Fretheil

Nummer 106-2. Jahrgang

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Mittwoch, 9. Mai 1934

Aus dem Inhalt

Stuem gegen die Bischöfe

Seite 2

Begegnungen mit Trotzki  

Seite 2

Hitlers Angst

13

Seite 3

vor der Saarabstimmung Reichsminister Hermes vor Gericht

Einbürgerungsfabrik

Chefredakteur: M. Braun

Seite 7

Seite 7

Englische Flugmotore für Deutschland

Französischer Einspruch in London  

Paris  , 8. Mai. Die Havas agentur veröffentlicht eine Meldung auf London  , in der es heißt: In englischen Luft­fahrtfreisen versichere man, daß die französische   Regierung unter Berufung auf Pressenachrichten in London   Auskunft darüber nachgesucht habe, daß gewisse englische Firmen fich auschiden, an Deutschland   Flugzeugmotore zu verkaufen. In interessierten französischen   Kreisen sei man nämlich der Ansicht, daß solche Verkäufe wenn sich die Nachrichten hierüber bestätigten in Widerspruch sowohl zu dem früheren Meinungsaustausch zwischen den beiden Regie­rungen wie auch zu den Abrüstungsreden der englischen Staatsmänner stünden. In autorisierten englischen Kreisen erkläre man indessen, daß es feinen Tert gebe, der die Mög­

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lichkeit biete, Kriegsmaterial von sivilem Material, bas

einzig und allein in den Bereich der Handelspolitik gehöre, zu unterscheiden. Man erblicke in London   in dieser Kontro­verse jedoch einen Beweisgrund zugunsten des Abschlusses eines Abrüstungsabkommens, daß die Eigenschaften der Luft­schiffe und der dabei zur Verwendung kommenden Einzel­teile genau bestimmen würde.

Während über diese französische   Anfrage keine aus Paris  datierte Information vorliegt und die Deffentlichkeit von dem Vorfall überhaupt nur durch die eben angeführte Mel­dung unterrichtet wird, die aus London   datiert ist, beschäftigt sich das Echo de Paris" mit dieser Meldung und mit dieser angeblichen deutschen   Flugzeugmotorenbestellung in England, die sich auf 80 Rolls- Royco- Motore erstrecke. Das Blatt verweist mit leichter Kritik auf die englische Neigung, die Rechte des Handels als sakrosankt anzusehen, und fügt hinzu, daß es England auch in der Politik widerstrebe, irgendeinen Staat von vornherein triegerische Absichten zu unterstellen. Das Echo de Paris" bezeichnet die englische Flugzeug­motorenlieferung an Deutschland   als britischer Beitrag zur Aufrüstung Deutschlands  . Die franzöfifche Regierung habe gut daran getan, in London   diese Frage aufzurollen.

Aussichtslos!

London  , 8. Mai. Im Oberhause fand am Montag eine Aussprache über die Politik Englands im Fernen Osten und in der Abrüstungsfrage statt. Die japanische  Fernost politik wurde scharf angegriffen. In der Abrüstungsfrage erflärte ein Regierungsvertreter, daß weitere Verhandlungen mit den Regierungen aus­

sichtslos feien, und daß England feinerlei Vorschläge über irgendwelche Garantien machen werde.

London  , 8. Mai. Im Grunde hält man nun allgemein die Abrüstungskonferenz für hoffnungslos, und die Regierung erwägt bereits die Folgerungen, die sich aus dem Scheitern der Konferenz ergeben werden. Es ist leicht möglich, daß sich aus der Situation in Genf   die Notwendigkeit einer Umbil­dung des englischen Kabinetts ergeben wird. Es würden dann Mac Donald und Sir John Simon aus­scheiden.

Gestern und hieute

,, Es leben die Studenten nur in den Tag hinein..." Vergessene Zeiten, verklungene Lieder. Leute leben die Studenten natürlich nur für Adolf Hitler  . Wenigstens, wenn man alles glauben dürfte, was in den Zeitungen steht.

Private Nachrichten von Deutschlands   hohen Schulen lau­ten zwar gelegentlich etwas anders. Da heißt es, viele der jungen akademischen Bürger hätten den Rummel schon reich­lich satt, da sie nicht zum Studieren kämen, im Examen wo­möglich durchrasselten und da schließlich nach gutem altem Brauch das bestandene Examen allen wissenschaftlichen Stre­

