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und Einflußbereiche zu gewinnen, so rufen fie| trösten lassen. Sondern fünftig ist Arbeit nur zu nicht: Kapital! Sondern sie rufen: Vaterland! Wir wollen da aber nicht mehr folgen. Sondern Vaterland soll sein:

Bruderland! Es wird nicht mehr angehen, Arbeit unter den gewohnten Bedingungen billig zu erlangen und davon reich zu werden, während Tausende bescheiden danken und sich dumm ver­

Felix Riemfajten.

Walroß und   Wal entgegen. Dann kamen die Wei haben zu hohem Preis. Wo nicht dann nicht! ßen, die dem Estimo nahelegten, seine ihrer An­Die Welt braucht viel Zeit, um dieses Neue zu sicht nach mangelhafte Bekleidung zu vervollstän­lernen. Dann aber beginnt eine neue Zeit. digen, seine Blößen zu bedecken, feste Wohnsize Wenn man dann die Zahl 10 teilt, so liegen auf anzunehmen und mit Feuerwaffen zu jagen. beiden Seiten je 5. Heute heißt es: mir 8, dir 2 Jest sind die einst so kräftigen Leute mit Lungen­nebst Vaterland. tuberkulose verseucht: ihre Dauerwohnungen wurden zu Brutstätten der von den weißen Män­nern eingeschleppten Bakterien und Krankheiten -sie selbst starren vor Schmus, Ungeziefer und Hautausschlägen: ihre neue   europäische Kleidung bedeckt zwar alle Blößen, aber die kann nicht mehr das Reinigungswerk verrichten- Hunger und Armut verringern beständig die Zahl der Estimos: sie haben mit ihren Feuerwaffen auf weiten Strecken Landes alles Wild verjagt oder getötet. Silfloses Proletariat, das weder die Leden. Darum zog er weiter nordwärts zu den eine noch die andere Kultur besitzt", nennt sie

Affentierung in der Oase.

Von Michael Mareš.

die Augen voller Tränen und jetzt bricht ihr Schmerz hervor, fie rauft sich die Haare, schlägt sich an den Kopf, singt irrsinnig ein Lied von drei Tönen. Im Rhythmus des Liedes zerfetzen sich die übrigen Weiber das Gesicht.

Ta

Der Tag bricht an. Die   Sahara versinkt in grünen, phosphoreszierenden Nebeln. Aus der Wüste dröhnt das tiefe Poltern von Pauken, tönt der monotone Schall von Trompeten und Pfeifen. In diese traurige Musik mengt sich von Zeit zu Zeit das klägliche Aufbrüllen der Kata- ta ta, ta ta ta ta. Und in dieſem Moment zer­mele. Beduinentruppen nähern sich der Dase. reißt ein dreizehn- oder fünfzehnjähriges Mäd­Man kann bereits die flatternden Mäntel der chen, die Frau eines Assentierten, ihr Kleid und Männer, Frauen und Kinder erkennen. Die fährt mit einem scharfen Instrument über ihre granenhaften Umrisse der Ungetümte Kamele entblößte schöne Brust. Schmid, schmick. Blutend heben sich bereits scharf ab in dem rasch heran-| läuft sie davon und heult wie ein verwundeter brechenden, beginnenden Morgen, während einige Hund, eine hungrige Hyäne... Und so geht es Schüsse, aus den Gewehren der Nomaden, zum von früh bis abends. Der Schmerz der Frauen Himmel blizen. Von der maurischen Kasbah) ist überall derselbe. Befreit!" schreit jemand, weht in den kristallklaren blaufrostigen Morgen und die Mutter des Befreiten wirft sich dem die   französische Trikolore. Vor dem Tor blißen Sohn vor die Knie, umarmi und füßt sie... die Bajonette der schwarzen Tiralleure, der Ara- Die Frau des Befreiten lößt ihre Haer auf und ber, Söhne des   Sudans und   Senegals. Die Ka drückt ihre Brust an die Brust des Mannes, der mele sind niedergefniet und widerfanen still. Die wieder frei mit seinen Kamelen durch die Wüste Beduinen lagern vor dem Tor der Zitadelle. In ziehen kann, heute hier, morgen dort. Die Wüste die morgendliche Stille singt ein Derwisch von iſt unübersehbar und gibt alles, was sie bieten der Galerie eines Minaretts mit weinerlicher kann. Die Lust der Frauen, die Liebe der Frauen Stimme in alle Winkel der Welt sein Gebet. ist überall gleich. Und Freiheit ist überall der Eine Schar Frommer küßt den unerbittlichen, größte Reichtum. Warum weinen die Männer, aber für alle gleichmäßig gerechten, ausgedörr wenn sie die Freiheit gewinnen oder verlieren? ten Boden Gottes.

