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Die Philosophie des Landstreichers.

Von Paul Keller  .

ss Unlängst habe ich einen jungen Menschen fich ist es um Ihre so gerühmte Freiheit be­ D  

, würde er erst erfahren haben, daß es Käuge gibt, die die Gedankengänge von Philosophen feines Schlages zu Papier bringen, statt sich ihrer zu bedienen, er würde aus dem Kopf schütteln nicht herauskommen.

lennen gelernt, der ja eigentlich nur ein gewöhn stellt, wenn Sie nicht einmal die Freiheit der Bei den Pygmäen von

licher Vagabund und Bette mann war, der aber Entschließung in bezug auf die Wahl Ihrer burch die Bewußtheit, mit der er seine soziale Nahrung und Ihres Nachtlagers besitzen." Gesinnung bestätigte, und durch die Konsequenz, mit der er sie durchführte, sich doch weit über das Niveau bloßen Landstreichertums erhob und in die Welt praktischer Lebensphilosophie hinein­" Ich besitze nichts," sagte dieser Mann, ,, und ich arbeite nichts. Ich lege eine Ehre da­rein, die einzige, die ich befize, den Beweis zu erbringen, daß man dennoch leben kann." Ich

ragte.

lächelte ahnungsvoll.

" nein," wehrte der Mann ab. Unter diesen Worten ist nicht zu verstehen, daß ich betrüge und stehle. Ich will nicht sagen, daß moralische Bedenken mich davon abba ten, wohl aber meine Faulheit und meine Aengstlich­felt. Ich schene nichts so sehr wie die Betätigung, vor allent wenn sie mit Aufregung verbunden ist, und ich fürchte nichts so sehr wie die Unfrei­heit, am meisten aber die Gefängnisse."

So erbetteln Sie sich Ihr Geld?" warf ich ein. Nur leuchtet mir nicht ein, inwiefern diese Art der Existenzfristung Ihrer Sehnsucht naa Bequemlichkeit sonderlich entgegenkommen könnte. Sie müssen an Hunderten von Türen pochen. müssen treppauf und treppab gehen, und wieviel Tage wird Ihr Arbeitskalender aufzuweisen haben, die nur überaus dürftige Erträge liefern."

Keinen einzigen," sagte der Mann fast begeistert,, der mir nicht das gebracht hätte, was ich von ihnt forderte. Ich weiß wohl. es gibt Bettler, die das Betteln als Beschäftiauna

Neuguinea.

Ich esse, unt satt zu werden, und schlafe, um ausgeruhi zu sein", erwiderte der seltsame Die Untersuchungen, die man über die Mann. Ich bin in diesen Dingen nicht ver- Pygmäen( Zwergvölfer) angestellt hat, haben wöhnt. Sie interessieren mich nicht. Aber be- ergeben, daß sie in früheren Zeiten in den ver denken Sie, was ich eintausche: Unendliche Frei- chiedensten Gegenden vorgekommen sein müssen. heit... Befreit sein vn Tausenden, Zehntau- Auf Sizilien   und Sardinien   hat man Spuren senden von Sorgen, die den Bürger drücken: von ihnen gefunden, und zu Beginn dieses Jahr von der Sorge, die Steuern, die Miete, das hunderts wurden bei Schaffhausen Stelette Licht, die Heizung, die Gehälter, das Telephon von europäischen   Bygmäen aus dem Neolithikum ausgegraben, die nach Ansicht der Gelehrten Güngere Steinzeit) herrührten. Desgleichen fand und Ozeanien   Zeugnisse dieser merkwürdigen man nicht nur in Afrika  , sondern auch in Asien  Menschen. Schon im Jahre 1910 hatte eine von der British Ornithologists Union   ausgesandte entdeckt, sich aber nicht näher damit befaßt, da Expedition in Holländisch- Neu- Guinea Pygmäen sie zu Studien der Vogelwelt ins Land gekom­men war. Holländische Forscher haben neuerdings das Gebiet durchstreift und entwerfen von ihren Erlebnissen in holländischen Blättern einen an der Bodenschätze in eine Berggegend gekommen, schaulichen Bericht. Sie waren zur Untersuchung und bezogen an einer Waldlichtung ihr Lager. Es wehte eine frische Hökenluft, die die Reisen­den zwang, während der Nacht ein großes Feuer

