Siker in Sturmzeiten Nr. 11

Völker in Sturmzeiten_

Im Spiegel der Erinnerung im Geiste des Sehers

Der Freiheitskämpfer Ludwig Börne  

Aus seinen ,, Pariser Briefen" vor hundert Jahren

Zu den großen Freiheitskämpfern des 19. Jahrhunderts gehört Ludwig Börne  . Liest man in seinen Schriften, so begreift man nicht, weshalb er heute zu den Halbvergessenen gehört. In seinem Bekenntnis zu der Menschheit ewigen Dingen lodert das Feuer des Gerechtigkeitswillens in einem Stile, an dem sich in den vierziger und fünfziger Jahren eine Generation von Journalisten schulte. Es fehlte ihm die Skepsis und die Ironie seines Zeitgenossen Heinrich Heine  . Dafür konnte er das Ueble und Rückständige noch viel tiefer hassen, das Gute und das Echte noch viel stärker lieben als er.

Börnes ,, Pariser Briefe" wurden vom September 1830 bis Mai 1833 geschrieben. Er war nach Paris   in den Monaten nach der Juli- Revolution gekommen. Der Nachhall dieser Kämpfe ist in seinen Briefen noch ganz lebendig. Darüber hinaus sind wir auch heute noch gefesselt von der Darstellungskraft eines Menschen und Charakters, dem Kunst nur als Mittel zum Zweck galt: Zum Kampf für Freiheit und Wahrhaftigkeit.

Börne   tröstet sich

Paris  , Montag, den 14. Februar 1831. ward ich so bewegt, daß ich mich eilte, in die Antiken­Galerie zu kommen, wo ich noch immer Ruhe fand. Ich flehte dort die Götter an, Jupiter, Mars und Apollo, den alten Tiber   und selbst die rote böse Wölfin, Roms   Amme, und Venus, die Gebärerin, Roms   Mutter, und Diana und Minerva, daß sie nach Italien   eilen und ihr altes Vaterland befreien.

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Aber die Götter rührten sich nicht. Da nahete ich mich den Grazien, hob meine Hände empor und sprach: Und sind alle Götter stumpf geworden, rührt sie das Schöne, be­wegt sie das Mißgestaltene nicht mehr ihr holden Gra­zien müsset Oesterreich hassen, denn unter allen Göttern hasset es am meisten euch! Schwebt nach Italien   hinunter, lächelt der Freiheit, und zaubert die deutschen   Brummbären über die Berge hinüber! Und wahrlich, sie lächelten mir.... Die glücklichen Griechen! Noch im Marmorsarge sind ihre Freuden schöner, als unsere, die im Sonnenlichte aimen! Der Himmel war ihnen näher, die Erde war ihnen heller, sie wußten den Staub zu vergolden! Statt wie wir jammervollen Christen Leidenschaften als empörte Sklaven zu züchtigen, gaben sie sie frei, fesselten sie durch Liebe und beherrschten sie sicherer als wir die unsern in den schweren Ketten der Tugend. Dieser Bacchus er ist Meister des Weins, nicht sein Sklave, wie ein betrunkener Christ; es ist Tugend so zu trinken. Dieser Achill er ist gar nicht blutdürstig, er ist edel, sanft, es scheint ihm ein Liebeswerk, seine Feinde zu töten. Dieser Herkules er ist kein plumper Ritter; ihm ist der Geist zu Fleisch geworden, und sein Arm schlägt mit Macht, weil ihm das Herz mächtig schlägt. So zu lieben wie diese Venus es ist keine Sünde, wie die fromme Nonne glaubt. Dieser lächelnde Faun er übt keine Ge­walt, er gibt nur einen Vorwand und schützt die Unschuld, indem er sie bekämpft... Wenn es nur die Grazien richt vergessen haben, daß um vier Uhr das Museum zugeschlossen wird; dann können sie nicht mehr hinaus. Ich aber dachte daran und eilte fort. Auf dem Karussell- Plats begegnete mir der Zug des fetten Ochsen, der mich an den fetten Sonntag erinnerte. Da setzte ich mich in einen Wagen und ließ mich von der Madeleine bis zum Bastillen- Platz und zurück die ganze Länge des Boulevards fahren. Himmel! welche Men­schen. Nein, so viele habe ich noch nie beisammen gesehen. Ich dachte, die Toten wären aufgestanden, die Bevölkerung zu vermehren. Dann ging ich nach Hause und rauchte eine Pfeife. Das ist ein herrliches Mittel gegen Rom  , Freiheit und Götter! Das ist mein österreichischer Fleck.... Mir fiel noch ein, daß vor mehreren Jahren mir Herr v. Handel in Frank. furt keinen Paß nach Italien   geben wollte. Damals dachte ich: nun, ich werde warten: jetzt denke ich: nun, ich habe gewartet. Nächsten Winter, hoffe ich, leben wir in Rom  . ,, Glaube nicht, frei zu sein....

