„ Kaiserin" Zita
Die Belgrader ,, Prawda" konstruiert Zusammenhänge
Belgrad , 2. Nov. Die Blätter richten ihre Angriffe jetzt gegen die österreichischen Monarchisten. Am heftigsten ist die Schreibweise der„ Prawda", die sich an leitender Stelle gegen die„ habsburgischen Vampire" wendet und auch sonst mit starfeu Kraftausdrücken nicht spart. Sie bringt die österreichischen Legitimisten mit der„ Maffia " der ehemaligen Doppelmonarchie in Verbindung, deren Mitglieder„ Todesschatten über das Pflaster von Wien und Budapest gleiten". Um leben zu können, hätten sich diese Habsburganhänger in den Dienst der Feinde des südslawischen Staates gestellt, von denen sie sich finanzieren ließen. Die schwarzgelben Generäle und Oberstleutnants wollten den zerfall Südslawiens herbeiführen. Den Beweis, daß die österreichischen Monarchisten mit der südslawischen Terrororganisation in enger Verbindung ge= standen hätten, fönne man außer in den Geständnissen der in Frankreich verhafteten Attentäter auch in dem Umstand, erblicken, daß Pawelitsch am Tage des Königsmordes mit dem Sartotttsch in Wien ein längeres Telefongespräch über den Selbstmord des Obersten Dujitsch geführt habe, der gleichfalls der terroristischen Organisation angehört hätte. Die frühere Kaiserin 3ita aber habe wiederum zum Begräbnis des Obersten Dujitsch einen prachtvollen Kranz gesandt.
Sozialismus der Tat
Der große Schwindel im ,, dritten Reich"
Je rücksichtsloser das faschistische Regime sich als die Herr schaft des Monopolfapitalismus enthüllt, desto notwendiger haben es die Nationalsozialisten, alles, was in Deutschland geschieht, als Sozialismus hinzustellen. Alle die Maßznahmen, die sich für die werftätige Bevölkerung in sozialer Hinsicht reaftionär auswirken, sind nach den Behauptungen der Nationalsozialisten Sozialismus. Die Festigung der fapitalistischen Klassenherrschaft, die Steigerung der Ausbeutung der Arbeiterschaft ist für sie Sozialismus.
Eine besondere Aufgabe kommt bei dieser Schändung des Sozialismus den früheren Gewerkschaftsblättern zu, die jezt allesamt als Mitteilungsblatt einer Reichsbetriebsgemeinschaft erscheinen. In der Holzarbeiter- Zeitung wurde unter der Ueberschrift" Sozialismus der Tat" kürzlich berichtet, daß die Bauarbeiter in Stollberg in Sachsen „ freiwillig" eine Stunde für die Mutschmann- Spende gearbeitet hätten. Dabei ist bekannt, daß in beinahe allen Fällen diese angebliche freiwillige Mehrarbeit durch Terror expreßt wird. In der Notiz heißt es dann weiter:
„ Sozialismus in anderer Form zeigt die Firma Bochmann, Strumpffabrik, Benthen. Sie läßt einen Wohnungsneubau herstellen. Nicht alltäglich dürfte auch sein und soll deshalb nicht unerwähnt bleiben, daß das Richtfest des Neubaues im Speisezimmer des Bauherrn gefeiert wurde. Beide Male Sozialismus im Sinne unseres Führers. Gibt es wohl einen besseren Weg zur Volksgemeinschaft?"
Mit diesem„ Sozialismus" des minderwertigen Kleinbürgers soll die deutsche Arbeiterklasse abgefunden werden!
Arische Ururgroẞväter gesucht
Berlin , 2. Nov.( Inpreß.) Die bisher in Hitlerdeutschland so beliebte arische Großmutter hat in wesentlichen Bezirken aufgehört, bedeutsam zu sein. Für die SA. sind die Großpäter ihrer Großväter, also ihre Ururgroßväter, wichtig geworden. Jeder A.- Mann ist verpflichtet, nachzuweisen, daß seine Vorfahren bis zum Ururgioßvater„ rein arischen" Ursprungs sind.
Das neue deutsch - englische Zahlungsabkommen
400 000 Pfund Sterling zur Abdeckung der Warenschulden bereitgestellt
Wie von uns in der letzten Ausgabe bereits angefündigt, wurde zwischen dem Reichsaußenminister Freiherrn von Neurath und Dr. Schacht auf deutscher Seite und dem englischen Botschafter in Berlin und dem englischen Delegationsführer das Zahlungsabkommen abgeschlossen. Das Abkommen regelt drei verschiedene Fragen fomplere: die Bezahlung der englischen Einfuhr nach Deutsch land , die Bezahlung der überfälligen deutschen Schuldverpflichtungen und die Reglung von Finanzverpflichtungen, vor allem aus der Dapes: und Young- Anleihe. Ueber den wesentlichen Inhalt des Abkommens wird von zuständiger Stelle folgendes mitgeteilt:
Auf deutscher Seite hat man bei den Verhandlungen entscheidendes Gewicht darauf gelegt, daß der Grundgedanke des ,, neuen Plans", wonach die Einfuhr von den verfügbaren Devisen abhängig ist, von englischer Seite vertraglich anerfannt wurde. Das Abkommen enthält infolgedessen eine Bestimmung, die besagt, daß soweit die für die Bezahlung der englischen Einfuhr nach Deutschland zur Verfügung zu stellenden Devisen nicht ausreichen, die deutsche Regierung das Recht habe, im Einvernehmen mit der englischen die Ausgabe von Devisenbescheinigungen für englische Waren vorüber: gehend zu beschränken. Ohne Devisengenehmigung eingeführte Waren haben bekanntlich feinen Anspruch auf Bezahlung.