Die Wüste ist groß, die Wüste gleicht der Hölle, aber sie ist gütig. Sie gehört niemanden, und ein wenig ihrer armseligen Gräser, Kakteen und Disteln gibt sie den herumziehenden Trup­pen, ein jeder, wer will, wer findet, mag

nehmen. Die Wüſte iſt unübersehbar, ist streng,

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aber frei. Und doch auch hieher dringen Gen­darmen; fie stellen Liſten auf, befehlen und die Jünglinge ziehen hin, um ihre Blutsteuer zu zahlen. Das ist der schwärzeste Tag für den freien Mann aus der Sandwüste, dessen ganze Seele an dem lichten Oder des Sandes hängt, an der Herde Kamele, die für ein wenig, von jedem Geschöpf verschmähtes dürres Laub und Wurzeln, seinen menschlichen Gefährten alles gibt: Milch, Kraft, Decken und Fleisch. Wie gut, bescheiden und geduldig ist das Kamel. Hat es Jeine Launen, sind sie lächerlich und gleichzeitig gerecht. Und der nächtliche Himmel über der  Sahara! Wer hätte nicht von der Pracht der gro­Ben Sterne gehört, so flar, daß die Augen über­gehen... Das alles foll der Mensch aus der

Natur hente verlassen.

Vor der Kasbah lagern Brüder, Frauen, Mütter. Sie warten stumm: ja oder nein. Sie wollen in den Hof der Festung dringen, aber auf ihre Bruſt richten sich fühle Bajonette. So ste hen sie einige Stunden. Frauen, Mütter, wie ein Häuflein Möglüd in den Schatten der alter­tümlichen Feſtung geduckt, ſchweigen, schweigen. Die roten Müßen der schwarzen Soldaten leuch ten drohend über der unruhigen Männerschar. Und in diesem Augenblick kommt die erste Nach richt: Ahmed iſt Soldat!" Aus der Schar ruhig ſißender Frauen ſtürzt die Mutter hervor. Sie tritt rhythmiſch von einem Fuß auf den andern,

*) Kasbah Zitadelle.

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Ein neuer Morgen. Eine Schar   Berber aus der benachbarten Dase geht zur Aſſentierung. Mit einem Lied auf den Lippen. Alooh,   Allah, eloi loi la Allah..."

( Aus dem Tschechischen von Grete   Reiner.)

Estimos und anderen Stämmen, die noch Teile Netschillik, Eivillik, Kap- York-, Karnermint­ihrer alten Lebensart vor der eindringenden Zi­vilisation gerettet haben.

Mit einer Unmasse Gepäd, wissenschaftlichen Instrumenten und einer Schiffsladung Schwie­germütter" sticht er im offenen Boot in   Sec. Schon Tage darnach wird das Boot in einem rasenden Örkan zerschmettert. Nur mit Mühe können sich die Insassen retten. Auf der schil­lernden Weite des nordischen Eiſes ſieht der For­scher schon alle seine glänzenden Hoffnungen ge= scheitert, und Todessehnsucht beschleicht ihn: Fiasko! Das Spiel ist aus! Da hockt der Böse im Dunkeln und grinst schadenfroh..." Doch die erstatteten Lebenskräfte beginnen sich wieder zu regen. In furchtbarer Kälte und dichtem Schnee­gestöber zieht die kleine, mutige Schar ins Un­gewisse hinaus, dem Tode oder dem Leben ent gegen. Menschen und Hunde sind bald am Ver­enden. Die Menschen liegen schlaff und erschöpft auf dem Boden, die Hunde heulen schauerlich vor Hunger und Frost- es flingt gräßlich, wie menschliche Schmerzensschreie... Ich habe mein Testament gemacht, ich habe keine Hoffnung mehr..." Doch Leden hat Glück im Unglüd. Er erreicht nach vielen Leiden und Abenteuern die

Leber Kitatins Eisfelder." Station, die er vor Wochen verlassen hat.

