-

3-

Die Vifite.

Ich mußte eine Visite machen, d. h.. ich war zum Tee geladen. Irgendwo bei einer Dame von Welt, die mal im Kapital von

Betrogen, verloren, verfchollen.

Von Jaroslav   Hašek.

Jeder Bürger bestrebt sich, wenigstens ein- da ich Sturm fürchtete, wählte ich diesmal den Marg geblättert und Kniderboders Bücher mal im Leben, das Steueramt zu betrügen. Im Weg per Bahn. Richtung   Prag-   Wien--- Buda­über Rußland gelesen hatte. Mein Freund Steueramt find nämlich Raubtiere beschäftigt, pest- Saloniki und hinunter über Thessalien. hatte allerdings unverschämt gegrient, etwas die hinter Tausenden von Altenhaufen und In der Nähe von Salonifi sprengte eine auf­vom Salonbolschewismus gemurmelt und Fragebogen mit der Ausdauer eines Fliegen- ständische Griechenbande eine Eisenbahnbrücke dabei so getan, als ob ich auch-- Na, dem schnappers, der ganz unschuldig aussieht, die in die Luft, und ich fiel in Gefangenschaft von habe ich erst mal ein paar in die Seiten ge- Fliege jedoch zu guter Leht dennoch verschlingt, Komitatschis. Sie nahmen mir nicht nur jene trillert, dann habe ich mir einen funkelnagel- auf ihre Beute warten. Anfangs überschwemmt zehntausend Kronen, sondern schleppten mich in neuen Binder umgebunden, die Handschuhe ge- Euch das Steueramt mit recht freundlichen die Berge, und meine Familie mußte weitere griffen und bin losgezogen. Zum Tee felbft Fragen. Ihr erhaltet ein Formular, auf dem zehntausend Kronen Lösegeld zahlen." verständlich. euch das Amt Euer Wohlgeboren" tituliert. Er rieb sich zufrieden die Hände und Mit einer beinahe flehentlichen Bitte fordert sprach: Was fönnte ich ihnen noch schreiben, man euch auf, so liebenswürdig zu sein und damit sie mir Glauben schenken?" anzugeben, wie hoch euer Einkommen ist, was Zweitens wurde ich von einem mir un­für ein Vermögen ihr besitzt, ob ihr Säufer, bekannten Agenten mit Weduhren betrogen. Ställe, Rindvich, Automobil, Flugzeuge, Balm Glauben, ein vorzügliches Geschäft zu lons habt, ob ihr euch die Nase mit Batist machen, faufte ich 18.872 Wecker, und als ich oder Leinentücher wischt. Man fragt euch, ob sie übernahm, merkte ich, daß das Uhrwerk in euer Großvater goldene Ohrringe trägt, fragt ihnen fehlte. Ich hatte für jeden eine Krone fiebzig Seller bezahlt, und weil ich sie nur euch nach euern intimsten Angelegenheiten. Man tituliert euch nicht mehr Euer Woh!- ich rund neuntausend Kronen, d. h. neuntau­Die zweite Zuschrift ist bereits schlimmer. mit großem Verlust verkaufen konnte, verlor geboren", fondern Sehr geehrter Herr" und fendachthundertzwanzig Kronen." fragt euch, ob ihr eine Scheune habt.

Er pfiff mir aus dem Fenster nach: Du bis verrüdt mein Kind..." Er hatte vier Jahre in   Berlin zugebracht und gab sich gerne als waschechter Berliner; aber der konnte mir mal kreuzweise den Budel runterrutschen. So

ein Vrolete!

Richtig, die Anni hatte mir gesagt: Blu­men mußt du mitnehmen, ein paar lose Blu­men. Das gehört ſich ſo. Das hätte ich beinabe

bergessen!

Also: rein in den nächsten Blumenladen. Der frischgebügelte blaue Anzug, die neuen Soden, die feingewienerten Lackschuhe, das blütenweise Oberhemd, der neue Kragen, der schide Binder, na und der neue Mantel und der extra zur Feier des Tages vom Tabakgeld erstandene neue Hut, da durfte man doch nicht Heinlich sein. Und überhaupt: das niedliche Fräulein behandelte mich wie einen ganz großen Herrn.

Deshalb: Sechs Rosen bitte!" Von den gelben hier?" Bitte!"

,, Bier Francs achtzig, bitte, mein Herr!" Heiliger Bimbam, das aber: nichts merken lassen! Draußen erholte ich mich von meinem Schreden. Fr. 1.20 war mein ganzer Besitz. Jedoch: was tut man nicht alles, um von einer geistreichen Frau zum Tee eingeladen zu werden?!

Wenn ihr auch diese Zuschrift ignoriert, erhaltet ihr einen dritten Brief, in dem man euch Geehrter Herr" tituliert, euch mit Straf­gebühren und in ihrer Uneinbringlichkeit mit Gefängnis droht, und nach der vierten Zu­schrift, die nur noch die Ueberschrift In An gelegenheit... trägt, schafft man euch ins

Kriminal.

Antwortet ihr, glaubt man euch kein Wort. Man zweifelt fogar an den Angaben eines bedauernswerten Straßenkehrers, der beteuert, daß er nachstehende Angaben nach bestem Wissen und Ermessen" gemacht hat und ver­sichert, daß er weder eine Scheune noch ein Bauerngut oder ein Automobil befißt, ja nicht einmal jenen Großvater mit goldenen Ohrrin gen hat. Man schreibt ihm einfach, es seien feine Umstände vorhanden, die eine Handhabe geben, ihm die Steuergebühr nach§ 173 zu ermäßigen oder nach§ 184 völlig zu erlassen.

