..Schatten schwerer Enttäuschung"

Der neue schlesische Gauleiter als Pessimist

..Unschuldige Reklameblätter"

Breslau  , 12. Dez. Der neue kommissarische Gauleiter Die illegale Propaganda

Schlesiens, Joseph Wagner  , veröffentlicht einen Aufruf, in dem es u. a. heißt: Der Führer hat mit nach Schlesien   ge­rufen. Von jetzt ab ist mir die weitere Aufgabe gestellt, ge­meiniam mit euch. Parteinenoffen und Varteigenoffinnen, an dem Werf zu schaffen, dem wir uns mit Peib und Seele ver schrieben haben. Hinter uns lieat ein langer Weg bitterer Kämpfe. Um uns breiten sich die Schatten herber Enttäuschungen und tragischer Menichen schiciale, vor uns lient eine Rufunft, die aus der Gegen­wart verstanden sein will, damit wir und die, die nach uns sind. sie einmal meistern fönnen...

Ein Vorwärts" überschriebener Leitartikel der NS.­Schlesischen Tageszeitung" streift noch einmal die Abietung Helmut Brückners. Dort heißt es: Der Führer hat über Helmut Brückner ein hartes Urteil geinrochen, das jedoch nicht anders als gerecht sein kann. Ein National­sozialist fragt nicht nach den Gründen, weil er weiß daß sie der ganzen Schwere dieses Urteils ent­sprechen müßen, in welcher Richtung sie auch lieaen mögen. Ausgonaspunft allen Tenfens und Handelns ist für uns der Befehl des Führers und sonst nichts. Man wird es feinem verdenken, wenn er von der Tragik eines Menschenschicksals berührt mird Moncher, der vielleicht früher nicht lout genua   Hoianna" rufen fonnte, wirft später oft die ersten Steine. Das ist genou   so unwürdig, wie es für einen schlesischen Nationalsozialisten undenkbar wäre, auch nur einen Augenblick lang im Kampfe zu zögern."

..Gerüchtemader"

Die Rache des Gauleiters

Das Kölner   Sondergericht hatte heute in Koblenz   in elf Fällen gegen die Gerüchte macher zu verhandeln. Sämtliche Angeklagte wurden beschuldigt, volksschädigende Gerüchte verbreitet zu haben, die das Ansehen des Gan­leiters und der NSDAP  . in hohem Maße geschädigt hätten. Der Staatsanwalt erflärte, daß in Koblenz   eine instematische Heße eingesetzt habe, mit dem Ziele, höchite Personen des Gaues in den Schmuß zu ziehen, obwohl sie sich in unermüdlicher Arbeit mit ihrer ganzen Strait ein= fetten. Es seien exemplarische Strafen am Platz, da die Ge­rüchte das Vertrauen zur Regierung aufs schwerste schädigten.

Im Laufe des Vormittags erschien auch Gauleiter Simon selbst, der als Nebenfläger durch einen An­walt vertreten wurde. Gauleiter Simon erklärte, daß die Prozesse und der gerichtliche Schutz nicht nur ihm gälten; diese Gerüchtemacher seien staats-, volfs- und bewegungs­schädigende Elemente, die die Arbeit selbst schädigen wollten. Sie wollten das Vertrauen des Volkes zum Führer und Reichsfanzler und seinen Vertretern untergraben und ver­dienten daher strenge Strafen.

Bei jämtlichen Verurteilten erfannte das Gericht etwa in Höhe der vom Staatsanwalt beantragten Strafen. Im gan­zen wurden 71 Monate Gefängnis für zehn An=- getlagte verhängt. Die Strafen bewegten sich zwischen drei Wochen und einem Jahr sechs Monaten Gefängnis. Ein Anarflanter wurde freigesprochen

Sehr interessant. Nur erfährt man leider nicht, was die bölen Menschen eigentlich über die guten Nazibonzen er­zählt haben.

