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Von der Würde der Demokratie.

Der würdevolle Mensch versucht Inhalt und Form feines Lebens bewußt zu gestalten. Einflüffen, die ihn aus der Bahn feiner Wahl und feiner Erfenatis drängen, setzt er Widerstand entgegen. Jim Ringen mit diesen Einflüssen von Sieg zu Sieg zu schreiten, ist ihm der innere Wert des Lebens. Darauf beruht sein stolzes Gefühl der Menschen würde. Er läßt sich nicht treiben wie ein Stück Holz, das ziel und plantos von den Wellen des Flusses getragen wird. Er will handelnd fein eigenes Geschid bestimmen.

Er weiß, daß sein Geschick eng verknüpft ist mit dem feiner Mit­menschen. Es weiß, daß er seinen Willen zu sinnvoller Gestaltung des Lebens vereinen muß mit dem gleichen Willen der anderen Men­fchen, wenn er Entscheidendes erreichen will.

Diese Notwendigkeit hat die Erkenntnis des Lebens auch in das Bewußtsein der Frauen gehämmert. Ihnen war es versagt, mit voller Kraft an der Schaffung planmäßiger Lebensformen mitzu wirken. Seit einigen Jahren haben sie die gleichen Rechte wie die

Männer.

Seit der gleichen Zeit hat das deutsche   Volk sein Geschick felbst in die Hand genommen. Es hat sich eine demokratische Bere fassung gegeben und sich damit das Recht genommen, vollkommen felbständig zu bestimmen, wie es die menschlichen Beziehungen im Inland und die deutschen Beziehungen zum Ausland gestalten will. Die schwere Not unferes Bateríandes, die seit vielen Jahren alle politischen Handlungen des deutschen Boltes beftinunt, hat ein ruhiges Bewußtsein von der Würde, die in dieser demokrati­fchen Staatsform fiegt, noch nicht auffommen laffen. Die Not läßt viele deutsche Staatsbürger verzweifelt nach Auswegen fuchen.

Heute sind es viele, die glauben, daß die Demokratie, daß unser Selbstbestimmungsrecht uns nicht den rechten Weg führen kann. Eie erwarten eine Besserung unserer Lage von der Diktatur. Sie wollen die Leitung der deutschen Politik nicht in der Hand einer vom Willen der Allgemeinheit getragenen verfassungsmäßigen Re­gierung fehen. Sie wollen die Vereinigung aller politischen Macht in der Hand eines einzelnen Menschen oder eines Direktoriums, dem das Recht zustehen foll, feinen Willen in die Tat umzusetzen, auch wenn die große Mehrheit des Volkes entgegengesetzter Meinung ist. Niemand würde in feinem Privatleben einem anderen Menschen eine solche Macht über fid) einräumen- auch nicht in der verzweifelt sten Situation. Im Leben des deutschen Boltes gewann der Glaube Anhänger, daß ein Diftator den Ausweg zeigen könne. Was der vereinten Kraft und Erkenntnis von Millionen Männern und Frauen nicht gelingen foll, das erwarten die Anhänger der Diktatur von dem einen Menschen, dem sie die Vollmacht geben wollen, das deutsche Gefchick nach seinem Willen zu lenken.

Rechts- und lintsradikale Parteien erstreben die Diftatur. Um ihren Glauben an die Werbekraft der tragenden Ideen ihrer Bolitik muß es fümmerlich bestellt fein, wenn fie von vornherein darauf verzichten, um die Zustimmung der Mehrheit des Boltes zu ringen. In einem Bolt, das sich der Würde seines politischen Gelbstbe­stimmungsrechts bewußt wurde, darf der Gedanke, sich diefes Rechtes au entäußern, feinen Raum finden. Es wird notwendig fein, daß wir trotz aller drängenden Forderungen des Tages das stolze Gefühl niemals in uns verklingen lassen, daß wir unser Schicksal selbst meistern können. Jedes Bolt hat die Regierung, die es verdient, und es hat die Fehler wieder gut zu machen oder thre Folgen zu tragen, die es seine Regierung machen ließ.

leber unser Selbstbestimmungsrecht werden besonders wir Frauen aufmerksam zu wachen haben. Wir sind erst vor wenigen Jahren aus dem Dämmerschatten herausgetreten, in den uns unfere politische Rechtlosigkeit gedrängt hatte. Wir wollen nicht wieder Amboß   werden, sondern zu unserem Teile mit hämmern an der Ge­stattung eines neuen, besseren Deutschlands  . A. G.  