Er versant in Gedanken und sprach vor sich hin: Der Kerl hat mich schön betrogen."

,, Drittens habe ich eine zahlreiche Familie, die vierzehn Stück zählt. Wir wohnten in einem sehr ungefunden Hause, wo große Zugluft herrschte, und trugen unaufhörlich Watte in den Chren.

Durch einen unglücklichen Zufall verkaufte man uns statt gewöhnliche Watte einen Sprengstoff. Als wir dann einmal während einer Vergnügungsreise nach Schwe­  den die große Bibliothek in   Upsala besuchten, geschah es, daß ein Luftzug eine Tür zuschlug. Die Wirkung war entfeßlich. Die durch das Buknallen der Tür verursachte Detonation hatte die Explosion zweier Familienmitglieder zur Folge. Die Opfer der Explosion waren mein Sohn Johann und meine Tochter Marie Außer ihnen flog auch die ganze Bibliothek in die Luft, und nach langen Verhandlungen mußte ich neunzigtausend Kronen Ueberführung der beiden Leichen auf den Wol­schaner Friedhof in   Prag fostete ebenfalls ein nettes Sämmchen, das ich jedoch nicht in Abzug bringe, denn ich erfüllte nur meine Pflicht."

In seine Augen traten Tränen. Er rief: Arme Kinder. Sie sind so brav! An ihnen wenigstens habe ich nur Freude erlebt!" und schrieb weiter:

Biertens habe ich eine goldene Uhr im Werte von hundert Kronen verloren. Fünftens habe ich aus Ceylon eine Kaffeefendung bestellt. Das Schiff ist bisher verschollen, so daß ich viertausend Kronen verliere. Sechstens hat mein Buchhalter siebentausendzweihundertzwei Kro­nen in die Bank getragen. Er ist ebenfalls verschollen..."

Um so schlimmer für jenen, der tatsächlich Die gnädige Frau läßt bitten." Vermögen befißt. Das hat der Großkaufmann Also: gnädige Frau" muß ich sagen. Sychrava an sich selbst erfahren. Eines Tages Herzklopfend steige ich in das Zimmer. erhielt er eine Zuschrift vom Steueramt, in Begrüßung pp. gehen glatt. Mit einer der es hieß: Bei der Prüfung seines Steuer Formvollendung, die Annis Freude hervor- bekenntniffes für das Jahr 1912 hätten sich gerufen hätte, überreiche ich meinen Strauß gewiffe Zweifel bezüglich feines rerhältnis mäßig niedrig angegebenen Einkommens er , wie aufmerksam, lieber Herr Angegeben. Entspricht das angegebene Einkommen| Ius", flötete sie, widelte das Angebinde auf der Wahrheit?" und ach, wenn mich doch die Erde ver- Der Unglüdliche kam auf den Einfall, das schlingen sollte eine einzige Rose barg die Steueramt durch Aufzählung schrecklicher Tra­Seidenhülle. Die anderen hatte ich auf der gödien und mißglückter Unternehmungen zu Straße verloren. täuschen, die fein Einkommen angeblich verrin­gerten. Bevor er das erste Blatt Vapier mit Aufflärungen vollgeschrieben hatte, schwitzte er entseßlich, aber dann ging affes alatt. Er schrieb: Hohes Steueramt. Ich gestatte mir, einige Aufklärungen zu geben, aus denen hervorgeht, Sein anfangs ruhiges Gesicht nahm wäh daß mein Einkommen nicht so groß ist. Ich rend des Lesens einen immer läglicheren Aus­tann die mir vorgeschriebene Einkommensteuer drud an, und als er einen Verlust von zwei­nicht zahlen, denn: erstens habe ich zu meinem hundertvierzigtausend festgestellt hatte, war er Vergnügen eine große Seereise auf dem bleich wie eine Leiche, begann zu weinen und Aegäischen   Meer unternommen, wo das Schiff taumelte aus der Tür. bei einer feinen Insel scheiterte, und bevor ich Was nun folgte, war eine sensationelle meine Wertpapiere retten konnte, sant das Begebenheit, über die ganz   Prag redete. Groß Schiff, und ich wurde von ein paar Matrojen kaufmann Sychrava wurde nämlich zwei Stun gerettet. Ich versprach ihnen eine Belohnung den später verhaftet, als er vor der Stephans­von Zehntausend Kronen. In der Angst, daß firche bettelte. Als man ihn abführte, rief er das Geld in die Hände von Seeräubern gelan- herzzerreißend zu der Menge, die den Delin gen fönnte, verreiste ich ein zweitesmal, um den quenten begleitete:" Ich bin bankrott, meine Angelus. waderen Matrosen das Geld auszuzahlen, und Herren!"

,, pardon", stammelte ich und tratet dem Seidenspitz auf die Pfote, die anderen muß ich verloren haben. Das geht doch nicht . die teuren Rosen... mein ganzes Geld ...?" Mir drehte sich all., ich vergaß, daß man bei feinen Beuten so etwas nicht sagt, ich hatte den Verstand verloren.

Bums, quietschte das vermaledeite Bich schon wieder.

Scher dich zum Henter!" schrie ich. Aber mein Herr!"

Fünf Rosen à achtzig Rappen zum Teufel! pol der Kudud die ganze Vornehmtuerei und den Köter dazu!" brüllte ich und knallte die Türe hinter mir zu.

Die Visite war beendet.

Und jetzt werde ich das Ganze noch ein­mal durchlesen", sagte er zufrieden, und zu­sammenrechnen!"