— 2—„Werde ich wohl müssen, da keine Elektrische mehr fährt. Und mem Revolver,wenn ich bitten darf?"„Der bleibt hier. Das Wassentraaen istverboten."„Aber das Totgeschlagenwerden ist erlaubt? Herrlich« Eirmiylungen habt ihr inEuropa! Na, dann entschuldigen Sie nurnoch vielmals, daß Sie mich ganz überflüs-figer Weise verhaftet haben!— n' Abend!"Eduard Bohnkraut verließ das Wacht-lokal, begleitet von dem Kopfschütteln desKommissars und seiner beiden Beantten.„Ist das'ne Gurk!" meint« der eineSchutzmann belustigt.Die Menschen, die Eduard das Geleitezur Wache gegeben hatten, hatten sich wiederverlaufen. Die Straßen waren menschenleer.,. Eduard schlug den nächsten Weg nachHause ein, indem er in die Große Feldgaffe«inbog.Er war jetzt schlecht gelaunt, und selbstdie boshafteste Zeitungsnotiz über seinenFeind Assessor Funke hätte kaumseine verbissenen Mundwinkel zu einem Lächeln gelockert. Er verwünscht« Gott und dieWelt, schalt sich wegen seiner Rückkehr nachEuropa einen Idioten, und er sehnte sich inin dieser,Stunde ebenso inbrünstig nach Philadelphia, wie er sich ehedem in Philadelphianach Breckendorf gesehnt hatte.„Habe ich nicht, bei Licht besehen, dieOhrfeige verdient?" krakehlte er in sichhinein.„Hat Meier IH nicht recht: was gehtmich die ganze Geschichte an? Man hat mirmein Haus gestohlen,— well! Aber habech's gebraucht? Habe ich's in Philadelphiadrüben vermißt?— Wär« ich jenseits desgroßen Teiches geblieben, ich hätte hundertJahve alt werden können, ohne jemals zuerfahren, daß die Villa Sonnenstrahl nichtmehr existiert. Muß mich der Satan reiten,daß ich hierher gondele! In dieses verflixtePhtlisternest, das den Stickstoffwahn und denMaharadschafimmel hat! Nicht nur geohr-feigt gehöre ich,— ich möchte mich selbstubers Knie legen und mit einem Rohrstockversohlen,— wenn das anatomisch möglichwäre!"„Ajax!" rief eine Helle Mädchenstimme.„Ajax, hierher! Oder soll ich dich an dieLeine legen?"Wie elektrisiert fuhr Eduard auf.Alle seine Selbstvorwürfe waren im Nuvergessen. Aus der Versenkung tauchte wieder der ehrgeizige Detektivamateur EduardBohnkraut auf, der dem Assessor Funke aufden Kopf zugesagt batte, er,' nur er werdeden Berbrecherkönig von Breckendorf sangen.„Ajax!" rief es noch einmal.„So kommdoch!"Auf der anderen Seite der Straße gingeine niedliche, junge Weibsperson, hutlos,Gesetz und Recht.Es erben sich Gesetz und RechteWie eine ew'ge Krankheit fort;Die schleppen von Geschlecht sich zum GeschlechteUnd rücken sacht von Ort zu Ort.Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage,Weh' dir, daß du«in Enkel bist!Vom Rechte, das mit uns geboren,Bon dem ist, leider, nie die Rede!Goethe.Der Blumenstock.Von Felix Fechenbach.Endlich Hot er es durchgrsetzt, er bekommt«inen Blumenstock in seine einsame Felle. Eingroßes Ereignis für einen Zuchthausgefange-nen, der dazu verurteilt ist, sein ganzer Lebenhinter Gittern zu verbringen.Aber trotz liebevollster Pflege will die zartePflanze nicht gedeihen. Sie braucht mehr Lichtund Luft, als durch das klein« Zellenfenst«r ein-dringen kann.Man sollt« den Blumentopf ans Fensterhinaufft«ll«n, aber das ist verbot««.Gleichviel, der Gefangene tuts. Und dieBlätter bekommen wieder frische Farbe, dieBlüten entfalten sich. Der Gefangen« verfolgtjede Lebensäußerung seines grünen Zellengenossen mit freudigem Jnteresse; jedes neusprießende Blättchen, jede werdende Knospewird ihm zum Erlebnis.Da kommt eines Tages Zevenbesuch. DerRegierungsrat macht den allmonatlichen Rundgang bei den Einzelhäftlingen.Rasch den Blumentopf herunter, damit'skeine Hausstraf« setzt. In der Erregung darüber, er könnte"bei seinem schweren„Verbrechen" erwischt werden, läßt der Gefangene denBlumentopf fallen. Der Topf zerbricht. Scherben und Erde liegen weit zerstreut auf dem iFußboden.In diesem Augenblick kommt der Rrgie-«Mlgsrat zur Zellentür herein:'„Haben Sie etwas vorzubringen?"„Ich bitt« Herrn RegierungSrat um einenneuen Blumenstock. Mir ist meiner heruntergefallen und zerbrochen."„Was tun Sie denn mit einem Blumenstock?" fragt der Beamte verständnislos.