Wegen pass ver Resistenz

Wie der Angriff" mitteilt, wurde ein Studienrat in Marienberg   mit sofortiger Wirkung beurlaubt, weil er sich geweigert habe, am Tage der nationalen Solidarität für das Winterhilfswerk mitzuarbeiten.

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Paris  , Anjang Dezember 1934. ( Von unserem Korrespondenten)

In die Unterwelt", das unterirdische Deutschland  haben sich die mutigsten Vertreter jener Opposition geflüchtet, die die deutsche   Polizei zu Tode hezzt. Von ihrem Kampf im Dunkeln erzählt uns Xavier de Hauteclocque   in seiner im Gringoire" ver­veröffentlichten Reportage Nationalsozialismus   oder Sozialismus? Hitler   am Scheidewege."

Kein großes Ereignis, aber es wirst doch ein eigenartiges Licht auf diesen rücksichtsloien, verborgenen, stummen, sich still im Dunkeln abspielenden Kampf auf Leben und Tod. den die Opposition gegen die Hitlerpolizei führt. Ein recht komisches oder vielleicht sehr schreckliches Betspiel dafür: Einige Sekunden lang hatte ich von diesem ganz geringfü­gigen und doch deutlichen Drama gar nichts gemerkt. Dann begriff ich, daß ein vom Winde weggewehtes Blatt Papier  ein Menschenleben hätte mitnehmen können.

Wir Dr. Benediktus und ich, nahmen den Tee im Paradies"( Lies Edenhotel- Die Red. d. D. F."), einem eleganten Tanzlokal, das ziemlich weltbürgerlich ist, auf der Terrasse eines Riesengebäudes. das den Zoologischen Garten überragt. Juriste von großem Ansehen, Spezialist in inter­nationalen Prozessen, besitzt mein Begleiter ein großes Ver­mögen und hervorragende Beziehungen. Ihnen hat er es zu verdanken, daß er nicht wie so viele andere jüdische Au­wälte boyfottiert wird, die sich heute in schlimmer Lage befinden Denn Dr. Benediktus ist Jude.

Unnüz zu sagen, daß er sich forreft verhält. Ich kenne ihn jeit langer Zeit. Vor dem Siege der Nazis fümmerte er sich nicht um Politif. Jezt legt er für die braune Dittatur einen wohl etwas übertriebenen Respekt an den Tag. Diese Einzelheiten sind wichtig

Der Doktor ieẞt mir mit großer Objektivität den Geist der neuen Hitlergeicsgebung auseinander. Um einige be­denkliche Punfe genauer zu erflären, nimmt er Papiere aus seiner Aftentaiche, stapelt sie auf dem Tisch auf. Ein Ge­witter zieht über Charlottenburg   heraus, dessen prachtvolle alte Bäume, um die sich in der Ferne der Rauch aus den Fabriken herumzieht, von unseren zehn Stockwerken über­ragt werden. Windstöße ziehen warm und drückend vorüber.

funden gedauert Toch." erwidert der Doktor, ich danke Ihnen."

Der Oberfellner verschwindet. Ich betrachte meinen Tischgenossen mit dem unbestimmten Ausdruck, daß da etwas Seltsames und Ernstes vor sich gegangen ist. Er zerreißt fieberhaft das bedruckte Papier steckt die Fezen in seine Taschen und steht auf Dabei fragt er kurz: Würde es Ihnen recht sein, mit zu mir zu kommen?"

