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Fünf Minuten vor 9 Uhr fiel Herrn Buchtig eine Differenz vom vorhergehenden Tage ein, und er begann in den Bestellzetteln zu wühlen. Gleichzeitig fühlte die Stenotypistin einen un widerstehlichen Drang zum Reinigen ihrer

Maschine.

Und als Punkt 9 Uhr das energische Auf­reißen der Korridortür das Herannahen des Chef kündete, schvang sich auch der Lehring

Nur das sechzehnjährige Laufmädel, deren Eltern auf die Arbeiterpresse abonniert waren, fusche te die verschränkten Armte tiefer in den Wollschal und hustete laut und lange.

Thermometer und meinte jovial: Nun, Beutchen, Der Prinzipal trat ein, sah nach dem ich glaube, wir könnten bald and Seizen denken!"

Doppelpunkt vom Stuhl, machte sein devoteftes Und siehe, da erhob sich Kontenführer Angestelltenbudelchen und sprach also: Angestelltenbuckelchen und sprach also: Sehr liebenswürdig, Herr Kapsmann sehr liebens würdig aber dreimaliges Niesen unterbrach seine Rede), aber ich denke, ein Weilchen halten wir's schon noch ans."

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Bis 8% Uhr blieb die Unterhaltung, Thema| mit Realschulbildung auf den Drehseffel und| Gespann, Kamel und wüffel, vor dem hölzernen Unternehmerfrechheit, flott im Gange. Dann feierte fich himmelwärts. Pflug mit leichtem Eisenbeschlag gespannt und trat eine fleine Verlegenheitspause ein, die fährt die endlosen Furchen entang. Als er weit Kontenführer Doppelpunkt dazu benutzte, einige ab vom Dorfe ist, beginnt er durch die Zähne zw Zahlenreihen in den Auszügen der letzten Tage pfeifen und die Zunge zu schnalzen. Denn er nachzuaddieren. denkt wieder an die Zukunft, ganz langsam, aber aber er hat ein fluges Gehirn. Als die Sonne zähe und Schritt für Schritt. Ali weiß wenig 40 Grad Size über die mittägliche ägyptische losigkeit, in die ihn das Denken trieb. Denn er Grde brennt, ist Ali erschöpft- von Hoffnungs­hat erkannt, daß sein Leben, wie das seiner Väter und seiner Brüder, ein Schöpfen in ein bodenloses Faß ist. Psyen und Mähen, Jäten und Pflanzen, Bewässern und Schlammtreten, täglich zwölf, dreizehn, vierzehn Stunden und noch nicht die Gewißheit haben, daß am Abend Weib und Kinder genug Sorghun- Brot, Sau­bohnen, Zwiebelsauce, Büffelfäße oder Lattich­Blätter haben. Und doch ist unsere Erde fo reich... reicher als alle Länder, hat ein weißer in jedem Jahr... viel Kauch( Weizen), viek Engländer- Herr gesagt... drei üppige Ernien Durra  ( Mais), Saubohnen, Erbsen, Sorghum, Klee, Mohn, Zuckerrohr... viele, viele Knin ( Baumwolle)... und wo bleiben die hunderte, tausende Biaster, die die Weißen in Kairo   zahlen, wo?" Ali wirft sich unter eine Akazie und weint. Denn weiter fann er nicht denken. Er sieht sich als stumpfen, alten Mann mit wirren Haaren, schlaffen Muskeln und groben Falten- Riffen in Gesicht vor der Hütte hocken, verbittert und ver braucht.

Ali Chalabi, der Fellah.

Cine Geschichte aus dem heutigen Aegypten   von Gerbart Bobl. Noch ganz dunkel ist das Land, dabei warm und ruhig. In der Ferne zeigt nur ein Schim­mer von Ocker Farbe, daß bald die Sonne auf­gehen wird, die die olivgrüne Nilebene mit Sitze quält. Noch ist die vierte Morgenstunde nicht erreicht, noch schläft die ägyptische Ebene. Da refet sich einer, der vor der Lehmhütte unter Afazien lag in armseligen Lumpen gevollt: Ali Chalabi, der Fellah.

