Deutsche   Stimmen. Bellage zur Deutschen Freiheit Ereignisse und Geschichten

Sonntag- Montag, den 30 september und 1. Oktober 1934

Geheimnis in Hannover  

Ein Nobelpreisträger rühmt Einstein  - Und dazu noch ,, spontaner Beifall"

In Hannover   tagte die Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte. Sie hatte äußerlich genau das Geprage, das heute alle Kongresse beherrscht, vor allem diejenigen, die sich wissenschaftliche Aufgaben ge­stellt haben. Irgend ein Führer" eröffnet mit der Ver­sicherung, daß es Geist und Wissenschaft ohne Voraus­setzung der nationalsozialistischen Weltanschauung nicht mehr gebe. In Hannover   sagte dies der Führer der NS.  ­Aerzteschaft  , Dr. Wagner. biblos

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Aber nachher ließ er doch die Zügel bedenklich schleifen. Neben Rednern über Rasselehre und Bevölkerungspolitik standen einige andere auf, die für die Wissenschaft Unab­hängigkeit verlangten. So der offizielle Führer" der Ge­sellschaft, Geheimrat Professor Dr. Bosch. Er sagte wir folgen wörtlich dem Bericht der Frankfurter Zeitung  " -die absolute Aufgabe der Naturwissenschaft sei ,,, unab­hängig von Milieu und Gegenwart ihren universellen geistigen Zielen zuzustreben Dies, däucht uns, war eine arge Ketzerei. Die Universität geistiger Ziele ist in Deutsch­ land   abgeschafft, seitdem im Kultusministerium Rust  regiert, Rosenberg Kulturdiktator ist und die Hochschul­lehrer freiwillig auf die selbständige Wissenschaft verzichtet haben.

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Das schwarze( besser: das rote) Schaf unter diesen ist Albert Einstein  . Ausgebürgert, beschimpft, be­

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Der Tote

Von Erich Mühsam  

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Was macht's!

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Var's ein Traum? Ist's wahr? Bilder ziehn und fliegen. Einen Toten sah ich nachts auf der Bahre liegen. Schlug die Augeu nicht mehr auf, hielt den Mund geschlossen und ließ doch den Worten Lauf, die im Kreis zerflossen: Schreiner  , füge mir den Sarg aus sechs starken Brettern. Wer das Herz in Schlummer barg, trott nicht mehr den Wettern. Wer am Wege niederfiel, müde und verlitten,

braucht, daß er ihn leit zum Ziel, keinen Gott zu bitten.

überhaupt nicht möglich sei. Der Gelehrte glaubt, daß von den Wandlungen der Grundlagen der exakten Natur­wissenschaften in jüngster Zeit" so hieß sein Thema mannigfache Wirkungen auf Nachbargebiete und andere Bereiche des geistigen Lebens zu erwarten seien. Die moderne Physik habe uns gelehrt, daß wir nie hoffen dürften, von einer bestimmten Operationsbasis aus wie es die klassische Physik gehofft habe das ganze Ge­biet des Erkennbaren zu durchstreifen. Vielmehr würden wir immer wieder von neuem in die Situation des Colum­bus kommen müssen, der den Mut besaß, alles bis dahin bekannte Land zu verlassen, in der fast wahnsinnigen Hoffnung. jenseits der Meere doch wieder Land zu finden." Professor Heisenberg  , der Nobelpreisträger, scheint sich sicher zu fühlen. Im Besitz einer schönen Unabhängigkeit, die ihm unzählige seiner Kollegen neiden, bekennt er, ohne den geächteten jüdischen Physiker nicht auszukommen". Aber das ist vielleicht nicht die größte Ueberraschung. Daß ein heitrer oder trüber, es dazu ,, spontaner Beifall" gab, unter brauner Ueber­wachung, deutet auf eine starke Lockerung nationalsozia­listischer Disziplin hin. Wer das ganze Land des Erken baren durchstreift", ohne nach nationalsozialistischen Schlag. bäumen zu fragen, hat bisher entweder das Refugium in der Fremde oder das deutsche Konzentrationslager erreicht.

stohlen: das waren seine persönlichen Abschiedserlebnisse. Seine Idee

Das sachliche: seine Ideen, vor allem die Relativitätstheorie, wurden im Namen des teutonischen Geistes in die unterste Dunkelkammer jüdischer Ignoranz verwiesen und widerlegt, daß die Relativitätsfegen nur so flogen.