Der französische   Journalist erzählt nun, wie sie beide in dem Jungge ellenheim des Rechtsanwaltes Platz nehmen und dieser seinen Gast fragt: Kann ich auf Ihre Ver= schwiegenheit rechnen. lieber Freund?" Sie beleidigen mich, Herr Doktor." Danke"

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Ich würde mich noch heute fragen, so fährt Hauteclocque fort. warum sein Händedruck so warm war, wenn er nicht hinzugesetzt hätte. Diese verteufelte, diese infame rote Pro­praganda schleicht sich überall ein. Halten Sie sich fern von jeder Politif. zeigen Sie sich dem Regime gegenüber lonal, es hilft nichts. Flug chriften werden durch Ihre Türe ge= steckt. Sie finden welche in Ihren Briefkasten, unter ihren intimsten Papieren." Mit müdem Blick fügt er hinzu: ,, Glauben Sie, daß ich nicht vom Gericht zurückkommen kann, ohne in meinen Taschen diese aefährlichen Schriften zu finden, von denen ein einziges Stück, wenn man von der Polizei überrascht wird, jahrelanges Gefängnis und die Ent­eignung des gesamten Vermögens einbringt."

Unter den unschuldigen Reklameblättern für einen Rafier­apparat verbergen die Hefte. mit Zigarettenpapier geschick= teste und leidenschaftlichste marristische Propaganda. Gift­pillen. Auf der ersten Seite steht eine harmlose Reklame, dann folgt eine sich ständig verschärfende Kritik der Diktatur, die schließlich mit Rufen zum bewaffneten Aufstand endet. Aber. Herr Doftor ahnen denn Sie nicht, wer Ihnen diese Bombengeschenfe in Pavierhülle macht?" Schulter= zucken: Vielleicht mein Sekretär, weil er auf meine Nach­folaerschaft spekuliert. Meine Geliebte, wenn sie glauben sollte, daß ich ie betrüge Mein bester Freund, wenn er mit einer Belohnung rechnen sollte dafür, daß er mich zur An­seine bringt. Ich fürchte iedermann."

Gewiß, er scheint ehrlich zu sein. Und doch fommt mir ein unwahrscheinlicher und schrecklicher Gedanke. Sollte der reiche, der friedliche Toftor Benediktus im Bilde jein? Sollte er selbst zu der gewaltigen, der unsichtbaren Verschwörung gehören?

Wie das Wild im 300 brüllt!" jagt der Toftor. Dieses B'n ich denn a Hund?"

Rusen der Wüste, gemischt mit dem Geflüster der schönen Frauen und dem Lärm einer Riesenstadt, welch ein Coctail! Das haben Sie nicht in Paris  ." Er lacht. Im Fluge hascht er einige ieiner juristischen Dokumente, die ein Windstoß wegtreibt. Aber fünf oder sechs Stückchen Papier entgehen ihm, flattern hierhin und dorthin, fallen auf einen unbesetzten Tisch, gleiten auf den vom Tanz funkelnden Fußboden. Ein Geschäftsführer bringt sie feierlich zurück. Aus Versehen nehme ich sie.

Es ist nicht erstaunlich, daß das Zeug so weit wegfliegt. Man könnte meinen, es ieien Hefte mit 3igarettenpapier. Mit bedrucktem 3igarettenpapier. Auf dem ersten Blott ist ein Rafierapparat abgebildet dann folgen Seiten mit Text in Zwergbuchstaben. Ter Doftor, nimmt eins der fleinen Hefte blättert darin. Ohne zu überlegen. wie dumm meine Frage ist, sage ich: Interessieren Sie sich denn für Reflame in Rafierapparaten?"

" Ich." erwidert er lachend. Sie scherzen." Ein ganz heiseres Lachen. Gehören diele Papiere dem Herrn nicht?" fragt der Oberfellner. der noch an unserem Tische steht, denn der Vorgang hat nicht länger als dreißig oder vierzig Se­

Auch eine A ffassung vom ,, dritten Reich"

