die lässige Hand streichelt. Ich schließe die Augen. Schwebe dahin, Gondeliere, trage mich auf den Flügeln deines schmalen Schiffchens immer weiter und weiter, ganz leicht und süß, immer weiter ins Märchen diefer Goldtöne und in die zauberhafte Ruhe dieses Mittags bis zum Himmel, der in leuchtendster Bläue, von zarten, weißen Wolfenlocken durchzittert, unendlichen Frieden kündet.

Dann tönt die sonore Bronzeglode von der Biazetta her, eine hellere Stimme vont Neben turm schlingt sich in die dunklen Tropfen. Ve­ nedig  , die schöne, reife Frau, schlägt die Augen auf und singt die ewige Melodie der hohen Stunde. Und nun, ein Böllerschuß, weit über den Kanal ballend: Mittag.

Eine Wüstenfahrt.

Bon Otto Leichter  .

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Heinrich B. Kranz.

drüben ie Algerien  , z. B. in Bistra oder in Gidi- Okba, der Oase des großen arabischen Er­oberers, keine Pflanzen trägt. Das frische Grün der Manillen- und Pfirsichbäume, die schon in etwa vier Wochen reife Früchte tragen werden, erquidt das von vielen Grau und Gelb ermü dete Auge. In der Dase zwischen den Gärten fließt das Wasser nicht mehr in fleinen Kanälen, sondern in stattlichen Bächen, in denen noch Heine Standämme aus der Römerzeit erhalten find. Hier baden die Araber und waschen ihre Wäsche. Die Frau, die man sehr selten auf der Gaffe sieht, ist hier ganz verschleiert; mit einem blaues Tuch über den ganzen Kopf, das nicht einmal die Augen frelläßt, haftet die wie ein

die Straße.

men, manchmal aber auch steiler abfallen, jedoch Wenige Kilometer von Tozener fiegt die vom Wüstenauto ohne weiteres befahren wer­den können. Hier spielt der feine Wüstenfand, Schott el Dscherid, ein Salzfee, der fechsund­der in alle Boren des Körpers einbringt, mit breißigmal so groß wie der Bodensee   ist. Er ist jedem Windstoß. Dann werden die Sandbünen ausgetzodnet, und nur die grauweiße Ober­wieder größer, pittoresker in ihrer Ferm; der fläche deutet auf den Salzsee hin. Wie in der Sand erstarrt förmlich zu fefteren Steinbildun- Wüste gibt es auch hier beim Salzfee zahlreiche gen, die vom Winde modelliert werden. Das Spiegelungen: Häuser, Palmen, ganze Oasen Auge findet keinen Moment Ruhe, vollends, steigen aus dem Salzfumpf auf, um dem ge­täuschten Auge wieder zu entfchwinden. wenn es fich dem Gebirge nähert!

Der Markt von Tozeuer zeigt uns echtes, von europäischem Einfluß ganz unberührtes arabisches Leben. Man gewinnt den Eindruck, daß die Araber hier lauter, unruhiger, lärmen der sind als drüben in Algier  . Dann aber sieht man wieder einen armen Teufel, der in der Glut der Mittagssonne, die noch viel heißer als in den algerischen Dafen ist, mit ein paar Zitronen geduldig auf den feilschenden Käufer wartet.