Aber was geschieht in Hannover  ? Wir lesen in dem Be­richt der Frankfurter Zeitung  " wörtlich:

,, Gewiß nicht ohne tieferen Grund stand auf der Tages­ordnung gleich der ersten allgemeinen Sitzung ein Vortrag des jugendlichen Leipziger   Nobelpreisträgers, Prof. W. Heisenberg  , der einen Ausblick auf die Wiederge­winnung der in den letzten Jahrzehnten verlorenen Einheit des wissenschaftlichen Weltbildes bot. Spontanen Beifall lösten seine Ausführungen über die Einsteinsche Relativi­tätstheorie aus, ohne die ein Weiterkommen in der Physik

An Stelle des gebildeten Privatmannes

ララ

Reichsminister Rust   äußerte sich dem Vertreter des Völkischen Beobachters" gegenüber wie folgt: An Stelle des gebildeten humanistischen Privatmannes oder des nur rational denkenden, aufgeklärten Wissenschaftlers, tritt die Bildungsidee der nationalsozialistischen Haltung.. Die Nationalpolitischen Lehranstalten sind zunächst höhere Lehranstalten mit normalem Lehrplan und normaler Reife­prüfung. Sportliche und geländesportliche Ausbildung, Er­werbung des SA.- Sportabzeichens, Ausbildung im Segelflug. im Motorrad- und Autofahren sowie mehrere größere Ge­ländeübungen im Jahre gehören ebenso wie Fechten, Reiter usw. zum Ausbildungsplan..."

Japaner- die andere Edelcasse

Sie gelten allein etwas neben den Germanen

,, Aber der Geist der großen Vergangenheit als Wegweiser für die Zukunft steigt vom Boden auf, er kommt aus dem Blut der Masse, er wird von der Erde ausgeatmet und dringt in die Lungen und von dort in die Herzen der Menschen."

Ein Wegweiser, der vom Boden aufsteigt, aus dem Blut kommt, einerseits ausgeatmet wird und andererseits in die Woher mag dieser Blut- und Boden­Lungen dringt- schwulst stammen? Richtig! Aus einer deutschen Zeitung, und zwar aus der Bremer Zeitung". Aber wem ist die Hymne gewidmet? Sicher den blauäugigen, blondhaarigen germanischen Blubo- Recken? Falsch! Ganz falsch! Es ist hier überhaupt nicht von Deutschland   die Rede, sondern ausgerechnet von Japan  ! Japan  , der kapitalistisch­imperialistische Bundesgenosse des dritten Reiches" wird zwei Spalten lang in der gleichen Tonart angesungen, in der Hitlerdeutschland sonst nur sich selbst zu beschwärmen pflegt.

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Der Schreiber hat natürlich die erstaunte Frage seiner Leser vorausgesehen, ob denn die Gelbhäutigen neuerdings zur hochgewachsenen germanischen Edelrasse gehören, der doch angeblich die Welterlösung allein vorbehalten ist. Er erwidert kurzerhand,., daß das neue Deutschland   nicht nur fremdes Volkstum achtet, sondern hochstehende fremde Rassen in ihrer Eigenart anerkennt und zu schätzen vermag".

anerkannt

die Schranken zu fordern? Wer je gleichermaßen isoliert und von aller Welt verabscheut war, der werfe den ersten Stein.

Wem die Sonne nicht mehr scheint, kann die Liebe missen.

Wieviel Trauer um ihn weint, braucht er nicht zu wissen.

Himmel

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Hölle, Dunkel

Tote unterscheiden nicht. Lust und Leid: vorüber!

aus sechs starken Brettern. In den Grabblock meißle du, Steinmetz, diese Lettern: Menschen, laßt die Toten ruhn euer ist das Leben.

Schreiner  , richte mir die Truh

Lich

Jeder hat genug zu tun, Arm und Blick zu heben. Laßt die Toten! Sie sind frei im durchnáßten Sande. Euch entringt der Sklaverei! Euch der Not und Schande! War ein Kampf des Lorbeers wert, spart dem Tod die Spende,- aber nehmt des Toten Schwert! Führt den Kampf zu Ende! Kämpft, o kämpft, und nützt die Zeit zu der Menschheit Glücke!

Fällt ein Mann, so steht bereit: Vorwärts! Schließt die Lücke! Wollt ihr denen Gutes tun, die der Tod getroffen, Menschen, laßt die Toten ruhn und erfüllt ihr Hoffen!