Die friedlichen Segnungen der Zivilisation" vernichten langsam und sicher die Volksstämme

des hohen Nordens.

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Der durch seine Vorträge und Berichte in der Presse auch dem weiteren deutschen Publi­fum bekannt gewordene norwegische Polar forscher Christian   Leden ſtellt im Geiſt Rasmussens und Stefanssons diese Behaup tung in seinem soeben bei F. A. Brockhaus er schienenen Buch über seine abenteuerliche Nord­fahrt Ueber Kiwatins Eisfelder. Drei Jahre unter fanadischen Eskimos unter Beweis.

Im Norden   Kanadas, am Westuser der Hudson- Bai, liegen die unendlichen Eisfelder Kiwatins. Diese rauhe Natur kennt nur ein Ge­setz, und dies Gesetz heißt: Kampf ums Dasein. Nur Menschen können hier leben, deren Straft stählern, deren Gesundheit abgehärtet und deren Nerven in ständigem Ringen mit Eis, Meer und Polartier erprobt sind. Die Kleidung der Esti­mos war deshalb weit und luftig, sie ließ einen Teil des Oberschenkels und den Hals frei, um der kalten Luft ungehindert Zutritt zum Körper zu geben. Bevor die Zivilisation kam, benutzten die Eskimos ihre dumpfen, warmen Winterhäu­ser nur von Winters Anfang bis zum Ende der dunkelsten und kältesten Jahreszeit. Im Früh­ling, im Sommer wurde das Dach abgedeckt, und die Luft vollbrachte ihr reinigendes Werk, wäh­

rend der Eskimo im Schlitten über Land zog. Mit Messer, Speer und Harpune trat er Eisbär,

fort; er besucht die Inland- Eskimos am Großen Ungebrochenen Mutes ſezt er die Weiterreise Binnensee, deren Leben und Sitten er eingehend studiert. Von hier bricht er nach dem Rankin­und dem Chesterfield- Fjord auf. Die Chesterfield­Eskimos gehören zu denen, die sich noch am rein­sten ihre alte Lebensart und Kultur bewahrt haben. Hier lag einst auch die Ansiedlung eines blzhenden Volksstammes, der Sadlermint, die im einsamen Norden verschollen sind. Ein Ge­heimnis liegt über ihrem Schicksal, niemand weiß, ob sie an Hunger, einer europäischen Seuche oder an Inzucht zugrunde gingen.

Noch mehrmals gerät der junge Norweger. der freiwillig dem Tode entgegenging", in Ge fahr. Es geht ums Leben, überschreibt er die­ses spannendste Kapitel seiner vielen Abenteuer, die den äußeren Rahmen des Buches abgeben. Ausgezeichnete, feffelnde Beobachtungen über das Leben der Eskimos, ihre alte Kultur, ihre Sy­giene, ihre Religion, Aberglauben, Jagd- und Nomaden- Fahrten füllen ihn. Aber was noch niemand vor ihm getan hat: Leden hat die Mu­fik der Eskimos erforscht und im Phonogramm feſtgehalten! Das Werk bringt eine Reihe Noten­beispiele, die des Interesses aller Musikfreunde sicher find. Man kann in einer kurzen Beſpre­chung alle diese wertvollen Betrachtungen einer dem Untergang geweihten Kultur nicht einzeln wiedergeben, man kann nur ſagen, daß sie sich mindeſtens ebenso spannend leſen wie alle

Abenteuer und Mühjale.