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Die Gewiffensehe im Recht.

Im Strafrechtsausschuß des Reichstags wurde der sozialdemo­kratische Antrag, auch die in ehe ähnlichen Verhältnissen lebenden Personen unier die Verwandten und Verschwägerten" auf zunehmen, gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Kommu­niften abgelehnt. Was damit entschieden wurde, ist woht auch den meister der Betroffenen, selbst wenn sie zufälligerweise die Zeitungs­notiz gelesen haben, nicht recht zum Bewußtsein gekommen.

Wenn jemand ein ,, Verbrechen" begeht, um sich selbst oder An gehörige" zu schützen, dann geht er straffrei aus. Als Angehörige" gelten Eheleute und uneheliche Kinder, Schwiegereltern und finder, Stiefeltern und finder, Geschwister und deren Ehegatten und Ber­lobte, Pflegeeltern und deren Kinder. Man sieht, der Begriff der ,, Angehörigen  " ist ziemlich ausgedehnt, zu dem Begriff Verlobte", führt der Kommentar von Ebermayer ausdrücklich aus: Es kommt hier mehr auf das Vorhandensein des ernsten Willens zur Ehe­schließung, und nicht auf Form und Inhalt der Willenserklärung nach bürgerlichem Recht an." Also gelten hier 3. B. auch Minderjährige vor dem Strafrichter als Angehörige", felbst wenn sie zu dieser Verlobung nicht die Einwilligung ihrer gefeßlichen Vertreter haben. Die Angehörigen haben auch sonst im Strafrecht mannigfache Vor­rechte, z. B. das Recht, die Aussage zu verweigern; Diebstahl unter Angehörigen wird nur auf ausdrücklichen Anirag verfolgi; unter Eheleuten gibt es einen strafrechtlich verfolgbaren Diebstahl über­haupt nicht. Jedem Gerichtsberichterstatter sind daher Fälle be­fannt, in denen gerissene Gesezestenner" beiderlei Geschlechts sich als Verlobte des Zeugen oder des Angeklagten ausgeben; oft wird in Prozessen erbittert darum gerungen, ob jemand cis ,, Angehöriger  " zu gelten hat. Besonders in Prozessen wegen Zuhälterei oder Bei­hilfe zum Betrug wird von Zeuginnen oder Mitangeklagten mit Ein­willigung des Angeklagten oft die Eigenschaft des oder der Ver­lobten in Anspruch genommen.

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Nun soll das öffentliche Wergernis" noch mächtig ausgedehnt werden. In dem Entwurf des neuen Strafgefeges lautet der Artikel nämlich: ,, Wer öffentlich und unter Umständen, unter denen sein Berhalten geeignet ist, Aergernis zu erregen, eine unzüchtige Handlung vornimmt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." Man beachte: Hier wird nicht einmal vere langt, daß diese Handlung wirklich öffentlich Mergernis erregt; es genügt, daß fie nach dem Urteil des Richters geeignet ist, Merger nis zu erregen, und die Beurteilung der Umstände bleibt hier, wie man jetzt so hübsch sagt, dem freien richterlichen Ermessen über laffen"... wie in diefer Strafgefegreform so vieles andere. Diese Fassung kann für viele in freier Ehe verbundene Paare eine bitter­ernste Sache werden.

Wird man fie in einigermaßen aufgeklärten Gegenden noch leidlich ungefchoren laffen, so wäre sie auf Grund einer solchen Be ftimmung in Rammelsdorf und Tunienhausen noch mehr der Will­für amtlicher Organe ausgeliefert als bisher. Den Schaden davon werden die Frauen und Kinder haben.

R. E.

Bürgerliche Frauenkandidaturen.

Deutschnationalen Volkspartei  , der Deutschen Bolkspartei und der Der Bund Deutscher Frauenvereine hat den Parteileitungen der Demokratischen Partei die Namen von insgesamt 83 Frauen an gegeben, die bereit und nach Auffaffung der vorschlagenden Organis fationen auch zu dem Amt einer Reichstags- oder Landtagsabgeord neten befähigt fein würden. Der Vorschlag kommt gerade noch rechtzeitig vor der endgiltigen Aufstellung der Kandidatenliſten.

