Fretheil

Einzige unabhängige deutsche Tageszeitung

Nr. 6-3. Jahrgang

Saarbrücken, Dienstag, 8. Januar 1935

Chefredakteur: M. Braun

Die

gewaltige Kundgebung der Volksfront an dec

Saar  

Seite 2, 3 und 5

Hitler befürchtet Teilung des Saargebiets!

Der Führer" entsendet einen Parlamentär ins rote Hauptquartier nach Saarbrücken  Verhandlungen mit dem Führer der Volksfront Max Braun  

Bestätigt

An anderer Stelle berichten wir über den gewaltigen Aufmarsch der Volksfront, den gestern das Saargebiet zur Freude und zum Stolz aller Hitlergegner und zum Staunen der sogenannten deutschen Front" erlebte.

Bewies diese Kundgebung die äußere und innere Kraft der Volksfront, so zeigte eine hochpolitische Rede ihres Führers Mar Braun am Sonntagabend im Straß= burger Rundfunk die innere Unsicherheit der deutschen Front" und ihrer Reichsregierung gegenüber der Saar  : frage.

Die Welt erfuhr aus dieser Rede, daß ein führender gleichgeschalteter Journalist Dr. König als Parlamentar Hitlers   in das rote Hauptquatier nach Saarbrücken   ge= kommen ist, um mit dem Marrismus hochoffiziell zu ver: handeln. Zur Verhinderung einer Teilung des Saarge­bietes, die infolge der, national betrachtet, geradezu ver: brecherischen Politik, der derzeitigen deutschen   Machthaber als furchtbare Gefahr vor uns steht.

Man lese, was Max Braun   berichten fonnte, und man könnte sich im ersten Augenblick fragen, ob ein solcher Angstruf aus Berlin   wirklich möglich war. Aber die Tatsache der Verhandlungen wird heute durch den Saarbevollmächtigten des Reichs= kanzlers bestätigt. Er bestreitet nicht, daß Dr. König, der frühere Führer der nationalsozialistischen und gleichgeschalteten Presse im Saargebiet und heute noch Mitglied der deutschen Front", die Verhandlungen mit Max Braun   gehabt hat, sondern nur, daß Dr. König von Saarbevollmächtigten dazn beauftragt dem

worden ist.

Wie man sieht: ein rein formales Dementi! Es wird auch schon dadurch erledigt, daß auch nationalsozialistische Unterhändler an den sozialdemokratischen Landesratsab­geordneten Liefer herangetreten sind. In beiden Fällen dieselben nationalsozialistischen Erklärungen: wir lügen die Welt an, wenn wir euer Deutschtum bezweifeln! Wir wissen, daß Ihr nicht das einflußlose Häuslein seid, von dem wir in Randfont und Presse schwindeln. Sagt uns doch um Himmelswillen, wie wir uns mit euch verständigen

können.

Die Antwort war eindeutig: Nieder mit Hitler! Nieder mit der Diktatur! Freiheit für Deutschland  !

Das ist die Losung, die mit einem Schlage die ganze Saarfrage löst und das ganze Gebiet und alle seine Bürger geschlossen zu Deutschland   zurückführt.

Die Verhandlungsfühler der Reichsregierung hatten nnr einen Wert: die Schwäche der Position unseres Gegners zu zeigen.

Die Voltsfront wird in dieser Woche ihre ungestümen Angriffe noch verdoppeln. Im Kampf für den Status quo wird sie siegen gegen Hitler   für Deutschland  .

Max Brauns Enthüllungen

Im Straßburger Rundfunk hat gestern abend Mar Braun folgende aussehenerregende Enthüllungen gemacht:

Vor einigen Wochen hat der Saar  - Kommissar des Dritten Reiches  , Josef Bürckel  , seine rechte Hand, den früheren Pressechef der deutschen Front", Dr. König, nach Saar­ brücken   geschickt, der durch einen Kollegen von Mar Braun um eine Unterredung mit Braun selber bat, die er auch erhielt. In einer etwas mehr als zweistündigen Unterhaltung erflärte Dr. König, daß der Führer außerordentlich bedauere, daß er im Reichstag im März 1933 die Volksstimme" und Max Braun   als Landesverräter bezeichnet habe und daß in der Propaganda der deutschen Front" immer wieder der Ausdruck separa­tistisch" gegen die Status- quo- Bewegung, insbesondere aber auch gegen die" Volksstimme" und May Braun gebraucht

wurde.