Der Leidensweg der Frau.

,, Bernunft wird Unsinn, Wohltat Plage". Wie paßt doch dieses Dichterwort auf das Lebensschicksal so mancher Frau. Der Born höchfter Freude und höchsten Lebensglücks, die Mutterschaft, wird zur Quelle unerhörten Leibes, langsamen Siechtums und schmerzvollen Todes. Der berühmte Frauenarzt, Prof. Dr. Bumm, entrofft in der Münchener Medizinischen Wochenschrift" ein Bild, das zur vernich tenden Anklage gegen die bestehenden sozialen Berhältnisse und im speziellen gegen das heutige Strafgesetzbuch wird. Er erzählt da, daß in der Berliner   Universitätsfrauenklinik viel mehr Aborte als Ges burten am normalen Ende vorkommen. Es sind 15 bis 20, manch mal auch 30 Frauen täglich, die mit beginnender und vollendeter Fehlgeburt die Klinik aufsuchen. Sie müssen direkt anstehen, um Hilfe zu erlangen. Auch die Hebammen tingen, daß sie viel mehr Aborte als Geburten zu fehen bekommen. 90 Proz. dieser Aborte find fünftlich herbeigeführt, 85 Proz. der Frauen find verheiratet. Das Motiv ist bei fast allen die Not! Bald wird mehr die Schwierigkeit der Wohnungsverhältnisse, bald die Ernährung und das Fehlen aller Mittel zur Aufzucht betont. Man

braucht die Frauen nur anzusehen, um überzeugt zu sein, daß sie die Wahrgeit fprechen. Die Wohnungsverhältnisse sind derart, daß weder richtige Liegegelegenheit, noch warmes Waffer, Wäsche, Seife vorhanden ist, mit einem Worte, alles fehlt, was für Geburt und Wochenbett nötig ift. So wird man mit 10 Broz. Erfrankungen, die allgemeine Sterblichkeit wird nicht viel weniger als 1 Broz. betragen. die Frau wochenlang ans Bett fesselt, rechnen müssen. Auch die mit einer Steigerung der Aborte mit 40 Proz. der Schwan gerschaften würde das 75 000 Krante und 7500 Tote jährlich ergeben". So der Arzt. Was meint aber der Jurist dazu, das Straf­gesehbuch? Es verbietet die Anpreisung von Mitteln gegen die Empfängnis und treibt so die Frau zur Abtreibung. Es bestraft die Abtreibung und jagt die Frau zur Kindestötung. Es fühni" die Rindestötung und peitscht sie in den Selbstmord. Einige Beispiele statt vieler: Immer wieder werden Frauen bestraft, weil sie die Frucht abgetrieben haben, Hebammen, weil sie durch ihre ungefehz­Anklage gestellt, weil sie gegen den§ 218 des StrGB. verstoßen haben. lichen Eingriffe den Tod ihrer Patienten verursacht, Aerzte unter Erst vor furzem durcheilte die Presse der Fall des Apothekers, der 400 Frauen genannt hat, denen er zur Entfernung der Leibesfrucht verholfen hatte.

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Dann die andere Gruppe von Tatsachen: Eine Mutter bringt ihr Siebenmonatsfind zur Welt, läßt es verhungern und wird mit einem Jahr Gefängnis ohne Bewährungsfrist bestraft. Nun ist sie von neuem fchwanger. Eine andere: sie ertränkt ihr Kind im Klosett, aus Furcht, ihre Stellung zu verlieren zwei Jahre Ge­fängnis ohne Bewährungsfrist. Eine dritte: fie verbrennt ihr Kind. und wird dafür zum Tode verurteilt. Das Mittelalter scheint er Eine Mutter begeht da in ihrer Berzweiflung die unmenschliche Tat standen, doch die Straffammer selbst geht um Gnade an. Eine vierte erspart den Richtern das Urteil: fie geht freiwillig aus dem Leben, nimmt ihre beiden Kinder mit, sie hat ihr Neugeborenes ver­brannt und fürchtet sich vor der Strafe.

