Deutschfie Stimmen Beilage zur Deutschen Freifieit

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Sonntag- Montag, 13 und 14. Januar 1935

treignisse und Geschichten

,, Fidelio  ", die Oper vom, dritten Reich"

Am Samstag spielt man im Saarbrücker   Stadttheater Beethoven  

Die gleichgeschaltete Intendanz des Saarbrücker   Stadt­theaters bereitet am Vorabend der Abstimmung seinen Freunden eine Ueberraschung. Auf dem Spielplan steht eine Festaufführung des Fidelio  ".

Diejenigen, die noch nicht Gelegenheit hatten, die Be­kanntschaft der Oper ,, Fidelio  " zu machen, werden sich nicht erklären können, weshalb wir von dieser Oper so begeistert sind. Wir lassen das Personenverzeichnis mit kurzer Inhaltsangabe( selbstverständlich modernisiert) folgen. Fidelio Oper  

in 2 Akten von

L. van Beethoven  .

Baritou

Personen:

Minister Darré

Don Streicher, Oberbefehlskaber eines Kon­

zentrationslagers

Torgler  , ein Gefangener

Bariton( Baẞ) Tenor

Leonore  , seine Gattin, SS.  - Mann unter dem

Namen Fidelio  "

Sopran

Schlagtot, Staffelführer

und Lagerführer

Thusnelda  , seine Tochter, BdM.- Führerin

eines Konzentrationslagers

Dirmel, Pförtner

Baß Sopran Tenor

Osaf. andere Affen, SS.- und SA.- Mannschaften. Konzen­trationslagerinsassen, Volk, 3 Juden, 6 Radfahrer. Ort der Handlung: Ein Konzentrationslager im ,, dritten Reich".

Inhaltsangabe

Torgler   ist durch Intrigen Streichers und anderer in der Oper nicht genannter Würdenträger des dritten Reiches". nachdem sich seine Unschuld in einem Monstre- Prozeß gegen ihn und andere freiheitsliebende Bürger herausge­stellt hat, unberechtigterweise in ein Konzentrationslager. gesteckt worden. Er darf den übrigen Gefangenen dort so wenig gezeigt werden, wie den gewöhnlichen Wachmann­schaften und wird lediglich von Schlagtot und Dirmel ,, be­handelt".

Seine Frau beschließt, in Männerkleidung sich bei der SS. einstellen zu lassen, um zu versuchen, zu der Wach­mannschaft zu gelangen, die das Konzentrationslager, in welchem sich ihr Mann befindet, zu bewachen hat. Dies gelingt ihr, so wie es ihr auch glückt, das Vertrauen des Schlagtot und die Liebe seiner Tochter Thusnelda  , lie für den femininen Mannstyp Fidelio   mehr schwärmt, als für den ordinären Dirmel, der sie anschmachtet. Sie erlauscht nun. wie Streicher den Schlagtot überreden will, Torgler  , mit dem er ein Hühnchen aus früherer Zeit zu rupfen hat, zu killen und ihn im Gefängnishoi zu verscharren. Da Schlagtot die Sache doch etwas zu brenzlig ist, weigert er sich. den Torgler   auf der Flucht zu erschießen". Streicher will Torgler   selbst abtun und Schlagtot wird aufgefordert, inzwischen schon ein Grab schaufeln, bei welcher Funktion ihm Fidelio   helfen soll.

zu

Streicher erscheint, wird von Schlagtot und Fidelio   in den Keller geführt, in dem Torgler schmachtet, will sich jedoch, bevor er ihn abkillt", noch einmal an der Angst seines Opfers weiden. Er geht in seinen Kerker und er­zählt Torgler   dort, welche Todesart er ihm zugedacht hat. Torgler  , so matt und schwach er auch ist, besitzt noch einen Teil seines früheren Mutes und schreit ihm sein..Mörder" ins Gesicht. Als sich Streicher daraufhin auf Torgler   stürzen will. tritt Fidelio  , die sich versteckt gehalten hat, ihm mit dem Revolver entgegen.

Inzwischen aber hat sich im Konzentrationslager selbst und in der Umwelt allerhand ereignet. Die bisherige Regie­

rung ist gestürzt, die Konzentrationslager- Insassen werden befreit und ein neuer Minister erfährt von dem versteckten Torgler  . Er befreit ihn durch seine Soldaten just in dem Moment, als die Spannung im Kerker ihren Höhepunkt er reicht hat.

