in ihren Wollbinden, und so viel ich auch zerrte, die beiden Steine gaben die Mumie nicht frei. Da, als ich mit der linken Hand nach meinen Streichhölzern fuchte, machte ich die Entdeckung, daß die Schachtel leer war. Man mag gut und gern zwanzig Jahre und alles andere als ein Feigling sein jetzt bedeckte sich meine Stirne dennoch mit Angstschweiz.

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" Domingo!... Domingo!" schrie ich in­

stinktiv.

Gleich einem Orchester warf das Echo meine Stimme zurüd, und nun begann auch der ver­wundete Hirsch wieder zu jammern: ein Flehen, ein Vorwurf vielleicht, ein Appell der Agonie

im Dunkeln...

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durch fie behindert, noch gefesselt. Was kann ich als Erklärung anführen? Hatte ich mich in einer Ichten Kraftanstrengung doch noch be­freit?...

Leute dazu sagen! Du bist in meinem Alter, mein lieber Alain...

Ich bestand nicht weiter darauf, denn ich hatte eigentlich nur das Terrain refogniszieren Das verwundete Wild, das ich mit eigenen wollen. Sie schienen in völliger Uebereinstim Argen in den Gang schlüpfen sah, war unauf- mung. Aber als Pierre mich beim Nachhause. findbar. Es ist wahr, die abergläubischen Mesti- gehen hinausgeleitete, zog er mich ins Ver zen weigerten sich, dort unten noch lange Zeit trauen: mit Suchen zuzubringen, und ebenfalls hart­nädig weigerten sie sich, irgend etwas von der Toten mitzunehmen. Dann hat sich allmählich eine ganze Legende um dieses Abenteur gebildet. wild eine wandernde Seele, die ich ein zweites Für die Söhne des Landes war dieses schöne Mal befreit hatte. Wer weiß? Warum soll man nicht wie die Indianer an eine Seelen­wanderung glauben?

Schade, daß die Schicklichkeitsregeln so streng sind! Die frische Gebirgsluft und deine Gesellschaft würden Michelle gut tun. Sie ist so nervös!..."

Ist sie frank?" fragte ich unschuldig. ,, Nein, nein... Sie geht vielleicht zu viel aus." Diese Tees, diese Empfänge, diese Anpro­ben sind mitunter recht ermüdend, weißt du!" Nachtvögel flatterten durch die trodene Luft, Er sagte nichts mehr darüber; aber ich Streiften mit ihren Flügeln mein Gesicht, und Ich selbst aber habe nie diese gutturalen glaubte zu erraten, daß Michelle mein Bro­von der Mumie in meinem Arm stieg ein Ge- Schreie vergessen können, die plötzlich emporstie- gramm in Angriff genommen hatte. Tuch nach Gruft und verdorbenem Balsam auf. gen, um dann düster wie ein peruanischer Inzwischen reiste ich ins Gebirge, wo ich Freikommen, um Gottes willen, freikommen von Jaravi auf mich herabzufallen. Und seitdem länger als einen Monat zubrachte, um mir bei dieser erzwungenen Umarmung der Toten! ich lange, endlose Stunden die faum verwelfte Ski und Tanz die Beine gefenfig zu machen. Ich riz, ich wand mich nur fester umstridten Sand einer Mumie umflammert hielt, die auf Bei meiner Rückkehr nach Paris   erfuhr ich, daß mich die Wollbänder... die große Morgenröte wartet, auf eine Sonne, Michelle und Pierre vor der Scheidung standen. Wenn ich nicht das Glüd gehabt hätte, das für die es keinen Untergang mehr geben. wird Ich lud Pierre zu einem Glas Portwein in eine Bewußtsein zu verlieren, so würden jene, die seit damals beherrscht mich ein Widerwille Bar. Er fam, schüttelte mir die Hand und be mich viele, viele Stunden später fanden, unwei- gegen lebende Frauen..." gann sogleich mit seinen vertraulichen Mit­gerlich auf einen Irrsinnigen gestoßen sein. teilungen. Denn mein braver Domingo hatte nach vergeb­licher Suche alle verfügbaren Männer mobil ge­macht, und schließlich war man auf das gebro­thene Gebüsch aufmerksam geworden und dem Gang gefolgt. Wie man sagt, hielt ich, als die Retter mich entdeckten, die Hand der Mumie in der meinen; aber weder war ich im geringsten

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Na, na, Herr Oberst," erlaubte sich Simon Estremadoyro einzuwerfen, spielen Sie nicht den Heiligen!"