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Spaltung Im Kabinett Macdonald bens hohes Ziel ist. Schnöde Professoren sollen ihren Hörern

im

Der Streit um die Abrüstungsfrage

London  , 8. Mai. Der politische Korrespondent des Daily Herald" schreibt: Eine ernste Krise ist innerhalb des Kabinetts entstanden, wo die Tory Minister unter Führung des Kriegsministers Lord Hailsham dem Pre­mierminister in der Abrüstungsfrage entgegentreten. Macdonald, der zur Aufstellung eines umgeänderten Ab­rüstungsplanes ist, befindet sich gegenüber seinen Kollegent in der Minderheit. Wenn auf der heutigen Sigung des Kabinettsausschusses für Abrüstung keine Einigkeit erzielt wird, dann wird die Sache auf der Vollfizung am Mittwoch ausgefochten werden müssen. Tatsache ist, daß im Kabinett eine hoffnungslose Spaltung wegen der Abrüstungsfrage besteht, und daß eine Anzahl Minister abgeneigt sind, bei der Suche nach einem Abkommen noch weiter zu gehen. Lörd Hailsham und Sir John Simon   sind besonders der Mei­nung, daß Großbritannien   genug getan hat. Ein anderer Teil des Kabinetts, dem Macdonald, Lord Halifax  , Lord Sanken und andere angehören, ist dafür, daß noch eine meitere Anstrengung unternommen werden soll, um ein, wenn auch noch so begrenztes Abkommen, zu erreichen. Diese Minister sind bereit, eine beträchtliche Strecke Weges zu gehen, um der französischen   Forderung nach Sicherheit Genüge zu tun. Die Mehrheit des Kabinetts ist gegen neue Verpflichtungen in Europa  . Ob Macdonald Festigkeit zeigen wird, bleibt abzuwarten.

Der Korrespondent fügt hinzu: Es verlautet, daß die britische   Abordnung bei der Abrüstungskonferenz außer Sir John Simon und dem Vordfiegelbewahrer Eden noch andere Kabinettsmitglieder umfassen werde, und zwar, um zu ermöglichen, bei irgendwelchen Veränderungen der Lage sofort an Ort und Stelle Rat zu pflegen.

Sleg der Sozialdemokratic

Niederlage der Bürgerlichen   und der Frontisten in Bern

Bern, 8. Mai. Die Neuwahlen für den Großen Rat im Kanton Bern   haben mit einem vielfach überraschenden Er gebnis geendet. Da auch die Schweiz   von der wirtschaftlichen Krise erfaßt ist und die faschistische Propaganda diese Er­scheinungen gut auszunuzen versteht, hatten die bürgerlichen Areise mit einer Machtverschiebung nach recht gerechnet. Das Gegenteil trat ein. Siegerin wurde die Sozialdemokratie und die frontistische Bewegung erlitt eine schwere Niederlage. Obwohl der Kanton Bern   eine überwiegend bäuerliche Bevölkerung hat, fonnten die von allen Seiten heftig be=

kämpften Sozialdemokraten zehn Size gewinnen, während die Nationale Front überhaupt ohne Mandat aus geht. Allerdings erhielt die Heimatwehr, eine haupts sächlich auf der Freigeldtheorie aufgebaute politisch- fron tistische Sekte des Berner Oberlandes, drei Size. Dazu tommt noch ein weiterer Vertreter der Freigelbbewe­gung, der feiner Partei angehört. Die Bauern, Bürger und Gewerbepartei, die ihre Mandats­zahl von 101 unverändert behaupten konnte, und die Frei­willigen, die allerdings von 41 auf 33 zurückgingen, werden auch fünftig mit den katholischen Konservativen, welche 10 ( 12) Mandate befizen, die Mehrheit des Großen Rates haben.

Obgleich zwar die politischen Verhältnisse des Kantons Bern   nicht ohne weiteres auf die übrigen Kantone der Schweiz   übertragen werden können, zeigt die Wahl doch, daß die frontistische Erneuerungsbewegung in den Kern des demokratischen Gefüges der Schweiz   bisher nicht hat vorbringen können.

Die Basler   Arbeiter- Zeitung  " schreibt zu dem sozial­demokratischen Sieg: h, Un

Das Wahlergebnis ist eine glatte Verurteilung der bürger­lichen Politik und ein ausgesprochenes Vertrauensvotum für die Sozialdemokratie! Für eine Partei, die auf Grund des geltenden Programmes fämpfte, und die es ablehnte, ein Bekenntnis zur Landesverteidigung im bürgerlichen Sinne abzulegen.

Erfreulich an diesem Erfolg ist, daß er sich fast gleichmäßig auf Land und Städte verteilt. Im industriellen Biel  , wo ein scharfer politischer Wind weht, ist das Wahlergebnis be­sonders glänzend. Von den 13 Mandaten holten unsere Ge­

sogar schon erklärt haben: ja, lieber Kommilitone, entweder sind Sie bei der SA. oder Sie kommen ins Seminar. Beides. zusammen geht nicht.