Den Schluß bildet ein herrliches Ensemble, in welchem zwar noch viel ge ,, heilt" wird, bei dem jedoch die Frei­heitsrufe bereits stark durchklingen!

Herrliche Arien

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Hier

Die Arie mit Chor: ,, Ha, welch ein Augenblick!" schwelgt Streicher in krassestem Sadismus.,.Die Rache werd' ich fühlen, Dich rufet Dein Geschick! In seinem Herzen wühlen, o Wonne, großes Glück! Schon war ich nah dem Staube, dem lauten Spott zum Raube. dahinge streckt zu sein. Nun ist es mir geworden. den Mörder selbst zu morden, in seiner letzten Stunde, den Stahl in seiner Wunde ihm noch ins Ohr zu schrein: Triumph. Triumph. der Sieg ist mein!" Der Chor( garantiert nur aus Mit­gliedern der Deutschen   Front bestehend) antwortet:.Er spricht von Tod und Wunde, wacht scharf auf Eurer Runde wie wichtig muß es sein!"

Dec Lüginsland

Von Erich Weinert  

Was da gebraut im Hintergrund Im Propagandaladen,

Das quillt aus diesem Riesenschlund In parfümierten Schwaden.

Der macht Reklame fürs Regime Mit Lügen, unergründbar. Kein Greuelmärchen ist bei ihm, Kein Schwindel unerfindbar.

Und was auch diesem Schlund entquoll: Verheißung, Dreck und Wunder, Stets ist sein Füllhorn wieder voll Mit neuem Jahrmarktsplunder.

So hat er auch die Saar bedacht Mit Zukunftsbilderbogen

Und hat schon jedem auf Verdacht Ein Glück ins Haus gelogen.

Doch keiner lauscht mehr dem Gebrüll Des lauten Lügenspeiers,

Weil keiner in die Fänge will Des braunen Pleitegeiers.

Verzweifelt schreit er jetzt herein;

Er fürchtet seine Stürzer. Denn seiner Lüge kurzes Bein Wird alle Tage kürzer.

Das Finale des ersten Aktes, in welchem der Chor sing: ( Chor der Konzentrationslagerinsassen):., 0. welche Lust, in freier Luft den Atem leicht zu heben" usw. Ein älterer Inhaftierter aber warnt: Sprecht leise. haltet Euch zurück. wir sind belauscht mit Ohr und Blick! Später singt der. selbe: Nie Hoffnung flüstert sanft mir zu, wir werden frei, wir finden Ruh!" Der Chor antwortet: 0, Himmel. Rettung! Welch ein Glück! O Freiheit, o Freiheit! Kehrst Du zurück?" Nun erscheint aber Streicher und der Chor wird wieder in die Haftzellen gejagt. wobei er noch zum Abschied singt: Leb' wohl, Du warmes Sonnen licht, schnell schwindest Du uns wieder. Schon sinkt die Nacht hernieder, aus der sobald kein Morgen bricht!" Das Quartett im Kerker Torglers: Streicher ist gekommen. an Torgler.  , Selbstmord" zu begehen und singt: Streicher, den Du stürzen wolltest. Streicher. den Du Professor Litt

um

fürchten solltest. steht

nun als Rächer hier!" Worauf Torgler   seelenruhig ihm erwidert:., Ein Mörder steht vormir."

Auch das Finale des zweiten Aktes hat seine Schönheiten: ,, Heil sei dem Tag. heil sei der Stunde, die langersehnt, doch unvermeint, Gerechtigkeit mit Huld im Bunde vor unseres Grabes Tor erscheint." Nun hat der neue Minister ein herrliches Solo:

..Des Vierten Reiches Wink und Wille führt mich zu Euch. Ihr Armen, her, daß ich der Frevel Macht enthülle. die all' umfangen schwarz und schwer. Nicht länger knieet sklavisch nieder, Tyrannenstrenge sei mir fern; es sucht der Bruder seine Brüder und, kann er helfen, hilft er

gern!"

Inzwischen kommen Torgler   und Frau aus dem Kerker, hinter ihnen, gefesselt und von zwei Soldaten geführt, Streicher. Chor singt: Bestrafet sei der Bösewicht, der Un­schuld unterdrückt, Gerechtigkeit hält zum Gericht der Rache Schwert gezückt!"

