Die Mordliste schwillt an
Es sind Hunderte gewesen....
Immer länger wird die Liste. Immer neue Namen. Immer neue Einzelheiten. Obwohl Mitwisser er: mordet wurden, dringt die Wahrheit durch den eisernen Vorhang und repräsentiert der Welt immer schauerlicher das große Mordfest um den 30. Juni, Jahrhunderte muß man in der Geschichte zurückblättern, um sich etwas ähnliches ins Gedächtnis zurückzurufen.
Die versprochene Totenliste kommt nicht. Sie wird nie kommen. Sobald amtlich Namen genannt werden, fann man an jedem Ort, wo befehlsgemäß gemordet wurde, allzu leicht nachkontrollieren, ob die Liste wahrs heitsgetren ist.
Darum wird geschwiegen, verheimlicht, geheuchelt, Es ist ja alles„ rechteng" geworden durch Kabinettsbeschluß. Die blutigen Hände sind gereinigt. Man geht in Urlaub. Nur das Gewissen der Welt geht nicht in Urlaub. Und die Verachtung und das Mißtrauen der Welt gegen ein Land, dessen Beherrscher gemäß der Staatsräson nach ihrem Belieben morden dürfen.
Noch nicht genannte Namen
Eine unvollständige Liste
Zweifelsfreie Opfer des 30. Juni, deren Tod entweder offiziell zugegeben wurde oder aber auf Grund privater Informationen einwandfrei festgestellt ist, find, nach Schweizer Blättern, folgende Personen:
2. General Kurt v. Schleicher ;
4. Obergruppenführer Karl Ernst ;
5. Obergruppenführer Edmund Heines ;
6. Obergruppenführer Hans Peter v. Heybebred;
7. Obergruppenführer Hans Heyn;
8. Obergruppenführer Wilhelm Schmid ;
Lütgebrune und Sac
Im Konzentrationslager?
Die N33. läßt sich von ihrem Korrespondenten aus Berlin melden: Dr. Lütgebrune, einer der bekanntesten Rechtsanwälte und Kronjuristen der nationalsozialistischen Partei und vielbegehrter Verteidiger in den Fememordprozessen der vergangenen Jahre, ich von der SS. verhaftet und an einen unbekannten Bestimmungsort abgeführt worden. Hatte sein Schicksalsgenosse Dr. Sa ct, der sich gegenwärtig im Konzentrationslager Lichtenburg bei Halle befinden soll, erst ziemlich spät die Mitgliedskarte der Hitlerpartei erworben und sich ganz seiner Rechtsanwaltspraxis gewidmet, so gehörte Dr. Lütgebrune zu den Würdenträgern der Bewegung. Er war als Rechtsberater dem Stabe der SA. zugeteilt und spielte in der von Dr. Frank errichteten Akademie für deutsches Recht, deren Sizungen er in seine mit hohen Rangabzeichen dekorierten braunen Uniform besuchte, eine Rolle. Im Früh preußischen Justizministers genannt, das dann aber Kerrl zufiel, während Lütgebrune seine Praris von Hannover nach Berlin verlegte und hier ein großes Büro und ein großes Haus führte.
11. Oberregierungsrat v. Bose, der Sekretär v. Papens; jahr 1933 wurde er als Anwärter für das Amt des 12. Rechtsanwalt Dr. Edgar Jung;
13. Oberst v. Bredow;
14. der frühere bayerische Generalstaatskommissar Gustav v. Kahr ;
15. Georg v. Detten, SA. - Führer und politischer Berater Röhms;
16. v. Be u Iwib, der Pressechef der Berliner SA.;
17. Ministerialdirektor Heinrich Klausener;
18. der frühere nationalsozial. Führer Gregor Straßer ; 19. Willi Schmidt, der Musiffritiker der Münchener Neuesten Nachrichten ";
20. Der Münchener Rechtsanwalt Alexander Glaser ; 21. der Münchener Restaurateur Karl Zehntner; 22. Dr. Bed in München ;
23. Standartenführer Uhl;
24. Dr. Friz Gerlich, der frühere Chefredakteur der " Münchner Neuesten Nachrichten ";
25. Standartenführer Schmidt, der Adjutant von Heines ; 26. ein sächsischer SA.- Führer namens Martin;
27. bis 30. vier SA. - Männer, deren Namen nicht bekannt sind;
17 Adlige
Kopenhagen , 19. Juli. Die dänische Zeitung„ Politiken " veröffentlicht eine inoffizielle Liste mit den Namen von 57 Opfern des 30. Juni und 1. Juli, unter denen sich 17 Mitglieder des deutschen Adels befinden. Außer den bereits bekannten Namen wird noch v. Woyrsch , SS. Offizier in Breslau , genannt.
