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Beilage zur Deutschen Freifieit". Ereignisse und Geschi diten
Freitag, den 11. Januar 1935
Herzlichen Dank, meine Herren!" Die Meissners
Kriminalpolizei , Abtl. Devisenüberwachungsstelle
Einer wahren Begebenheit nacherzählt von Georg Wilman
möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß der Fabrikdirektor Bergmann, Buchenweg 37, sein gesamtes Vermögen, und zwar 70 000 Mark in bar und 32 000 Mark in Wertpapieren, im September von der Deutschen Bank abgehoben und an die Schweizerische Kreditgenossenschaft in Basel verschoben hat. Ein Nationalsozialist."
..Die übliche Denunziation gegen irgend einen miẞliebigen Bekannten!" sagte Kriminalinspektor Buchholz von der Devisenüberwachungsstelle am Main und legte den Wisch bei
seite.
..Na, lassen Sie mal sehen!" antwortete Kriminalkommissar Petersen und überflog die Zeilen. ,, Da scheint doch etwas dahinter zu stecken, die Angaben sind recht genau. Ich gehe sowieso nachher zur Deutschen Bank, da werde ich bei der Gelegenheit auch mal nach Direktor Bergmann fragen."
*
..Jawohl", sagte der Bankbeamte dem Kriminalbeamtea, ,, Direktor Bergmann hat sein Konto unter dem 24. Sep. tember gelöscht und das gesamte Vermögen abgehoben." Der Kriminalbeamte pfiff durch die Zähne.
***
Ein sauberes Hausmädchen öffnete. Jawohl, Herr Direktor Bergmann sei zuhause. Wen sie melden dürfe? Kriminalpolizei!"
Das Mädchen zuckte zusammen und lief die Treppe hinauf. Gleich darauf kam sie zurück: ,, Herr Direktor läßt bitten!"
Direktor Bergmann empfing die beiden Herren mit einem ironischen Lächeln um die Mundwinkel. Die Beamten legten den Zweck ihres Besuches dar, das Lächeln blieb.
., Ja, allerdings, ich habe mein ganzes Vermögen von der Bank abgehoben. Erstens waren mir die Bankspesen zu hoch, und zweitens, man kann nie wissen... ich habe gedacht, in meinem Kassenschrank sei es sicherer aufgehoben. Sie können sich sofort persönlich davon überzeugen!"
Er schloß den schweren Kassenschrank auf: sauber gebündelt lagen Stöße von Geldscheinen darin, es konnten gut 70 000 Mark sein, und ein Stoß Aktien und Obligationen. ..Hm", sagte Kriminalinspektor Buchholz und räusperte sich, gewiß, das ist zweifellos ein Teil Ihres Vermögens, in Teil! Aber wir haben die begründete Vermutung, daß Sie frondem ein Konto bei der Schweizerischen Kreditgenossenschaft in Basel unterhalten. Wie wollen Sie uns beweisen, daß das, was wir hier sehen, wirklich Ihr ganzes Vermögen ist?"
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,, Das kann ich Ihnen natürlich nicht beweisen, meine Herren. Aber vielleicht gibt es eine andere Möglichkeit, Ihren Verdacht zu zerstreuen. Lassen Sie mich einen Augenblick Ja, ich glaube, das wäre ein Weg! Sie ernachdenken. bitten von Ihrer vorgesetzten Behörde die Erlaubnis, den ich höre übrigens den Direktor der genannten Bank eidesstattlich zu vernehmen, ob Namen zum erstenmal ich ein Konto bei seiner Bank habe." Die Beamten sahen sich an.
,, Hm", sagte Buchholz, das wäre ein Weg. Wir geben Ihnen in einer Stunde telefonisch Bescheid!"
Sie verabschiedeten sich mit einer korrekten Verbeugung. Der ironische Zug um den Mund des Direktors war nicht verschwunden.
,, Herr Direktor Bergmann am Apparat? Hier Kriminal polizei , Devisenüberwachungsstelle. Herr Direktor, wegen der Höhe des in Frage stehenden Betrages halten wir es für geboten, Ihren Vorschlag anzunehmen und den Direktor der Baseler Bank zu vernehmen. Wir hielten es für sehr zweckmäßig, wenn Sie uns begleiteten. Wir nehmen den Nachtschnellzug um 11.35 Uhr und erwarten Sie an der Sperre."
