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Feierab

Nr. 28.

Enterhaltungsbeilage.

Leben im Halbdunkel.

1933.

Der vierte, der drankam, war Pasquale Cipolla.

Wer soll leben?" wurde er angeschrien. Berzeihung, was heißt das eigentlich?" wagte er zu fragen.

Sag deutlich, was du denkst," befahl ihm der Dicke. Wer soll leben?"

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Es lebe das Brot und der Wein!" war ehrliche Antwort des Cipolla.

Ein italienischer Emigrant hat einen Religion. Das elektrische Licht entzieht man Roman geschrieben und hat ihn einem im ihnen, weil sie es nicht bezahlen, das Wasser, Zuchthaus gestorbenen Antifascisten, Romolo bas feit Jahrhunderten ihre fleinen Aecker be­Tranquilli, zugeeignet). Der Verlag zeigt wäjjerte, wird ihnen von einem im Kriege das Buch als den ersten großen Roman aus reich gewordenen Industrieritter abgegaunert, einem fascistischen Land" an, aber es rollt eine das Gemeindeland schlägt dieser selbe Gauner, Schuldrechnung auf, die lange vor dem Fascis der inzwischen fascistischer Podesta des Ortes mus beginnt. Es spricht vom Leben des abruz- geworden ist, zu seinem Grund und Boden. Die zesischen Landvolkes, der cafoni, wie der Cafoni schimpfen, werden in der Stadt vorstel­Städter, von Rom   südwärts, diese Kleinbauern lig, wenden sich an einen Rechtsanwalt, der und ländlichen Taglöhner geringjchäßig nennt. dem Podesta Zuhälterdienste leistet, und leben Von Leuten, die im Halbdunkel leben, wo der weiter ohne Licht, ohne Waffer, ohne Gemeinde­Blick des an Helligkeit gewöhnten Auges nichts land. unterscheidet als ein graues Einerlei. Aber Eines Tages die Geschichte spielt im Ignazio Silone   hat die Augen des Künst Jahre 1929 überfallen Fascisten den Ort, lers und sieht mehr: Einzelpersönlichkeiten mit der irgendwie in den Geruch lauer fascistischer Einzelschicksalen, die doch alle nur Fäden im Gesinnung gekommen ist. Sie treiben die Ca­Gewebe eines Massenschicksals sind, einem Gefoni in ein Viereck zusammen und es beginnt was Refraktär" bedeuten sollte, aber es war webe, eingespannt im Webstuhl vielhundertjäh- das Verhör.

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Teofilo schien aus den Wolfen zu fallen. Wer soll leben?" wiederholte der Vertre­der Obrigkeit gereizt.

Auch er wurde als Refrattär" gebucht. Jeder von uns wartete, bis die Reihe an ihn kam, und feiner fonnte erraten, was der Vertreter der Obrigkeit auf seine Frage hören wollte. Was uns aber hauptsächlich beschäftigte, war etwas ganz anderes, nämlich, ob wir für eine falsche Antwort etwas bezahlen mußten. Niemand von uns hatte natürlich eine Ahnung, doch höchst wahrscheinlich, daß es hieß: muß

detste unter uns, weil er in seiner Jugend in Neapel   gewesen war. Ich wollte mich von ihm über die richtige Antwort belehren lassen, aber er lächelte mich nur mitleidig an wie einer, der alles weiß, aber es nicht verraten will.

