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Ernst des Lebens hervorschaute. Der Mann, fanatischer Vegetarier, forderte von der Frau, daß sie nicht nur sich selbst, sondern auch das Kind vegetarif ernähre dieses schwache, elende Wurm, von dem Der Arzt gesagt hatte, daß es sterben müßte, wenn es nicht ge­nügend ernährt würde. Sie bat den Main  , er möge doch für das Rind eine Ausnahme machen. Sie steckte diesem heimlich den einen oder anderen Bissen zu. Wurde sie abe: dabei ertappt, so gab es böse Szenen. Die Mutter war voll Angst um ihr Kind. Der ständige Kampf mit dem Manne hatte sie seelisch und physisch ge­brochen. Schwere Nervenanfälle plagten sie. Und als ihr Mann fie eines Tages wieder ertappte, wie sie dem Kinde Verbotenes zu­steckte, gab es eine erneute Auseinandersetzung. Nachts öffnete sie

dann die Gashähne.

Propagandachef, sorgte für gute Kritifen und fragte in allen Modes geschäften nach Artikeln ,, à la Valérie". Napoleon  , dem sie das Buch dreimal in die Hände zu spielen mußte, erklärte aber nur ärgerlich, ,, dieser verrückten Krüdener den Rat zu geben, russisch oder deutsch  zu schreiben, damit er von derlei unerträglicher Literatur verschont bleibe".

Als in Livland   ein früherer Anbeter Julianens tot vor ihrem Fenster niederstürzte, begann ihre große Wandlung", d. h. sie ver legte mit dem Eintritte des Alters das Schwergewicht ihres Lebens in die überspannte Frömmigkeit, die ihr bisher nur dekorative Bose gewesen war. Sie fing an, die vollkommene und reine" Liebe zu Chriftus zu predigen, und geriet unter den Einfluß recht frag­würdiger Propheten, u. a. der Bäuerin Maria Kummer, einer ,, der verschmigtesten Gaunerinnen, die je die fromme Leichtgläubig­zweimal ein Gut in Süddeutschland   für ihre Selte, und ihr nimmer­teit ihrer Mitmenschen ausgebeutet haben". Die Krübener faufte

Das Gericht sprach die Angeklagte frei. Der Mann verfprah aber, Frau und eind nicht mehr mit seinem Fanatismus zu vermüder Ehrgeiz trieb fie, die Bekanntschaft des 3aren Alegan folgen.

Ein wichtiger Anlaß, eta fast lächerlicher Anlaß zum Selbst mord, eine Groteste märe man geneigt zu sagen, und doh hätte es eine Tragödie werben tonnen. So ist eben das Leben.

Wieviele Selbstmorde geschehen aber aus solchen nichtigen Anlässen, hinter denen tiefere Gründe liegen. Ein zufälliges Da­zwischentreten etnes Dritten Eltern und Kinder wären gerettet.

L. R.

Hinter den Kulissen der heiligen Allianz. Das franzöfifche Wort Cherchez la femme"( bas eftoa bedeutet: Dahinter steckt eine Frau") als Ausdruck für die treibende Kraft hinter den Entschlüssen politisch führender Männer, behält so lange feine Berechtigung, als man der politisch aktiven Frau nicht selbst ganz allgemein den ihr gebührenden Einfluß auf die Politik zugesteht. Juliane von Krüdener  , die indirekte Begründerin der nach den Napolennischen Kriegen von den Monarchen Rußlands  , Desterreichs und Preußens geschlossenen Heiligen Allianz  ", verdankte allerdings ihren Einfluß auf den zaren Alexander nicht, wie die Pompa bour, Doubarry usw., ihren damals verblühten weiblichen Reizen, sondern ihrer efftatischen, mystischen Frömmigkeit. Ihre Rolle in der großen Weltpolitik ist bezeichnend dafür, was für Ele­mente auf das persönliche Regiment des Monarchen einen bestimmen den Einfluß gewinnen fonnten, dern der Lebenslauf der Krüdener  erinnert trotz einiger Lichtpunkte allzu start an das derbe Wort von der jungen Hure, alten Betschmester". Die Heilige Allianz  ", bie Frucht ihres Seelenbundes mit dem empfindsamen zaren, die mit start an den heutigen Völkerbund erinnernden Gedankengängen' in die Geschichte eintrat, entartete bald zu einem Hort finsterer Reaktion und muffigster Frommelet.

Die 1764 zu Riga   als Tochter des reichen Staatsrates von Bietinghoff geborene Juliane wurde nach einer durch viele Reifen und wenig Unterricht angefüllten Mädchenzeit achtzehnjährig mit dem durch edle Gesinnung ausgezeigneten furländischen Minister von Krüdener vermählt, der menige Monate später als Gesandter nach Benedig, später nach Kopenhagen   und Berlin   versetzt wurde. Juliane, die durch Schönheit und Grazie Aufsehen erregte, tauchte unter im Strudel der Feste und der Bewunderung der Männerwelt. Die innere unwahrhaftigkeit ihrer eitlen Natur offen­barte sich schon damals: Während sie in der Theorie für das ländlich einfache Leben des Moderomans Paul und Birginie" schwärmte, verbrauchte sie in der Bragis in einem einzigen Viertel­jahr allein 20 000 Franken zur Bezahlung der Rechnung ihrer Mo­distin. Als sie bei Ausbruch der französischen   Revolution von Süd­ frankreich   nach Stopenhagen zu ihrem Manne fuhr, spann sich zwischen ihr und dem fie begleitenden französischen   Offizier ein Liebesverhält nis an. Ihre Che, der zwei Kinder entsproffen waren, wurde durch Sufianes dauernde Reisen, ihren Hang zum Gesellschaftsleben und thre Stofetterie immer mehr zerrüttet.