Fell, einige Holzschüsseln, vielleicht noch einen Haushahn... ob auch einen Kupferkessel?" Ali wagt es nicht zu hoffen. Während er langsam den Schurz zurechtrüdt, tröstet ihn der Gedanke: Durvastroh für die Hütte werden wir bekom­men, mehr als für fünf Hütten nötig ist."

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Wie seine Brüder, die Fellahs, die 80 Pro­zent von Aegyptens Volk ausmachen, ist er ein einfacher Pflüger", ein Bauersmann, oder- wie die Russen sagen. ein Muschik. Er träumt viel und weiß wenig. Die Herren haben dafür gesorgt, daß Ali Chalabi die Quelle des Wissens verschlossen blieb. Wer aber sind die sagenhaften Herren, die in den großen Städten Aepandria und Kairo   Feenpaläste bewohnen, die eiserne Wege über das Land legten, über die jetzt ihre dampfenden Ungetüme jagen, die den Nil mit Riesenschiffen pflügen, seinen Lauf durch gewaltige Steinbauten beherrschen, denen alles gehört vom Nil- Delta   bis weit über Assuan  hinaus? Ali ist sich nicht klar darüber. Nur manchmal, wenn er ein wenig im Schatten der Abazie vor seiner Hütte ruht und den Mittags expreßzug vorbeijagen sieht, hinter dessen Fen­stern weiße Menschen mit weißen Anzügen und weißen Helmen fiyen, dämmert ihm, daß die Macht der Weißen auf einem Unrecht beruhen muß. Wie soll er, Ali, der Fellah, der das Stier­und Kame Gespann zwölf Stunden lang in fengender Gut über die Felder treibt, er den Mais zu jäten und den Schlamm zu treten versteht, wie soll er das Unrecht verstehen. Der Roran- Lehrer hat ihm gesagt, daß Allah   alles zum Guten wende. Also vertraut er auf ihn wie ein noch nie enttäuschtes Kind auf die Güte feiner Eltern.

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Mi Chalabi ist jetzt 22 Jahre und hat noch Beine Frau. Dis jetzt hat er in des Vaters Hütte, dem Lehmklumpen mit Durraftroh- Dach, gehauft, und da diese zu eng wurde für neun Menschen, ist er jetzt auf der Suche nach einer Gefährtin. Während Ali seinen nadien Körper streckt, der von der Nachtruhe auf harter Erde zerschlagen ist, beginnt er zu denken, ganz lang sant, aber zähe und Schritt für Schritt. Ich werde sie holen, die Senia, und wir werden eine Hütte bauen. Die gesuchte Nilerde muß in brei­ten Slumpen abgestochen, zusammengeschleppt und an die äußerste Hütte des Dorfes angeklebt werden. Aber woher Durraftroh nehmen? Ali streckt seinen sehnigen Körper, dessen Kupfer­braun der erste Sonnenstrahl trifft.

,, Woher Durrastroh nehmen? Wir werden Hochzeit machen... Ach, Hochzeit... fie werden uns alle etwas schenken, ein paar Matten, zwei oder drei irdene Krüge, ein Schaf

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Und dann üeberlegt er, was er seiner Frau schenken wird. Einen schwarzen Wollmantel, wie ihn der Ortsvorsteher trägt, der viele Piaster jeden Monat aus Kairo   bekommt wofür weiß Ali nicht nein, daran ist gar nicht zu denken. Aber zu fanus und abaje( Hemd und Ueberwurf) muß es reichen. Muß!" sagt er siegesgewiß, denn es ist noch früher Morgen und er noch aus­geruht. Dann aber tanzen die Gespenster des Zweife's vor seinen Augen. Er weiß, wie sauer ein armer Fellah den Piaster verdient und wie wenig ein Piaster bezahlt. Er wirft den Kopf hoch, reißt die Augen auf und schnalgt trobig die Zunge. Trotzig ruft er: Markub, Schuhe, rote, spitze Laschenschuhe, die will er ihr bestimmt faufen."