*
Der Zug läuft in den Badischen Bahnhof in Basel ein. Ein Zollbeamter geht durch den Waggon. ,, Haben die Herren Devi... ja, Grüßgott, Herr Petersen, Grüßgott, Herr Buchholz! Na, geschäftlich unterwegs? Devisen schmuggeln Sie ja wohl nicht?" Die drei Herren lachen dröhnend, der Zollbeamte grüßt und geht weiter.
Die drei Herren steigen aus.
,, Verzeihung", sagt Direktor Bergmann zu Buchholz ,., ich kann meinen Paß nicht finden. Würden Sie so liebenswürdig sein und einen Augenblick meinen Koffer halten?" ,, Aber selbstverständlich, Herr Direktor!"
Endlich findet Direktor Bergmann seinen Paẞ, zwischen anderen Papieren verkramt, in der einen Rocktasche. Er geht durch die Paßkontrolle. Die beiden Beamten sind schon in der Schweiz .
Pünktlich um 9 Uhr früh stehen die drei Herren vor dem Direktor der Schweizerischen Kreditgenossenschaft in Basel . Die beiden Kriminalbeamten legitimieren sich.
Der Bankdirektor versichert eidesstattlich, weder Herrn Direktor Bergmann zu kennen noch ein Konto von ihm auf seiner Bank zu haben.
,, Sind Sie bereit, diese Aussagen eventuell vor einem deutschen Gericht zu beeiden?" fragt Kriminalkommissar Petersen.
,, Jawohl, meine Herren!" sagt der Bankdirektor und blickt den beiden Beamten fest ins Auge.
,, Danke, das genügt. Dann ist unsere Mission hier wohl beendet. Der Verdacht gegen Sie, Herr Direktor Bergmann, war unbegründet. Aber wir müssen jeder Spur nachgehen. Sie fahren wohl gleich mit uns zurück?"
Der ironische Zug um den Mundwinkel ist plötzlich tiefer, ironischer geworden.
,, Nein, meine Herren, ich bleibe noch hier. Aber ich gestatte mir", und der Direktor zieht die Brieftasche ,,, Ihnen beiden eine Schlafwagenkarte erster Klasse nach Frankfurt am Main zu überreichen. Denn ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet, und diese Fahrkarten sind nur ein kleiner Beweis meiner Dankbarkeit. Nicht jeder hat das Glück, sein gesamtes Vermögen in einem kleinen Koffer persönlich von einem Kriminalbeamten der Devisenüberwachungsstelle auf Schweizer Gebiet gebracht zu bekommen!"
Auf einem Stuhl saß ein Adept und schrieb an folgendem Konzept: Auf jede starke Volkserregung erfolgt zuerst ein Sieg der Rebellion. Nach wissenschaftlicher Erwägung kommt dann bei reifer Ueberlegung der große Rückstoß der Bewegung, die sogenannte Reaktion. Das gilt seit Adams Zeiten schon. Es ist erprobt in allen Ländern Daran ist leider nichts zu ändern. Wer vorwärts stößt, der muß das Stück, das er gewonnen hat, zurück. Und noch ein Stück. Und noch ein Stück.
Wenn solche Gesetze die Erde regieren, dann sollte man doch vernünftig sein. Da ist es doch zwecklos zu rebellieren. Das sieht doch schließlich der Dümmste ein. So also schrieb in sein Konzept
auf seinem Stuhle der Adept.
Wir müssen das Konzept ergänzen, weil der Adept den Hintergrund vergißt. Das sind die dunklen Existenzen, die Räte und die Exzellenzen,
die Meißners, die herumscharwenzen, wobei ein jeder klug ermißt, wieviel und was zu holen ist.
Sie beugen sich vor jeder Größe
und sind der Quell der Gegenstöße. Stets schalten sich die Meißners gleich.
Sie wühlten, wie im ersten Reich im zweiten Reich
und dritten Reich.
Im kommenden Reich wird das anders gestaltet. Da zerrt man sie aus ihren Aemtern raus. Da werden die Meißners mal abgeschaltet. Dann sieht die Sache ganz anders aus. Bei solchem Plan kommt der Adept auf seinem Stuhl aus dem Rezept.
