Nr. 328

Gewerkschaftliches

Schiedsspruch für die Binnenschiffahrt Am 28. Juli d. J. ist im Reichsarbeitsministerium ein Schieds­Spruch über die Entlohnung des Binnenschiffahrtspersonals ge­fällt worden. Diesen Schiedsspruch haben die Arbeitnehmer nun­mehr angenommen, ebenso die Arbeitgeber für die Gruppen ,, Elbe  , Lübeck   und Oder", dagegen haben die in der Gruppe Märkische Wasserstraßen" vereinigten Arbeitgeber erklärt, fie müßten den Schiedsspruch ablehnen. Sie seien durch den Wettbewerb der Eisenbahn und die ungünstige wirtschaftliche Gesamtlage so schwer in Mitleidenschaft gezogen, daß ihnen die Bewilligung von Zu­schlägen zu den Löhnen nicht möglich sei. Eine Erhöhung der Löhne würde sie zu einer weitergehenden Entlassung von Schiffs: mannschaften zwingen.

Achtung, Tiefbauarbeiter!

Die Nachzahlung von 60 Pf. pro Stunde ab 29. Mai erfolgt spätestens am 14. August. Die Unternehmer sind von ihrer Dr­ganisation durch Rundschreiben davon in Kenntnis gesetzt. Gleich zeitig machen wir darauf aufmerksam, daß Nachforderungen nur bis zum 31. August gestellt werden können.

Alle Kollegen, die inzwischen ihre Arbeitsstelle gewechselt haben, wollen ihre Ansprüche rechtzeitig geltend machen. 48 Deutscher   Bauarbeiter- Verband, Zweigverein Berlin  . Die Sektionsleitung.

Groß- Berlin

Bevorstehende Verkürzung der Polizeistunde Das Kohlenabkommen von Spaa und die damit in Verbindung Stehende geringe Versorgung Deutschlands   mit Kohle zwingt natur gemäß zu neuen Einschränkungen des Kohlenverbrauchs. Es liegt auf der Hand, daß zuerst dort gespart wird, wo Kohle resp. die in Licht oder Kraft umgesetzte Kohle am leichtesten zu entbehren ift. In erster Linie kommt dafür die Beleuchtung öffentlicher Lokalitäten in Betracht. Nachdem erst vor einigen Monaten die Bolizeistunde heraufgesetzt worden ist, muß fie notgedrungen jekt wieder vertürzt werden. Gestern vormittag fand im Reichswirt­schaftsministerium eine Sitzung statt, die sich mit der Einschrän tung des Lichtverbrauches in Berlin   beschäftigte. An der Sigung, die bis 2 Uhr mittags dauerte, nahmen Vertreter aller zuständigen Behörden teil. Die Aussprache nahm einen lebhaften Verlauf, Beschlüsse wurden jedoch nicht gefaßt. Man tam vielmehr überein, die Beschlußfaffung auf eine zweite Sigung zu verschieben, die in kürzester Zeit stattfinden dürfte, da von allen Anwesenden eine rasche Erledigung dieser Frage betont wurde. Jedenfalls bewies die Diskussion schon in der gestrigen Sizung, daß aller Wahrscheinlichkeit nach der Forderung des Reichstohlentommissars auf eine starte Drosselung des Lichtver­brauches in Berlin   und auf eine damit zusammenhängende Ber­fürzung der Polizeistunde man spricht von 11 Uhr nachts- stattgegeben werden dürfte.