Andererseits haben die Engländer durchgesetzt, daß die Reichsbanf aus den Devisen, die aus der deutschen Ausfuhr nach England anfallen, bestimmte Beträne für den Anfauf englischer Waren bereitgestellt werden. Deutschland hat sich
verpflichtet, gewisse Devisenbeträge laufend zur Verfügung zu stellen, und zwar nach einem Schlüssel, der die englische Ausfuhr nach Deutschland und die deutsche nach England in das Verhältnis von 55: 100 jeßt. Die Ausfuhr werde dabei errechnet aus der Grundlage eines Vergleichs zwischen der deutschen und der englischen Statistik. Soweit die Zahlen differieren, werde man das Mittel nehmen. Also jeweils 55 Prozent der deutschen Ausfuhr werden für die englischen Exporteure nach Deutschland zurückbehalten.
Die Verhandlungen über die überständige deutsche Warena schuldverpflichtung hätten besondere Schwierigkeiten gemacht. Der Verhandlungspartner habe entscheidendes Gewicht auf die Reglung dieser Verpflichtung geleat. Das Graebnis bestehe in der deutschen Anerkennung dieser Verpflichtungen. Für ihre Bezahlung werde in jedem Monat von der Reichs bank ein Betrag verfügbar gemacht, der 10 Prozent des Wertes der deutschen Ausfuhr noch England entspreche. So= fort mit dem Infrafttreten des Abkommens soll ein Betrag von 400 000 Pfund für die Abdeckung dieser Schulden zur Ver= fügung gestellt werden. Was die Reglung der Finanz verpflichtungen angehe, so sei vereinbart worden, daß die Abmachung vom 4. Juli 1934, die am 31. Dezember außer Kraft treten würde, zu den aleichen Bedingungen wie bisher ver längert würde. Eine Abweichung beft; he für die sogenannten Nicht- Reichsanleihen. England habe erklärt, daß die Sondercbkommen hierüber eine Diskriminierung der englischent Gläubiger bedeuteten. Es habe das Angebot gemacht, wenn man den englischen Gläubigern für die fällig werdenden Kupons Fundierungsbonds zu 4 Prozent gebe werde der Einwand der Diskriminierung nicht mehr erhoben. Dieses Angebot ist auch von deutscher Seite angenommen.
( Von unserem Korrespondenten)
A. Ph. Paris , 2. November. Wieder einmal hat sich Frankreichs innenpolitischer Himmel mit Wolfen überzogen. Diejenigen, die geglaubt haben, daß nach dem versöhnlichen Schluß des radikalsozialistischen Parteitages in Nantes alle Schwierigkeiten beseitigt sein würden und damit das Weiterbestehen der Regierung Doumergue gesichert set, haben zu früh aufgeatmet. Man hatte damit gerechnet, daß Doumergue, wie wir es an diefer Stelle gesagt haben, die in Nantes geschlagene Brücke betreten und auf die Erfüllung einiger seiner Reform wünsche verzichten würde; im Augenblick aber scheint es so, als ob der Ministerpräsident nicht zum Nachgeben bereit sei. Noch am Mittwoch erklärte er, er würde nicht ein Jota von seinem Plan ändern. Mit andern Worten heißt das also, Doumergue halte daran fest, daß in der Verfassung das Recht des Staatspräsidenten vorgesehen werde, die Kammer ohne Zustimmung des Senais aufzulösen. Sollte Doumergue tatsächlich in dieser Frage nicht nachgeben und darüber wird die am Samstag stattfindende Kabinettsfizung Aufschluß geben dann muß man damit rechnen, daß noch in oder spätestens unmittelbar nach dieser Sigung Herriot und seine fünf radikalsozialistischen Ministerkollegen ihre Demission geben. In diesem Falle würde man eine Regierungsfrise erleben, an der mit Ausnahme der rechten und linfen Flügelparteien niemand im
im Gefolge haben könne, dann sei das ein Grund mehr, unt schleunigst noch vorher die inneren Schwierigkeiten aus der Welt zu schaffen. Denn jetzt sei die Regierung zur Ohnmacht verurteilt und nicht in der Lage, an irgendeine Frage, sogar an die der nationalen Verteidigung heranzugehen. Nichts wäre unfluger, als diese Lage zu verlängern. Und die Abstimmung über die Verfassungsreform set das einzige Mittel, um sofort die Luft zu reinigen.