„Ich will halt was Grünes in der Zellehaben.",^Was Grünes? Schaun'S halt die Wandan, di« ist auch grün."Der Gefangene beißt die Zähne auseinanderund ballt in ohnmächtiger Wut di« Hände. Esist«in wahres Wunder, daß er dem Beamtennicht an die Kehle springt.Dir beiden stehen sich-rin paar Sekundenschweigend gegenüber. Dann preßt der Gefangene in übermenschlicher Selbstbeherrschung her-aus:„Die Wand ist tot. Ich will lebendigesGrün. Erlauben Sie bitt«, daß ich einen neuenBlumenstock bekomme."Flehend und demütig hat er das gesagtund der Beamt« ließ sich dann großmütig herbei, zu bewilligen, was erbeten war.Ob er wohl begriffen hat, da er mit seinenherzlosen Rede»«ine 5'knschenseele blutig gegeißelt hat?Auch du möchtest reifen...Die weißen Wände der endlosen Straßenzuge zerspringen vor Hitze. Der Asphalt kocht.Staub frißt sich in alle Poren. Schweiß beißtdie Haut wund.Jetzt in den Wald gehen können. In denkühlen Bach die Füße hängen. Den Kopf infreier Bergluft heben. Und di« Brust weiten inschwellender Lust, die Lied um Lied in die herrlich« Welt hinausjubclt. Jetzt frei sein.Aber da steht die Fabrik. Das riesige Skla-venhaus. In schwarzen Säulen stimmt sich derRauch' der Schlote gegen den Himmel. Gellen?den Schrei stößt dir die heulend« Sirene insHerz.Du weißt, daß der Lärm der Fabrik dirdas Hirn wie mit spitzen Nadeln zerwühlt,mit sauberer Zimmermädchenschürze, üMlockte einen Foxterrier.„Da ist«r!" jubelte Eduard.„Gepriesen!sei die Ilias, der alte Homer und das ganze Iklassische Altertum! Nun aber heißt's schlausein! Zeige dich des unverhofften Zufalls!würdig! Edi, alter Knabe, Glückspilz, bittStunde des Sieges naht!"Er überquerte, wie zufällig, die Straße,!nähert« sich dem hübschen Di«nstmädchät,Idas den Foxterrier auf dm Arm genommen jhalt«, ging eine Zeitlang neben ihr her.Er lächelte sie an, sie lächelte ihn an.s„Ein reizendes Hündchen habenda!" begann er zu scherzen, indem er den«Köter tätschelte, und machte weniger deinHund als seiner niedlichen Beaufsichtigeri«!große Augen.„Ein allerliebstes KerlcheNWBeinahe so entzücken- wie seine Herrin!" s„Aber nein!..." errötete das Mädchen!und blickte mit verschämtem Lächeln beiseite-!„Aber ja!" betont« Eduard und wun»!derte sich selbst, w'e leicht ihm, der doch st!lange auS der Uebung war, das Poussierensfiel. Aber was man einmal in der Jugend!richtig gelernt hat, vergißt man nie Wiede«Am Ende war«8 gar angeborenes Ta'ent?!„Aber j^ liebes Fräulein! Bin doch sicher!nicht der erste, der Ihnen sagt, wie reizend!Sie sind! Darf ich ein bißchen mit JhneNsgehen?"(Fortsetzung folgt.)spürst di« Qualen der Kreuzigung auf de«!Schädelberg menschlicher Fron, aber du müßt!hinein in die Fabrik.Du mußt dich ducken und hören, wie das!vergitterte Tor hinter dir znschlägt und dich!trennt von den weiten Straßen, die alle irgend«!wo in die Welt hineinführen, nach der du dich!sehnst.Du keuchst und stöhnst in der Gluthitze vor!den hohen Oefen und denkst an di« lachende!Sonne Italiens, die du so gerne sähest, denkst!an die kühlen Winde Skandinaviens, denen du Idich gerne«ntgegenwürfest in der Qual dieses«Sommers.Ja, auch du möchtest reisen. Auch du möch«!test einmal«in Mensch sein. Wie di« andern,!für die du fronst. Wie die andern, die in Skun«!den das verzehren, was dich für Tage, vielleicht!für Wochen frei machen würde.Aber dich stößt man tiefer hinab in das jWerk, wenn du dich hinaussehnst. Und wäh-jrend die Sonne höher und höher steigt und!dein Durst in di« Ferne unerträglich wichtstehst du da im öligen Kittel und bepackst Wag'!gon um Waggon mit kantigen Schrauben odekttfressendem Zement, dunkler Kohl« oder kalk'schendem Eisen. Du verladest den glänzende«!Stahl, daß dir der Schweiß das Hemd näßt,!das vielleicht drin einziges sst, das du awAbend ins Wasser steckst, um es vom Nacht'!wind trocknen zu lassen, während du auf ha?!tem Lager kurzen Schlaf suchst. Deine Kräfte Isammelst für die Fron des nächsten TageS, des!übernächsten,-es folgenden und so fort. Na»niemals ein Ende. Bis einmal die Kraft aller kGequälten die eisernen Tore zerschlägt, die zwi'ischcn dich.und die Ferne sich drängen. Und d«r>von den Herren der Erde sinnlos Vergeuder!Ueberschuß deiner Arbeit in die Hand, Re ih?!schuf, zurückfließt und den Traum aller Schal'!senden erfüllt: Straßen zu ziehen, die in IFreiheit führen, Berge zu steigen, die in ewiarsjLicht ragen, Meere zu sehens deren Brandung•dir das Echo der eigenen unbesiegbaren Krasse«ntgegenrollt..-.