* Sie alle seien, sowohl in Neustadt wie am Rundfunk in Stuttgart   und auch in Berlin   restlos davon überzeugt, daß das Deutschtum der Status- quo- Anhänger, sowohl der Sozialisten, wie der Kommunisten und auch der Katholiken gar nicht in Zweifel gezogen werden könne, aber er bitte darum, zu begreifen, daß in der Propaganda sehr oft die Linie überschritten werde, die jich mit der Wahrheit nereinbaren Lajje

Weil man in den maßgebenden Stellen davon überzeugt

sei, daß das Deuschtum der Status- quo- Anhänger nicht an­

getastet werden könne, habe man den Mut gehabt, ihn zu

entsenden, um die Situation an der Saar   noch einmal zu überprüfen, um mit den Status- quo- Anhängern, bzw. Mar Braun, die Fühlung aufzunehmen,

da die Gefahr bestehe, daß das Saargebiet geteilt werde. Man wisse in Berlin  , man wisse auch in Neustadt durchaus, daß der Ausgang der Abstimmung noch absolut zweifelhaft sei. Jedenfalls sei klar, daß sich gegenüber­stehen würden: eine kleine Majorität und eine große Minorität, und wenn sie auch selber annehmen, daß sie die kleine Majorität und die Status- quo- Anhänger die große Minorität darstellen würden, so sei ihnen natürlich durchaus bekannt, daß die Gegenseite der gegen teiligen Auffassung set, und niemand sei in der Lage, heute zu sagen, wer Recht habe und wer nicht. Das berge aber die große Gefahr der Teilung in sich, und deshalb sei er gefommen, um Mag Braun zu fragen, ob er bereit sein würde, einen hohen Führer aus der näch sten Umgebung des Reichskanzlers, der mit großen Kompe tenzen kommen werde, zu empfangen und anzuhören. Der Mann werde einige Vorschläge unterbreiten, die in der

Amtliche Kundgebung

betreffend Vertagung der Hauptverhandlung in der Strafsache gegen Pirro und Genossen Saarbrücken  , den 4. Januar 1935. Anläßlich verschiedener in der Presse und in öffentlichen Versammlungen gemachten Andeutungen betreffend die Ver­tagung der Hauptverhandlung in der Strafsache gegen Pirro und Genossen hat der Herr Präsident des Obersten Abstimmungsgerichtshofes an den Herrn Präsidenten der Regierungsfommission am 4. Januar 1935 unter Nr. T. B. 834/35 R. folgendes Schreiben gerichtet:

Herr Präsident!

In der Angelegenheit der Vertagung der Hauptverhand­lung in der Strafsache gegen Pirro und Genossen beehre ich mich, Ihnen auf Ihre Anfrage mitzuteilen, daß ich die Ver tagung innerhalb meiner Zuständigkeit vollkommen und ausschließlich aus eigener Initiative und auf eigene Ver antwortung angeordnet habe.

Der Präsident des Obersten Abstimmungsgerichtshofes: gez. Galli."

Richtung der Wahrung der nationalen Belange Hitlerdeutsche Greuel

des Saargebietes liegen sollten und er werde dazu alle Vollmachten haben,

um im direkten Auftrag des Führers jede Art von Ver= einbarung zu treffen, die einer Teilung des Gebietes ent= gegenwirken könnten.

Als Mar Braun ihm erklärte, daß ein solcher Besuch ganz überflüssig sein werde, wenn der betreffende Abgesandte ver­suchen sollte, die Anhänger zu einer Abstimmung für Hitler zu bewegen, was niemals in Frage kommen könne, machte Dr. König eine Andeutung,

daß es auch noch andere Wege gäbe, um eine Teilung zu verhüten und daß auch der Status quo eine deutsche Lösung darstelle,

der ja ganz zweifellos durch eine spätere Abstim= mung für Deutschland   abgeändert werden könne. Daran habe man auch in Berlin   und in Neustadt   keinen Zweifel. So sei es ja möglich, auf einer anderen Basis zu verhandeln, doch wolle er dem Abgesandten Hitlers   selbst nicht vorgreifen. Er habe nur erfahren wollen, ob der Mann verschlossene Türen finden oder ob er empfangen werden würde.

zu gleicher Zeit deutete er darauf hin, daß man sich ja auch vorstellen könne,

daß ein Teil der deutschen   Front" weiße Zettel abgeben würde, um eine überwältigende Majorttät für den Status quo zu sichern,

wodurch die Teilung vermieden und die spätere Rück­fehr der Saar nach Deutschland   gewährleistet würde. Mar Braun erklärte ihm, daß er bereit sein würde, einen Ver­treter der Reichsregierung zu empfangen und anzuhören, daß er aber nach keiner Richtung hin irgend eine weitergehende Erklärung abgeben könne und daß er jede weitere Initiative in der Richtung der Sicherung eines Ab­stimmungsergebnisses, das eine Teilung verhüte, die Regie­rung des dritten Reiches" überlassen würde.