Don Luis Tezanos leerte sein Glas und antwortete dann in grüblerischem Ernst:

,, Kleine Abenteuer, flüchtige Liebschaften zugegeben. Aber die großze Sehnsucht, die wahre, ist dort unten geblieben."

Ratschläge für Verliebte.

Bon René Lehmann.

liche Zuneigung, strebte er nach Veränderung.

Michelle hörte mir mit ungeteilter Aufmerk­jamkeit zu. Es lag ihr nicht, zu heucheln. Sie gehörte zu der Art jener beharrlich liebenden Frauen, die sich dem Manne ihrer Wahl ohne Berechnung und rüdhaltslos hingeben. Für sie existierte nichts anderes als Pierre.

Freunden, die einem ihren Herzenskummer| viel Liebe empfangen, gab er selbst wenig. Ein­aubertrauen, sollte man niemals Ratschläge er- gelullt, verhätschelt durch Michelles leidenschaft­teilen. Als Michelle mich aufsuchte und mir fagte: Pierre liebt mich nicht mehr. Ich will alles tun, um ihn mir zurüdzuerobern. Habe Mitleid mit meiner Verzweiflung und gib mir einen Rat!", hätte ich ihr antworten sollen: Meine Kleine, du hast mich nicht befragt, als du dich vor drei Jahren in Pierre verliebtest und du fatest recht damit! Wenn dein Glüc jezt zusammenzubrechen droht, bist du selbst der am besten befähigte Baumeister  , es dir wieder neu zu zimmern. Sieh zu, wie du allein fertig wirst!"

Natürlich hätte ich ihr so eine ähnliche Rede halten müssen; aber ich empfand Mitleid mit ihr und war eitel genug, mich geschmeichelt zu fühlen, daß eine junge hübsche Frau mich für fähig hielt, in diesem versiegelten Zauberbuch, bas das menschliche Herz nun einmal ist, lesen zu fönnen, und mit lächerlicher Sicherheit er widerte ich michelle:

Arme fleine Michelle!... Ich ermahnte sie zu Energie und Kampf, ich versprach ihr, Pierre von unserer Unterredung nichts zu verraten und sah sie davongchen, entschlossen, meine Rat­schläge zu befolgen.

Nun ja, ich lasse mich scheiden, alter Freund... Das überrascht dich, mich aber um so weniger. Seit langem schon verstehen Michelle und ich uns nicht mehr. Man wahrt den Schein, niemand menft etwas, aber eines schönen Tages kommt die Geschichte zum Klappen. Man ist zu loyal, um sich gegenseitig zu belügen!" Ihr liebtet euch doch so sehr!" Alles geht vorüber!"

,, Liebt sie dich nicht mehr?"

,, Nicht im geringsten mehr!"

,, Du magst sie auch nicht mehr?"

Komm zu dir, mein guter Alain... Scit ungefähr einem Jahr, verstehst du, habe ich für Michelle nichts mehr übrig. Sie fiel mir mit ihrer selbstsüchtigen, despotischen Liebe lästig. Ich ließ es sie merken und sie nahm sich mehr zu» sammen. Doch sie versuchte, um ihr Glück zu fämpfen. Sie wurde diskreter, weniger angrei fend, während ich meinerseits ihrem Manöver auswich, allmählich zu refignieren begann.