Besonders interessant wird es sein, die Wirkung an der Zentrumspartei   zu beobachten. Wie verschiedene Statistiken gezeigt haben, geht die Zahl der männlichen Zentrumswähler in einer Reihe von Wahlbezirken zurück, während die Zahl der weiblichen Zentrumswähler steigt, und die der Männer oft weit übertrifft. Es wäre also nicht unberechtigt, wenn die Zentrumswählerinnen auch eine größere Bahl von weiblichen Abgeordneten verlangten. Das Zentrum hat jetzt im Reichstag Anders ist aber das Bild, wenn weniger mit dem Strafrecht ver- 69 Abgeordnete, darunter sind nach dem Tode von Frau Dransfeld  traute Kreise in Betracht kommen. Da hilft es der Frau, die mit nur drei Frauen. Auf die Uebersendung der Eisenacher Res einem Zeugen jahrelang in freier Ehe gelebt hat, gar folution durch den Bund Deutscher Frauenvereine   hat die Geschäfts nichts, daß der Zeuge sie, die Mutter seines Kindes, sogar oft als stelle des Zentrums geantwortet, daß in feinen bisherigen Besprechun seine Frau" vorzustellen pflegte, daß sie jahrlang ihren eigenen Berrechtigten Wünsche der Frauen unter allen Umständen Berücksichti immer darauf Rücksicht genommen worden fei, daß die be dienst zum gemeinsamen Haushalt beisteuerte. darum kommt sie gung finden". Aber welche Wünsche sind ,, berechtigt"? doch unter Anklage wegen Diebstahls, als sie sich mit ihrem Ge­fährten entzweit. Er hatte sie wegen Diebstahls angezeigt, denn sie hat ihm einigemale Geld auf dem Jackett ,, entwendet"( Geld, das sie für die Wirtschaft und das Kind verbrauchte), und sie wird richtig auch zu der gefeßlichen Mindeststrafe, die in diesem Falle einige Mo­nate Gefängnis betrug, verurteilt. Und nach der oben angeführten Vorschrift darf zwar der Vater, um eine Lebensgefahr von seinem unehelichen Kinde abzuwenden, eine an sich strafbare Handlung straf los begehen aber nicht, wenn sich diese Gefahr auf die Mutter dieses Kindes bezieht, und wenn er auch schon jahrelang mit ihr zusammen lebt. Das sind für das normale Rechtsgefühl Absurdi­täten; darum wird es manchen Wunder nehmen, mit welcher Ent­schiedenheit im Strafrechtsausschuß der sozialdemokratische Antrag von allen bürgerlichen Parteien bekämpft wurde; besonders, ab­lehnend sprach sich der Berichterstatter Prof. Kahl aus: Es ginge doch nicht an, das Konkubinat noch durch besondere strafrechtliche Vergünstigungen anzuerkennen."

Auch sonst ist ja die Lage der freien Ehen recht unsicher. Da gibt es einen ergernisparagraphen( 183), der lautet: Wer durch eine unzüchtige Handlung öffentlich ergernis gibt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 100 000 Mart bestraft." Nun sollte man meinen, daß damit das bloße Zusammenleben zweier Menschen, die sich in Gegenwart ihrer wertgeschätzten Mitbürger sicher jeder im engsten Sinne geschlechtlichen Handlung enthalten haben, gar nicht gemeint sein könne... aber die Praxis sieht anders aus. Denn dieser öffentliche Mergernis paragraph ist die Schlinge, in der man die Kontubinatsfünder auch dann fängt, wenn das geltende Landrecht keine Handhabe dazu bietet. In einigen unserer geliebten Spezialvaterländer ist das freilich noch immer der Fall, fo in Württemberg  , Baden, Hessen   und natürlich in Bayern  . Da das geltende Strafrecht nicht ausdrücklich die Außer­Traftfegzung dieser zumeist aus vergangenen Jahrhunderten stammen­Den Bestimmungen aussprach, leben sie laut Reichsgerichtsurteil luftig fort. Interessant ist hier die Stellung des preußischen Landrechts. Es erflärt: Die Gewiensehe... ist ein Zusammenleben zweier Personen verschiedenen Geschlechts ohne Beobachtung der gefeßlichen Förmlichkeiten der Ehe, jedoch mit dem Willen und der Absicht, daß ein solches Zusammenleben eine Ehe sein solle. Eine folche abet tönnen nur souveräne Häupter schließen." Nun find wir ja inzwischen mehr oder weniger freiwillig Republikaner geworden, aber immer noch achtet man peinlich darauf, daß sich das Bolt ja nicht zuviel von den früheren Borrechten seiner Ehemaligen aneigne.