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Dienstag, den 15. Februar.

Die alten Spässe, die alten Sitten

Samstag, 12. Januar 1935

Sprünge haben Shakespeare  , Swift, Jean Paul   nie gewagt. Aber es war wieder ein strenges und gerechtes Volksgericht! Mehrere meiner Bekannten, die glücklicher als ich, im Ge­dränge waren, haben mir erzählt von den Reden und Aeuße­rungen des Volkes. Man muß erstaunen über diesen gesun­den Menschenverstand. Wahrlich, unsere Staatsmänner, die Herren Sebastiani, Guizot  , sogar Talleyrand  , könnten bei hm in die Schule gehen. Und dieses sogenannte, so geschol­tene Volk verachtet man überall; man verachtet die Mehr­zahl einer Nation, der weder der Reichtum das Herz ver­orben, noch das Wissen den Kopf! Man klagt dessen wilde Leidenschaften an, weil es zu edelmütig ist, gleich den Vor­nehmen seinen Haß in eine kleine Pille zu verschließen, die man dem sorglosen Feinde mit Lächeln beibringen kann! Man/ verspottet seine Dummheit, weil es nicht immer so king ist, seinen eigenen Vorteil dem Rechte vorzuziehen! Ich finde wahre menschliche Bildung nur im Pöbel, und den wahren Pöbel nur in den Gebildeten.

Die Straßburger   Studenten haben den beiden Göttinger Brutus! Brutus! Freiheit! Freiheit! Doktoren, die sich dort geflüchtet, ein Gastmahl gegeben, wobei Frankreich   und Deutschland   sich Brüderschaft zu­tranken. Die französische   Freiheitsfahne wurde mit der deutschen   verschwistert, und den andern Tag eine deutsche dreifarbige Fahne den Göttingern durch eine Deputation feierlich überreicht und geschenkt. Diesen Freiheitshelden muß ja in Straßburg   zumute sein wie den Fischen im Wasser. Hätten sie die Hannoveraner gefangen, wären sie tüchtig eingesalzen worden.

Gestern habe ich im Theater Français zwei Molièresche Stücke gesehen: l'étourdi und le malade imaginaire. Da darf man doch mit Ehren lachen und braucht sich den andern Morgen nicht zu schämen. Es ist wie ein Wunder, daß ein Blitz, der vor 170 Jahren die Wolken verlassen

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so lange ist Molière tot noch heute gezündet! Wie lange wird man über Scribe   lachen? Aber so sind unsere heutigen Komödiendichter. Sie zeigen uns die Modetorheiten; doch Molière zeigt uns die ewigen Torheiten der Menschen. Ich betrachtete mit Liebe und Andacht Molières Büste, die im Foyer der Büste Voltaires   gegenüber steht. Molière hat einen sanften durchwärmenden Blick, einen freundlich lächelnden Mund, welcher spricht: ich kenne euch, ihr guten törichten Menschen. Voltaire   zieht höhnisch die Unterlippe in die Höhe und seine stechenden Augen sagen: ich kenne euch, ihr Spitzbuben! Um Molières   Stücke recht zu fassen, muß man sie in Paris   aufführen sehen. Molière   spielte selbst, und was und wie er spielte, das hat sich bis heute so unverändert auf der Bühne erhalten, als das gedruckte. Wort im Buche. Seit ich hier Molière   aufführen gesehen, bemerkte ich zuerst an seinen Komödien die Haken, die er angebracht, das szenische Spiel daran zu hängen, und die ich vor dieser Erfahrung gar nicht bemerkt. Und wie vor­trefflich wird das hier alles dargestellt! Das beste Orchester kann nicht übereinstimmender spielen. Es ist etwas Rüh­rendes darin, diese alten Kleider, diese alten Sitten zu sehen, diese alten Späße zu hören, und das unsterbliche Gelächter der Franzosen   ja es ist etwas Ehrwürdiges darin! Im l'étourdi wird einmal ein Nachttopf aus dem Fenster auf den untenstehenden Liebhaber ausgegossen, und als die Zuhörer darüber lachten, machte es auf mich

