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Sechs Jungens tippeln nach Indien  .

Seid doch froh, daß ihr eine Bleibe ge­funden habt", schallt eine Stimme aus dem Dunkeln. Ein braunes Gesicht lacht uns an.

,, Nanu, wie fommst du denn hierher?" " Wohl auf dieselbe Weise wie ihr. Ohne Geld auf Reisen, wo soll man da bleiben über Nacht... Uebrigens, ich bin nicht der einzige. Da drüben ist noch einer, aber er schläft schon." Richtig. Ein braunes Haarbüschel lugt unter der blauen Bettdecke hervor. Und ein Paar entsetzlich zerrissene Stiefel, ohne Ab­sähe und nur noch mit halben Sohlen, liegen unter dem Bett... dem Bett... Plötzlich knarrt der Schlüssel wieder im Schloß. Die Tür geht auf. So, hier ist das Hotel für Indienreisende, junger Mann."

Na, dann bin ich ja richtig. Gute Nacht, Herr Wachtmeister."

wir zu Fuß durch den Balkan nach Konstanti­ nopel  , wissen Sie, die große Stadt am Gol­ denen Horn  , dann geht's über das Schwarze Meer   hinüber nach dem Kaukasus  ..." Fred redet sich richtig in Eifer und der alte Mann nidte beifällig mit dem Kopfe, während er die Hand hinters Ohr legt, um besser zuhören zu können. Und dann fahren wir nach Per­ sien  ... ja, wie's weitergeht, das wissen wir noch nicht recht..."

So, so. Also nach Wien   wollt ihr. Mein Sohn ist nämlich auch in Wien  . Na, denn gute Reise."

Der Dampfer kommt. Benner schlägt vor, jo weit mit ihr zu fahren, wie wir Geld haben. Aber Fred meint, wir sollten Peter zuerst ein Paar neue Schuhe taufen, er hätte es bitter nötig.

,, Ach was, die Schuhe sind ja noch tadellos. Da wo die Sohlen fehlen, nagle ich mir gele­gentlich mal' nen Stück Blech drunter."

Aber wir weigern uns, ihn auf den kaput­ten Latschern mit nach Indien   zu nehmen. Da gibt er flein bei.

