-
-3
Und der Bettier stand und wartete... feine ausg- stredte Hand zudte und zitterte.
Betroffen und traurig drüdte ich herzhaft diese schmutzige, zitternde Hand.
Augen auf mich; seine blauen Lippen lächelten, Lotterie beteiligt, deren Hauptgewinn ein Auto dann drückte auch er meine ertalteten Finger. mobil bildete Da läßt sich nichts machen, Bruder," lispelte er, habe Dank auch dafür. Auch das ,, Verurteile mich nicht, Bruder; ich habe ist ein Almosen, Bruder!“ nichts bei mir.“ Ich fühlte, daß ich von meinem Bruder Der Bettler heftete seine entzündeten ein Almosen empfangen habe.
Unlängst, etwa vierzehn Tage vor Weih- fort, so waren es eigentlich zehn. Das erste mal wurde mein Name falsch geschrieben.“
nachten, hatte ich eines Nachts einen unangenehmen Traum. Ich träumte, daß ich im Nachthemd aus dem Fenster fiiege. Und ich flog höher und höher. Dies freute mich.
,, Man hat mich bemerkt," dachte ich bei mir selbst.„ Ich bin sicherlich zu gut gewesen. Ewas weniger Tugend, und ich hätte länger gelebt. Aber man kann nicht alles haben"
Unter mir wird die Wit feiner und kleiner. Ich sah von London noch die lange Reihe elektrischer Lampen, die das Themsenser injäumen, dann blieb bloß ein blasser Lich : schimmr in der nächtlichen Schwärze. In diesem Augenblick vernahm ich hinter mir den leisen, zitternden Ton eines Fügeischlages.
Ich wendete den Kopf und erblickte den Eng: des Gerichtes. Er sah trübe drein; ich nahm an, er sei müde.
" Ja," gab er zu ,,, euer Weihnachten ist für mich eine anstrengende Zeit."
Er habe beide Gaben eingetragen. ,, Außerdem wohnte ich vier Wohltätigkeitsdiners bei," erzählte ich weiter. Ich weiß nicht mehr, um welchen guten Zweck es sich handelte. weiß nur, daß ich am folgenden Morgen sehr litt. Champagner bekommt mir immer schlecht. Trinkt man aber feinen, so glauben die Leute, man fönne es sich nicht leisten. Nicht etwa, daß ich ungern Champagner trinke, aber meine Leber, Sie verstehen; wenn ich davon mehr
Der Engel meinte, ich solle teine Angst haben, alle meine Taten seien gebührend niedergeschrieben, zusammen mit anderen, die ich vergessen hatte.
Ich empfand eine gewisse Neugierde. Biz her hatten wir uns gut vertragen; mich zumindest hatte es so gedeucht. Ich fragte den Engel, ob ich sein Buch sehen dürfe.
Er fagte, er habe nichts dagegen und öff nete es auf der Seite, die mir gewidmet war. Ich flog etwas höher, ichaute ihm über die Schulter. Noch heute begreife ich nicht, wie ich etwas derartig Törichtes träumen fonnte.
Er hatte alles falsch notiert! Alle meine angeführten guten Taten stan den nicht auf der Kredit, sondern auf der Debetseite. Er hatte sie mit meinen Sünden vermischt selbstsüchtigen Taten. mit meinen heuchlerischen, eiflen,
stand auf der Kreditfeite für die lepten sechs Unter Wohltätigkeit" Monate nur eine einzige Tat: nämlich, daß ich an einem regnerischen Abend meinen Platz in der Straßenbahn einer alten, trübseligen Frau abgetreten hatte, die nicht einmal„ danke" fagte und völlig verschlafen schien. Der Ansicht dieses Der Engel unterbrach mich mit der Bemer- Idioten nach waren das viele Geld und die fung, meine Anwesenheit bei den Diners sei viele Zeit, die ich für wohltätige Zwede aus gebucht worden gegeben hatte, wertlos gewesen!
tätigkeitsbajar zwölf signierte Photograph`er“ Vorige Woche pendete ich für einen WohlDer Engel hatte auch dies nicht vergessen. ,, Warten Sie, was sonst?" überlegte ich „ Das glaube ich gern," erwiderte ich.„ Be- weiter. Ich war auch och auf drei gewöhn greife gar nicht, wie Sie mit allem fertig wer- lichen Bällen. Zwar tanze ich nicht gern, doch den. Um die Weihnachtszeit werden alle Menschen urplöslich so großmütig. Es ist ein wundervolles Gefühl."
,, Sie sind zu beneiden," stimmte er zu. Die erste Nummer einer Weihnachtszeitschrift gibt mir den Anstoß," erklärte ich.„ Die schönen Bilder- das reizende, fleine, in Ve ze gehüllte Kind, das mit den lieben tieinen Händen dem Gassenjungen Maggiwürfel gibt, der gute, alte, rotgejichtige Gutsherr, der dankbaren Dörfern Kuchen schenkt... Sehe ich diese, so erfaßt mich das Verlangen, eine Sammelbüchse zu nehmen, herumzuziehen und selbst Gutes zu tun. Aber nicht nur ich bin so," fuhr ich fort. „ Sie sollen nicht glauben, daß ich der einzige gute Mensch auf der Welt bin. Gerade das liebe ich so an Weihnachten : es macht alle Men schen gut. Welch erhabenen Gefühlen verleihen wir Ausdruck! Welch gute Taten vollbringen wir von sagen wir einige Tage vor Weihnachten bis etwa Ende Jänner. Es muß Sie begiüden, all dies niederschreiben zu dürfen." " Ja, gute Taten sind mir eine große Freude."