In München   wurde eine Hausfrau wegen schlechter Be­handluna ihrer Dienstmädchen in Schußhaft genommen. Es handelt sich dabei um die Gattin einer angesehenen und be­fannten Bersönlichkeit, deren Namen eben mit Rücksicht auf ihre Familienangehörigen nicht genannt wird. Die Polizei hat auf Grund einer Anzeige die zwölf Dienstmädchen, die in letzter Zeit in raichem Wechsel bei ihr in Stellung waren, vernommen, und aus ihren Aussagen ergab sich, daß, wie es im Polizeibericht heißt, ein Einschreiten gegen diefe Tienst­herrin vom Standpunkt des nationalsozialistischen Staates unbedingt notwendig war". Es habe sich nämlich gezeigt, daß die etwas nervöse Frau ihre Mädchen ohrfeiate, fie teilweise pon morgens fünf Uhr bis abends elf Uhr arbeiten ließ und ihnen nur fargen Rohn und mangelhafte Verpflegung gab. Wenn große Wäsche war, wurden die Mädchen tagsüber im Waschhaus einaeichloßen. Einem Mädchen, das an die Haus­frou die in solchen Fällen hier landesübliche Frage richtete: Bin ich denn a Hund?" wurde erwidert: Seien Sie rubia; im Dritten Reich   hat ein Dienstmädchen nicht eine solche Frage zu stellen, sondern zu gehorchen."

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190

Bayrisches Allerlei

Bouhler, Schmidt und die Witwe

Der Führer" hat sich eine Kanzlei" eingerichtet, zu ihrem Borstand hat er den Reichsleiter" Philipp Bouhler   bestellt, was relbstverständlich der deutiche Steuerzahler finanzieren muß. Damit findet eine Komödie ihren Abschluß, die bei den männlichen und weiblichen Nazi­maichweibern in den letzten Monaten viel Staub aufge= wirbelt hat. Rennte man nur sie, so wüßte man über das Weien des dritten Reichs" Bescheid.

Bouhler, ein erst 35jähriger Mann, verfrachter Student, fand in der Nazibewegung Unterichlupi, als ihm das Stu­dium zu lange dauerte und zu wenig furzweilig war. Er war icon 1921 beim öftichen Beobachter". Nachdem er sich während des Verbots der Nazipartei um deren ge­tarnte Organisation Meriten erworben hatte machte ihn Hitler   nach Aufhebung des Parteiverbots zum Reichsge­schäftsführer". Hinter dieser großartigen Bezeichnung steckte aber nur wenig, in der Hauptsache die Verwaltung des Braunen Hauses und insbesondere die Kontrolle der Partei­post. In der Zeit des oppositionellen Anwachsens der Be­wegung" war dieses immerhin ein Vertrauensposten. Nach­dem die Nazi den Staatsapparat sich erschwindelt hatten, wurde die Stelle völlig nebensächlich.

Boubler ließ sich zur Aufbesserung seines nicht sehr bedeutenden Parteieinkommens jahrelang von einer Münchener   älteren, dafür aber sehr wohlhabenden Witwe aushalten. Allein er liebte nicht nur das Geld, sondern auch das Leben, und so befam er Serualfomplere". Er begab sich in die Behandlung eines Freundes, des Arztes Dr. Schmidt in München  , den man im Volksmund den Mai­fage- Schmidt" nennt. Dieser jagte ihm, wenn er sich nicht von seiner Alten trenne, werde er seine Komplexe nie los, er brauche zu seiner Heilung etwas Jüngeres. Er stellte ihm eine junge Krankenschwester vor, die er für geeignet zur Beseitigung der Komplere ansah. Die Schweiter geftel dem Herrn Reichsleiter, er verließ das Haus der Witwe, zog mit der Schwester zusammen und weg waren die Komplexe. Eine junge Freundin kostet Geld und der Büroposten im Braunen Haus war ohnehin nicht mehr befriedigend. Die Stelle des Münchener Polizeipräsidenten war vafant, seit­dem der frühere Polizeipräsident Schneidhuber am 30. Juni auf Betreiben seines vorgeießten Innenministers Wagner gefillt worden war. Was war da einfacher. als dem durch das Fehlen der Witwenrubel geldbedürftigen Bouhler einen Staatsposten zuzuschanzen und ihn zum Präsidenten der Polizeidirektion der drittgrößten deutschen   Großstadt zu machen, ohne daß Buhler eine Stunde seines Lebens im Polizeidienst gestanden wäre? Das Gesindel, das Deutsch­ land   eine neue Ehre, eine neue Gesinnung und vor allem eine neue Zauberfeit acben wollte, brachte diese Meister­leituna der Parteibuchforruption spielend zuwege.