Unter dem Namen Neorama wird hier ein Rund­gemälde von unglaublicher Wirkung gezeigt. Das Ihnen be­kannte Diorama stellt das Inwendige der Kirchen vor, aber nur im Halbkeise, der Beschauer seht außer ihnen. Im Neorama aber wird man mitten in die Kirche gestellt. Es ist wie Zauberei. Man steht auf dem Chore und sieht unter sich den Boden der Kirche, und auch die Säulen, die Grab­mäler, die Menschen, und über sich das Gewölbe. Ganz die Natur. So lernt man die Pauluskirche in London   und die römische Peterskirche kennen. Wie alltäglich werden doch die Zaubereien!. An der Peterskirche sind die großen Tore offen, die auf den herrlichen Petersplatz führen. Die Sonne scheint, die Paläste glänzen. Es war mir, als müßte ich mich vom Chore herabstürzen, mich durch die Betenden drängen, hinaus zu eilen auf den Platz, und Brutus, Brutus! Freiheit, Freiheit! rufen.

Haben die italienischen Nachrichten nicht auf der Frankfurter Börse eingeschlagen? Sind nicht die Metalliques davon geschmolzen? Schreien die Juden: 0 wai geschrien! Wanken die Mauern Jerusalems  ? Lächelt der Herr Baron bei seiner Kolik? Sagen die Helden Levis von den Italienern: was wollen die Gäscht? Schreiben Sie mir das alles, das wird mich erquicken. Den Herzog von Modena haben sie ge­fangen auf der Flucht. Ich hoffe, sie knüpfen ihn auf. Ein Haus, worin sich 130 der angesehensten jungen Leute ver­sammelt, hatte er mit Kanonen zusammenschießen lassen. Vierundzwanzig Stunden lang hat er sich verteidigt mit der Verzweiflung eines Tyrannen, der keine Gnade kennt. Zwei österreichische Tiroler- Regimenter, dem Herzog zum Bei­stande gesendet, sollen sich mit dem Volke vereinigt haben. Der Narr, unter allen Fürsten   Europas   der einzige, der es gewagt, den König von Frankreich   nicht anzuerkennen.

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Vornehme Royalisten sind arretiert: Herr von Vitrolles  , von Berthier, der Erzbischof von Paris  . Die Regierung ist in einer gefährlichen Lage. Die Weigerung, die belgische Krone anzunehmen, die gestern feierlich erteilt werden sollte, hat man aus Furcht vor der gereizten Stimmung des Volkes aufgeschoben. Ich sehe keine Hilfe. Die Kammer zeigt sich täglich erbärmlicher, und das besser gesinnte Ministerium muß nachgeben. Gott   schütze den König; Europa   ist ver­loren auf zehn Jahre, wenn er zugrunde geht. Ich strenge mich an, meine Furcht zu unterdrücken. Und mit zehn Ellen Hanf wäre der Welt Friede, Glück und Ruhe zu geben! Ich will bald die Malibran als Zerline sehen; das wird mir etwas das Blut versüßen. Darf ich?

eine wahrhaft tragische Wirkung. Es war kein lebender Spaß, kein Spaß wie er heute noch geboren wird; es war das Gespenst eines Spaßes, das einen erschrecken könnte. Der Malade imaginaire   ist gewiß ergötzlich zum Lesen; aber man kennt ihn nicht, hat man ihn nicht darstellen sehen! Dann wird das Spiel die Hauptschönheit, dem die Worte Vor einem Napoleonsbild nur als Verzierungen dienen.

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Es ist 11 Uhr abends und ich besinne mich, ob ich überhaupt auf einen Maskenball und auf welchen ich diese Nacht gehen soll. Mir bleibt die Wahl unter acht Vorgen die Entscheidung. Gute Nacht.

