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Begegnung mit einem Bertriebenen.

Von Laszlo Arente.

mir ein Vergnügen, durch so viele fremde Län der zu fahren. Als armer Mensch hätte ich mir das sonst nicht leisten können. Jetzt war ich aber am Ende meiner Kräfte. Wohin?

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die Weit würde sogar nur soviel von mir er fahren: Ein Mann wurde erfroren auf der Landstraße aufgefunden". Wie gelähmt jaß ich im Straßengraben und dachte darüber nach, ob es nicht das beste wäre, selbst gleich ein Ende An einem trüben Wintertage kam er zu zu machen. Plötzlich aber öffneten sich die Wol­mir. Er war zerfest und ausgehungert und bat ken, und ein eisiger Regen brachte mich zur mich, seinen Genossen und Landsmann, um Besinnung. In der Ferne sah ich bald eine Hilfe. Nicht Geld, nein Arbeit wollte er ha­Schenne, in der ich acht Stunden später halb ben und etwas Wäsche, um sich wieder als Gern wollte ich nach Amerika  . Mit unsag- erfroren erwachte. Die schlimmste Nacht meines Mensch fühlen zu können. Wir saßen im dunk- barer Mühe und Not, hungernd und frierend, Lebens war vorüber. Ich wagte wieder zu len Zimmer, und er, der Emigrant, erzählte wanderte ich durch Desterreich, die Tschechoslo- hoffen. Nach zwei Tagen fam ich in Berlin   an. mir die furchtbaren Erlebnisse, die ihn nun wakei, bis ich eines Tages schließlich in Ham- Etwas Unterstützung wurde mir gegeben, aber mehr seit sieben Jahren durch Europa   treiben. burg   anfam. Nach Amerika   zu fahren, kostet Arbeit bekam ich auch hier nicht. Mechanisch Mit gebeugtem Rücken, das Gesicht in den Hän-| aber viel Geld, und einen Paß braucht man nahm ich wieder mein Rad und fuhr weiter. den vergraben, sprach er: auch. Ich hatte keines von beiden. Darum In Magdeburg   wieder nichts. Ein paar Mart ... Und als die Mörderbanden Horthys entſchloß ich mich, den Seeweg als blinder" Unterſtühung von Partei und Gewerkschaft, aber das schöne Ungarn   erobert" hatten, wurde ich Passagier zurückzulegen. Im Hafen erzählte Arbeit man lachte mich aus und sagte, ich auch verhaftet. Durch eine List gelang es mir, jemand, daß am anderen Tage ein Frachtschiff jei ein Optimist. Und weiter, immer weiter aus dem Gefängnis zu flüchten. Ich wurde aber nach Amerika   fährt, und so torkelte ich in der trug mich mein Rad. So kam ich nach Leipzig  , bald wieder festgenommen und fam in ein ſtockfinsteren Nacht in die dunkle Hölle des be- gestern früh, und schreckliches, düsteres Festungsgefängnis, von zeichneten Schiffes, wo ich mich hinter einem dem aus eine Flucht ausgeschlossen schien. Ich Berg   Kohlen vergrub, deren Geruch sich wie war Schlosser von Beruf, und nach Monaten giftige Gaje auf den Atem legten. Die über­qualvoller Gefangenschaft founte ich erreichen, menschlichen Anstrengungen und Entbehrungen daß man mich, natürlich unter militärischer Auf- der letzten Tage ließen mich sofort einschlafen. sicht, nach der kleinen Stadt gehen ließ, um und als der Tag graute, stießen rohe Stiefel dort dringende Arbeiten zu erledigen. Meine in meine Seite. Was suchen Sie hier," hörte Fluchtpläne, die ich im Dunkel des Gefängnis- ich eine erstaunte Stimme. Man hofte mich aus ses schmiedete, näherten sich immer mehr der dem Schiff, und als ich den äußerlich so rohen Verwirklichung. Ich gewann das Zutrauen der Seemännern meine Vergangenheit erzählte, ver­Wächter, und als ich eines Tages in der Stadt gaßen sie ihren Aerger urd behandelten mich als einen Brunnen reparieren mußte, ließ ich un- einen Genossen. Das war eines der schön­gesehen alle nötigen Nägel verschwinden. Dann sten Erlebnisse. Sie erklärten mir, daß der bat ich um die Erlaubnis dieselben aus der in- Dampfer, in dem ich mich eingeschifft" hatte, neren Stadt zu holen, man gestattete dies und eben gestern aus Amerika   zurückgekommen sei, gab mir sogar Geld, um manches für die ande- dagegen das Nachbarschiff heute morgen nach ren Gefangenen und für die Wächter zu be- Amerika abgedampft sei. Die freundliche Be­wirtung und die fleine Geldunterstützung, die jorgen. mir die Samburger Seeleute zuteil werden lie­zen, gaben mir wieder neue Hoffnungen. Nach wochenlangem Arbeitsuchen in den Hasenstädten kam ich in eine kleine Stadt Pommerns  , wo ich endlich dauernde Arbeit fand.