Das ist, obwohl doch der Weg dahin etwas länglich ist, buchstäblich geschehen. Sechs deut fche Jungens, der Schulbant noch nicht ent­wachsen, machten sich eines Tages auf, um nach Indien   zu tippeln. Und das Unterneh den gelang! Mit einer wohlgespickten Geld börse ausgestattet und auf den geebneten Tou­ristenwegen ist eine Indienfahrt immerhin noch ein bemerkenswertes Erlebnis, aber nichts Außergewöhnliches mehr. So bequemt hatten es die sechs Jungens nicht, die aufbrachen, um den Balkan, den Kaukasus  , Persien   und In­bien zu durchwandern. Ohne entsprechende Reisekasse und im wesentlichen auf Fußmärsche angewiesen, gehört schon eine gehörige Portion bon Wagemut, Tatkraft und findlichem Ver­trauen zu sich selbst dazu, um ein solches Wag­nis zu unternehmen, schon deshalb, weil es meist durch Länder tippeln hieß, von deren Der junge Mann" zieht eine Laute unter Sprache die jugendlichen Reisenden leine dem triefend nassen Mantel hervor und hängte Ahnung hatten. So zogen sie denn los, über- sie sorgfältig an einem Bettpfosten auf. querten unter manchen Abenteuern den Kau- Schönen guten Abend", er reichte jedem fafus, waren in den Klöstern des Berges Athos von uns die Hand. Ich heiße Mag Komisch, au Gast, erlebten Persien   und gelangten richtig wie schnell man doch ins Kittchen kommen kann. bis nach Indien  , wo sie nicht verfehlten, Ghandi   Gehe ich da ganz friedlich durch die Straße, fich vorzustellen. Ueber Rußland ging es dann mich friert sehr bei dem Regen und ich denke heint, wo sie mit Erinnerungen und mit zahl- mir aus, wie schön es doch jetzt in Afrika   oder reichen geknipsien Photos beladen glücklich an- in Indien   ist, denn da ist es doch immer warm. Einkaufen gehen ist eine feine Sache. Wir tamen. Einer der sechs, Hans Queling  , Und überlege mir, ob ich nicht mal dahin tip sehen uns die Schaufenster mit all den schönen hat nun über diese Tippelfahrt ein entzüden peln soll. Auf einmal steht die Polizei vor Sachen an. Das könnte ich jetzt alles laufen, des, lustiges und vergnügliches Buch geschrieben mir. Wo wollen Sie hin?" Da habe ich wenn ich nur wollte", schnattert Peter daher, ( Sechs Jungens tippeln nach In natürlich gesagt: Nach Indien  ." Aber da denn ich hab ja all euer Geld in der Tajche. bien", Sozietäts- Berlag, Frankfurt am Main  , hättet ihr den guten Mann mal sehen sollen. Die Schokolade hier, die Abenteuerbücher, die Breis M. 3.60), in dem frisch und lebendig die Ich will dir helfen, nachts auf der Straße Fußballschuhe... Und da steht ja jogar eine bielen bunten Erlebnisse, welche die Jungens herumlungern und die Leute verullen..." auf ihrer Reise zu überstehen hatten, erzählt ,, Nach Indien   willst du?" Ein kleiner werden. Im nachstehenden geben wir aus dem Junge in einem zerrissenen Nachthemd mit Buche mit Erlaubnis des Verlages eine fleine riesigen faputten Schuhen an den Füßen Leseprobe: schlürft durch die Stube und seht sich neben Max aufs Bett. Aha, die braune Locke ist lebendig geworden...

*

Wir leeren unsere Taschen und legen alles Geld auf einen Haufen. Es kommt wirklich noch so viel heraus, daß Peter sich ein paar neue Schuhe kaufen kann. Dann ziehen wir zu dreien zur Stadt, um das wichtige Geschäft zu besorgen.

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Trompete. So eine müßten wir haben! Denn dann könnte ich Trompete blasen, wenn ihr andern singt, das würde sicher herrlich zusam­mentlingen. Will doch mal fragen, was der Mann dafür haben will."

,, Na, fragen kannste ja, das kostet nichts." Peter geht in den Laden und kommt nach mit der Trom­zwei Minuten wieder heraus

Ja, und du?" " Ich? Weiß ich noch nicht. Auf jeden Fall pete, säuberlich in Seidenpapier eingepact, unterm Arm.

Mit den faputten Latschern? Da kommst

Wie die Welt doch ganz anders aussieht, wenn es regnet. Trübe spiegeln sich die Schau­fenster und die Bogenlampen in dem glatten Asphalt. Die Leute auf der Straße laufen weit weg, die ganze Welt ansehen." schnell an uns vorüber, fest in ihre Regenmän­tel gehüllt. Nur dann und wann wirft uns du aber nicht weit." jemand einen kurzen Blick zu. Am längsten bleibt er immer an unsern fürzen Hosen haften and an den vor Kälte schlotternden Knien.

" Ich glaube, wir müssen uns bald eine Bleibe suchen für die Nacht", sagt Fred.

Wir bleiben stehen und überlegen. Es ist schwer, in der Großstadt etwas zu finden, wo man pennen fann.

Ein Polizist kommt näher. Ra, ihr Buben, was macht ihr denn da?"

,, Tscha, wir würden gerne schlafen gehen, wenn wir nur wüßten, wo. Wir dachten schon mal, hier unter der Laterne, da ist es am wärm­ften."