Allmählich kommt Leben in die öde Sied­lung, deren lehmige Leere trostlos in der Früh sonne lag. Männer und Weiber rollen sich aus Lumpen und Decken, in die sie vergraben lagen. Ais Vater hockt schon vor der Hütte und tunkt mit dem grünlichen Sorghum- Brot geronnene Zwiebeljauce, die Reste der färglichen Abendmahl zeit aus. Der Nachbar, dem die Pflugschar bor  bielen Jahren die Fußsehne zerschnitt, so daß er heute noch hinkt, setzt sich wortlos zu Alis Bater. Er kaut rohe Lattich- und Rettig- Blätter. Ein junges Mädchen von schlanker, ebenmäßiger Schönheit, den schweren Wasserkrug geschickt auf die linke Schulter gestellt, schreitet vorbei und lächelt den Alten zu. Alt, der jetzt an einer Afazie lehnt, und der bald ihr Mann sein wird, fieht sie nicht an.

Ein paar Weiber gleiten lautlos mit nackten Füßen über den gedörrten Lehmboden der Dorf­straße, der spiegelglatt abgeschliffen ist wie ein Parkettsaal eines Zaren- oder Kapitalisten Palais. Kinder waten im molligen Schlamm eines Bewässerungsgrabens. Auf einmal kommt Leben in alle. Ein elektrischer Strom scheint sie zu durchzucken. Man vennt und ruft. Der Herr Ortsvorsteher kommt, im weiten, schwarzen Wollmantel( bei 30 Grad Hitze, die selbst die Morgenstunden zeigen!), den roten Tarbusch auf dem Kopfe und in der Hand einen langen, diden Stab aus Eschenholz, den Nabut: jeder Zoll eine selbstbewußte Amtsperson.

Auch Ali ist auf und davon. Er hat den Büffel vor das Schöpfrad gespannt und den Treibjungen gesucht. Jetzt wird das Tier zwölf Tange Stunden laufen im gleichen, eintönigen Kreise und das kostbare Niwasser in die Riesel­gräben schöpfen. Schon hat Ali sein ungleiches

Ali weint... vor Hoffnungs.ofigkeit. Denn er fann nicht weiterdenkn Herren, die er heimlich verehrt, dank des Koran­dank der weißen Lehrers, den die weißen Herren schickten, damit Ali viel Religion und wenig Weltgeschichte, weder schreiben noch lesen lerne, dank dieser unseligsten Religion der Erde, die den Menschen willenlos macht.

Kairo   und Alexandrien   und an vielen anderen Aber gemach, Ai Chalabi, schon kämpfen in Plätzen deines weiten Vaterlandes Männer wie du weltliche Schulzwang burchgesetzt- gegen die für dich und deine Kinder. Schon ist der seinen, weißen Herren. Dein Sohn wird lernen, zu Ende zu denken. Er wird nicht mehr hilflos unter einer Afazie weinen. Er wird eine Zeitung lesen fönnen und nach Kairo   fahren. So wird er die Riesenpaläste sehen, um die die weißen Herren euch betrogen. Er wird sie zusammen­schließen, alle Fellahs vom Nildelta   bis hinauf an die Grenze des Sudan  , und die Zwingburgen niederreißen. Dann und erst dann wird ihm und den Seinen ein Leben in Friede und Freude* gegeben sein.

Der zufriedene Mensch.

Bon C. Turgenjem.

Auf der Straße der Hauptstadt eilte sprin gend ein noch junger Mensch. Seine Bewegungen waren froh und munter, die Augen glänzten, die Lippen schmunzelten, und angenehm war fein rührend freundliches Geficht gerötet.

Was hatte sich mit ihm ereignet? Wurde ihm eine Erbschaft zuteil? Erhöhte man seinen Rang? Lief er zu einem Stelldichein? Oder ganz einfach, hatte er gut gefrühstückt und jedes seiner Glieder hüpfte nun vor Freude im Gefühl der Gesundheit, im Gefühl der satten Kräfte? Legie man vielleicht schon das schöne, achteckige Kreuz des Stanislausordens um seinen Hals?

Nein! Er erdichtete eine Verleumdung über einen Bekannten, verbreitete sie sorgfältig, hörte dieselbe Berleumdung aus dem Munde eines anderen Bekannten und glaubte sie selbst.

O, wie zufrieden, wie gut sogar war in dieser Minute dieser liebe, vielversprechende, junge Mensch!