- wieder frei?
Berlin , 20. Juli. Oberst Düsterberg, der frühere zweite Bundesführer des„ Stahlhelms ", der im Frühjahr 1933 durch nationalsozialistischen Druck von seinem Posten weichen mußte, wurde am 30. Juni in Bayern , wo er seine Ferien verbachte, festgenommen und ins Konzentrations lager Dachau gebracht. Er machte dort eine etwas mehr als zweiwöchige Haftzeit durch. Seit den letzten Tagen
31. Kirschbaum, der Adjutant des Gruppenführers befindet sich Düsterberg wieder auf freiem Fuß.
Ernst;
32. Major Sander, ein Mitarbeiter Ernsts;
33. v. Mohrenschild, ein Mitarbeiter Ernsts; 34. Rechtsanwalt Dr. Voß;
35. Oberführer Hoffmann;
36. Dr. Villian, ein Arzt in der Gruppe Ernsts; 37. v. raußer, der Stellvertreter Röhms;
38. Schrad müller, der Polizeipräsident von Magde burg ;
39. Gehrt, ein Adjutant des Obergruppenführers Ernst; 40. Oberführer Engel;
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47. Standartenführer Dumoulin Edhart;
48. Sturmbannführer Lönnider;
49. Sturmbannführer Krause;
50. der Dresdner SA .- Führer Schroeder;
51. Kessel, der Verbindungsmann zwischen der SA . und der Geheimen Staatspolizei;
52. der SA .- Führer Bergmann;
53. und 54. zwei SA .- Führer unbekannten Namens, die von Hitler in seiner Reichstagsrede genannt wurden; 55. Max, der Chauffeur Röhms.
Als 56. mit Namen bekanntes Opfer des 30. Juni ist die Frau des Gruppenführers Ernst zu nennen, die aus Verzweiflung Selbstmord beging.
Feststellungen der ,, Neuen Zürcher Zeitung " Während an der Tatsache der Erschießung des ehemaligen Generalstaatskommissars Gustav v. Kahr kaum mehr zu zweifeln ist, figurieren einige politische Persönlichkeiten Bayerns , deren Erschießung aus München gemeldet wurde, nicht mehr auf der letzten, von der„ United Preß“ veröffent lichten Liste der Opfer des 30. Juni. Es scheint, daß einige von den Persönlichkeiten, die an der Niederschlagung des Hitlerputsches vom 9. November 1923 in München beteiligt waren, sich der Rache der Nationalsozialisten für ihre da malige Rolle zu entziehen vermochten und dem Schicksal v. Kahrs entgangen sind. So soll sich angeblich General v. Lossow, der im Jahre 1923 Kommandeur der 7.( bayerischen) Division der Reichswehr war, rechtzeitig in Sicherheit gebracht haben, und der Wiener Reichspost" wird nun aus Berlin geschrieben, daß er sich ebenso wie der Polizeioberst v. eißer, Kommandeur der bayerischen Landespolizei im Jahre 1923, und der ehemalige bayerische Innenminister Stübel in England befinde. In derselben 9crliner Zuschrift, für deren Angaben die Verantwortung natürlich der Reichspost" überlassen werden muß, wird ferner behauptet, daß auch Kronprinz Rupprecht von Bayern sich seit den Ereignissen des 30. Juni in England aufhalte, während von anderer Seite versichert wird, daß der bayerische Kronprinz schon seit fünf Wochen in London meile.
Die Tatsache der Erschießung von Dr. Friz Gerlich, dem ehemaligen Chefredakteur der„ Münchner Neuesten Nachrichten ", ist zwar amtlich nicht befannt, aber inoffiziell zugegeben worden,
In eine Falle gelockt
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Im Walde verscharrt
Dr. Otto Straßer , der Herausgeber der„ Deutschen Revolution", erzählt in der soeben erschienenen Nummer feiner Zeitung grauenhafte Einzelheiten über die Er dung seines Bruders Gregor. Wir dürfen fie unsern Lesern nicht vorenthalten: wegen der Persönlichkeit des Toten und der Charakteristik der Meuchelmörder von der SS ., die mit der Gestapo zusammen arbeiteten: „ Am Samstag, 30. Juni 1934, gegen 1.30 mittags drangen in die Privatwohnung Gregor Straßers fünf Beamte der Geheimen Staatspolizei Görings ein und verlangten Gregor Straßer zu sprechen.
