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fucht, in unserem Körper auf unsere Kosten zu leben. Denn auch das gibt es. Nicht alles, was da im Unsichtbaren freucht und fleucht, ist harmlos, sondern es sind die aller­wichtigsten und allerschädlichsten Wesen dar­

unter.

Von Bazillen hat schon jeder gehört und

denkt bei dem Wort automatisch gleich an Tu­berkulose, Cholera, Influenza und Pest. Tat­sächlich werden diese auch durch eine fleinste Art von pilzartigen Pflanzen verursacht, die fo leicht sind, daß der Wind sie in der Luft umherivirbelt, daß sie in alle Getränke hin­eingeraten fönnen, ohne daß man es bemerkt, und die darum auch im Menschförper unbe­merfien Einzug halten. Sie nähren sich da­durch, daß sie ihn zersetzen. Das merfi man dann gründlichst als Erfranfung, Dahin­schwinden und Lebensgefahr.

Man muß an die Kleinheit und Allver­breitung dieser Krankheitserreger denken, um zu verstehen, warum der beste Ratschlag der Aerzte im Kampf gegen die ansteckenden Krankheiten lautet: Vorbeugen durch Ver­meidung der Anstedung ist leichter als Hei len. Darum muß man solche Kranken abson­dern, darum darf man sie nicht besuchen, darum ist es unter Umständen, wenn eben alle Vorsicht und alle Reinlichkeit außer acht gelaffen war, möglich gewesen, daß die Epi­demien über Städte und Länder ausbreiten konnten und Millionen von Menschen dahin rafften.

Zum Glüd aber hat man die Gefährlich­teiten dieser Bazillen in der ersten Aufregung bei der Entdedung übertrieben. Die Bazil len, zum Beispiel die der Lungenschwindsucht, find zwar tatsächlich überall im Stande da. Jeder Luftzug wirbelt sie auf, und man atmet fie auf Schritt und Tritt ein. Aber nicht jedermann erkrankt, der sie einatmet.

Einer, der fich zu helfen weiß.

Humoreste von Alphonse Croziere.

Eines Tages nahm Zyprian auf dem West-[( tehenden Wagen, padt den Schläfer und schleppt

bahnhof   eine Rückfahrkarte, um sich nach Rose. ihn in den Zug, der nach dem Weſtbahnhof su man zu begeben. In diesem reizenden Ort be- rüdfährt. fand sich nämlich eine junge Dame, auf die er seit langem seine Augen geworfen hatte, und er wünschte nichts sehnlicher, als sich mit ihr zu vermählen.

Er hatte sich mit einem Kleinen Veilchen­strauß bewaffnet, den er der Mutter der Aus­erwählten anbieten wollte; er war nämlich ein ganz Schlauer.

Envas nervös( und diese Nervosität ist leicht erflärlich bei etwas schüchternen Naturen, die Angst davor haben, abgewiesen zu werden und sich lieber einem brüllenden Löwen als zwei spöttischen Frauenaugen gegenüber, befin den), also etwas nervös geworden, legte sich Zyprian im Geiſte während der Fahrt den rüh renden kleinen Auftritt zurecht, bei demt er die Hauptrolle spielen sollte. Als er es sich gerade am schönsten ausmalte, fletterte ein ziemlich eleganter Herr ins Abteil und nahm ihm gegen­über Play. Auch der Herr trug einen Strauß, der aus verschiedenen Blumen bestand; doch überwogen die Rosen.

Man fam ins Gespräch. Und nachdem der Herr um Erlaubnis gebeten hatte, an den Veil­chen seines Gefährten riechen zu dürfen, streďte er Byprian seine Rosen hin. Der berauschte sich jolang an ihrem Duft, bis er schläfrig wurde und ganz allmählich die Besinnung verlor.

Als jein Gegenüber ihn in tiefem Schlaf

liegen jah, lächelte er befriedigt, durchsuchte seine Taschen, zog die goldene Uhr, Brieftasche nebst Börse hervor und verließ das Abteil auf dem nächsten Bahnhof.

Endlich hält der Zug in Rosenau.

Alles aussteigen!" ruft der Beamte, des

zu­" So," mein er befriedigt, mit dem Be­wußtsein, seine Pflicht erfüllt zu haben, jetzt ist alles in Ordnung. Im Leben muß man fich zu helfen wissen. Wohl zu ruhen!"

Und nachdem fein Dienst beendet ist, geht er nach Hause, wo seine Suppe auf ihn wartet. So wurde Zyprian, der von nichts ahnie, nach dem Westbahnhof zurüdbefördert, wo er aus seiner Betäubung aufwachte.

,, Rosenau, nicht wahr, Schaffner?" ,, Nein, Westbahnhof."

,, Sie scherzen. Ich fahre doch nach Rosenau." Sie kommen gerade von dort."

,, Was, ich komme von dort? Da stimmt etwas nicht. Ich habe doch noch die ganze Fahr­karte in der Tasche. Sie werden gleich schen"

Aber Zyprian t wie vom Blik getroffen, als er nur noch die halbe Karte vorfindet.

,, Sehen Sie," triumphier: der Beamte, Sie haben die andere Hälfte benutzt. Na, steigen Sie aus und legen Sie sich gleich schlafen. Schließ lich ist es kein Verbrechen, wenn man ein Gläs­chen über den Durst trinkt."