Und Herr Dr. Stäbel, Führer aller deutschen   Studenten, sah sein Volk an, und es jammerte ihn sehr des Volkes. Denn es wußte nichts, war faul und ungeschickt zu allen Dingen des Verstandes und des Kopfes. ,, Alle diejenigen", rief Herr Stäbel die ,, Kreuzzeitung  " hat seinen Ruf veröffentlicht, ,, die glauben, daß sie in Zukunft allein auf Grund guter Par­teidienstzeugnisse etwas erreichen können, gegen die werden wir mit schärfsten Mitteln vorgehen". In Zukunft sagte Stäbel. Bisher offenbar nicht. Bisher konnte man also zuge­standenermaßen ohne sonstige Leistungen, allein mit dem Parteizeugnis, etwas ereichen". Das wollten wir nur wissen. Es ist nämlich immer abgestritten worden. Es wird auch in Zukunft" abgestritten werden. Trotzdem bleibt der beste Rat, den man einem jungen Karrieremacher an einer deutschen  Hochschule geben kann, nach wie vor, sich ein gutes Zeugnis bei der SA. zu verschaffen; es wird ihm weiter helfen, als das Testat seines Professors.

wenn

Es darf bloß nicht so auffallen. Denn welch trauriges Bild, wir zitieren immer den Stäbel ,, wenn in den Se.. minaren nur noch diejenigen sigen, die dank ihrer Abstam­mung oder politischen Einstellung nicht Mitglieder der Stu­dentenschaft sein können." Grausig. Das ist also das Ergeb nis der nationalen Revolution: in den Seminaren sitzen nur noch Marxisten und Juden, saugen die Brüste der Alma mater leer, und inzwischen marschieren die echten Arier mit ge­packtem Tornister, aber leider leerem Gehirn in die staat­lichen und wirtschaftlichen Stellungen. ,, Da muß es sehr bald zu einer Katastrophe kommen", seufzt Stäbel wenn näm­lich die Blüte der Nation lieber die Beine als den Kopf an­strengt und das blöde Büffeln ausschließlich den Minderwer tigen überläßt. Argus.

100 Jahre Kerker

Das Schicksal der Schutzbündler

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Wien  , 7. Mai. Während des Februaraufruhrs waren den beiden Wiener  Landesgerichten rund 2000 Sozialdemokraten als Gefangene eingeliefert worden. Zurzeit befinden sich in diesen Gefäng­nissen noch 1400 Häftlinge. Gegen 200 Schutzbündler sind die Prozesse bereits durchgeführt; nach der Berechnung eines Blattes erhielten sie insgesamt hundert Jahre schweren Ker­fefrs. Gegen einen Teil der Häftlinge wurde das Strafver­fahren eingestellt, und sie wurden auf freien Fuß gesetzt. Andere wurden ins Konzentrationslager gebracht.

von Ungarn  ?

Zurückhaltende Erklärungen

in Bern   und ersten Anhieb, 2 mehr als bisher. Aber auch König Thun sind je ein Gewinn zu verzeichnen. Sehr erfreulich und vielfagend find die Erfolge in den ländlichen Bezirken Münster  , Courtelary, Signau  , Konolfingen  , Bern­Land. Sie beweisen, daß der Einbruch in die Hochburgen der Bauern, Bürger- und Gewerbepartei nicht mehr auf­zuhalten ist.

Besonders bezeichnend ist, daß weder die Fronten noch die Kommunisten Erfolge zu erzielen vermochten. Es war zu erwarten, daß die Heimatmehr im Oberland

einige size erhalte. Die Schwarzieher saben bereits eine ansehnliche faschistische Fraktion im bernischen Großen Rat. Auch das ist nicht eingetroffen. Der Gewinn von zwei Mandaten ist recht bescheiden. Die kommunisten gehen überhaupt leer au 3. Sie mögen bewirft haben, daß der Sozialdemokratie einige Stimmen entzogen. wurden.

Die zielbewußte, vom Geist des marristischen Sozialismus beherrschte Politif, die sich von feiner Banifmacherei beein­flufsen läßt, die aber auch der Wengstlichkeit keine Konzes fionen machte, hat Erfolg gehabt. Der Sozialismus lebt und der Margismus ist so robust, daß an ihm der Gegner zerbröckelt!

Budapest  , 8. Mai. In der Nachtsibung des Parlaments wurde der Haushalt im allgemeinen angenommen. Im An­schluß an seine Rede zur Haushaltsdebatte sprach Minister­präsident Gömbös furz zur Königsfrage. Die Aeußerungen des Ministerpräsidenten über den Legitimismus waren sehr zurückhaltend, fanden jedoch viel Widerhall. Sie erweckten den Eindruck, daß der Ministerpräsident zum ersten Mal die theoretische Möglichkeit einer legitimistischen Lösung zugab, unter der Bedingungen, daß sie den Interessen des Landes nüßen würde. Er betonte, daß die Lösung der Königsfrage durchaus nicht eine Frage der nahen Zukunft sei. Ferner deutete er an, daß die Legitimisten, falls es das Interesse der Nation erfordere, mit ihren Ideen in den Hintergrund tre­ten müßten. Auch kündigte Ministerpräsident Gömbös   in dem Teil seiner Rede, in dem er von der Einführung des ge­heimen Stimmrechtes sprach, die Ausdehnung des Wirkun1s freises des Reichsverwesers an. Die legitimistischen Abgeo- d- neten, die nach dem Ministerpräsidenten das Wort ergriffen, hielten sich an die freundlichen Aeußerungen seiner Worte.