Geschichtsdarstellung für Mädchen.
Brofeffor Dr. Mathilde Baerting, deren wissenschaftliche Unteruchung über Frauenstaaten bei verschiedenen Völkern und zu ver. tiedenen Zeiten mit Recht Aussehen erregten, weist in einem luffatz der Schweizerischen Zeitschrift Schulreform" auf Aus. wirkungen der heutigen Methode des Geschichtsunterrichts auf die Mädchen hin, die ernsteste Beachtung gerade von feiten der für volle Gleichberechtigung fämpfenden Sozia hften verdienen.
Niemals zuvor find wir darauf aufmerffam gemacht worden, Daß der heutige Geschichtsunterricht auf die Mädchen tief ent
Stimmen auf 52,2 Broz. weiblicher( Stimmberechtigung: 46,1 Broz zu 53,9 Proz.).( Im Spandauer Bezirk hatte man auch die Ja und Neinstimmen nach Geschlechtern getrennt, wobei sich für die 4 Proz. der abgegebenen Reinstimmen bei den Männern 973 3,1 Proz. ergaben.) Stimmen, bei den Frauen 719
Trotzdem gerade das Unrecht der Fürstenabfindung in der Einfachheit seiner Problemstellung besonders viel Frauen an die Wahlurne getrieben hat, zeigt sich auch bei dieser Gelegenheit, daß das Frauenwahlrecht sich zu ungunsten derjenigen Parteien auswirkt, die es geschaffen haben.
mutigend wirkt, wirken muß. Beim Kozdulationsunterricht Das Ehescheidungsproblem im Roman.
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bemerkte ein Lehrer, daß die Knaben von den Heldentaten eines Cafar, eines Hannibal, eines Alexander, von den Leistungen eines Rapoleon und Bismard sich aufs höchste angeregt und begeistert zeigten, während die Mädchen fühl und unbeteiligt blieben. rfache liegt nicht etwa in einer größeren Passivität der weiblichen Natur, sondern in dem Umstand, daß alle diese weltgeschichtlichen Größen nicht allein männlichen Geschlechts sind, fondern den jungen Menschen als Jdealtypen der Männ lichkeit dargestellt werden. Jedem, auch dem unbegabtesten Knaben, ist es nicht verwehrt, sich mit dem Vorbild zu identifizieren und sich zur Nachahmung anfpornen zu lassen. Bei dem Mädchen, auch dem hochbegabtesten, dagegen würde eine gleiche Identifizierung und Erweckung des Nachahmungstriebes als eine unweibliche VerIrrung" empfunden werden. Diese Tendenz des herrschenden Gechlechtes, alles Große in der Geschichte als männlich abzuftempeln, geht soweit, daß man segar die wenigen großen Frauen, deren Spuren man nicht ganz hat verwischen fönnen, als von ,, männlichem Geist" beseelt, hinstellt. Auf keinen Fall sollen sie dem heranwachsenden Mädchen als Beispiel dienen; dessen Vorbild ist allein Die ewig gleiche, amorphe Masse der sich unterordnenden Durch Ichnittsfrau.
Da unser heutiger Geschichtsunterricht in erster Linie als Folge Der Klassen- und Geschlechtsvorherrschaft Personengeschichte t, find die tief entmutigenden Wirfungen auf die weibliche Jugend jeder psychologischen Betrachtung offenbar. Aber auch in der Gee Ichichte der Völker betrachtet sich der Mann allein als den traditionellen Träger aller Entwicklung; aus seiner Borherrchaftsstellung heraus hält er fest an der Auffassung, daß der Mann ie Geschichte zu machen, die Frau sie zu erleiden habe. Phasen des Mutterrechtes und des Frauenstaates, nicht nur der primitiven, sondern auch hochentwickelter Kulturvölfer werden ein fach übergangen. Um nur einige von Baerting angeführte Beispiele au nennen: Wer hat je in der Schule etwas von Frauenherrschaft in Sparta , in Athen , in Aegypten gehört, wer weiß etwas davon, daß Der Germane feine Frau zur Hochzeit Schwert, Schild und aufgezäumte Roffe fchenkte, daß die Römerinnen der Kaiserzeit sich voller juristischer Gleichberechtigung erfreuten, daß bei den Galliern die Frauen ihre Männer bei Händeln durch ihre Körperfraft schützten, daß die alten Briten weibliche Heerführer hatten, und eine von diesen den Römern die größte Niederlage bereitete, daß bei den Lyliern anter Frauenherrschaft die Männer We berarbeit" verrichteten . Herkules und Omphale ) usw. usw.? Ein Lehrer, der in einer Knabenfchule einmal die Frauenherrschaft in Aegypten behandelte, tieß auf Erstaunen und Widerwillen. Die gleichen Tatsachen hätten in einer Mädchenklaffe freudigste Aufmerksamkeit gefunden.