3yprian ist etwas verdußt, aber seine Be­depptheit verwandelt sich in tiefste Bitterkeit, als er den Verlust seiner Uhr und seiner Brief­tajche fefiftellt.

noch einmal nach Rosenau zurüdzujahren, and Mit einemmal ist ihm alle Lust vergangen, so ist er bis auf den heutigen Tag Jungacjelle geblieben.

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sen Dienſt gerade zu Ende geht. Er blidt rasch Alle Menschen, gleichgeboren.. in die einzelnen Abteile, um jich zu vergewiffern, daß nichts liegen geblieben ist.

Nur diejenigen, die auf irgendeine Weiſe da­zu vorbereitet sind. Durch einen ererbten, chwächlichen Körperbau, durch Alkoholmiß brauch, durch ungenügende Ernährung, über­haupt durch die Nachteile, welche Armut mit fich bringt. Nur in einem zur Krankheit gebungsmittel versetzt hat. neigten Körper vermögen die Bazillen Fußz zu faffen.

Und ganz falsch wäre es, nun diese ganze Rotte zu verdammen. Gerade unter den Spaltpilzen, wie man die Bazillen deutsch   be­nennen follte, befinden sich die wichtigsten und nüßlichsten aller Geschöpfe. Man fann feinen Bissen verdanen ohne jie. Im menschlichen Darm leben welche, die völlig unentbehrlich find, namentlich bei der Fleischverdauung. Man fann fein Brot baden ohne sie, denn Spaltpilze find en wesentlicher Teil des Sauerteiges. Die Getreideernte, überhaupt jeder Pflanzenbau, würde ohne die im Acer­boden lebenden Spalt- und Bodenpilze ein Ding der Unmöglichkeit sein. Schon diese drei Beziehungen gar nicht zu gedenken mancher anderer zweiten Ranges erheben die Kleinlebewelt zu einer Großmacht.

Man hat also einen ganz schiefen Begriff von der Natur und den Widerlichkeiten des Lebens, wenn man diese Dinge nicht weiß. Auf einem noch trotz allem Wissen und For schen in vielem geheimnisvollen Untergrund baut sich die sichtbare Welt auf. Sie aber ift nur Blüte, während es auf die Wurzeln anfommi, foll das Ganze gedeihen. Noch lange nicht werden wir alle diese Wurzeln und vielverschlungenen Zusammenhänge fen­nen, darum ist es auch lange nicht möglich, auf alle Fragen über die Entstehung und Entfaltung des Lebens Antwort zu geben. Im Einfachsten steckt das tiefste Geheimnis.

Da sieht er Zyprian übermannt vom fünſt lichen Schlaf, in den ihn ein starkes Betän­

He, Sie da, wir sind angelangt!" Keine Antwort.

,, Hallo, machen Sie doch auf, Himmelherr­gott noch einmal!"

Düfteres Schweigen.

Der Beamte Flettert in den Wagen und schüttelt Zyprian, der fein Lebenszeichen mehr von sich gibt, mit aller Kraft.

,, Nanu", brummt er, da hab ich anschei nend einen Reisenden vor mir, der während der Fahrt gestorben ist. Dos hat wie gerade noch gefehlt!"

Er sieht auf seine ühr.

In drei Minuten könnte ich den Bahnhof verlassen und muß mich jetzt darauf gefaßt machen, wegen dieses Unglüdswurms noch eine Stunde dazubleiben. Und meme Suppe wird falt werden... Es gibt doch Leute, die gar feine Rüdjicht tennen! Muß es dem da einfal­len, unterwegs zu sterben, um einem armen Beamten den Dienst noch schwerer zu machen. Aber wenn ich ihn da lasse und nichts jage, kann ich noch mehr Scherereien davon haben." Da kommt dem Biedermenn plößlich ein Gedanke.

Der Kerl muß doch eine Karte haben!" Er durchsucht ihn und zieht aus der Westen­tasche eine Rückfahrkarte heroor.

Hab' ich mir's gedacht!" triumphiert er. Schöner konnt' ich mir's gar nicht wünschen."

Dann trennt er gewissenhaft die eine Hälfte ab, steckt die andere wieder in Zyprians Tasche, öffnet die Tür zu einem auf dem Nebengeleise

Ratcliff:

Glaubt's nicht, der alte Robin wird nicht

brennen. Dort oben gibt es eine andere Jury Als hier in Großbritannien  . Robin iſt Ein Mann; und einen Mann ergreift der Zorn,

Wenn er betrachtet, wie die Pfennigjeelen, Die Buben, oft im Ueberflujje jchweigen, In Samt und Seide schimmern, Austern schlürfen,

Sich in Champagner baden, in dem Bette Des Doktor Grahamt ihre Kurzweil treiben. In goldnen Wagen durch die Straßen raffeln,

Und stolz herabseh'n auf den Hungerleider, Der, mit dem letzten Hemde unterm Arm, Langsam und jeuizend nach den Leihhaus wandert.

O seht mir doch die klugen, fatten Leute, Wie sie mit einem Walle von Gesetzen, Sich wohlverwahret gegen allen Andrang Der schreiend überläft gen Hungerleider! Weh dem, der diesen Wall durchbricht! Bereit sind Richter, Henker, Stricke, Gal­geR­Je nun! manchmal gibr's Leur, die das nicht scheu'n. Cont.:

So dacht ich auch, und teilte ein die Men jayen In zwei Nationen, die sich wild befriegen; Nämlich in Satte und in Hungerleider. Weil ich zu letzterer Partei gehörte, So mußt' ich mit den Satten oft mich balgen.

( Aus H. Heine  , William Rateliff.)