Was ich über die Briefe eines Verstorbenen gesagt, ist ,, Die Revolution läuft mir fort" alles gerecht. Ich habe nichts mit Unrecht getadelt. Freilich hätte ich das Gute im Buche stärker loben können; aber wo­zu? Es ist eben Krieg und da kann man keine Rücksicht darauf nehmen, was das für ein Mann ist, der uns gegenüber stehet. Er stehet uns gegenüber und ist unser Feind. Puff! Daß Goethe und Varnhagen das Buch eines Vornehmen gelobt, hat ihm bei mir nichts geholfen. Ich kenne diese Herren und weiß, wie sie, ihr eigenes Gewicht, nicht zu verlieren, diplo­matisch bemüht sind, das literarische Gleichgewicht in Deutschland   zu erhalten. Darum stärken sie mit so viel Liebe alle schwachen Schriftsteller.

Mittwoch, den 16. Februar. Guten Morgen! Die Tugend, meine Trägheit, hat gesiegt. Ich war auf keinem Maskenball. Wie süß habe ich ge­schlafen nach dieser edlen Untat.

- Die Würzburger   Adresse ist sehr schön, ohngeachtet des allergehorsamsten Puders auf dem Kopfe, und der aller­untertänigsten seidenen Strümpfe an den Füßen. Meine Pappenheimer werden munter. Der Constitutionell heute hat wieder eine schöne Lüge: in München   sei der Teufel los, und der König habe sich geflüchtet. Was hilfts? Alle diese Be­wegungen führen zu nichts als zurück. Einmal Mut hat wohl auch der feigste Mensch, aber nur der Held hat ihn alle Tage. Es gibt im Lateinischen   ein Epigramm, das heißt ungefähr: Glaube nicht frei zu sein, weil du dich einen Tag frei machst. Der Hund reißt sich auch von der Kette los; aber ein Stück der Kette schleppt er am Halse mit, und daran faßt ihn sein Herr und führt ihn zurück."

Der Plan mit den Universitäten ist wieder ein recht alberner Polizeispaß Wenn sie ihn nur ausführen! Es ist gar zu schön dumm! Dann bringen sie die Bürger von zwan­zig Städten gegen sich auf! Und was mehr ist: dann ärgern sie die unärgerbaren deutschen   Professoren, die freilich das Pulver nicht erfunden, die aber doch einen großen Vorrat davon besitzen, in das sie einmal im Zorne ihre Pfeife können fallen lassen. Wahrhaftig, sie dauern mich. Gott   gab ihnen den schwächsten Kopf und damit sollen sie diese un­gekochte Zeit verarbeiten! Es kommt alles so roh wieder aus ihrem Kopfe, als es hineingekommen. Das ist unser Verdienst liches Kind, das hot unsere gute vaterstädtische ahlehütet

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echecklichen haben sie, sie mochten einmal etwas Kluges beschließen.

Lassen Sie mich schweigen von den merkwürdigen Ereignissen des gestrigen und vorgestrigen Tages. Sie wer­den das aus den Zeitungen erfahren. Es war ein Roman von Walter Scott  , der zurückging und wieder lebendig wurde; es war eine Symphonie von Beethoven  , die unter Tränen lacht; es war ein Drama von Shakespeare  . Solche humoristische Schicksalstage hat man noch nie gesehen. Ich Unglückseliger möchte mich totschießen; ich sehe nur immer den Spaß, und den Ernst muß ich mir erzählen lassen. Man sollte nicht mehr lieben, wenn man alt geworden, nicht ein­mal die Freiheit. Die Revolution läuft vor mir fort, wie ein junges Mädchen, und lacht mich aus mit meinen Liebes­erklärungen. Während ich vorgestern im Theater Français über Mascarills Schelmereien lachte, krönten die Karlisten in der Kirche das Bild des Herzogs von Bordeaux  , und statt einer Verschwörung beizuwohnen, sah ich einem ver­liebten Marquis einen Nachttopf über die Frisur fließen. Während ich gestern auf den Boulevards mich wie ein Kind an den Mummereien ergötzte, zerstörte das Volk die Kir. chen, warf von den Türmen die liliengeschmückten Kreuze herab und verwüstete den Palast des Erzbischofs. Das hätte ich alles mit ansehen können, wäre ich kein solcher Un­glücksvogel. Zu jeder andern Zeit bin ich in dem elegan­testen Winkel von Paris   zu finden, aber sobald etwas vor­geht, bin ich auf der Stube. Wo ich hinkomme, ist Frieden, ich bin ein wahres krampfstillendes Mittel, und die Regie­rung sollte mich anstellen, Revolutionen zu verhüten. Wer nur von einem Turme herab diese Kontraste mit einem Blicke hätte übersehen können! Die Seine hinab schwammen die Möbel und Bücher des Erzbischofs, das Wasser war weiß von Bettfedern. Auf der einen Seite des Stroms trug das Volk in Prozession das Bild des Erzbischofs und beräucherte Soit mit Kirchen- efäßen auf der andern inbelte der Duraf o Amperetton C onarde, it großer