,, Das sind sie uns allen. Ich liebe es sehr, meiner eigenen guten Taten zu gedenken. Habe häufig daran gedacht, ein Tagebuch zu führen, meine guten Taten zu verzeichnen. Es wäre eine schöne Leftüre für meine Kinder."
Der Engel stimmte dieser Auffassung bei. Ihr Buch," sprach ich, enthält wohl alle guten Taten der Männer und Frauen aus den letzten sechs Wochen?"
Sein Buch war ein äußerst dider Band. Der Engel nickte: Ja, in diesem Buche ständen alle gute Taten verzeichnet.
Ich begleitete den Engel hauptsächlich, um mit ihm zu plaudern, zweifelte nicht an seiner Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit. Doch ist es stets ein Vergnügen, über sich selbst zu reden.
finden ſich ſtets Partner zum Bridge. Auch auf einem Maskenball war ich; ich ging als Sir Walter Raleigh ; es gibt viele Männer, die es nicht wagen dürfen, ihr. Beine zu zeigen. Wenn man es aber kann, weshalb sollte man es nicht tun? Mar hat ohnehin so selten Gelegenheit, sich im besten Lichte zu zeigen."
Der Engel erklärte, alle drei Bälle seien notiert und mit Randbemerkungen versehen.
Sie haben wohl auch nicht vergessen, daß ich für den„ Fonds armer Barrer" Theater gespielt habe? Ich weiß nicht, ob Sie die Notiz in der„ Morning Post" sahen, aber..."
Abermals unterbrach er mich, um mir mitzuteilen, die Worte des„ Morning- PoſtMannes" seien zugunsten oder ungunsten dieses Mannes vermerkt worden, hätten mit mir nichts zu tun.
,, Natürlich," stimmte ich ihm bei.„ Unter
Zuerst zürnte ich ihm nicht. Nahm an, er habe einen Meinen tommerziellen Firtum be
gangen
Sie haben nicht richtig gebucht." fagte ich. ( Ich sprach ganz freundlich.) Sie haben einen kleinen Irrtum begangen. Das kann jedem von uns passieren. Sie baben die Taten auf die falsche Seite des Buches geschrieben. Ich will hoffen, daß derartiges nicht häufig vorkommt."
Mehr als alles andere reizte mich das crnfte, gelassene Geficht des Engels.
,, Es ist fein Jrrtum," entgegnete er. Rein Jrrtum?" schrie ich. Sie verblödeter
Ich war so zornig, daß ich ihm das Buch zu entreißen versuchte. Er tat gar nichts; plöt lich fühlte ich jedoch, daß ich zu fallen beginne. Unter mir wurde es immer heller und heller, Londons Lichter schienen zu mir aufzuschießen.
Ich stürzte geradewegs auf den Uhrturm der Westminsterabtei nieder.
Mit einem frampshaften Rud wich ich ihm aus und fiel in den Fluß.
Dann erwachte ich.
Aber toch heute verfolgt mich die müde
Traurigkeit, die ich auf des Engels Antlik sah
ich kann die Erinnerung daran nicht ver
uns gejagt, ich glaube nicht, daß für den wah!- tätigen Zwed viel eintam. Sie wissen ja, wie groß die Kosten sind, wenn es sich um Erfrischeuchen. Wäre es nicht besser gewesen, ich schungen handelt. Aber ich glaube, ich spielte meine Rolle aut."
Der Engel erwiderte, er habe der Aufführung beigewohnt und darüber einen Report gemacht.
hätte das Geld nicht für Torheiten vergendet, sondern es den Armen selbst gegeben? Kann dieser kleinste Bruchteil unseres Ueberfluſſes, ged nfenios lieblos in die Sammelbüchse geworfen, den unpraktischen Idealisten befriedi gen, der in seiner Kühnheit fordert man denft mit einem unwillkürlichen Achselzuden daran- daß wir all unseren Besitz verkaufen und den Armen geben sollen?
-
Ich erinnerte ihn auch noch daran, daß ich zugunsten mittelloser Engländer in Johannisburg fünf Legensitze g.fauft hatte. Freilich waren nicht alle die berühmten Schauspieler aufgetreten, die auf dem Theaterzettel standen, doch hatten sie alle Briefe mit guten Wünschen gesandt, und die Berühmtheiten, von denen nie- 08000000000000 mand etwas wußte, waren ausnahmslos auf der Bühne erschienen. Im ganzen war die Vorstellung gut und preiswert gewesen; man konnte sich nicht beklagen.
Ich hatte auch noch weitere gute Taten zu verzeichnen, doch fielen mir eben nicht alle ein. Haben Sie meine fünf Schilling einge- Ich entsann mich nur noch eines Basars, dem tragen, die ich zur Sammlung des„ Daily Tele- ich alle meine alten Kleider spendete, ja. sogar graph" für die Arbeitslosen beistenerte?" fragte einen Ueberrock, der zufällig in das Bündel geich. Ja, sie seien vermerkt. raten war, und den ich noch sehr gut hätte „ Wenn ich mich recht entsinne," fuhr ich tragen können. Auch hatte ich mich an einer
Wenn Sonntags früh die Kirchenglocke klingt, Dann eil zum Wald, zu seinen frommen Blüten, Wo hoch am Himmelchor die Lerty, singt. Dort braucht fein Pfäfflein mehr dich zu behüten.
Wenn dich im Morgenrot die Sonne füßt Und tausen Stimen der Natur dir lünden, Daß du als freier Mensch geborer. bist, Zurück zu ihr wirst du dann sicher finden.
0800908