Das schlechte Brot

Die Klagen über die schlechte, ja geradezu gesundheits­Schädliche Beschaffenheit des Brotes mehren sich von Tag zu Tag. Die Magenerkrankungen haben gegenwärtig wieder zugenommen, wobei sich die Beobachtung ergeben hat, daß besonders die aus der Sommerfrische zurückgekehrten Groß- Berliner von diesen Er­franfungen befallen werden. Wohl mit Recht führen die Sommer­frischler, die fern von Berlin   sich wochenlang an ganz erheblich befferem Brot oder gar Landbrot", d. h. aus reinem Mehl her­gestelltem Brote erfreuen durften, die Magenverstimmungen und ähnlichen Krankheitserscheinungen auf die schlechte Beschaffenheit des Brotes zurüd, das wir Groß- Berliner nun schon so lange erhalten. Auch die Bädermeister haben schon immer lebhaft Klage darüber geführt, daß es ihnen einfach nicht möglich ist, ein nur einigermaßen gutes Brot herzustellen, da fie zum Teil nicht ein mal ganz einwandfreies Mehl erhalten und da sie zu viel Stred mittel aller Art zu verbaden gezwungen sind. Die Gerechtigkeit aber erheischt, festzustellen, daß die Groß- Berliner Gemeinden leider fich in einer Zwangslage befinden und nicht in der Lage find, die Bäckermeister reichlicher mit Mehl oder auch nur besse rem Mehl zu beliefern. Die Gerüchte, die im Publikum verbreitet werden, die Gemeinden verfügten wohl über größere Bestände an Roggenmehl, hielten sie aber zurück und beliefertn die Bäder­meifter mit Maismehl, Bohnenmehl, Haferfloden bsw., um die großen Mengen derartiger Nahrungsmittel, die von der Bevölke= rung nicht abgenommen würden, los zu werden, entbehren nach unseren Ermittelungen jeder Grundlage. Mehlbestände, die für eine Verbesserung des Brotes irgendwie in Betracht kommen fönn­ten, sind nicht vorhanden. Die Gemeinden sind gezwungen, in

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Die schwere Stunde

08.0

Roman

DON

Bictor Panin

Beilage zur Freiheit"

hohem Maße Streckungsmittel für die Brotherstellung verwenden zu lassen. In Berlin   werden etwa 50 Prozent derartiger Ersatz­stoffe verbaden, in Charlottenburg   ungefähr 25 Prozent.

Die Aussichten für eine Verbesserung des Brotes find nicht be­sonders günstig; irgendwelche Hoffnungen lassen sich zur Zeit jeden falls nicht erweden. Die Getreideernte darf zwar als günstig bezeichnet werden, doch hängt alles ja von der Ablieferung jeitens der Landwirte ab. Bei dem immer mehr sich steigernden Abnei­gung gegen die Zwangswirtschaft und vor allem der in der Tat außerordentlich großen Not an Futtermitteln, muß damit gerech­net werden, daß seitens der Landwirte Getreide in größerem Um­fange zur Verfütterung verwendet werden wird. Es wird daher, um eine ausreichende Versorgung der Städte mit Mehl herbeizu­führen, erforderlich sein, daß die Regierungsbehörden auf eine restlose Ablieferung seitens der Landwirte energisch hinwirken.

Die Aufbauschieber

Unsere geftrige Notiz unter derselben Spigmarke, die den Zwed verfolgte, etwas Licht in das Dunkel der Millionenschiebunger: einiger Herren des Schwindelunternehmens 3wedverband Ober­Schlesien zu bringen, hatte die beabsichtigte Wirkung. Es tann heute festgestellt werden, daß Leute, darunter Offiziere, be­reits vorbestraft wegen Schwindeleien, entmün= bigt wegen Berschwendungssucht, bei der Gründung ihrer Unternehmungen es verstanden haben, sich der Mitarbeit von Männern zu versichern, deren matellofer Name die Attrappe bilden sollten, hinter der sie desto ungestörter sich die Taschen füllen konnten. Mißbraucht wurden u. a. die Namen von Artur 3idler, der im Sinne sozialistischer Bergarbeitersiedlung in Oberschlesien   tätig war. Sein Gehalt betrug pro Monat 1000 M. Mangel an persönlichem Mut in seiner Gegnerschaft gegen Mili­tarismus und Imperialismus tann 3idler nicht vorgeworfen werden. Opfer der Schwindler, deren Entlarnung und Festnahme hoffentlich nicht mehr lange auf sich warten lassen, wurden aufer­dem eine ganze Anzahl z. betannter Persönlichkeiten. Diese Leute arbeiteten in der Aufbauzentrale in gutem Glauben und im Interesse von Siedlungsunternehmen. Schon dieser Männe: wegen, deren Namen mit einem sehr zweifelhaften Unternehmen in Verbindung gebracht wurden, ist ein energisches Zufassen von feiten der Staatsanwaltschaft notwendig. Sollte dies der Staats­anwaltschaft gar zu schwer fallen, dann wird es unsere Pflicht sein, erneut zu der Angelegenheit Stellung zu nehmen.