Der Junge befieht sich sein Stiefel, aus denen die Zehen vorne neugierig herausgucken. ,, Dch, dann geh' ich einfach mit euch, wenn wir zusammen losgingen: ich habe eine Laute, und du hast eine Geige, wir machen unterwegs Musik und ihr müßt dazu singen. Meint ihr nicht, daß wir uns glänzend durchschlagen fön­nen nach Indien  ? Wir sechs Mann?"

" So, jetzt aber ins Bett, Buben, es ist höchste Zeit!" Jemand flopft an die Tür. Ich zähle bis drei, und dann mache ichs Licht aus..."

Wir sind alle zusammen weitergegangen. Jetzt sind wir in einem kleinen Städtchen an der Donau   und warten auf den Dampfer, der uns den Fluß hinunter bringen soll.

,, Nein, das ist hier nichts. Aber ich weiß ein gutes Plätzchen dafür. Kommt mal mit." Er führt uns durch viele Straßen und bleibt schließlich vor einen großen Gebäude Wir finden wirklich, weshalb sollen wir stehn. Ein riesiges eisernes Tor geht auf. Dann geht wir durch lange Gänge und auf einmal öffnet er eine Tür mit einem kleinen Guckloch. Wir treten in ein Zimmer mit vielen Betfen.

So, hier könnt ihr euch ausschlafen. Gute Nacht!" Er geht wieder hinaus und schließt die Tür hinter sich zu.

Wir sehen uns um. Kahle Wände, ver gitterte Fenster, buntgewürfelte Betten...

Du, Fred, ich glaube, wir sind einge Sperrt!"

" Ja, das scheint hier ein richtiges Ge­fängnis zu sein. Mir gefällt's auch nicht hier."

nicht nach Indien   tippeln? Es reisen doch so viele Leute nach Indien  , weshalb sollen wir es nicht fertig bringen? Klar, wir werden das schon schaffen.

Eben haben wir uns eine Weltkarte ge­tauft und studieren den Weg, den wir tippeln müssen. Ein alter Mann sieht uns zu.

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Na, ihr Buben, wo wollt ihr denn hin?" Rach Indien."

,, Denkt mal, sie kostet genau so viel, wie ich Geld bei mir hatte. Das nennt man doch Glüd."

Und wovon laufst du dir jetzt die Schuhe?" Penner hat sich als erster von seinem Erstaunen erholt. Los, marsch, wieder hinein in den Laden und die Trompete zurückgegeben!"

Aber nein! Eine Trompete ist doch viel schöner als ein Paar Schuhe. Von den Stiefeln hätt' ich doch nur allein Nutzen gehabt, von der Trompete haben aber alle was, die sie hören! Paßt nur auf, wie sich die anderen freuen, wenn ich, ein frisches Lied blasend, wieder bei ihnen anrüde."

,, Tuut.. Tuut..." Was? Der Dampfer tutet schon zur Abfahrt?

Ist das schon so spät? Also schnell zurüc Wir zum Schiff, sonst fährt es ohne uns ab rennen zurüď. Peter, so schnell es seine taputten Latscher erlauben, hinterher.

Die andern machen große Augen als Peter mit der Trompete ankommt. Aber er winkt ihnen begütigend zu: Einen Augenblick!" Er befeuchtet seine Lippen, setzt die Trompete mit einer schwungvollen Bewegung an den Mund, bläst die Backen auf und pustet hinein Kein Ton. Nanu? Man muß wohl noch jester blasen. Peter pumpt sich so voll Luft, daß er ganz Huh.. blau im Gesicht wird. So, jezt..

So, so, nach Wien  . Na. da habt ihr aber ein schauerliches Geträchze... Wir halten uns die Ohren zu. noch ein gutes Stüd zu tippeln."

,, Nein, nach Indien   wollen wir, sehen Sie, zuerst geht's die Donau   hinunter, dann laufen

Peter macht ein enttäuschtes Gesicht. Das Trompetenblasen muß scheinbar gelernt fein."