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Während also die Geschichte beim Knaben die Aktivität und den Nachahmungstrieb erregt, führt die Einseitigkeit und Unvollständigkeit des heutigen Geschichtsunterrichts, die Zureche nung bedeutender Frauen zum männlichen" Typ und die Aufstellung Der Durchschnittsfrau als weiblichen Idealtyp die Mädchen zu Baffivität und Resignation. Baerting fnüpft an ihre Betrachtungen den Vorschlag, unsere Geschichtsbücher, zumal die Kir Mädchenfchulen bestimmten, durch die Geschichte der Frauen Staaten und der Würdigung weiblicher Leistungen zu ergänzen und darüber hinaus zu erstreben, die Größe hervorragender Menschen von ihrem Gefchlecht zu lösen und sie der Jugend als ein ohne Unterschied des Geschlechts zu erstrebende rein menschlich Größe darzustellen.
5. 6.
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In der Zeitschrift Berliner Wirtschaftsbetriebe" findet sich eine Zusammenstellung über das Ergebnis des Boltsentscheides bei getrennter Abstimmung der Geschlechter. Wichtigste Zahlen dieser Unterfuchungen find die über das Berliner Gesamtergebnis. Es gab damals männliche Stimmberechtigte 1358 871 44,6 Proz., weibliche Stimmberechtigte 1 684 837: 55,4 Proz., davon wurden abgegeben: männliche Stimmen 912 694 48 Proz., weibliche Stimmen 990 523 52 Proz. on 100 ft immberechtigten Männern stimmten 67,2 Broz, von 100 ft immberech. tigten Frauen 58,8 Proz. In einzelnen Bezirken verursachte oh ihres jahlenmäßigen llebergewichts die größere Wahlmüdigkeit Der Frauen fogar ein leberwiegen der Männerstimmen, wie in Spandau , wo auf 51,4 Proz. Männerstimmen nur 48,6 Proz. auf Die Frauen entfielen. In Reinidendorf und Röpenid waren die entsprechenden Zahlen 50,3 und 49,7 Pro3. Die geringste Betelligung der Frauen ergibt sich in dem vornehmen Zehlendorf mit 48,6 Proz. männlicher Stimmen auf 51,4 Bro3. weiblicher Stimmen ( bel einer Stimmmberechtigung von 40,2 Proz. zu 59,8 Proz.!) und Sie größte im Arbeiterbezirk Wedding mit 47,8 Proz. männlicher
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Bei den Verhandlungen im Rechtsausschuß des Reichstages über die Reform der Chefcheidung wurde von rechtsstehender Seite der Einwand erhoben, daß die Frauen durch eine Erleichterung der Scheidung geschädigt würden. Von der sozialdemokratischen Abgeordneten Frau Dr. Stegmann wurde demgegenüber betont, daß gerade die Frauen eine Erleichterung der Scheidung fordern. Einen wertvollen Beitrag zur Forderung der Reform der Scheidungsbestimmungen, der auch für Deutschland gilt, bildet der letzte Band des jezt abgeschlossenen vorliegenden Romans„ Die For yte- Saga" des englischen Dichters Galsworthy , in dessen Mittelpunkt die Ehe und die Scheidung des Soames Forsyte und der Irene steht. Der Roman schildert in der.Familie Forsyte das befizende Bürgertum des 19. Jahrhunderts. In die durch die kapitaliftische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung gewährleistete Sicher heit des Besizes bricht die neue Zeit der Gegenwart ein mit ihren Erschütterungen, mit sozialistischen Forderungen im Interesse der Gemeinschaft, mit Prinzipien, die nicht den Besitz als erste Grundlage und letztes Ziel der Gesellschaft hinstellen. Der erste Teil des Werkes heißt A Man of Property"( Ein Mann von Besiz"). Dem Worte Property" haftet im Englischen der Begriff des privaten Eigentums an und zu diesem privaten Eigentum des Soames Forsyte gehört auch eine Frau Irene. Daß er dieses Eigentumsrecht rücksichtslos geltend macht, führt schließlich zur unwiderruflichen Zerstörung feiner Ehe. Irene, die vermögenslos ist und in