Die Saar fällt nicht auf ihn herein. Mag er nur Sprüche klopfen! Sie wird mit einem kräftigen NEI Das große Maul ihm stopfen!

Er liest wieder

Der Leipziger   Philosophieprofessor Litt. der bekanntlich auf Veranlassung des Rektors der Leipziger   Universität mit Rücksicht auf die von seiten der Leipziger Studentenschaft erfolgten scharfen Angriffe gegen Litt seine sämtlichen Vor­lesungen und Uebungen vor Weihnachten   unterbrochen hatte, hat seine Tätigkeit wieder aufgenommen. Vor Be­ginn seines Kollegs teilte der Rektor, Se. Magnifizenz Prof. Golf, mit, daß der Fall Litt" den zuständigen Stellen zur Entscheidung übergeben und Reichsminister Rust über die Vorfälle unterrichtet sei. Professor Litt wies eingangs seiner Vorlesung darauf hin. d- er verzichte. auf die Vor­fälle einzugehen, da sie ja den höheren Stellen zur Ent­scheidung übergeben seien. Die Vorlesung verlief ohne Zwischenfall. Der Nationalsozialistische Deutsche Studenten­bund hatte in einem Anschlag zur Wahrung der Disziplin im Falle Litt aufgefordert.

Unter diesen Klängen verschwindet Streicher hinter den Kleiber übersiedelt nach Oesterreich

Kulissen, die das Zuchthaus bedeuten und eine Schluß­Apotheose preist die Treue der Gattin.

*

Man sieht, daß., Fidelio  " nur einen kleinen Ausschnitt aus den vielfältigen Ereignissen des..dritten Reiches" bietet. Freilich, eine Oper, die die ganze Wahrheit anschaulich macht, müßte erst noch geschrieben werden.

Immerhin: liebes Stadttheater, Anerkennung und herz­lichen Dank!

Wer ist niedrig wie ein Nace? Hitlerprofessoren blamieren sich

Es bleibt eine Aufgabe der soziologischen Forschung, zu ergründen, wieso die nazistische Propaganda im reichs­deutschen Inland so ungeheuere Erfolge erringen konnte, während sie sich im Ausland infolge ihrer plumpen Unge­schicklichkeit stets in der entgegengesetzten Richtung aus­wirkt. Einen neuen Beweis für den völligen Mangel an Fingerspitzengefühl der Nazipropaganda dem Auslande gegenüber liefert ein sogenanntes Bekenntnis der Pro­fessoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen

zu Adolf Hitler  ", das in deutscher, englischer, französischer, italienischer und spanischer Sprache an allen Universitäten der Welt verbreitet wird. Kann schon im allgemeinen der byzantinische Eifer, mit dem sich die Herren Heidegger  , Sauerbruch usw. ihrem wissenschaftlich gerade nicht sehr gebildeten Führer" zu Füßen werfen, in akademischen Kreisen des Auslandes nur Erstaunen und Widerwillen er­regen. so fordert die Art, wie die deutschen Texte in den fremdsprachlichen Uebersetzungen zu tendenziösen Zwecken

heraus. Dafür nur ein Beispiel:

In einer Erklärung des Münchener   Professors der Kunst­geschichte, Pinder, findet man im deutschen Urtext

folgenden Satz:

es

und

das heilige. innere Recht, für das, was wir jetzt tun, so ist .. Wenn je etwas Bestätigung gibt, für die Richtigkeit, für neben dem Selbstverrat, der persönlichen nackten Selbstenthüllung westlicher, Niedrigkeit Narrenhaftigkeit auch die unabsichtliche Ver­kennung, die wir überall finden, das Nichtbegreifenkönnen bei allen denen, denen man ja auch ansieht, daß sie einer innerlich unterlic enden Welt angehören."

passions qui se déchainent, des déments et des pleutres. La grandeur et la valeur de nos actes sont encore con­firmées par cette sorte de méconnaissance involontaire, à laquelle nous nous heurtons presque partout et que nous constantons chez les esprits réfractaires à toute assi­milation ou vompréhension, en un mot chez des individus d'un monde dépravé."