Luther- Stresemann.

Die Frau" äußert ihr Erstaunen darüber, daß der frühere Reichskanzler Dr. Luther seinen Aufruf zur Erneuerung Deutsch­ lands   von teiner Frau mitunterzeichnen ließ. Zwar zeige die Unterschriftenliste eine sehr einseitige Bevorzugung der wirtschaft lichen Kreise vor den fulturellen, aber sie enthalte doch wenigstens einige Namen aus dem deutschen   geistigen Leben. Nur keine Frauen. uns scheint, daß diese Tatsache nur angenehm empfunden werden fann. Wir sind zwar für die unbedingte Gleichberechtigung der Frauen, aber wir halten es nicht für nötig, daß die Frauen nun auch jeden Unfug mitmachen müssen.

Einer anderen Beschwerde der Frau" ist jedoch nur zuzu ftimmen. Sie bemängelt die Erklärung des deutschen   Außenministers gelegentlich einer Erörterung des Bölkerbundrates, daß er persönlich Die Bertretung eines Staats durch eine Frau in der Wirt schaftskommission des Völkerbundes nicht begrüßen würde. Herr Stresemann habe darauf hingewiesen, daß im beratenden Ausschuß der Kommission( der fein Stimmrecht hat) eine Frau fei; Frauen follten lieber auf die Ausschüsse verwiesen werden, in denen Wohl fahrtsfragen erörtert werden. Die Frau" weist mit Recht darauf hin, daß dadurch der Eindruck erweckt werden müsse, als ob in Deutschland   trop der Weimarer Verfassung   die Einschätzung der Frauen beim alten geblieben wäre. Selbstverständlich wird nicht gefordert, daß nun die Frauen um jeden Preis ohne Rücksicht auf ihre Fachkenntnisse in die Kommissionen des Völlerbundes gewählt werden müßten. Aber die Art, wie der Außenminister feine Ab­lehnung begründet, ist durchaus abwegig. Bei der Wahl der Kom missionsmitglieder sollen die Kenntnisse und Fähigkeiten maßgebend sein. Sind Frauen vorhanden, die das betreffende Gebiet beherrschen und diese Tatsache fann nicht beftritten werden, fo ist nicht einzusehen, warum nicht einer Frau ein solches Amt über­tragen werden sollte. Die Verweisung der Frau ausschließlich auf das Gebiet der Wohlfahrtspflege muß ebenso scharf bekämpft werden, wie die frühere Auffaffung, daß die Frau fich nur um Kirche, Kinder, Küche und Kleider zu bekümmern habe. Eine Auffassung ist fo reaktionär wie die andere und ist nicht mit der verfassungsmäßig zugeficherten Gleichberechtigung der Frau in Einklang zu bringen.

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Z. B.

Eine Zusammenkunft von zehn Bürgermeisterinnen fand fürzlich Miß Margaret Be a van statt. Bei der Begrüßung im Liver­in Liverpool   auf Einladung der dortigen Oberbürgermeisterin pooler Rathaus wies Miß Beavan darauf hin, daß diese erste Zu­sammenkunft von Bürgermeisterinnen einen historischen Augenblick darstelle.