unerfreulichen Berhältnissen lebt, hat den reichen Soames geheiratet, ohne ihn zu lieben. Der Mann ist leidenschaftlich in das ungewöhnlich schöne Mädchen ver liebt und drängt in sie, ihn zu heiraten. Sie gibt schließlich ihr Jawort gegen sein Versprechen, sie freizugeben, wenn fie fühlt, daß sie mit ihm nicht glücklich sein kann. Sie wird auch nicht glücklich mit ihm, und es besteht keinerlei Interessengemeinschaft zwischen ihnen. Da lernt sie den jungen Architekten Besinney tennen und lieben, wird von ihm wieder geliebt und verlangt von Soames thre Freigabe. Nun macht ihr Gatte brutal sein Besitzrecht am Körper feiner Frau geltend. Da geht Irene von ihm, nicht zu Befinney, der, als er von dem Geschehenen gehört hat, verwirrt blindlings in ein Auto hineingerannt ist und getötet wurde. Swölf Jahre lang lebt Irene einsam. Soames hat sich nicht von ihr scheiden lassen, ja, er verlangt sie schließlich zurück, da fle als noch nicht geschiedene Frau sein Eigentum geblieben ist. Vor allem will er von ihr einen Sohn haben, den Erben seines Namens und seines Befizzes. Er würde bei aller Leidenschaft, die ihn noch immer für Irene beherrscht, auch eine andere Frau heiraten, um sich den ersehnten Erben zu verschaffen, aber er hat jetzt feinen Scheidungsgrund mehr, da Irene einsam lebt und keinen Ehebruch begeht. Aus den zwölf Jahre zurückliegenden Beziehungen zu Besinnen hat Soames fein Klage recht mehr, weil er seinerzeit nicht geflagt hat. Nach dem Juristen deutsch würde man sagen, daß dieses Recht durch Berzeihung erlofchen ist, die in der Tatsache erblickt wird, daß die Klage nicht aus der Berfehlung erhoben wurde. Soames hat also immer noch das formale Recht, sein Recht auf Irenes Körper zu fordern. In Irene jedoch hat sich der Widerwille gegen ihren Gatten seit jener Ber gewaltigung ihres Leibes, zu der er berechtigt gewesen ist, so ge steigert, daß fie alles tun will, um die Scheidung zu ermöolichen. Sie wird die Beliebte von Jolyon Forsyte, dem Better thres Gatten und gibt Soames mit diesem Ehebruch den Scheidungsgrund. Es ist der gleiche Vorgang, wie wir ihn bei uns fennen. Da eine Scheidung nur auf Grund der Schuld des einen Teiles möglich ist, so muß diese Schuld geschaffen werden, entweder tatsächlich, wie in dem englischen Roman, oder sie wird vorgetäuscht, wie es bei uns häufig in Chefcheidungsprozessen vorkommt.
Soames heiratet nun eine Französin, die ihm nur eine Tochter schenft, Fleur"(„ Die Blume") genannt. Irene hat Jolyon ge Die beiden Kinder lernen heiratet und schenkt ihm einen Sohn. sich durch Zufall tennen und lieben und stehen, als fie die Geschichte ihrer Eltern erfahren, vor der Frage, ob sie einander angehören dürfen, oder sich aufgeben sollen. Jolyon stirbt, und sein Sohn Jon weiß, daß er durch seine Heirat mit Fleur das Leben seiner ein famen Mutter zerstören würde. Auf der anderen Seite fürchtet er, durch einen Verzicht das Leben des geliebten Mädchens zu zerstören. Die Mutter gibt dem Sohne die Entscheidung frei, und Fleur, die echte Tochter ihres Vaters, macht ein Besitzrecht en Jon geltend. Von diesem Besitzanspruch zurückgestoßen, entscheidet fich der Jüngling für die Trennung von Fleur und geht mit seiner Mutter ins Aus land. Soames aber lernt die Lehre, die er nie begreifen wollte, daß auch der reichste Mann sich und den Seinen nicht das Recht auf andere Menschen, das Recht auf Liebe, taufen fann. Im zweiten Teil des Romans, der den Untertitel Vor Gericht" führt, ist die eigentliche Geschichte der Scheidung mit den Advokatengepflogen. heiten und Kniffen behandelt. Auch dabei kann man an deutsche Erfahrungen denken.