Dec Judacier
Material für Irrenärzte
Der rote Hans,
Der verstorbene Wiener Schriftsteller Arthur Trebitsch stammte zwar aus einer orthodox- jüdischen Familie, machte aber die krampfhaftesten Anstrengungen, um trotzdem als Arier zu gelten und wurde zum hysterischen Verfechter deutschvölkischen Rassewahns. Also ein würdiger Vorkämpfer der nationaldeutschen Juden". In einem Berliner Verlag hat nun eine Völkische ein sympathisierendes Werk über diesen mosaischen Fall von NordenKoller erscheinen lassen. Darin avaciert der verrückte Trebitsch zur großen Tragödiefigur und der Rezensent der ,, Dresdener Nachrichten" sagt dazu:
' Ohne Zweifel lebte er die Tragödie eines reinen Idealisten, aber... man glaubt nicht, daß ein wirklich arischer Mensch so gehandelt hätte wie Arthur Trebitsch , sondern sieht in seinem Fanatismus, in seinem Wüten gegen alle natürlichen Bindungen gerade seine jüdische Art durchbrechen."
Hier brüllt selbst der an viel solchen Spaß gewöhnte Leser des gleichgeschalteten Blattes um Hilfe. Denn er soll sich vorstellen, daß ein ,, arischer Mensch", der nebenbei als Jude geboren ist, seine jüdischen ,, Bindungen" mit arischer Würde trägt, weil es in diesem Falle echt jüdisch sei, völlig arisch sein zu wollen... Heiliger Wotan, schwer strafst Du Deine Anhänger!
Moses, Führer, widerruft die Bibel Nation aktiv an dieser frevlerischen Tat irgendwie mitge. Die Gefahren des Giftkrieges
Der Führer des jüdischen Volkes, Moses , läßt der Oeffentlichkeit eine Erklärung zugehen, die sich auf den Inhalt der von ihm verfaßten fünf Bücher Moses , bekannt unter dem Namen Pentateuch, bezieht:
,, Mit Bedauern habe ich gehört, daß ich für einen Feind des ägyptischen Volkes angesehen werde. Diese irrige Meinung gründet sich auf einige Stellen des von mir verfaßten Buches ,, Mein Pentateuch" Da mir momentan daran gelegen ist, die ägyptische Nachbarnation von der Freundschaftlichkeit meiner Gefühle für sie zu überzeugen, so nehme ich Veranlassung, alle Absätze aus„ Mein Pentateuch", aus denen sich Gegenteiliges folgern ließe, hiermit feierlich zu widerrufen.
Zur Erklärung der bedauerlichen Entgleisungen meinerseits sei folgendes bemerkt: Bei Niederschrift der Bibel befand ich mich in einer schweren Psychose. Bekanntlich wurde ich im Lande Aegypten während einiger Zeit von dem System Pharao steckbrieflich verfolgt, weil ich einem Aegypter, der einen jüdischen Pflichtarbeiter arg mißhandelt hatte, einiges zu kosten gegeben habe. In begreiflicher Aufregung über die Ungerechtigkeit dieser Behandlung, und weil mich ferner die Art verdroß, in der die Kinder Israel von dem System Pharao zum Arbeitsdienst herangezogen wurden, habe ich einige Stellen niedergeschrieben, die ich heute bei objektiver Würdigung bedauere.
Ich erkläre ausdrücklich, daß die von mir gewählte Bezeichnung Aegyptens als eines Hauses der Knechtschaft" in den zehn Geboten nur als ein Lapsus meinerseits aufzufassen ist, entsprungen meinem Aerger über den Einsatz des jüdischen Arbeitsdienstes beim Pyramidenbau. Ebenso habe ich mir nichts Böses gedacht bei den diversen Plagen, die ich über Aegypten habe kommen lassen. Die Aegyptische Finsternis nehme ich hiermit auf Ehrenwort zurück und behalte mir ihre Einführung an meinen gleichgeschalteten Uni
versitäten vor.
Ganz besonders bedauere ich den Untergang Sr. Majestät des hochseligen Königs Pharao im Roten Meer . Ich betone mit äußerstem Nachdruck, daß kein Angehörige meiner
wirkt hat. auf Staatsoberhäupter, in welcher Form auch immer, zu fördern, lehnen wir grundsäglich ab. In diesem Fall kann man uns überhaupt nichts beweisen. Unsere, leider von mir aus meine damalige Stimmung beschriebene Feier des Ereignisses mit Zithern, Gesang und Tanz besagt nicht das mindeste über eine Beteiligung unsererseits an der durch Gottes Ratschluß verhängten Katastrophe.