Freitag, 13. August 1920

Erwerbslejenfürsorge und Invalidenrentner. Durch die Presse gegen Nachrichten, daß Invalidenrentner, weil mehr als 66% Proz­arbeitsunfähig, als nicht arbeitsfähig angesehen werden lönnen. Es gibt Invalidenrentner, die Arbeit bis in die letzte Zeit ge­leistet haben. Auch diese bleiben, wenn sie arbeitslos werden, von der Erwerbslosenfürsorge ausgeschlossen. Einen Unterſtügungs­antrag zu stellen ist vollkommen zwecklos. Um die Härte, die in Dieser Borschrift liegt, zu mildern, soll die Ehefrau, falls sie er­werbslos ist und Bedürftigkeit vorliegt, einen Antrag auf Unter­ftügung stellen. Auf diese Weise ist es möglich, die wirklich trost: Jose Lage dieser Bedauernswerten etwas zu mildern.

Die Berliner   Kinder in Ostpreußen   außer Gefahr. Nach den beim Jugendpflegeamt der Stadt Berlin   vorliegenden Nachrich ten, sind die in den ostpreußischen Grenzbezirken auf dem Lande zur Erholung gebrachten Kinder außerhalb jeder Gefahr. Grenz verlegungen sind nicht vorgekommen. Bei der deutschen   Grenz­bevölkerung selbst ist keine Unruhe vorhanden.

Auf

Köllnische Heide. Wie bereits furz mitgeteilt, wird am Mon­tag, den 16. d. M., an der Bahnstrecke Reutöln- Baumschulen­weg, eine neue Borortstation Köllnische Heide als Bahnhof vierter Klasse eröffnet. Da die Züge, die zunächst an dieser Station halten, feine Badwagen führen, so wird nur der Bersonenverkehr eröffnet, während die Beförderung von Gepäd und Expreßgut vorder Hand von diesem Bahnhof noch nicht stattfindet. dem neuen Bahnhof werden alle diejenigen Züge halten, die vom Südring( Friedenau  -, Wilmersdorf   bzw. Hermannstraße) nach und von Grünau verkehren. In der Hauptsache handelt es sich hierbei um solche Züge, die ausschließlich dem Berufsverfchr die­nen, also in der Zeit zwischen 6 und 9 Uhr vormittags und 2 und 4 Uhr nachmittags gefahren werden. Besonders bequeme Fahra verbindungen erschließen sich von dem neuen Bahnhof nach Grünau einerseits und den Borortstationen des Südringes andererseits. Die schon vor einigen Jahren fertiggestellte Vorortstation, die des Krieges wegen nicht eröffnet worden ist, wird nunmehr dem Verkehr übergeben.

Torf statt Kohlen. Der Wilmersdorfer   Magistrat hat in Vore aussetzung, daß auch im kommenden Winter mit einem fühlbaren Kohlenmangel zu rechnen sein wird, schon vor längerer Zeit einen erheblichen Betrag zum Ankauf von Torf bewilligt. Diese Torfs antäufe find jekt bewerkstelligt worden. Gleichzeitig wurde bes schlossen, zur Lagerung des Torfes auf sechs Wilmersdorfer   städtis schen Grundstüden größere Lagerschuppen zu errichten. Die Ans ficht, ob Torf in den Berliner   Defen gebrannt werden kann, gehen auseinander. Ein Austausch der Erfahrungen darüber läge daher im öffentlichen Interesse.

Die Elettrisierung der Berliner   Stadts, Ring- und Vororts bahnen, zu der die Vorarbeiten nunmehr beendet sind und mit deren Durchführung auf den beiden Nordbahnstrecken Berlin­Hermsdorf und Berlin  - Bernau   demnächst begonnen werden soll, hat vielfach die Meinung aufkommen lassen, daß durch die Ein­führung der elektrischen Zugförderung eine bessere Bedienung der Streden, beschleunigter Zugverkehr usw. Plaz greifen würde. Diese Vorteile werden durch die Elektrisierung nicht erzielt. Vielmehr werden die Züge mit der bisherigen Geschwindigkeit und in den gleichen Abständen einander folgen. Sie werden voraussichtlich nicht ganz so lang sein wie die mit Dampflokomotiven geförderten Züge. Die Vorteile der Einführung des elektrischen Zugbetriebes werden vielmehr auf allgemein- wirtschaftlichem Gebiete liegen. Jede einzelne Lokomotive stellt eine Zentrale im Kleinen dar, bie durch die vielen Wärmeverluste sehr unwirtschaftlich arbeitet. Der Ersatz dieser vielen fleinen 3entralen, bei denen die Arbeits­

