— s—hölzern hatte ich schon vorher unbemerkt aufdie Kommode gestellt. Die nahm ich. Hchbrach die Köpfe ab und legte sie alle insGlas. Aßnes hatte einmal der Mutter berichtet, em Dienstmädchen aus dem Nachbarhaus habe sich so vergiftet. Ich fand InnenLöffel, den Trank zu rühren; so besorgte ichdas mit einem Fwerstiel. Nun wollte ich'trinken, aber da besann'ich mich, daß injenem Bericht auch von einem AbschiedS-brief die Rede gewesen war. Ich ritz miteinem Gefühl grimmiger Freude zwei Seitenaus dem neuen Schrerbbeft, nahm Tinte undFeder, setzte mich an den Speisetisch undschrieb:„Don Herz soll die Steine behalten.Es ist nicht deshalb. Sondern well die ganzeWelt keinen Sinn hat. Man stirbt und dieTage gehen doch immer weiter." Dannzeichnete ich drei Kreuze darüber und je einKreuz rechts und links. Ich zeichnete siemit Sorgfalt und sauber, zweistrichig undmit einem kleinen Schatten dahinter, daß esaussah als wären sie eingepflanzt in emenschneeigen Kirchhof. Ich legte mich hin, ichlegte das Blatt auf meine Brust und griffnach dem Glase. Da ich kostete und dadas Gebräu sehr bitter schmeckte, erhob ichmich wieder und suchte nach einem StückZucker. Das fand ich nicht. Doch in deroberen Lade der Anrichte lag ein Säckchenmit Rosinen und eines mit Mandeln. Daran zu rühren war sehr streng verboten.Aber darauf kam es ja zu der Zeit nichtmehr an. Ich kostete. Mochte die Muttersich ein wenig ärgern— ich kostete nocheinmal, mit einer grinimigen Freude—,Die Wolgaschlepper.Bon Ernst Waldinger.Ewig schlaflos schleppen sich die Fluten,Einen Ruck noch!Wie die Finger von den Stricken bluten,Emen Ruck noch!Tag um Tag, wann dämmen schon die Frühe?Zieh noch einmal u'nd noch einmal.Zieh fester an, daß doch einmal,Ein Ende sei der Mcnschenmnhe.Einen Ruck noch!Kraft ist da, um nicht mit Kraft zu geizen.Einen Ruck noch!Gute Erde trägt den blonden Weizen,Einen Ruck noch!Krumm der Rücken unter Seiles Zwang,Zieh rwch einmal und noch einmal,Ter straffe Strick reißt doch einmal,Inzwischen hilft uns ein Gesang.Einen Ruck noch!Knechte wolltet ihr und macht uns schuldig!Einen Ruck noch!Breites Land liegt still und trägt geduldigEinen Ruck noch!Wenn der Frost das grüne Korn verzehrt.Zieh noch einnral und noch einmal.Es kommt die Zeit, daß doch einmalDer Acker sich der Frucht verwehrt.Einen Ruck noch!Wir sind schnsuchtsiräg und tatenlos.Einen Ruck noch!Uns ist Sendung und SarmatrnloS,Einen Ruck noch!Schollensromm sind wir ans Ackererden,Zieh noch einmal und noch einmal.Spring. Funken, drein, daß doch einmalWir Flammen im Feuer wrrden!Einen Ruck noch!mochte sie sich ärgern, das trat ja doch zu-1rück hinter ihrem Schmerz.„Wir hätten dieTürm offcnlaffcn sollen, wie er eS immerwollte", wird mein lieber Bater sagen undweinen. Mir kamen die Tränen in dieAugen— ich nahm eine Mandel und zweiRosinen. Ja, dann werden sie weinen, aberdann ist es zu spät, dann liege ich bleich,kalt und einsam und Agnes mag es imHause und in allen Häusern der Gaffe erzählen, waS in meinem Abschiedsbries zulesen war. Ich stellte den TodeStrank ausden Seffel neben dem Diwan, ich nahmdas Säckchen mit den Rosinen und daSmit den Mandeln und kroch aufs neue unterdie Decke. Bon beiden kostete ich ein wenigund dachte: Bon Herz wird die Steine ausmeinen Grabhügel legen, alle im Kreise undden Bergkristall in die Mitte. Vielleichtwird er auch bei Hof davon erzählen. Mandeln schmecken b^ser, wenn man sie mitRosinen zusammen itzt, dachte ich schon verschwommen. Auch des unberührten GlaseSnebenan auf dem Seffel gedachte ich. Aberda schlief ich schon beinahe. Und dann schliefich e'-n.O Weg, o Welt, o Weh, das die Brustsprengt! Es ist einige Zeit her— eine sobefremdlich lange Zeit, daß es mich schwindelt, wenn ich die inzwischen durchglomme-nen Jahressproffen der schwanken Leite: niederblicke. Ich bin damals nicht gestorben— ich bin es bis heute nicht. Und sitze nunda, plumper Mann, dem die Haut gilbt, undtaste und kann ihn doch nicht halten, dennfeinen Sand, der mir durch die Finger rinnt.Afrikanisches.j Lady Dorothy Mills, eine Forschungsreisende, ist vor kurzem aus dem schwarzen Erdteil zurückgekehrt. Nun gibt sie in einer englischen Zeitung ihre afrikanischen Erlebniffc wieder. Dabei geht Lady Mills nicht von derFrage aus, wie stelle ich mich zu Afrika, sondernwie hat sich Afrika zu mir gestellt. Und sie erzählt von vielen lustigen Episoden mit schwarzen Häuptlingen und ihren Frauen.Sie erzählt unter anderem, daß sie aufder Durchquerung der Sahara zum Stamm derTuareg gelangte, die auch heute noch vonRaub und Menschenraub