Das Schiff der Wüste ist ein bequemes Hügel, die fich fanft wie Meereswellen früm- Saustier gehaltene Araberin hier schen durch Auto mit sieben Rädern, das in rasendem Tempo durch die Wüste fährt. Nicht mehr Kamele, die in der Wüstenhiße vor Durst zu fammenbrechen, von Schakalen umheult, nicht ein endloses langfames Bordringen in völlig unerschlossenes Gebiet, sondern eine geschickt zu­fammengestellte zweitägige Autoreise, die von Biskra   nach Tozeuer führt und algerische und tunesische Oasen und Eisenbahnlinien mit­einander verbindet. An den verschiedensten Punkten des Nordrandes der Sahara   versuchen die Franzosen Brückentöpfe für die kommende Transfaharabahn zu schaffen, die Algier   mit dem Sudan  , dem Senegal   und Kongo   verbinden und erst die grandiose Verkehrseinheit des französischen   Weltreiches in Europa   und Afrika  Herstellen soll. Baris- Marseille  -- Algier  - Su­ dan   man staunt über die Größe des Gebiets, das vont französischen   Imperium umspannt werden soll. Man weiß noch nicht, an welchem Punkte die Transsaharabahn fortgesetzt werden wird, ob in Marokko   oder im westlichen Teil bon Algier in Laghouat, wohin die Bahn direkt oon Algier   fährt; oder in Touggurt, das schon ganz in der Wüste acht Eisenbahnstunden füdlich von Biskra   liegt; oder in Tunesien  , in Tozeuer, das erst seit wenigen Jahren eine Eisenbahnverbindung hat. Das Projekt der Transjaharabahn ist vielleicht im Augenblick noch nicht aktuell, und die finanziellen Schwie­rigteiten in Frankreich   sind nicht danach ange­tan, den Bau zu beschleunigen.

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Inzwischen versucht man die Wüfte mit Raupenautos zu durchqueren. Eine solche Fahrt dauert immer noch aegen zwei Monate, so daß man in den letzten Jahren von dem schon alter­tümlich langsamen Verkehrsmittel des Autos abgekommen ist und das Flugzeug benutzen will. Zwei belgische Fliegeroffiziere haben bereits das Wagnis erfolgreich unternommen und sind in Belgisch- Kongo gelandet. So versucht man ununterbrochen, die Sahara   zu bezwingen, und es ist wohl kein Zweifel, daß mit den neuesten Mitteln der Technik auch dieses gigantische Ver­tehrsproblem bewältigt werden wird.

Aber wenn auch alle Erwägungen tech nischer Rationalität und kapitalistischer Ver­fehrspolitik dabei sind, die Wüstendurchquerung möglichst einfach zu gestalten, so ist doch unsere Fahrt durch die Wüste nicht weniger schön und großartig. Wie man in der Schule so ziemlich vom ganzen Leben eine falsche Vorstellung erhalten hat, so auch von der Wüste: sie ist gar nicht so öde und ohne jede Abwechslung, wie trockene Schulweisheit behauptet. Man fährt faum eine Viertelstunde lang, ohne wieder eine ganz andre Landschaft zu sehen. Bald ist die Grassteppe, mit spärlichen, von großen grauen Sandflächen umgeben, faftlofen Grasbüscheln, wo Kamel- oder Schafherden Futter suchen. Dann folgt Sandsteppe mit großen und Kleinen Steinen und oft ganz rund abgeschliffenen Blöcken. Plöblich tauchen wieder Sanddünen auf mit rhythmisch verlaufenden Kammlinien:

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Zweimal fahren wir ins Gebirge bei der Dase Khanga, die in einem Tale liegt, umfäumt von hohen, kahlen Bergen. Bei der Dafe Negrine, am Fuße eines hohen Berges, eröffnet sich eine herrliche Aussicht auf das Meer der Wüste: man steht auf dem Berge, der noch in den 90er Jahren von den Franzosen als Fort benutzt wurde, und sieht überwältigt von dem erhabenen Naturschauspiel auf die gelbe Wüste hinunter, die allmählich am Rande des Horizonts bläulich wird und wie das Meer mit dem Himmel verschwimmt. Im Norden aber ragen die fahlen Berge mit ihren absonder lichen, gespensterhaften Formen empor. Dann kommen wir noch einmal zwischen den Dasen Tamerza und El- Hamma an einen gewaltigen Gebirgsstock, den wir durchqueren müssen. Zwei Stunden lang fährt das Auto inmitten der fahlen Bergriesen durch Schluchten, auf gewun­denen Straßen mit steilen Kurven, die am Ab­grund entlang führen: eine noch unausgebaute Autostraße, die sich mit der Semmering   oder Dolomitenstraße messen kann.