Wenn Freunde auseinandergehen... ,, Blutige Untreue von Arminius bis Bethmann" Goebbels Publizisten haben, den amtlichen Richtlinien entsprechend, Italien   der Untreue bezichtigt; plötzlich er­innert sich das Gewürm an Italiens   Vertragsbruch von 1915. Mussolini   revanchiert sich und schreibt eigenhändig im Popolo d'Italia", die Deutschen   sollten gefälligst das Maul halten, denn ihre Geschichte zeige ,, aufsehenerregende Bei­Auf der Tagung der Deutschen Gesellschaft für gerichtliche spiele blutiger Untreue von Arminius   bis Bethmann- Holl­ weg  . Die Nazipresse kollert vor Rassestolz und rückt Musso­von der verjudeten römischen Mittelmeerkultur ab lini antwortet mit einer Rede, in der er den Germanen vor.

Rassenspöttlern droht der Tod

und soziale Medizin erklärte Oberstaatsanwalt Vollmer in einem Vortrag über Nationalsozialistische Strafgesets­

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gebung" u. a., es werde vorgeschlagen, die Schmähung wirft, daß sie noch nicht einmal lesen und schreiben konnten, des Volks und Rassegedankens hart zu be­strafen. Mit dem Verbot einer Rassenvermischung werde die Bestrafung der wissentlichen Erzeugung kranken Nach­wuchses Hand in Hand gehen. Vorgesehen sei auch ein Schut des deutschen Geschichtsgutes und der völkischen Sittenauf­fassung.

Der hartherzig gezogene Korridor Das ,, beispiellos wohlfeile Buch"

,, Grenzen zwischen Deutschen   und Deutschen  ". So nennt sich ein Buch, das von Dr. Friedrich Lange herausge­geben, von dem Hitlerverlag Franz Eher Nachfolger verlegt worden ist und das in der Zeitschrift ,, Der Aufbau" mit folgenden Worten empfohlen wird:

,, Nicht in friedlicher Stille einer binnendeutschen Studier­stube entstanden, sondern draußen an und hinter den Grenzen erarbeitet und erkämpft ist diese Auswahl aus rund 5000 selbst gemachten Grenz- und Grenzlandaufnahmen, eine 5000 selbst gemachten Grenz- und Grenzlandaufnahmen, eine Frucht planmäßiger 22jähriger Grenzlandarbeit. Ohne dicke Gelehrsamkeit und trockene Jahreszahlen, aber doch ein­wandfrei. paekend von der ersten bis zur letzten Seite, eine nordischen knappe Gesamtschau über deutsches Grenzlandleid, eine er­

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Der Versuch, die Japaner der Einfachheit halber den Germanen zuzuzählen er wurde anfangs wiederholt ge­macht scheint also am Widerstand der Rassetheoretiker gescheitert zu sein. So hat man sich entschlossen, wenigstens eine Rasse neben der nordischen gelten zu lassen. Das ist zwar Verrat an Wotan, aber der Gott möge verzeihen es blieb seinen armen Gläubigen wirklich nichts anderes übrig. Die anderen, Länder sind ja so hinterlistig, sich voll Grauen vom Reiche germanischer Erneuerung" abzuwenden. Die schwedischen Wähler haben soeben dem Haken­kreuz einen mächtigen Fußtritt versetzt, während sie gleich zeitig der jüdisch- marxistischen" Regierung ihr Vertrauen aussprachen. Diese offensichtlichen Unterarier, die es nicht wert sind, die Haarfarbe mit ihren deutschen Brüdern zu teilen, wollen durchaus nicht einsehen, daß es dem nor­dischen Menschen geziemt, zu hungern, stramm zu stehen, Angst zu haben und nicht nachzudenken. Nicht ein einziges Mandat haben sie den Hakenkreuzlern anvertraut, obgleich Schweden   seit langer Zeit unter sozialdemokratischer ,, Miẞ­wirtschaft" schmachtet und obgleich die marxistisch verseuchte Regierung der Wirtschaftskrise erfolgreich zuleibe rückte. Sie begreifen eben nicht. diese Schwachköpfe, daß es besser ist, mit Hitler in den Abgrund zu rennen als ohne Hitler  emporzusteigen. Vielleicht sind sie gar nicht echt müßte nachforschen, wo and wann in Schweden   eine jüdische Invasion stattgefunden hat. Leider benehmen sich die andern arischen Brüder um keinen Deut besser. In Dänem   ark, in Norwegen  , in England werden hitlerdeutsche Reisende mit solcher Verachtung empfangen, daß im die ganze Freude an der nordischen Blutsgemeinschaft ver­geht.