Da

Desto fonderbarer berührte es, daß dieses genußfüchtige, leicht­lebige Weltfind nicht ohne einen durch viele Jahre fortgesetzten ge= fühlvollen Briefwechsel mit dem Königsberger   Geist­lichen, späteren Erzbischof Borowski leben kann. Ichwärmt fie plößlich für Bottesfurcht und Wahrheit", fühlt sich als Werkzeug einer Borsehung" unter moralischen Leichen", flagt über Berschlimmerung der Moralität", wünscht sich in reinere Gegen­den" und empfindet die Welt als die Wüste Sahara   für eine große und gute Seele". Daß Lurus und Aufwand meine Geele nicht be­glücken fönnen", schwindelt sie dreist und gottesfürchtig, und sie gibt bor  : ich bin gezwungen, in der großen Welt zu leben, die ich vers abscheue". Als Milderungsgrund für diese Verlogenheit darf aller­bings angenommen werden, daß bei dieser selbstüberspannten Frau, wie bei allen Neurotikern, die Fähigkeit zur Selbsttäuschung und Lebenslüge start ausgeprägt war, so daß sie im Augenblick Jogar mirflich glaubte, was sie schrieb. In eigenartigem Kontraste zu diesen Charattereigenschaften steht ihr starf ausgeprägtes foziales Empfin­den, das sie veranlaßt, in Fällen großer Hilfsbedürftigkeit selbst ein­zugreifen und fich für die Uebertragung westlicher Zivilisationsideen ( Schutzwang, Impfung) auf die noch halb vertierte fioländische Bauernschaft einzusehen. 1807 hat sie sich auch in Ostpreußen   tat­träftig um Berwundete und Kriegsgefangene bemüht.

der zu suchen. Sie folgte ihm 1815 nach Paris  , und dort sind die beiden täglich Psalmen fingend, betend und diskutierend zu­sammen. In diese Zeit fällt die Entstehung der phantastischen Idee der heiligen Allianz", die das Gedächtnis der Krübener auf die Nachwelt übermittelt hat.

Imer eraltierter gebärdet sich dann die fahrende Heilige". Aus der Schweiz   wird sie, die Mutter des russischen Gesandten, aus­gewiesen. Dann lebt sie an der badischen Grenze in einem Bauern­häuschen, wo fie neben ihren Predigten und Belehrungsversuchen freigebig viel Elend lindert. Schließlich wird sie durch die schwärme­phetin zu halten. Ueberall wird fie ausgewiesen und zuletzt unter rische Berehrung ihrer Anhänger dahin gebracht, sich für eine Pro­Hofe ferngehalten. Shr ehemaliger Seelenfreund Alexander befiehlt polizeilicher Bewachung nach Rußland   zurückgebracht, jedoch vom ihr sogar in einem eigenhändigen Briefe Schweigen. In der Krim  ift fie 1824 gestorben. Einer ihrer langjährigen Freunde charakte rifiert diese merkwürdige, vorübergehend zu hohem politischen Einfluß gelangte Frau treffend als einen der mit viel Einbildungskraft be gabten Menschen, die ihren sonst richtigen und fultivierten Verstand jo lang spannen, bis sie sich selbst und anderen ein Rätsel werden und fich in ihre Bisionen so fest einstudieren, daß sie sich selbst glauben und zuletzt das Vermögen, sich zu enttäuschen, ganz verlieren". Dieses Urteil eines Freundes charakterisiert die Krüdener als Hyste riferin durch und durch. So gehört sie in das Bild eines Regierungs. systems, das derart frankhaften, unberechenbaren Naturen einen maß gebenden politischen Einfluß gestattete.

Die Hirtfiefer- Taffe.

Es fenfzt und sinnt der Siejer- Hirt, weil jene Zahl stets tiefer wird, die anzeigt deutschen Volkes Blühen in Klapperftorches emßig Mühen. Der Siefer- Hirt, der Siefer- Hirt, der zeigt uns klar: nicht schlief der Hirt! Zu heben der Bevöll'rung Masse, erjann er eine Künstlertaffe!

Für vieler Kinder reiche Zahl zeugt fie, ein deutsches Ehrenmal. Drum, Mitmensch, haft du voll das Duzend, dann naht fie, die Behausung puzend.

Dem armen, aber saubren Manu wird nur zuteil das Porzellan.

Wer Geld hat, oder nicht ganz aftrein, darf nie auf solch ein Glück gefaßt sein. Hei, wie sich da das Volk bedenkt, an Tassen hängt, zu Tassen drängt. Sie ziert des Kaffeetisches Mitten, Frau Müllern hat fie und Frau Schmidten. Der Storch hat Arbeit wie noch nie und auch die Taffenindustrie. Den fleißigen Eltern" heißt die Aufschrift,- da bringt man gern den zwölften Taufftift. Nu Mutta, räum' den Küchenschrank und bau den Nipps da vorne mang. Und wenn ich meine Jahre nize, id frieg noch fertich dat Service!"

Kindermund.

Diehede.

Die Mutter will abends zur Molteret gehen. Klein Inge aber hält Mutti zurück mit den Worten: Warte doch bis morgen. Die Rub hat ja die Milch schon den ganzen Tag bei sich. Morgen gibt sie wieder ganz frische."

Den Gipfelpunkt der Weltlichkeit erreichte diese sonderbare Heilige, als ihr jentimentaler Roman Valérie" großen Erfolg Mutti, jag' doch, wie fann denn das Haar auf meinem Kopf in der vornehmen Parifer Welt errang. Sie selbst war ihr eigener| wachsen, es ist ja gar kein Sand drin?!"