Diese Unterredung hat in Gegenwart eines 3eugen stattgefunden, nämlich des Redakteurs Schulte von der Volksstimme", der von Anfang bis zu Ende die Unterhaltung verfolgte, sich darüber Notizen machte und unmittelbar nach der Unterhaltung ein Protokoll ange= fertigt hat, so wie es Braun im Rundfunk mitteilte und dies veröffentlicht wird. Wie aus dieser Unterredung ganz zweifel­los hervorgeht und wie Braun in seiner Rundfunkrede auch betonte, ist

von Siegeszuversicht im dritten Reich" nichts zu merken, weder in Berlin   noch in Neustadt

und privat pflegt man sich auch über den Gegner, wie Figura zeigt, anders auszulassen, als man es in der Propaganda beliebt.

Etwa 10 Tage später hat der frühere Staatskommissar der bayerischen   Regierung für das Saargebiet, Oberregierungs­rat Dr. Binder in Waldmohr, der auch die banerische Regierung bei den Saarverhandlungen im Jahre 1930 in Baris vertreten hatte, eine Unterredung mit dem ipzial­

Die Mutter eines hingerichteten Kommunisten zu sieben Monaten Gefängnis verurteilt

Das halbamtliche Deutsche   Nachrichtenbüro verbreitet einen halbamtlichen Bericht, den wir ohne Kommentar wira fen lassen:

Vor dem Berliner   Schöffengericht fand am Samstag die Ermordung des Hitlerjungen Schmitberg ein gerichts liches Nachspiel. Schmißberg wurde im März 1933 im Grunewald hinterrücks erschossen. Als Mörder wurden die jugendlichen Kommunisten Rochow und Otto Woithe ermittelt, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Nach der Hinrichtung ihres Sohnes verbrei tete die 51jährige Frau Woithe die Behauptung, der Obersturmbannführer A. habe den Hitlerjungen und auch ihren Sohn auf dem Gewissen, Er habe Rochow zu der Tat angeftiftet und er habe bei der Schwurgerichtsverhand­lung falsch geschworen. Fran Woithe hatte sich deswegen jetzt vor dem Schöffengericht wegen verleumderischer Beleidigung zu verantworten. Sie fonnte für ihre Behauptungen feinerlei Beweis erbringen und wurde wegen verleumderi: scher Beleidigung zu sieben Monaten Gea fängnis verurteilt.

demokratischen Abgeordneten im Landesrat, Pieser, nach gesucht.

In dieser Unterredung hat Dr. Binder ungefähr dic gleichen Gedankengänge entwickelt wie Dr. König bei Mag Braun und hat dabei einleitend bemerkt, daß es feine größere Dummheit und Unwahrheit gebe, als den Gegnern Hitlers   an der Saar   ihr Dentschtum und ihren Patriotiss mus abzusprechen.

Er selbst kenne ja doch aus langjähriger Saarpraris einen großen Teil der führenden Herren aus den verschiedenen Lagern des Status quo und ebenso wie er seien auch die bayerische   und die Reichsregierung davon überzeugt,

daß es sich an der Saar   nicht um einen Kampf um Deutsch­ land  , sondern um einen Kampf gegen Hitler   handle.

Er bemerkte dann, daß es doch außerordentlich schmerzvoll sei, daß Deutsche   gegen Deutsche   ständen und daß die Ge= fahr der Teilung außerordentlich groß sei. Er habe sich deshalb entschlossen, zu Herrn Lieser zu kommen, um mit ihm einmal über die Angelegenheiten zu sprechen, auch auf die Gefahr hin, daß er damit etwas tue, was den An­schein erwecken müsse, daß man auf Seiten der Regierung des dritten Reiches" feineswegs zuversichtlich sei in bezug auf den Sieg bei der Saarabstimmung.

Aber es müsse doch versucht werden, das Saargebiet ungeteilt zusammenzuhalten und er frage Herrn Lieser, ob es dafür keine Möglichkeit gebe. Als Lieser ihm erklärte,

Hitler   müsse zurücktreten, und ans Deutschland   müsse wieder ein Rechtsstaat werden, dann würden die Sozialisten und Rommunisten, die ganze Einheitsfront, für Deutsch