riger Knechtung, zäh und dauerhaft durch den Der erste, der aufgerufen wurde, war Teo- zahlen. Einschlag der Naturverbundenheit, die das ani- filo, der Sakristan. Was mich betrifft, so versuchte ich mich malische Leben erhält und fortpflanzt. An die- Wer soll leben?" fragte ihn der Mann Baldissera zu nähern: er galt als der Gebil­sem Abruzzesenvolt, von dem die alten Römer mit der dreifarbigen Schärpe. sagten, daß man weder ohne noch gegen es sie­gen könnte, ist viel gesündigt worden. Ein Hirtenvolk von patriarchalischer Einfachheit und Roheit" steht von ihm im Konversa. tionslegifon anhänglich an sein Vaterland, feine Religion, seine Regierung, abergläubijch, musikalisch und gastfrei". Viel Anhänglichkeit haben seine Regierungen nicht um es verdient, nicht die Bourbonen, nicht das dritte Italien  . Dann ist das fascistische Italien   gekommen, mit feiner offiziellen Ehrung der Pflugschar und der heiligen Scholle, mit seinem Motto: Zurüd zu den Aeckern, zu Schlichtheit und Glauben!

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Teofilo wandte sich, wie um eine Ein­gebung bittend, angstvoll zu uns: aber feiner wußte mehr als er.

Da Teofilo feinerlei Anstalten zu einer Antwort machte, wandte sich der Knirps an Filippo den Schönen, der ein großes Register in Händen hielt, und befahl ihm:

Schreib' neben seinen Namen: Refraktär." ( Bezeichnung für Antifascisten.)

Teofilo trat ab. Der zweite, der gerufen wurde, war Anacleto  , der Schneider.

Wer soll leben?" fragte ihn der Mann des Gesetzes.

Es lebe die Königin Margherita!"

Die Wirkung war ganz anders, als Bal­differa jie erwartet hatte. Die Soldaten brachen in ein schallendes Gelächter aus und das Männchen belehrte ihn: Die ist tot.. Köni­gin Margherita ist tot."

Ist gestorben?" fragt Baldiffera entfeyt. Nicht möglich!"

"

Schreib: Verfassungstreuer", sagte der über- Kleine zum schönen Filippo.

Wer soll leben?" fragte ihn der Dice. Anacleto  , der Zeit gehabt hatte, zu legen: Es lebe Maria!"

Und dieser Fascismus ist auch nach Fon­tamara gekommen, dem armseligen Dorf am Fucinerjee, wo der Roman spielt. Den See hat man trodengelegt und dadurch das Klima so verändert, daß die Oliven auf den umliegen­den Hügeln zugrunde gingen und auch sonst viele Mißernten kamen. Aber dem Fürsten  Terlenia jind dadurch 14.000 Hektar Ackerland Anacleto befann sich ein wenig, schien zu zu seinem sonstigen riesigen Grundbejiz zu- zögern und sagte dann: Die von Loreto." gewachsen. Die Cafoni von Fontamara find Schreib': Refraktär", befahl der Kleine

" Welche Maria?" fragte ihn der schöne Filippo.

ſo arm, daß sie nicht einmal einen eigenen dem Straßenwärter. Pfarrer halten können, trotz der ihnen im Anacleto   trat ab. Der dritte, der gerufen Legifon nachgerühmten Anhänglichkeit an die wurde, war der alte Antonio Braciola. Auch er hatte eine Antwort bereit: Es lebe San

Ignazio Silone  : Fontamara. Ber- Rocco!" Tag Dr. Oprecht& Helbling A.-G., Zürich   1933, Aber auch dies befriedigte den Kleinen nicht und er befahl: Schreib': Refraktär.

210 Seiten.

Baldissera zog sich, über diese Häufung un­erklärlicher Ereignisse den Kopf schüttelnd, zu­rück. Auf ihn folgte Antonio Zappa, der, von Berardo beeinflußt, Nieder mit den Dieben!" schrie, damit aber den allgemeinen Widerspruch der Schwarzhemden hervorrief.

Schreib': Anarchist," bedeutete der Dide dem Schönen.

So geht das Verhör weiter. Die hohe fajcistische Behörde findet in dem armseligen Fontamara, das weder Licht, noch Wasser, noch Aderland hat, alles mögliche, was der Cafone nicht einmal dem Namen nach kennt: Anarchi­sten, Rommunisten, Liberale. Während sich