Die unhaltbaren Zustände in unseren Wohnungsbehörden wer­den grell beleuchtet durch die Erlebnisse eines Herrn, der seit Januar d. J. einen schweren und gerechten Kampf um eine Woh nung im Haufe Tile- Wardenberg Str. 26, zu führen hat. Durch Einweisungsschein der Wohnungsinspektion 2 und durch Verfügung des Amtsgerichts, wurde dieser Herr in die Wohnung einge= wiesen. Einige Leute jedoch, die gute Verbindungen in der Woh­nungsdirektion haben, erwirften eine einstweilige Aufhebung der zwangsweisen Einweisung, und suchten durch Antauf des Hauses und andere Schiebungen, die Wohnung an sich zu bringen, ob­wohl sie in die Liste der Wohnungssuchenden nicht eingetragen waren. Der Mann, der nun auf Grund der Verfügungen zweier Behörden, das Zimmer aufgab, daß er mit seiner Frau bewohnte, liegt nun auf der Straße und muß für Sotelwohnungen unge­heure Gelder ausgeben, weil es bestimmte Grundsätze, nach denen die verschiedenen Behörden ihre Entscheidungen fälien, augen­scheinlich nicht gibt. Es ist dringend notwendig, unter diesem Bureautratenwust gründlich aufzuräumen. Einzelne dieser Inleistung in feinem Berhältnis zu den aufgewendeten Kohlen steht, stanzen scheinen nur mehr da zu sein, die Erlangung einer Woh­nung nicht zu erleichtern, sondern zu verhindern. Sie wirken scha­digend für die Allgemeinheit, da die ungeheuren Kosten all die ser Aemter und Institutionen nun noch vermehrt werden, durch eine schwere Schädigung einzelner Wohnungssuchender, die zweifel­los aus öffentlichen Geldern gutgemacht werden muß.

Für werdende Mütter. In der Zeit des recht fühlbaren Mangels an Heizungs- und Beleuchtungsmaterial ist es notwendig, daß werdende Mütter auf folgendes aufmerksam gemacht werden: 1. Vor der Geburt eines Kindes wird in der Kohlen- Verteilungs­3eniner Kohlen erteilt. 2. Nach erfolgter Geburt erhält man stelle", Roßstr. 27-28, eine Bescheinigung zum Bezug von drei auf Grund der vom Standesamt ausgestellten Geburtsurkunde bei der Kohlen- Verteilungsstelle" des betreffenden Bezirks, in dem man wohnt, eine Bezugstarte von weiteren fünf 3entner Kohlen. 3. Bei der Brotkommission erhält man nach der Ge­Magistrat, Abt.   für Beleuchtung, Spandauer Sir. 17, erhält man burt Spiritusfarten auf besonderen Antrag. 4. Beim vor der Geburt Petroleumfarten. Die Verteilung erscheint uns, nach Zuschriften zu urteilen, etwas willfürlich. Außerdem wäre darauf hinzuweisen, daß auf den Fürsorgestellen, wohin sich die Frauen erst mit dem neugeborenen Rinde zu begeben pflegen, angeschlagen ist, daß werdenden Müttern in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft eine 3 usazbrotkarte zusteht. Da dies vorher meist unbekannt ist, auch bei dem zusenden der Karten von der Zentralstelle für Krantenernährung, Abt für werdende Mütter, nicht berücksichtigt wird, sind die Frauen beim Erscheinen auf den Fürsorgestellen mit recht darüber sehr empört.

,, Und was denkst du darüber, Rothaariger?" fragte er seinen Kollegen, vor ihm stehen bleibend.

Dieser sentte seine verblichenen Augen, zuckte unschlüssig mit den Achseln.

Ja, es ist eine schlimme Sache, sehr schlimm! Ich weiß einfach nicht, was ich dir sagen soll, Kolja! Auf diese Art ist es schlecht und auf eine andere Art ist es auch nicht besser... Ich hörte aufmerksam zu, aber sein Kollege wollte ihn meh- der Kommissar, der die Gefängnisse und die Arretierten unter Vielleicht könntest du persönlich zu Saschkin gehen, das ist

Fast in einem Atemzuge spricht Nikitin diese lange Tirade.

rere Male unterbrechen. Aber Nikitin gab nicht nach und rief in energischem Tone: schweigen!- Als er geendigt hatte, sagte er wie nach einer Anstrengung nach Atem ringend: ,, Run hast du begriffen, mein Lieber?"