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noch groberer Mühe seinem Jubel Platz. Solche kühne

Paris  , Donnerstag, den 24. Februar 1831. Die Krönung Napoleons  , von David gemalt, durfte unter der vorigen Regierung nicht ans Tageslicht; jetzt wird das Gemälde wieder gezeigt. Was half ihnen ihr blinder Groll? Nichts ist doch lächerlicher und grausamer, als die strenge Diät, welche kranke Fürsten, die nichts vertragen können, ihren Völkern auferlegen, die alles vertragen! Sie meinen, wenn man die Herzen fasten ließe, davon würden die Köpfe und Arme schwach, und sie wären dann leichter zu regieren. Aber der Hunger des Herzens sättigt den Kopf und stärkt die Glieder. Napoleons   Bild kehrte nach fünfzehn Jahren wieder zurück, und die Burbons werden ewig verbannt bleiben gewiß ewig; denn am dritten Schlagflusse stirbt der Mensch, und wenn er auch ein König ist. Ich sah gestern das Gemälde, es hat sehr gelitten; Farbe, Zeit, Be­wunderung. Alles ist verblichen. Es ließ mich so kalt, als sähe ich eine Abbildung von der Arche Noah, in die mit hängenden Ohren alles ehegepaarte Vieh zieht. Der Maler war nicht begeistert, so wenig als jene Zeit, so wenig als Napoleon   selbst, so wenig als das Volk, das ihn umgibt; es ist eine vielfarbige glänzende Leerheit. Das Gemälde ist von solcher Ausdehnung, daß es in dem kleinen Theater, wo man es sieht, den Vorhang bildet. Es enthält mehr als sechzig Figuren in Lebensgröße, alle Porträts. Der Moment ist gewählt, wo Napoleon   der vor ihm knienden Kaiserin die Krone aufsetzt. Er kniet vor nichts, nicht vor seinem Gotte, nicht vor seinem Glücke; weder Triumph ist in ihm, noch Demut. Es ist eine Krönung, wie die eines marklosen Erbfürsten. Nichts als Weiber, Pfaffen und goldene Knechte. Gibt es etwas Lächerlicheres, als daß sich Napoleon   in der Kirche Notre- Dame   von einer angstzitternden Geistlichkeit Brief und Siegel darüber geben ließ, daß er ein Held ge­wesen? Gibt es etwas Herzempörenderes, als diese Hochzeit zwischen dem Manne des Lebens und der Leiche der Ver­gangenheit? Napoleon   hätte sich zu Pferde sollen krönen lassen, sich die Krone hinaufreichen lassen, nicht herab­reichen. Er sollte den Thron zieren, der Thron nicht ihn. Keiner von jenen Soldaten war anwesend, die ihn so groß gemacht; nichts als Schleppenträger und Hofhanswürste. Man hätte gerne gesehen, daß seine Marschälle sich stolz auf ihre Schwerter stützten und mit unterdrücktem Spotte auf die gefälligen Kardinäle blickten. Aber sie trugen Degen wie die Kammerherren, und waren geputzt wie die Hofnarren. Die Porträts sind alle geistreich, das ist wahr: aber es hat ieder sein eigenes Gesicht keiner ein Krönungsgesicht. Jeder en igenes Gesicht keiner ein Grönungsgesicht. Jeder sucht chef's unterdrücken das sieht man deutlich. Herz und Augen gehen weit auseinander.