Ich habe dafür Sorge getragen, daß ,, Mein Pentateuch" in neuer, gereinigter Auflage erscheint. Jene miẞverständlichen Stellen über Aegypten , die in den bisher erschienenen 2 000 000 000 Exemplaren einen falschen Eindruck meiner Gesinnung erweckt haben, sind darin getilgt. Die neue Auflage ist zur ausschließlichen Verbreitung in Aegypten bestimmt.
Ich bedauere, daß die Bibel, infolge meines ungünstigen Nervenzustandes bei ihrer Niederschrift, fast dreitausend Jahre lang in mißverständlicher Fassung erschienen ist. Immerhin wird man diesen Umstand entschuldigen, angesichts der Tatsache, daß die Bibel eines anderen großen Volkes nach kaum zehnjähriger Existenz in grundlegenden Passagen von ihrem Schöpfer hat bereinigt werden müssen.
Künftigen Bibelverfassern gebe ich den dringenden Rat: Schreibt Eure Bibel niemals während einer Psychose." Moses, Führer
( Mitgeteilt von Mucki.)
Das ist der Mensch
Auf dem Messegelände am Kaiserdamm wird, nach einer Berliner Pressemeldung, eine große Ausstellung stattfinden, die den Menschen zum Mittelpunkt hat. Die Schau erhält die Bezeichnung ,, Das Wunder des Lebens..."
Verbunden mit der Sonderschau ,, Der gemarterte Mensch". Mit reichhaltigem Material aus Gestapo - Kellern und Konzentrationslagern!
behandelt Pierre Cot , früherer französischer Luftfahrtminister, in einem beachtenswerten Aufsatz. Schon im Frühjahr 1915 war das Ergebnis eines Gasangriffs im Feld in weniger als einer Stunde 5000 Tote und 25 000 Kampfunfähige. In 20 Minuten verlor ein sibirisches Regiment neun Zehntel seines Bestandes. Heute genügen 400 Tonnen Phosgen für 12 Quadratmeilen Landes. Während 1918 die Aktionsweite eines Flugzeuges kaum 50 Kilometer betrug, sind es heute 500 und mehr. Nacht, Sturm und Nebel, die früher ein Flugzeug aufhielten, sind heute seine Ver. bündeten. Man kann fliegen, ohne seinen Weg zu sehen. So sind außer den russischen alle Großstädte und Industriezentren der Vernichtung ausgesetzt. Alle Versuche dieses Sommers zeigten die Erfolge des Luftangriffs. Die Abwehr, die bei klarem Wetter sehr begrenzt ist, wird bei trübem völlig wirkungslos. Jede Stadt ist in Zeit eines Tages der Vernichtung ausgesetzt. Ja, nach Professor Langevin könnte eine Stadt wie Paris in 20 Minuten von einem Nebel tödlicher Gase bedeckt sein. Alle Abwehrmittel mitsamt den Gasmasken sind wirkungslos. Der Angreifer würde Gift, Brand- und Explosivbomben zugleich verwenden. Das bedeutet die Vernichtung aller Werke der Zivilisation neben zahllosen Menschenopfern. Was tun? Alle Verbote sind nutzlos. Es gibt ein einziges Verhütungsmittel: Ersegung der nationalen Luftflotte durch eine internationale Luftpolizei.
Lockendes
,, Neben Puppen und Maskotts..."
Ein lockendes Weihnachtsangebot in der„ ,, Eleganten Welt" lautet so:
,, Eine interessante Neuheit ist die schön geformte Vitrine mit Nürnberger Porzellansoldaten in leuchtenden Farben. Die kunstvoll modellierten Figuren verkörpern die verschiedensten Waffengattungen. Neben Puppen und Maskotts werden also im Salon der Damen künftig auch die kriegerischen Söhne des Mars in gläsernem Schrein anzutreffen sein."
Die Söhne des Mars, die im Glasschrank siten, werden wenigstens nicht mit Steinen werfen. Aber die Urbilder?