Ja, was ist denn da zu verstehen," mischte sich sein Kollege böse ein, biefe ganze Predigt hättest du uns auch ersparen fönnen! Durch die Erklärung der Gründe wird dem Uebel nicht abgeholfen! Tatsache ist, daß Gewalt, Blut und Mord existieren, und fie müßten nicht vorgekommen sein. Ich würde mit dir vor der Erhabenheit des russischen Volkes in Ent­üden geraten, wenn ihm troz seiner Einschüchterung, trok feiner Finsternis jegliches böse Gefühl von Rachsucht fern­liegen würde!"

Eeh! du Rothaariger, ich sehe, du erwartest Wunder auf dieser Welt! Woher und weshalb sollte denn das russische Bolt so sein? Es sind ja Menschen aus Fleisch und Blut. Du willst, daß sie plötzlich zu einer Art von Heiligen werden!" Ich merkte, daß dies der wunde Punkt zwischen den beiden Kollegen war, daß sie gewiß schon früher viel über diese Frage gestritten hatten; um zu vermeiden, daß der Streit von neuem entbrannte, erick Nikitins Sand, drückte sie fest, wie um feine Aufmerijareit auf mich zu lenken und sagte möglichst

meich:

Das ist ja alles gut und schön, man kann sich mit dir voll­tommen einverstanden erklären, und doch gibt es genug Grund, um in der Seele zu leiden. Aber du bist ganz abge­schweift, du hast meine Bitte vergessen, was soll ich mit meinen Junkern tun?"

,, Ach ja, du hast recht, ich habe das ganz vergelfen!" Sein Gesicht verfinsterte fich; mit seinen Fingern ferich er feine langen Scare zurüd, die ihm fortwährend in die Stirne fielen; er schritt einige Male im 3immer auf und ab.

sich hat, aber... ich warne dich, bereite dich ordentlich vor, damit du nicht ausschlägst... es ist ein rauher Mann. Er denkt nur daran, zu stechen, außer Fassung zu bringen, zu schneiden! Mit einem Wort- ein Robespierre russischer Aus: gabe! Aber du mußt dich zusammennehmen, mein Lieber, wenn du ihn ärgerst, so wird es ja deinen Junkern nur um so schlimmer ergehen... Ich will nicht behaupten, daß es zu einem befriedigenden Resultate führen wird, aber ich

würde dir doch raten, es zu versuchen. Der Versuch kostet ja nichts und vielleicht wird er dir einen praktischen Rat er­teilen tönnen."

Als ich zum Abschied Nikitins Kollegen die Hand entgegen­streďte, erhob sich dieser von seinem Blage und sprach, ohne meine Hand loszulassen, mit einer so festen Stimme, wie sie bei einem schläfrigen Menschen, wie er, schwer zu erwarten war. Mir kam es sogar vor, als leuchteten in seinen ver­blichenen Augen einen Augenblick helle Funken auf.

,, Sie waren ja das Gewissen aller, deshalb werde ich Ihnen bie Revolution hätte als eine reine, einheitliche auf Erden sagen, und sie bewegt sich doch... Nititin hat nicht recht, wandeln sollen, einer Chimäre, einem Traum gleich, der in hätten diesen schneeweißen Traum nicht beflecken dürfen. ein weißes Gewand gehüllt ist; Schmutz, Gewalttat, Mord ja auch die Erde von Engeln bewohnt sein, und Engel brauchen Eeh, mein Lieber," unterbrach ihn Nititin, dann müßte feine Revolution! Die Revolutionen existieren, weil die Erde mit Teufeln bevölkert ist, verstehst du, und die Revolution aus ihnen Engel machen will!... Wo man aber mit Teufeln zu tun hat, da gibt es feinen Parbon!"

Trotzdem brüldte ich mehrere Male feft die Sanb des tot haarigen Menschen und dachte mir beim Sinausgehen: welch ein merkwürdiger Menich!

