garantien in der einen oder anderen Form auf ein Defensivbündnis hinauslaufen müssen, betont Le Jour". Man versichert, schreibt das Blatt, daß Mussolini bereit sei, auf diesem Wege sehr weit zu gehen. Sache Suvichs wird es sein, die Engländer davon zu überzeugen, Der offiziöse Petit Parifien" glaubt mitteilen zu können, daß Ministerpräsident, Doumergue Suvich den formellen endgültigen Beschluß Frankreichs bestätigt habe, nicht nur Deutschland zu legalisieren und die Herauſegung des Erzeugniſſe, Frankreich erhält dafür Ausfuhrerleichterungen nicht die Verlegungen der Versailler Militärklauseln durch
deutschen Militärhaushaltes um 2% Milliarden gutzuheißen,
In Mailand wurde am Samstag von Handelsminister Lamoureux und dem italienischen Staatssekretär Asquini ein Wirtschaftsabkommen unterzeichnet. Frank reich gewährt Italien gewiffe Erleichterungen in der Kons tingentierung für Käse, Früchte und bestimmte industrielle
für Rots,