nicht zahlen zu können, von der Sorge, im Ges schäft etwas nicht richtig zu machen, die Gunst des Chefs oder die der Kundschaft zu verscherzen, bei den Kollegen in Mizkredit zu geraten, aus gesperrt oder bestreift zu werden, keine neue Stelle zu finden, sich von der Konkurrenz er­brücken lassen zu müssen. Mein Tag ist frei. Er gehört mir ganz allein. Ich habe immer Ferien. Ich bin immer auf Urlaub. Ich muß nie ins Geschäft, habe nie Briefe zu schreiben, habe keine Pflichten zu erfüllen, feine Aufgaben zu bewäl­tigen, brauche mich um nichts zu kümmern. Ist der Gedanke nicht herrlich, feinen Beruf zu haben, an Bureaustunden nicht gebunden zu sein, von früh bis abends träge sein zu können! Ich bin auch an keinen Raum gebunden. Herbergen und Ueberbleibsel vom Mittagessen gibt's überall in Europa  ."

Aber Ihre Sonderwünsche", jagte ich. Sie wollen nie ein Buch lesen, nie in ein Kino gehen, nie ein Glas Bier trinken?" auffassen, die einen zuweilen gar nicht so unein schäßig. Dann bettele ich eben einmal zwei Gelegentlich", sagte der Bettler gering: bringlichen Beruf daraus machen. Was sind das oder drei Stunden länger. Aber nur ganz selten für knittrige Gesellen! Wie verbürgerlicht sind scheint es mir von Vorteil zu sein, die Mühe, sie, wie angefressen von Kaufmannsgefinnung! die ich für den Erwerb des Geldes aufbringen Was haben die noch mit der herrlichen Baga- muß, gegen solch ein Vergnügen einzutauschen. bundage zu tun! Meine Rechnung ist einfach Darin ist ja eben mein Fanatismus für die und nüchtern: Ich brauche tagsüber eine Tasse Losgelöstheit von allen Bindungen begründet, Morgenkaffee, eine Schüssel Mittagessen, ein daß ich mir keine Arbeit denken kann, deren paar Abendbrotstullen und ein Nachtlager. Das Erträgnis jo luftbereitend ist, wie die Mühe Nachtlager und den Kaffee beziehe ich von den unlustbereitend ist, die für sie aufgebracht Herbergen. Ich brauche dafür 35 und 5 Pfennig: werden muß. Es ist schöner, sich in einer großen sind 40 Pfennig. Das sind aber auch die einzigen Wohnung als in einer Höhle auszuhalten. Aber Ge dutittel, die ich benötige. Es ist eine Kleinig- ich halte es für vernünftiger, in einer Höhle keit, diesen Betrag zusammenzubekommen. Sel zu Hausen, als sich mit den Lasten zu be­ten nimmt mich sein Erwerb länger als höchstens schweren, die mit dem Erwerb und der Er­zwei Stunden in Anspruch, oft nur eine halbe. haltung einer großen Wohnung verbunden Ist er in meinen Händen, so ist der Hauptteil sind. Da wird irgendeine große Maschine ge­meines Tagewerks vollbracht. Ich denke dann baut. Um die Maschine bauen zu können, nicht mehr daran, einen Pfennig Geld von müssen, andere, kleinere Maschinen in Betrieb einem Menschen zu verlangen. Ich brauche es genommen werden, die die Bestandteile der nicht. Es nüht mir nichts. Ich habe fein Jn großen Maschine liefern. Die große Maschine teresse an ihm. Ich gehe dann spazieren. Ich und die kleinen müssen in Häusern stehen, bummele herum. Ich trödele. Bis zur Mittags deren Rohstoff mit Hilfe von Maschinen zube zeit. Dann lasse ich mich beköstigen. Ist es schon reitet wird, zu deren Herstellung andere gar nicht so mühselig, eine teine Summe Geldes Maschinen benötigt werden, die in Häusern geschenkt zu bekommen, so ist es noch viel leichter, stehen. Um der großen und um der kleinen zu einem Teller Essen zu gelangen. Auch das Maschinen willen müssen Hunderte von Konto Abendbrot macht mir keine Sorge. Ich habe für büchern geführt werden, die unter Benutzung die Menschen nicht viel übrig. Ich halte sie für von Waschinen hergestellt werden, für die die lächerlichen Clowns ihrer eingebildeten und Häuser nötig sind. Wo fängt das an? Wo hört androssier: en Bedürfnisse, für die verknöcherten das auf? Die große Maschine aber löst ledig­Nuechte ihres Geizes in großen Dingen. Aber lich die Aufgabe, Millionen von Druckknöpfen ich muß ihnen zugute halten, daß sie in den pro Tag auszuspeien Ich verzichte auf die keinen Dingen, die ich von ihnen begehre, gar Druckknöpfe und befreie damit Tausende von nicht so fuauserig sind. Von ihrer Bereitwillig Maurern, Tapezierern, Zimmerleuten, Fabrik feit, eine Schüssel Supp und ein beschmier- arbeitern und Bureauangestellten aus der Cede tes Brot zu verschenken, fann eine Armee von Bettlern leben."