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Amt nächsten Morgen war ich schon in der Tschechoslowakei  . Unter dem Schutze der Nacht durchschwamm ich den Fluß, die Trennungslinie zwischen beiden Ländern, und als der Morgen graute, war ich schon weit im Lande vorgerückt. Ein halbes Jahr lebte ich hier und ver­Einige Stunden später verhafteten mich die Gen­darmen, aber als politischer Flüchtling wurde ich diente Geld. Ich konnte mir manches kaufen, nicht an Ungarn   ausgeliefert, sondern man gab ja etwas sparen, und als ich sogar schon aus mir gute Stiefel, einen Anzug und sogar etwas Heiraten dachte brach ein Streit aus. Sechs Geld. Aber was nun? Die Sprache des Lan- Wochen lang dauerte der Kampf, alles hatten dez verstand ich nicht, Arbeit gab es, aber im- wir geopfert, alles verkauft, den Kampf auf­mer nur für kurze Zeit. Im Laufe eines Jahres geben wollten wir aber nicht. Man holte die fernte ich das ganze Land kennen. Dann dachte Gelben"; ich war Streikposten, fant mit diesen ich an Wien  . Ich wußte, daß dort Tausende in eine Prügelei...; im Laufe von drei Tagen meinesgleichen lebten, Tausende von ungarischen mußte ich auf amtlichen Befehl Pommern ver­Emigranten, die das bittere Los der Heimatlo- laffen. Das einzige, was ich von diesem Zu­sigkeit hinnehmen mußten, um nicht an den sammenbruch retten konnte, war mein Fahrrad. Galgen Horthys zu verenden. Ich wurde in Sonst bestand mein Hab und Gut aus dem, was Wien   freundlich aufgenommen. Die Zeitungen ich auf dent Leibe trug. Traurig, wie ein ver­berichteten von meiner gelungenen Flucht, aber triebener Hund, ſetzte ich mich auf das Rad, und Arbeit, gute, ständige Arbeit, fand ich auch hier wieder stand, o, zum wievielten Male, die Frage nicht. Ich durchwanderte das schöne Land, und vor mir: wohin, Berlin   ist eine große Stadt,

eines Tages befand ich mich in Italien  . Da- dort kann man nicht Hungers sterben, dachte ich mals bestand zwischen Horthy   und Mussolini   mir, und steuerte in der Richtung zur deutschen noch kein Waffenbündnis, und ich hatte feinen Reichshauptstandt. Nach einem halben Tage Grund, mich vor einer Auslieferung zu fürch- überwältigte mich der Hunger so, daß ich für ten. Ich fuhr nach Rom  ... Schon an der meine letzten 50 Pfennig etwas Brot und Wurst Eisenbahnstation wurde ich verhaftet. Vom kaufen mußte. Vom Schlafen, irgendwo Ueber­Sträflingswagen aus, der mich zum Ge- nachten, konnte keine Rede sein. Auf den Land­fängnis transportierte, sah ich leider nur die ſtraßen wehte ein eisſiger Wind, und meine ſtei mächtige Peterskirche mit ihren freisförmigen fen Hände konnten kaum noch das Stener halten. Säulenalleen. Die Nacht verbrachte ich zwischen Aber ich mußte weiter. Im Stockjinſtern legte Mördern und Verbrechern, auch einige Dirnen ich einen Kilometer nach dem andern in rasen waren dabei.. Am nächsten Tage schon wurde dem Tempo zurück, aber plöglich ergriff mich ich in einem Gepäcwagen, der nicht einmal ein ein Schwindel und schon lag ich int feuchten Fenster hatte, an die österreichische Grenze ab- Graben neben der Landstraße. geschoben.