Soweit wäre die Sache ganz gut gegangen. wenn nicht gleich Bouhler auch die ältliche Witwe die einflußreichsten Nazibeziehungen gehabt hätte. Sie fann auf Nache, lief

treppauf und treppab von einer Nazistelle zur anderen. Irgend jemand hatte ihr gejagt der Massage- Schmidt habe Beziehungen zu Otto Strasser  , habe diesem auch schon Geld geschickt. So wurde der Massage- Schmidt das erste Opser beleidigenden Geschlechtsneides, auf Grund Denunziation der Witwe fam er in Schußhaft" und ist nun schon monate­lang eingesperrt Schließlich ging der Truck der Witwe so weit, daß auch der mächtige Bouhler Sorge haben mußte und auf einen Wink von oben das Konkubinat mit der Krankenschwester auigab Um die Moral" zu retten, mußte er ein Gänschen aus der bayrischen bürgerlichen Gesellichait Heiraten. Die illustrierten Gazetten des Hitlerreiches brachten herzbewegende Abbildungen des herrlichen jungen Würdenträgers und seiner lieblichen Braut, Prachtmaterial für des Herrn Heß Buzantiner- Erlaß. Allerdings war die Trauung feine ganz einfache Sache, man hatte Furcht, daß die militante Witwe sich etwa so benehmen fónne wie ein deutscher   Christ zu einem Anhänger der Bekenntniskirche, und es war deshalb ein großes Aufgebot von S. bestellt, das während der Trauung die erforderlichen Absperrungen vornahm, sicherlich eine Staatsaufgabe, die öffentlichen Machteinfaz rechtfertigte.

Immerhin war der Herr Reichsleiter durch die ganze Sache bei den Wissenden so ramponiert, daß man ihn die Polizeipräsidentenstelle nicht antreten lassen konnte. Er wurde auf einen untergeordneten Parteiposten nach Berlin   befördert und war damit zunächst dem Bereich der Witwe entrückt.

Wenn der Führer" jetzt eine Kanzlei" für den Bouhler geschaffen hat, in der er. wie ehedem im Braunen Haus, die Post öffnen, den Beschwerdestunt verarbeiten und ähn­liche Verwaltungs"-aufgaben erledigen darf, so spricht das dafür, daß man versucht, die Münchener   Blamage raich veraeñen zu machen Das ist aber nicht so einfach, wie der Führer" zu glauben scheint, denn zu viele Leute wissen davon und es muß deshalb wohl wieder erst ein 30. Juni kommen, damit Bouhler und der oberste Gerichtsherr" ein­mal die Witwe aus Versehen schlachten lassen können.. Für den armen Massage- Schmidt, dessen Patienten aus Angst vor noch stärkerer Massage sich schon zum großen Teil verlaufen haben sollen, bildet das nue Avancement Bouh­lers vielleicht einen Hoffnungsstrahl. Voltsgemeinschaft in München  