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man

Was bleibt da den armen Hitlerianern anderes übrig, als Arm in Arm mit Japan   die unvernünftige nordische Welt in

schütternde Anklage gegen das Unrecht von Versailles   und St. Germain Das beispiellos wohlfeile Buch, das den Weg in alle Schulen, Dienstzimmer und Amtsstellen finden muß, wie in jede deutsche   Familie, öffnet den Blick für die Weite der Welt vom stillgelegten Bahnhof Hoyerschleuse bis nach Cill in Untersteiermark  , von den deutschen Ge­bieten Altbelgiens und dem Wasgau bis nach Deutsch- Ungarn, dem Jablunkapaß in den beskidischen Karpatlien und über den hartherzig gezogenen Korridor hinaus zur Memel  ."

Es handelt sich, wie man sieht, um eine Art Bilderbuch als Anhang zu Hitlers Buch Mein Kampf  ". Allerdings hat Hitler  , seid er dieses Buch erscheinen ließ, sämtliche dort ver­kündeten Ziele wiederholt abgeschworen, und den, hart­herzig gezogenen Korridor" hat er ganz überflüssigerweise den Polen   noch einmal feierlich zugesichert. Nun erscheint wiederum in seinem Verlag ein solches Buch! Wer wird da belogen? Das Ausland, vor dem man Ziele abschwört, die man verfolgt! Das Inland, dem man Ziele vortäuscht, die

man nicht mehr hat?

Kultur ist anrüchig

als ,, Rom   schon einen Cäsar und einen Augustus besaß". Soweit sie sich gegenseitig Treuelosigkeit vorwerfen, haben sie beide, die Braunen wie die Schwarzen, zweifellos recht, während der südliche wie der nördliche Rassemumpits gleich blödsinnig ist. An dem Streit interessiert nur die beinahe antike Façon, die lausbubenhafte schimpfende Größe, mit der zwei Diktatoren voneinander scheiden. Vor kurzem noch war der eine des anderen Vorbild. Man kopierte ihn bis zum Erbrechen. Selbst das germanische Erneuerungs­geschwätz war nur eine nördliche Kopie des Mussolinischen Renaissance- Schwulstes. Der Duce wurde zum Retter der lateinischen Kultur und pries dafür die Nazis als Erneuerer Deutschlands  , schickte auf den Nürnberger Parteitag des Vorjahres gleich zwei italienische Gesandte als ausländische Glanznummern pokulierte dort lediglich der und jener südamerikanische Fantasiekonsul. Noch vor Jahrefrist nannten der Duce und der Osaf einander brüderlich Ver­bündete jetzt tönt es herüber und hinüber: Verräter, Dummköpfe, Treulose, Barbaren  !

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Wenn Freunde auseinandergehen, so pflegt sich allez weitere ihrem Charakter entsprechend abzuwickeln. Dieser Ursprung haftet ihnen an, was immer sie tun und reden. Verkrachen sie sich, so fliegt der Schlamm, in dem sie waten, Man konnte darum das alles unschwer voraus sagen. Aber welch ein pathologischer Mangel an poli. tischer Weitsicht zeigt sich in diesen Differenzen, in diesem hysterischen Gezänk der beiden Despoten! Welche Unfähigkeit in der ehemaligen gegenseitigen Einschätzung, welche Fahrigkeit, welche für Europa   gemeingefährlichen Perspektiven!

Und diese beiden haben sich Arm in Arm noch vor Jahres­frist als Befreier und Erneuerer unseres Kontinents emp. fohlen!!

Odol auf dem Parteitag

Odol( nicht Darrés Odal) war auch auf dem Nürnberger Parteitag vertreten. Ein Teil des Gletscherspalten- Riesen. films wurde aus einem Flugzeug und aus dem Odol- Luft. schiff gemacht. An den Filmregiearbeiten hat auch der wegen des Juliputsches gesuchte Skiläufer Lantschner- Inns­bruck teilgenommen.

Mekka   im Radio

Der Muezzin der Heiligen Moschee vom Grabe des Pro­pheten wird künftighin die Gläubigen aller Welt durch das station in El- Michlaf im Nodran- Gebiet errichten, die Mekka  mitbedient,

Ein Berliner   Kino läßt seit einigen Tagen den berühmten Expeditionsfilm ,, Eskimo  " laufen. Ueber der Ankündigung Mikrofon zum Gebet rufen. König Ibn Saud   läßt eine Funk­des Films findet sich auf dem Portal des Kinos die riesige Ueberschrift: ,, Kein Kulturfilm"!