Der radikale Deuvre" hat keine Hoffnung mehr auf einen friedlichen Ausgleich. Doumergue, so bemerkt das Blatt, habe schon seine Maßnahmen getroffen, um, falls es zum Rücktritt der radikalsozialistischen Minister fomme, unmittelbar darauf die neuen Männer zu ernennen. Sei das wirklich so einfach? Dann erst sei die Krise unvermeidlich, nicht die Ministerkrise, sondern die politische Krise. Ein Kabinett ohne Unterstützung der Radikalen könne gegen: wärtig fein parlamentarisches Leben führen.
Der Ministerpräsident müßte also sofort nach der Ergän zung seines Kabinetts die Auflösung der Kammer fordern. Dies aber könne nach der geltenden Verfassung nur mit Zustimmung des Senats geschehen. Dieser könne dem Auflösungsantrag zustimmen oder ihn ablehnen. Lehne er ihn ab, dann werde man erst mitten im Wirrwarr sein. Stimme ser ihm zu, dann werde das Durcheinander vollkommen sein.
Lande eine Freude hätte, die vor allem aber die die Regie Doumergue bel Lebrun
rung stüßenden Parteien gar nicht gewollt haben.
Henry de Klerillis im„ Echo de Paris" meint, man wolle Dcumergue einreden, er solle erst einmal die Saarabstimmung vorüber sein lassen, um jetzt nicht die inneren Gegensätze zu verschärfen. Wenn man aber zugebe, daß die Saarabstimmung diplomatische Berwicklungen und eine neue Spannung zwischen Deutschland und Frankreich
Paris , 1. Nov. Ministerpräsident Doumergue hatte hente vormittag eine längere Unterredung mit dem Staatspräsi denten Lebrun, die sich wahrscheinlich auf seine Verhandlungen mit den radikalsozialistischen Ministern über die Verfassungsreform bezog. Ueber den Inhalt der Unterredung ist nichts bekannt geworden.
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Pariser Berichte
Deutscher Klub
Am Samstag, dem 3. November, um 21 Uhr: Geselliges Beisammensein mit Tanz- Zeitungslektüre Schachspiele.
Gäste willkommen. Eintritt für Mitglieder frei, für Gäste: 5 Franken( Stellungslose: 3 Franken).
Die Adresse des Deutschen Klubs lautet: Salons le Péristyle , 31 bis, Rue Vivienne, Paris 2°( Metro Bourse).
BRIEFKASTEN
Meta, Amfterdam. Post nach Ihrer alten. Adresse kommt unbestellbar zurüd. Ihre neue Adrene fehlt uns noch. Wir bitten um Mitteilung.
Leser in Baden. Ihrer Aufmerksamkeit verdanten wir die Uebersendung einer Seite der nationalsozialistischen Zeitschrift„ Die Brennessel", die ein Wigblatt sein will. Auf der Seite ist eine Karikatur, die den Präsidenten der saarländischen Regierungsfommission in einer Art zeigt, die uns das sofortige Verbot eintragen würde, wenn wir etwa eine Zeichnung Hitlers in solchem Zustande bringen würden. Und welch ein Geheul würde die Preise der sogenannten deutschen Front" anstimmen! In diesem Falle aber schweigt sie schmunzelnd. Wir erinnern uns übrigens, daß Herr Dr. Goebbels nach dem blutigen 30. Junt über alle deutschen Sender eine Moralpaufe an die ausländische Prene hielt und heilige Schwüre ablegte, daß die Reichsregierung eine Verunglimpfung fremder Staatsmänner unter feinen Umständen dulde- wie fugura zeigt.
Literatur
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„ Europäische Hefte vereinigt mit Aufruf": Die soeben erschienene Nr. 30 bringt unter anderem folgende aktuelle Artikel: Deutsche Minister. Corpus delicti. Laval und Hitler . Wien vor der Gleichschaltung. Willi Schlemm: Protest gegen eine Religionsstörung. Bernhard Menne : Torpedierte Flottenkonferenz. Manipulierter Pogrom. Frig Freisler: Man klage mich an! Peter Rodin: Wenn dein starker Arm es will...!" Friedrich Torberg : Veskoven und Werich; Henfer und Narr. Ernest Gra ham: Upton Sinclairs Epif. Paul Keri: Waren es Kroaten? W. S.: Der angesagte Putsch. J. Steinfeld: Ost- Turkestan. Ver. lag und Redaktion: Praha 2, Vidickova 84.
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Für den Gesamtinhalt verantwortlich: Johann Biz in Dude weiler; für Inferate: Otto Rubn in Saarbrüden. Rotationsbruc und Verlag: Verlag der Volksstimme GmbH., Saarbrüden 3, Schüßenstraße 5, Echließfach- 776 Saarbrüden.