Nun stand ich da, an einer unbelebten Eisenbahnstation, feinen Heller in der Tasche, und es begann mir flar zu werden, daß erst jetzt mein richtiges Leid beginnen würde. Bis her erschien mir alles wie ein Traum, es war

Inzwischen war es tiefe, schwarze Nacht geworden, so daß ich den Emigranten nicht mehr erkennen konnte. Nur seine anklagende Stimme hörte ich. Er, der Emigrant, hörte auf, eine Verjon, ein Mensch zu sein, seine Stimme war der Mahuruf eines ganzen vergewaltigten Volfes

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Brave Genossen halsen mir, und der Emi­grant fand ein Unterkommen. Ich gab ihm etwas Wäsche und Geld, und er war glücklich. Ich wollte ihm Freund sein, daß er nicht mehr allein sein sollte, und fünf Tage besuchte er mich regelmäßig. Dann verschwand er. Kein Wors hatte er hinterlassen, keinen Grund angegeben. D, Menschen. Genossen, fühlt ihr die tiefe Tra gik der Heimatlosigkeit? Fühlt ihr das erschüt ternde Los der Emigranten, die sich zu Zehn­tausenden hungernd und frierend auf den Land­straßen herumtreiben? Der Emigrant ist ver­schwunden. Wo mag er jetzt sein? Welche Land­straße birgt seinen erfrorenen Körper?

Er ist verschwunden. Aber wenn die Stunde der Befreiung schlägt, werden die Zehntausende, die Vertriebenen, die Emigranten auf dem Po­sten sein, um das gemeine Verbrechen, das man ihnen angetan hat, zu räcken.

,, Die verlorene Welt". Die Leben noch Rachkommen der alten Dinosaurier?

Der Film von der verlorenen Welt, der bet Publikum und Presse in Berlin   jetzt lebhaftes Interesse erweckt, wird bei manchem die Frage aufgeworfen haben, ob nicht vielleicht doch noch in irgendeinem fast unbekannten Erdwinkel Nach kommen der alten Dinosaurier sich in die Jeht­zeit herübergerettet haben könnten.

Wenn man die Frage nicht so schroff faßt,

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und nicht gleich einen ganzen Landstrich mit echter Jura- oder Kreidezeit entdeden will, kann man sie tatsächlich bejahen. Südamerika  , wo der Film spielt, hat uns einen Vogel überliefert, der insofern an den Urvogel Archaeopterier erinnert, als seine Jungen noch an den Flügeln Finger mit Krallen ausweisen, die beim Klettern nicht unwesentliche Hilfe leisten. Freundlicherweise hat man dies seltsame, aber nicht seltene Tier poazin oder Stinkfasan getauft. Schiffbruch erlitten haben dagegen die Bemühungen, die patagonischen Riesenfaultiere( Megatherien) noch lebend zu entdecken. Angeregt zur Suche wurde man durch Skelette und Fellstücke der Tiere, Ich jetzte mich auf meinen schäbigen Man- die derart gut erhalten waren, daß man ſie tel, vergrub mein Gesicht in den Händen und für frisch hielt. Wahrscheinlich hat aber wenig durchlebte das schrecklichste aller Gefühle: ich stens das Neomylodon( Grypotherium) noch in war allein! Ganz, aber ganz allein. Es kam historischer Zeit gelebt. Bestimmt wissen wir mir zum Bewußtsein, daß kein Mensch um mich das von dem Borkentier oder der Stellerschen trauern würde, wenn ich jetzt hier stürbe, ja- Seetuh der Beringstraße  , die besser ausgerottetes