In Tozeuer endet die Wüstenfahrt. Man sieht zwar noch lange unbewachsene Sandsteppe, wenn man wieder gegen Norden, gegen die absonder- wenn Moscheenstadt Kairouau und gegen Tunis   fährt. Aber nur hier lernt man die in ihrer Art einzige Bracht der Wüste kennen; nur hler ver­steht man aber auch, was mitten in der trode nen Wüste das Grün der Dafe bedeutet: erst die Wüstenfahrt erschließt eine auch sonst mit fieben Siegeln verschlossene Welt.

Nur Brüder. Bon Magim Gorki.

Um jeden schmalen Wasserlauf flammert sich eine menschliche Ansiedlung. Hier liegen die Man versammelte sich jetzt schon zweimal Araberdörfer ganz eng angeschlossen an die wöchentlich, und wenn die Mutter sah, mit Palmtbäume, die ihnen Datteln, und die welch gespannter Aufmerksamkeit die Jugend wenigen Grasbüschel, die ihren Ziegen Nah- den Reden ihres Sohnes und des Kleinrussen, rung bieten. Die Araber umdrängen das Auto, den interessanten Erzählungen Saschas, Nata­und beinahe in jeder Dase trifft man einen schas, Nikolai Jwanowitsch und der anderen Araber, der ein paar Brocken Deutsch   spricht. Leute aus der Stadt zuhörte, vergaß sie ihre Krieg und Nachkriegszeit haben selbst die Ara- Unruhe und schüttelte wehmütig den Kopf, wenn ber aus der Wüste auf die Schauplätze der sie an die öden Tage ihrer Jugend zurückdachte. europäischen Kultur" gebracht. Da erzählt ein Manchmal überraschte die Mutter ein plög junger Araber, er set 1923 in Worms   gewesen, licher Ausbruch heller, stürmischer Frende bei ein andrer, er sei als Kriegsgefangener in ihnen. Das war gewöhnlich an den Abenden der Deutschland   gewesen. Ein junger Araber preist Fell, wo sie in der Zeitung von ausländischen den Krieg, weil man da täglich Fleisch zu essen Arbeitern lafen. Dann glänzten die Augen aller bekomme, und wieder ein andrer erzählt, wie in Tebhafter, mutiger Freude. Alle wurden son­gut es ihm als Arbeiter in Deutschland   ergan- derbar nach Kinderart glücklich, lachten fröhlich gen sei. Es mutet uns recht sonderbar an, und hell und Klopften fich freundsch ftlich auf mitten in der Wüste Menschen zu treffen, die die Schultern. uns einmal als Feinde" gegenübergestanden haben.

Tozeuer! Mitten in der Sandwüste taucht die schöne, große wafferreiche Oase auf, mit der großen, rein arabischen Ansiedlung. Die Dafen Algerien, die sogenannten Oasen des Aures so benannt, weil sie zumeist am Fuße des Aures  - Gebirges liegen, sind viel weniger fruchtbar als die tunesischen Dafen, die des Dscherid, die in der Nähe der großen Salzfeen liegen. Hier ist der Boden zwischen den Balmen von grünem Gemüse ausgefüllt, während er

Brave Burschen, die deutschen   Genossen!" schrie jemand wie berauscht von seiner Fröh lichkeit.

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,, Und die Genossen in Italien   hoch!" schrie man ein andermal.

Und indem sie diese Ausrufe Freunden in der Ferne zuschickten, die sie nicht kannten und deren Sprache sie nicht verstanden, waren fie anscheinend fest davon überzeugt, daß die ihnen unbekannten Leute sie hörten und ihre Begei sterung verständen.

Der Kleinrusse sprach mit blihenden Augen,

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