In der Nacht vom 11. auf den 12. November 1934 fam: der bayrische Innenminister" Wagner furz vor der Po­lizeistunde in das Münchener Cafe Luitpold, wo damals die Kapelle Ette konzertierte. In dem Kaffeehaus war schon alles dabei, die Stühle auf die Tische zu stellen und aufzu= räumen. Der Herr Minister hatte aber noch Durst und da er gerade niemand umzubringen hatte, auch Zeit. Er wollte nicht allein saufen, weshalb er, wie sich das für einen leut­felipen Mann ziemt, die ganze Kapelle, die Kellner und die Küchenmädchen zum Mithalten einlud. Trotz der Polizei­stunde blieb der Polizeiminister mit seinen zahlreichen Gästen bis morgens 6 Uhr sitzen. Nicht wenige waren so besoffen, daß fie am Schluß nicht mehr aufstehen konnten,

eine wahre Augenweide für einen nationalsozialistischen Ordnungsminister. Am Schluß des Saufgelages zog der ministerielle Gastgeber mit großer Geste die Brieftasche aus der Tasche und zahlte die Zeche mit ungefähr drei­hundert Marf. Würde Herr Wagner nicht gut tun, die pathetischen Verbote des öffentlichen Saufens und Pras= sens, die der Führer" nach dem 30. Juni losließ, einmal zu überfliegen? Oder gelten dieie nur für das Volk?

Jüdischer Nazi

Tie Gemütlichkeit", die durch Wagners Saufgelage illu­striert wird, hat auch die Groteske möglich gemacht, daß in Bayern   ein veritabler Nichtarier" als Scharführer der SA. herumläuft. Der Standartenführer Höfelmeier von Bad Tölz   ist Besitzer einer Faltbootwerft. Der 100­prozentige Nichtarier" Model zu Tölz   ist als begeisterter Faltbootführer ein guter Kunde des Herrn Standarten­führers Ter jüdische Vater Model finanziert, um die Leidenschaft seines Sohnes und zugleich sein Fortkommen im dritten Reich" zu fördern, einen Tölzer   Kajakklub und damit wieder mittelbar das Geschäft des Standartenführers Höfelmeier Nach dem Grundsatz Gemeinnuß geht vor Eigennut" überzeugte sich Höfelmeter infolgedessen, daß det Jude Model zu einer Führerstellung in Hitlers SA. quali: fiziert sei und machte ihn zum Scharführer. Models Schlachtruf lautet: Heil Hitler, hinaus mit uns!"

Münchener   Spielplan

Das bayrische Staatstheater hat nicht nur die Judenwerke Hoffmanns Erzählungen  , Hugenotten  "," Ba­jazzo" vom Spielplan abgesetzt, sondern auch Bizets Car­men" im Taumel höchster Kriegspsychose: Wie lange darf noch die französische   Dirne Carmen das Herz der deutichen Hausfrau vergiften?" Damals war die Staatsoper schwer­hörig. Nun ist es endlich erreicht!

Lob der Tüchtigkeit

Von einem preußischen Volksschullehrer wird erzählt, er habe bei einem Gehalt von 250 Mark durch eisernen Fleiß und eiserne Sparsamkeit in drei Jahren eine Million ge= spart. Offenbar ebenso scheint es Herrn Heinrich Himmler  , dem Gewaltigen der Gestapo  , zu ergehen. Bis zu seinem Aufstieg zum Münchener Polizeipräsidenten im Jahre 1933 war Himmler  , der Sohn eines Münchener pen­sionierten Oberstudien direktors und das Sorgenkind seines gebildeten Vaters, gänzlich vermögenslos. Nach dem Nazi­programm darf bekanntlich fein Staatsfunktionär mehr als höchstens 1000 Marf im Monat verdienen. So kann es wirklich nur eiserne Tugend Himmler   möglich gemacht haben, vor kurzem eine Villa im bayrischen   Oberland( in Tegernsee  ) käuflich zu erwerben und den Kaufpreis von 67000 Marf beim Notar bar auf den Tisch zu legen. Viel­leicht erzählt Herr Himmler   einmal von den spartanischen Entbehrungen die ihm ein wiches Spartempo möglich machten Wie hätte man solch enorme Tüchtigkeit bei einem Minister des marristisch- liberalistisch- römisch- jüdischen Une termenschensystems genannt?