leben. Dir Männerder Tuarcgs hatten eine ritterliche Art, ihr zubegegnen, wie sic auch unter Europäern nurschwer zu finden ist. Sie wurden darin abervon den Frauen, die bei den Tuaregs das Zepter der Herrschaft führen, noch weit übertroffen.Denn die Frauen verzärtelten und verwöhntenLady Mills auf jede Weise und bemühten sich,die weiße Frau um jeden Preis bei sich zu behalten.Eines Tages bot ihr die Frau eines Cchrikseinen ihrer jüngeren Krieger an, von dem siewußte, daß Lady Mills ihn gern sah. Ausden Einwand der Lady, daß sic ja schon verheiratet sei, erwiderte die Häuptlingsfrau, dasmache nichts aus. ES sei zwar anzunehmen,daß der englische Gatte mit dieser neuen Heirat nicht ganz einverstanden sein werde, aberihr neuer Gatte werde den anderen suchen, sinken und— beiseite schassen. Ein größeres Entgegenkommen kann man nicht verlangen!Ein andere« Mal in Südtunesien. Da warrin Häuptling, der schon mit drei Frauenlztvei schwarzen und einer braunen) verheiratetwar. Eines Tage« läßt er bei Morolhy Millsanfragen, ob sie nicht Lust hätte, als vierte insFraucnhans zu übersiedeln. Allerdings ließ erder Lady gleichzeitig sagen, daß sie als Gattin»eines so bedeutenden Häuptlings viel zu dünnI sei; er muffe daher die Bedingung stellen, daßsie einen aus einer bestimmten Wurzel bereiteten Tee trinken werde. Eie würde dann ineinem Monat jenen Umfang erreicht haben, derseiner Würde entspräche.Und damit die Werbung unterstützt wird,schickt er gleich sein'ck-t afrikanisches Brautgeschenk: einige hundert Schafe, dazu Schalen ausgetriebenem Silber und ein Kästchen kostbarerAuwelen. Lady Mills hat sein Angebot trotzdem abgelehnt und der Häuptllng war fast beleidigt. Was konnte eS schließlich noch besseresgeben, als die(wenn auch vierte) Frau eine«Häuptlings zu werden und über Rinder undSUavinnen nach Lust zu verfügen?Der vielleicht originellste Heiratsantrag,den die Forschungsreisende erhielt, kam abervon einer Frau, die die Lady mit ihren eigene»Mann, einem alten, dicken Häuptling, verheiraten wollte, der ebenso dumm wie gutmütig war.Die kleine, schwarze Häuptlingsfrau war achtzehn Jahre alt und ein entzückendes Ding. Sienahm die Lady kurz nach ihrer Ankunft beiseiteund bat sie, ihr einen großen Dienst zu erweisen. Und dann erzählte sie, daß sie sich ineinen jungen, hübschen Menschen, der amAbend zuvor mit einer Karawane dort angekommen war, verliebt habe und sich gern mitihm treffen wolle. Nun habe der Häuptlingbeschlossen, der Lady zu Ehren— deren Klugheit und Kenntniffk er sehr bewunderte— einFest zu geben. Diese sollte also die Güte haben,den Häuptllng möglichst lange zu beschäftigen.Der Wunsch der kleinen Frau wurde erfüllt.Das Fest dauerte bis zum frühen Morgen.Alles in allem— schließt Lady Mills,—ist die weiße Frau in Afrika beinahe so beliebt,wie der weiße Mann verhaßt ist, und sie hofft,daß ihr die vielen ausgeschlagenen Heiratsanträge bei ihrer nächsten Afrikareise nicht hinderlich sein werden.Ach, das verstehst dunicht...Sie war eine von den Millionen ewiggehetzter Proletarierinnen, die die Stunden derTage und der Nächte teilen zwischen der Fabrik^dem Haushalt, dem Manne und den Kindern.Nie hatte sie Zeit für sich— nie hatte sieFerien.An den Arbeitspausen in der Fabrik beschäftigten sich ihre Gedanken mit ihrem Los,las sie die Zeitung u>ch baute sich ihr Weltbild.Manches gab es, das sie nicht verstand— siehatte ja Pflichten, Pflichten und keine Zeit, sichmit Problemen zu befassen. Ahr ganzes Lebenwar ja„Problem".Ach weiß nicht, weshalb sie eines Tageszu mir kam. Einmal hatte ich sie irgendwogesprochen.„Zeit" hatte sie nicht viel; sie wolltemich nur einmal etwas fragen. Wir plaudertenüber alltägliche kleine Dinge im Proletarierleben und über politische und sonstige Frauen-fragen.—„Ob sie wiederkommen dürfe", fragtesie beim Abschied.„So oft Sie wollen"; ich sagtedas ruhig und freundlich. Als Arie hätte iches singen mögen! Aber vielleicht hätte sie nichtverstanden, daß ein Mensch singen kann, weilein anderer Vertrauen zu ihm hat.Dann habe ich ernsthaft über die kleine Fraunachgedacht. Was hatte sie doch noch gesagt?„Mit den Männern kann man sich doch nichtunterhalten, die sind immer so überlegen undgleich ungeduldig." Hatte sic recht? Tausendmalbatte sie recht! Ach war ja erst einige Tage vorher Zeuge, als eine Frau von ihren« auf demSofa liegenden, in„blauen Dunst" gehülltenGatten auf eine politische Frage die ungnädigeAntwort erhielt:„Ach, das verstehst du nicht!"Ach möchte tausend Frauen fragen, ob siees kennen, dieses:„Ach, das verstehst du nicht!":