Sie ließ mich in Ruhe, untersuchte nicht mehr meine Taschen, kontrollierte nicht mehr wie früher meine Blide, fümmerte sich anscheinend nicht mehr xm mein Stirurunzeln, meine Scuf, zer... Und dann plötzlich wurde sie unerträg­Von Zeit zu Zeit frühstädte ich bei dem lich, ganz unerträglich! Sie brach den Streit jungen Vaar. Zunächst nahm ich nichts Beson- vom Zaun, warf das Geld zum Fenster hinaus, deres wahr. Zweifellos war Michelle, ebenso hielt unsere Verabredungen nicht mehr ein, ver­wie Pierre, diese Schamhaftigkeit unserer intim- nachlässigte den Haushalt, lief zu den fadeſten sten Empfindungen eigen, die uns vor unseren Abendunterhaltungen, fleidete sich auf eine ganz Gästen eine lächelnde und liebenswürdige Maske lächerliche Art... Ah, mein Lieber, jie trieb zu tragen auferlegt, selbst wenn wir noch so ihren frechen Uebermut so weit, daß sie sogar wütend aufeinander sind. In jedem Fall über- meine Eifersucht herausforderte, indem sie sich häufte sie ihn mit kleinen Zuvorkommenheiten, öffentlich mit einem unmöglichen Geden zeigte die er mit Händedrücken und zärtlichen Blicken... Ich sagte ihr daraufhin, daß es für uns beantwortete. Vielleicht hat Michelle sich noch nicht zum Handeln entschließen können. Beim Likör fagte ich, nachlässig an meiner Zigarre

Ich bin euer gemeinsamer Freund und würde untröstlich sein, wenn ich plötzlich zwischen euch diese unvergleichliche Harmonie eurer 3art lichkeiten vermissen müßte. Du bist zu fanft, zu gut, Michelle, zu vollkommen, verstehst du! Pierre ist ein charmanter Freund, ein ausgezichend: zeichneter, aber zu wenig fefter Charakter, der allzu leicht den Versuchungen unterliegt. mußt ihn darin zu ändern versuchen, Gleichgül- Doch," entgegnete Michelle, aber Pierre tigfeit, ja Grausamfeit ihm gegenüber heucheln, fann im Augenblid nicht fort." mit einem Wort: ihm zeigen, daß er Gefahr läuft, dich zu verlieren. Sei böse, leichtfertig, respektlos und vor allem unpünktlich. Nach einigen Monaten, vielleicht schon nach wenigen Wochen, wird er verliebter und anhänglicher denn je zu dir zurüdfehren..."

Ich beabsichtige, zum Wintersport zu ver­Du reifen. Neizt euch das nicht?"

tige

Pierre schüttelte den Kopf.

Unmöglich... Ich habe überaus wich­Geschäfte abzuvideln. Nicht einmal die Sonntage stehen mir zur Verfügung."

Und wenn ich Michelle mit mir nähme?" Du scherzeft," sagte Michelle entrüstet. Pierre mangelte es weder an Zartgefühl, Ich finde nichts Unpassendes dabei," ver­noch an Güte. Aber wie alle diejenigen, die fette Pierre lächelnd, aber was würden die

beide das beste wäre, wenn wir auseinandergin­gen; ich würde die ganze Schuld auf mich neh men, aber um nichts auf der Welt in meinem Entschluß wankend werden.".

,, Und wie stellte sie sich dazu?"

Ziemlich niedergedrückt... ich gebe es zu. Und im Grunde ging es auch mir nahe... doch schließlich schickte sie sich ins Unvermeidliche und wurde fält, herbe, unversöhnlich."

,, Aber vielleicht war der Wechsel in ihrer Lebensführung nur darauf berechnet, dir etwas vorzuheucheln, dich zu überlisten, auf diese Beise deine Liebe wiederzugewinnen?"

Pierre zudte die Achseln.

Sehr ungeschidt, mein Lieber, und ganz nuplos! Ueberdies ist sie unfähig zu solchen