Gregor Straßer saß mit seiner Familie am Mittagstisch und beabsichtigte dann in die Fabrik zu gehen, wo für 3 Uhr von ihm eine Feier für die Arbeiter und Angestellten arrangiert war.
Die in Zivil auftretenden Gestapobeamten baten Gregor Straßer ins Nebenzimmer und erklärten ihm dort, er müsse sofort mit in das Büro kommen, da sie dort eine Haus= suchung vornehmen müßten.
Erstaunt frug Gregor Straßer nach dem Grund, worauf ihm gesagt wurde, man müsse sein Büro(!) untersuchen wegen des
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Verdachts hochverräterischer Bestrebungen. Gregor Straßer begab sich darauf wieder ins Eßzimmer, beruhigte seine Familie und erklärte, schnell mit den Beamten ins Büro( Schering- Kahlraum) fahren zu müssen, um bei der dortigen Haussuchung persönlich anwesend zu sein. Die Beamten fuhren mit Gregor Straßer zunächst auch in das Büro ließen dann aber plötzlich die Maske der ge= planten Haussuchung fallen und übergaben Gregor Straßer einem vor dem Büro wartenden SS . Kommando. Das SS .- Kommando fuhr mit dem sofort gefesselten Gre gor Straßer in rasender Fahrt in den Grunewald , während die Gestapobeamten sich seelenruhig auf den Heimweg machten und die aufgeregten Fragen der besorgten Augenzeugen mit einem vielsagenden Achselzucken beantworteten.
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Im Grunewald trieb die entmenschte Göring- Horde Gre gor Straßer zunächst tief in den Waldschlug ihn dann nieder und trampelte ihn unter finnlosem Wutgeheut l'augsam zu Tode.
Gegen 3.30 Uhr kamen 3 Mann dieser vertierten Schergen Görings wieder in die Privatwohnung, wo die ganze Familie in größter Sorge saß. Auf die angstvolle Frage von Frau Straßer, wo denn ihr Mann sei, antwortete einer der Hunde:
„ Das weeß teen Mensch. Den tennt niemand mehr,"
nahm plößlich ein Buch aus dem Bücherschrank und frug, ,, wieso das viele Geld dorthin käme".
In Wirklichkeit hatte der Komplize Görings das dem ermordeten Gregor Straßer abgenommene Geld schnell in das Buch geschoben( da gerade Gehaltstermin war, hatte Gregor Straßer den Betrag noch in der Brieftasche gehabt!) und sich auf diese Art von dem Mordgut getrennt,
Herr Erzbischof!
Ein Auslandsdeutscher stellt uns folgenden Brief zur Verfügung: Zürich , den 17. Juli 1984.
Sr. Eminenz
Herrn Erabischof Dr. Gröber
Freiburg i. B.
Ew. Eminenz! Die politische Entwicklung in Deutschland namentlich seit den Tagen um den 30. Juni 1934 hat einen Weg genommen, der Ihr noch immer andauerndes Schweigen der katholischen und auch der übrigen Welt unverständlich erscheinen läßt. Warum schweigen Sie, Herr Erzbischof? Als der Nationals fozialismus noch schwach war und in Opposition stand, haben Sie sprechen und diesen verurteilen können. Einen Priester Ihrer Diözese haben Sie damals sogar deshalb disziplinär bestraft, weil er Nationalsozialist war. Nachdem alsdann der Nationalsozialismus zur Herrschaft gekommen war, haben Sie sich umgestellt und in Ihrer unglücklichen Rede in der Festhalle zu Karlsruhe anläßlich des Chrifttönigfestes des letzten Jahres Ihre Umstellung in einer Form zum Ausdruck gebracht, die die Annahme hätte rechtfertigen kön= nen, als wären Sie selbst als reuiger Sünder zum National sozialismus umgeschwenkt. Die Welt hat Ihre damalige Umstellung nicht verstehen können. Nachdem nunmehr aber durch die Ermordung zahlreicher Söhne unserer heiligen fatho lischen Kirche und anderer aufrechter, nachgewiesenermaßen unschuldiger Menschen auf Befehl des Reichskanzlers, die Hand dieses obersten Vertreters der nationalsozialistischen Weltanschauung, mit unschuldigem Blut befleckt worden ist, erwartet die Welt von Ihnen, daß Sie sprechen. Eminenz! Wie oft haben Sie in