,, Sie müssen essen, was Sie bekommen", jagte ich. Sie müssen mit dem Bett vorlieb nehuren, das Ihnen angewiesen wird. Wie flag

ihrer dunklen Zimmer, aus ihrer Geschäftig feit und Hast heraus. in die Weite des Lichts, in Muße und Beschaulichkeit."

Ich mußte die Unterhaltung abbrechen, Mich rief die Arbeit. Der Bettelmann lächelte.

zu unterhalten. Die schwarzen Träger schliefer am Rand eines Bergbaches; sie suchten mehr als sonst die Nähe der weißen Führer auf; offer­sichtlich empfanden sie Unruhe.

plötzlich auf und sah in den Blättern des Bau­Bericht des Führers der Expedition, wachte ich ,, Mitten in der Nacht," so heißt es in dent mes, unter dem ich schlief, ein schwarzes Gesicht teuflisch grinsen; im Widerschein des brennenden Feuers schien es mir wie ein abscheuliches Ge Feuers schien es mir wie ein abscheuliches Ge­spenst. Ich glaubte geträumt zu haben, und legte mich auf die andere Seite, um wieder einzu­ich ajen. Da plötzlich fuhr neben mir ein Pfeil in den Boden. Augenblicklich erhob ich mich, une zu sehen, was es gäbe, als ich auch schon einen andere Seite des Baches! Die Bäume sind voller Kameraden rufen hörte: Hinüber auf die Affen; sie wollen angreifen!" Wir folgten diesem Rat. Bald bemerkten wir, daß wir es mit Pyg­mäen zu tun hatten, und während wir den Tag erwarteten, hielten wir Striegsrat, wie wir uns gegen diese Angreifer verteidigen sollten. Es wurde hell. Zu Dußenden, dann zu Hunderten sahen wir die keinen Wesen von den Bäumen herabklettern und sich uns nähern, wobei sie durch Gebärden zu erkennen gaben, daß sie nichts Böses im Schilde führten. Sie waren anzer­ordentlich kein von Gestalt. Die Längsten unter hen maken höchstens 1.20 Meter. Ihr Körper war mit langen Haaren bedeckt, was meinen Kameraden zur Annahme verleitet hatte, es mit Affen zu tun zu haben. Wir tauschten Höflich­feiten aus, gaben unseren neuen Freunden ein Morgenkonzert und versahen sie mit Tabak, einer Schachtel Streichhölzer und einigen an­deren Kleinigkeiten, wovon sie sichtlich entzüdt waren. Man unterhielt sich mit Zeichen und Gebärden jo gut es ging, und schließ ich luden uns die Zwerge ein, sie in ihrem Dorf zu be­juchen. Wir gingen mit und fielen von einem Entzücken ins andere. Wir befanden uns plöblich in einer Gegens außergewöhnlicher Schönheit. Scrrliche Vög.! mit leuchtendem Gefieder sangen in den Zweigen; einige Arten davon waren uns nech völlig unbekannt. Dann mußten wir durch das Gebiet eines schwarzen Stammes marschie