Mifitin begleitete mich. Sobald wir in den Korridor traten,

durch eine einzige große Zentrale bietet an sich schon erhebliche Borteile. Diese Borteile werden noch dadurch vergrößert, daß die große Zentrale imstande ist, vielerlei Nevenprodukte der Stein, Brauntohle und des Torfes zu gewinnen, die bei den Dampfloko­motiven als Rauchgase durch den Schornstein abziehen und ver loren gehen. Daneben bietet auch der elektrische Betrieb noch eine Ersparnis an Arbeitsträften, da auf der Lokomotive Führer und Heizer sein müssen, während der elektrische Zug nur einen Mann Bedienung im Führerstand erfordert. Allein die Ersparnis an der heute für Deutschland   so foftbaren Kohle haben die Eisen­bahnverwaltung veranlaßt, die Elettrisierung der Bahnen so schnell wie möglich durchzuführen. Die Frage der Beschleunigung des Zugbetriebes, die schnellere Zugfolge tommen erst in zweiter Linie in Frage. Die Umwandlung des Dampfbetriebes in den elef trischen hat aber noch einige andere nicht zu unterschätzende Vor­züge. Neben der einzuführenden elektrischen Zugbeleuchtung wer den diese Züge wohl die ersten Borortzüge sein, die wieder geheizt werden, da auch die Seizung auf elettrischem Wege erfolgen soll. Endlich wird auch die Vereinfachung der Klassen hierbei durch geführt; es soll in den neuen elektrischen Zügen nur noch eine Klaffe, die dritte Wagentlasse geführt werden. Nicht unerwähnt soll noch ein besonderer Nachteil bleiben, der sich durch die elet­trische Zugförderung auf der Strecke Berlin  - Oranienburg   einstellen wird. Der elektrische Zugbetrieb soll nur bis Hermsdorf   durch­geführt werden. Die Strede Hermsdorf- Oranienburg wird weiter mit Dampflokomotiven betrieben werden. Während jetzt die Rei senden der Strede Hermsdorf- Oranienburg mit dem gleichen Zuge nach Berlin   durchfahren, müffen sie bei erfolgter Elektrisierung in

ertönten plöglich, wahrscheinlich aus einem der Rebenzimmer, dessen Türe offen stand, die Worte:

Oljka, du Aas, Oljka, du jungfräuliches Aas, gehorche mir, hörst du wohl?" und eine betrunkene Stimme frächzte, so daß man weiter nur mit Mühe die Worte verstehen konnte: sonst... bringe ich dich um

..., و

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Geh weg... quäl mich nicht..." ertönte müde und grobem, schallenden Gelächter wahrscheinlich der anderen An­besonders hilflos eine weibliche Stimme zur Antwort, sich mit

wesenden vermischend.

Ich zudte zusammen. Plötzlich schien es mir, daß ich diese Frauenstimme schon einmal gehört haben müsse. Bemerkend, daß ich aufmerksam aufhorchte, erklärte Nititin mir gleich. gültig:

Die

Laß das, es wird wohi Oljka, die jungfräuliche sein, eine Schlumpe,... man sagt, sie gibt sich jedem hin, fafelt aber die ganze Zeit von einer Jungfräulichkeit. Das ist auch eine rein russische Erscheinung, eine Art Fanatismus. Predigt, daß die Menschen kein Glück finden werden, bis sich nicht die Jungfräulichkeit auf Erden eingebürgert hat... Ich denke, daß sie ein wenig frank ist, es fehlt ihr etwas... Es wird wohl eine Närrische sein, oder ein unglückliche Liebe spielt da eine Rolle..."

In diesem Augenblide traten wir an die Türe des 3immers von wo der Lärm erschallte. In einem ziemlich geräumigen Zimmer saßen vier Männer an verschiedenen Tischen, währent der Betrunkene, ein hoher, fräftig gebauter Kerl, danac trachtete, eine magere, schlanke Frau zu umarmen. Diese ent wand sich ihm, ohne nachzugeben, stieß ihn vor die Brust. Bei unserem Erscheinen in der Türe hielt der Kampf einen Augenblid inne und merkwürdigerweise erfaßte mich dieselbe unerklärliche Aufregung, wie damals auf dem Balle, wie vor einigen Tagen auf der Straße. Ich fühlte, daß ich am ganzen Leibe zittere, ich fühlte, daß ich fallen fönnte, und um dies zu vermeiden, lehnte ich mich mit dem Rüden an den halbgeöff neten Türflügel. Jah fühlte, daß mich eine äußere Macht vor allen Seiten umfaßte, und mich im Stumwind wirbelnd, um werfen und zu Boden schleudern wollte. Ich besize sons foviet Selbstbeherrschung, in diesem Augenblide aber fajien es mir, bak ich jegliches Gelbstbewußtsein verlor und blind. lings der Macht feindlicher Gefühle preisgegeben war. ( Fortsetzung folgt.)