der vergangenen Zeit persönlich verkündet und durch Ihre Priester verkünden lassen, daß das Leben der Ungeborenen heilig sei. Ist Ihnen das Leben der besten Ihre Söhne, des Dr. Klausener, nicht eben so heilig? Die katholische Welt hat Anspruch darauf, Sie als Oberhirte endlich sprechen zu hören, nachdem Sie auch früher über die nationalsozialistische Weltanschauung haben sprechen können. Wenn es Ihnen noch nicht bekannt sein sollte, so er: lauben Sie es mir als katholischem Auslandsdeutschen und ergebenem Sohne unserer heiligen katholischen Kirche es Ihnen zu sagen: Die Welt erträgt es nicht mehr länger, daß die nationalsozialistische Weltanschauung in Deutschland und in Oesterreich von derselben katholischen Kirche um des Ges wiffens willen eine gerade entgegengesetzte Behandlung ers fährt. Entweder ist diese Weltanschauung nicht zu vereins baren mit katholischen Grundsägen, dann sind Sie als Erzbischof streng verpflichtet, zu sprechen, oder aber, die genannte Weltanschauung verstößt nicht gegen unseren Glauben, dann dürfen die Bischöfe Oesterreichs diese Weltanschauung nicht bekämpfen. Herr Erzbischof, sprechen Sie endlich. Ew. Eminenz ergebenst
Ein Auslandsdeutscher.
In höchstem Entsetzen versuchte die unglüď- liche Frau, begleitet von ihrem Bruder, zu Hitler , zu Frid, zu Göring , zu Dalüge vor= zubringen-
Dieselben Leute, die hunderte Male an ihrem Tisch ge: feffen hatten( itler ist der Taufpate der 3 wils lingssöhne Gregor Straßers), ließen sich jetzt in der feigsten Weise verleugnen-
wobei die Kreatur Görings, Dalüge, der unglücklichen Frau noch jagen ließ, sie möge gefälligst ihr Maul halten, sonst würde es ihr genau so ergehen". Tagelang hörten die Hinterbliebenen nichts. Erst als Freunde Gregor Straßers systematisch die Stätte seiner Abschlachtung absuchten, um die Leiche zu bergen( und möglichst zu fotografieren), ließen Göring und Dalüge den völlig un fenntlichen Leichnam des Ermordeten
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in der Nacht ansgraben, eiligst verbrennen und übergaben am 7. Juli genau 8 Tage nach dem Mord- der Fa= milie eine Urne mit dem Bemerken, das sei Gregor Straßer ,
Otto Straßer schließt diesen Bericht mit folgendent Säßen:
So weit der Bericht! Und nun fordern wir Herrn Dr Goebbels, Herrn Minister Göring, Herrn Reichsfanzler Hitler auf, gegen uns zu klagen, wenn wir sie heute und immerdar vor dem deutschen Volk und der Weltöffentlichkeit des bewußten, überlegten, planmäßigen Mordes an Gregor Straßer bezichtigen, den Herr Göring in hunds föttiger Weise in einen Hin terhalt lockte und dort einer vorbereiteten Mordkolonne des Herrn Himmler übergab, des gleichen Herrn Himmler , der seine Karriere nur dem Umstand verdankt, daß er jahre lang Privatsekretär Gregor Straßers war, sich als engster Bertrauter, aufrichtigster Freund und unerschütterlicher Anhänger des sozialistischen Flügels aufspielte, was er durch Duz- Freundschaft mit Gregor und Otto Straßer besiegelte! An die Weltöffentlich feit aber richten wir die Aufforderung, diese bestialische Tat Hitlers mit der Reichstags- Re de Hitlers in Vergleich zu setzen, um dann ein für allemal zu wissen, daß die Friedensworte Hitlers Lüge sind, sein wahres Tun aber Mord und Krieg!
London , 20. Juli. Die„ Times" berichtet, daß sich etwa 2000 A.- Leute im Konzentrationslager Dachau befinden. Die Baraden reichen nicht mehr aus. so daß Zelte aufgeschlagen werden mußten, um die Gefans genen unterzubringen. Die sogenannte„ Säuberungsaktion" geht weiter. Viele SA .- Leute werden aus der braunen Ars mee ausgeschlossen. Zum Teil mit der Begründung, daß in den vergangenen Monaten weit über 100 000 SA .- Männer illegal eingestellt worden sind