Wie man sieht, hat der Uebersetzer es für richtig gehalten, die Schimpferei des Herrn Pinder auf die westliche Niedrigkeit und Narrenhaftigkeit" fortzulassen. Der en g- lische, der italienische, der spanische Text bieten genau dasselbe Bild. Ueberall wird in der ent­sprechenden Sprache über., Selbstverrat",.Niedrigkeit und Narrenhaftigkeit" gezetert, aber daß sich dieser be­schimpfende Angriff gegen die Kultur und die Wissenschaft des Westens richtet, wird peinlich verschwiegen.

Dabei sind der   deutsche und die fremdsprachigen Texte in einem Heft miteinander vereinigt, so daß jedem

sorgfältigen Leser der tendenziöse Unterschied sofort in die

Augen springen muß.

Was denken nun die Herren vom Propagandaministerium durch solche Leistungen zu erreichen? Glauben sie, daß die englischen, französischen usw. Gelehrten kein Deutsch verstehen? Bisher haben sie   Deutsch lernen müssen, um die Fortschritte der Wissenschaft in   Deutschland durch eigene Beobachtung verfolgen zu können. Allerdings wenn das dritte Reich" noch lange dauert, wird für den Wissen­schaftler die Kenntnis der deutschen Sprache nicht mehr notwendig sein!

Diese Stelle sieht dann in der   französischen Uebersetzung Wer ist denn der souveräne Mann? Ach, das ist bald

,, Notre action de justice, empreinte du plus profond respect des droits sacrés de l'homme, jette l'éclat de sa grandeur audessus de la triste foule des traitres, des

[ gesagt:

Der, den man nicht hindern kann, ob er nach Gutem oder [ Bösem jagt. Goethe,

. Erich  

Kleiber teilt mit, daß seinem zweiten Gesuch, ihn aus dem Verband der Berliner Staatsoper zu entlassen, ent­sprochen wurde. Er wird in   Berlin nur noch drei Abonne­mentskonzerte des dortigen Philharmonischen Orchesters auf besonderes Ersuchen dieser Körperschaft leiten und im Früh­jahr nach   Oesterreich übersiedeln. Generalmusikdirektor Kleiber ist bekanntlich gebürtiger   Wiener.

Kubes Mist Wilhelm  

Kube schreibt in der Westfälischen Landes­zeitung":

nennt

,, Die Sau suhlt im Mist, der Jude in dem, was er Kultur diese stinkenden Cojoten sollte man internatio­nal an die Kette legen."

Die Sau suhlt im Mist

und der Kube wälzt sich in der Nazipresse. Es ist halt alles eins!

Ganz wie früher...

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Inserat im ,, Westdeutschen Beobachter": ..Kommißbrot. echtes, ganz wie früher! Bäckerei V." Ganz wie früher! Die große kleine Zeit ist wirklich wieder angebrochen.

man flüstect...

Als Hitler gestorben war, bittet er   Petrus um Einlaẞ in den Himmel. Da fragt   Petrus: ,, Was hast du auf Erden ge­leistet?"   Hitler warf sich in die Brust und antwortete: ,, Ich habe das großzügige Arbeitsprogramm in die Wege geleitet, in   Deutschland sind die Arbeitslosen bald alle." Gut," sagt   Petrus, ich werde mich von der Richtigkeit deiner Aussagen überzeugen," und fuhr zur Erde. Was macht ihr da?" frug   Petrus. Wir spielen Skat, wir sind arbeitslos!" ,, So," knurrte   Petrus und ging weiter. Wohin er kam, über­all dasselbe Bild. In   Leipzig, in   Hamburg, in   Berlin und überall! Als er wieder im Himmel war, sagte er zu   Hitler: ,, Mein lieber   Hitler, das stimmt aber nicht, in   Deutschland gibt es noch genug Arbeitslose."..Ja," sagte   Hitler ,,, da darfst du nicht die Leute fragen, sondern mußt die Zeitung lesen!"

*

Es erscheinen demnächst die von der deutschen Regierung verfaßten Bücher:   Goebbels schreibt: Kleiner Mann, was nun",   Göring: ,, Ach, wenn ich König wär'!" und Hitler: ., Mein Irrtum".

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Was ist Größenwahn? Wenn sich der liebe Gott mit  Göring auf eine Stufe stellt!

Bra