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Bald fischt man ein Neugeborenes aus dem Wasser, bald findet man es ausgefeht in einem Hausflur, bald spielen Kinder Ball mit einem Paket, das, von den Fußstößen aufgerissen, eine Kindesleiche offenbart. Was aber tun, wenn die Mutterinstinkte sich gegen die Lötung aufbäumen? Da läßt man das Kind im Hausflur liegen und lauert an der Straßenecke, ob nicht fremde Leute es aufheben würden; da bittet man eine gutgekleidete unbekannte Dame, für einen Augenblick ein Bafet zu halten und entfernt fich; ble findet darin hinterher zu ihrem Erstaunen ein Neugeborenes und einen Bettel dazu:" Bitte, felen Sie mir nicht böse, ich kann das Kind nicht aufziehen." So flagen die nadien Tatsachen an und wie viel Leid bergen fie in fich. Man fann wohl fagen: Opfer fallen hier, Menschenopfer unerhört."

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Die Frau muß ihr Recht fordern. Ihr Recht, Mutter sein zu dürfen, und wenn sie es im Bewußtsein ihrer Mutter- und Erziehungspflichten nicht sein will, ihr Recht, Mutter nicht werden zu dürfen. Es muß gestattet sein, aus Gründen der fozialen Selbft erhaltung und Selbstbehauptung, im Interesse der Gesundheit der Frau und des Raffenaufstieges des Boltes denn, was fann das für ein Geschlecht werden, das unter der heutigen Not ausgetragen, geboren und großgezogen wird die weitefte Aufklärung über die unschädlichen und sicher wirkenden Mittel gegen die Empfängnis in die breitesten Maffen der Bevölkerung zu tragen. Die Gesetzes­paragraphen, die die Verbreitung von Mitteln gegen die Empfäng nis und die Abtreibung verbieten, find unfittlich; sie sind auch [ Innwidrig, weil sie die Bevölkerung doch nicht daran hindern, die Mittel zu brauchen und zur Abtreibung zu greifen; fie find grausam, weil sie dauerndes Siechtum und Lod der Opfer durch Kurpfuscher herbeiführen, Menschen- und Eheglüd zerstören. Der neue Reichstag wird dafür zu forgen haben, daß das verwirklicht wird, was schon felt fangem Aerzte und Strafrechtslehrer fordern. Aber die Frau muß dafür Sorge tragen, daß solch ein Reichstag austande tommt! Justus.

Wes ist der Erdenraum?

Wes ist der Erdenraum? Des Fleißigen. Wes ist die Herrschaft? Des Verständigen. Wes fei die Macht? Wir wünschen alle, nur des Gütigen, bes Milden.

Bach und Wut verzehrt sich selber.

Der Friedfelige bleibt und errettet.

Nur der Weifere soll unser Bormund sein.

Die Kette ziemt den Menschen nicht und minder noch das Schwert, Herder.

Worte für die Ewigkeit.

Für den Mann, ber im öffentlichen Leben mit einer Welt von Gegnern im Kampfe liegt, ist es nicht gleichgültig, wes Geistes Kind die Frau ist, die an feiner Seite steht. Je nachdent Bann fie eine Stüße und eine Förderin feiner Bestrebungen oder ein Bleigewicht und ein Hemmnis für ihn fein.

Aug. Bebel, Aus meinem Leben". Wer rückwärts sieht, gibt sich verloren; wer lebt und leben will, muß vorwärts fehen. Für alles Schöne, das vergeht, bleibt eine Welt von Schönheit, in die man eingehen kann.

Ricarda Huch  .