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Frauenstimme

Nr.21 45.Jahrgang 0 Beilage zum Vorwärts

11. Ottober 1928

Berliner   Arbeiterinnen und Sozialistengesetz

Mit dem Sozialistengesetz wurde der Kampf gegen die fozialistische Arbeiterbewegung geführt. Mit dem§ 8 des preußischen Vereinsgefeßes 30g man gegen die Politifierung

der Frauen zu Felde.

Beide Gesetze sind Papier geblieben. Die Geschichte ist über sie hinweggeschritten. Vor fünfzig Jahren wurde das Sozialistengesetz beschlossen. Zwölf Jahre hatte es Geltung. Zwölf Jahre war jeder als Sozialist bekannte Arbeiter und jebe Arbeiterin Freiwild, verfolgt und verjagt von den polizeilichen Organen Bismards.

Für die sozialistische Arbeiter. bewegung bedeuteten diese zwölf Jahre eine schwere Kampfzeit. Mit ungleichen Waffen wurde der Rampf geführt. Bismard fämpfte mit allen wirtschaftlichen und poli tischen Machtmitteln des Staates. Haussuchungen, Versammlungsver bote, Zeitungsverbote, polizeiliche Schikanen aller Art, Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz und Ausweisungen, das waren seine Waffen gegen die Sozialdemokraten.

Machtmittel ähnlicher Art tonnte die damals noch schwache sozialistische Bewegung dem nicht entgegenfeßen. Sie lämpfte mit geistigen Waffen: Treue zu der als richtig erkannten Idee des Sozia lismus und eifrige Agitation, bet der zwar alles ristiert, aber auch alles gewonnen wurde. Während der zwölf Jahre des Sozialisten­gesetzes hat die sozialistische Be wegung zahllose neue und treue Mitkämpfer gewonnen. Die Idee des Sozialismus war stärker als die Polizei Bismards. Die Kämpfe der fozialistengefehlichen Zeit berührten

Berta Hahn und Pauline Staegemann  . Der Neue Sozialdemokrat" begrüßte damals freudig die Gründung des Bereins. bamals

Im Jahre 1883, also im fünften Jahre nach dem Inkraft­treten des Sozialistengesetzes, gründete Emma Ihrer   zu jammen mit zwei anderen Genossinnen den Frauens hilfsverein für Handarbeiterinnen". Sein Programm stellte ausschließlich sozialpolitische Forderungen

podrem Herbst

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auf, um dem Druck des Sozialisten­geſetzes und des Vereinsgesetzes zu his entgehen, 1887 wurde der Berein aufgelöst.

Tlich

Der weiten Wälder Loderflammen, Der späten Blumen bunte Pracht, 2 Wie schlägt ein Farbenmeer zusammen Dem Herbst, der solche Glut entfacht. Laẞt keine schwache Wehmut rinnen, Wenn auch Altweibersommer zieht.n Wie zag war doch das Lenzbeginnen Und ward ein solches Erntelied. Maria soll die Fäden weben, Für seine Schläfen weißes Haar... Doch er in glühendem Erleben Wie steht er da so mittagsklar. Wie fällt von seinen starken Gliedern Der letzte graue Nebelstreif. Wie jauchzet er in Sonnenliedern Und haucht er fort den Morgenreif. Wie lehret er schon allen Winden 9 Sein stolzes, starkes Sturmgebet, Daß sie ihn brausend wiederfinden, Wenn es mit ihm zu Ende geht.

die Frauen nicht weniger start als die Männer. Nur waren die Frauen schon vor dem 22. Oktober 1878, vor dem Erlaß des Sozialistengefeßes in ihrer politischen Betätigung aufs stärkste gehemmt. So wurde die aufteimende Bewegung der Berliner   Arbeiterinnen immer wieder zu unterdrücken ver­sucht mit dem§ 8 des preußischen Vereinsgesetzes, der folgen­den Wortlaut hatte:

,, Vereine, welche bezwecken, politische Gegenstände in Versamm lungen zu erörtern, dürfen teine Frauenspersonen, Schüler oder Lehrlinge als Mitglieder aufnehmen."

Bis 1908 hatte dieses Gesez Geltung. Bis 1908 ist die Geschichte der Arbeiterinnenbewegung eine ununterbrochene Reihe von Versuchen, der mit Schul- und Lehrjungen poli­tisch gleichgestellten Frauenpersonen", das Gesetz zu um­gehen. Von 1878 bis 1980 standen die Berliner   Arbeiterinnen unter dem Druck beider Gesetze, des Sozialistengesezes und des Vereinsgefeges.

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Die erfte Berliner   Frauenorganisation unter sozia­listischer Leitung, der Berliner   Arbeiterfrauen und Mädchenverein" wurde 1873 gegründet und 1877 auf Grund des§ 8 des Preußischen Vereinsgesetzes wieder aufgelöst. Seine Leiterinnen waren die Sozialistinnen

Bruno Schön lank.

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Während dieser Zeit, von 1885 bis 1886 führte der von Gertrud Guilleaume­Schad in Berlin   begründete Berein zur Bertretung der Interessen derm Ar­beiterinnen" ein kurzes aber sehr bewegtes Leben. Auch sein Programm enthielt fast ausschließ lichosozialpolitische Forderungen. Männer waren grundsätzlich von allen Beranstaltungen ausge schlossen. An einer der ersten der zahlreichen Versammlungen nahmen über tausend Frauen teil. Im Jahre nach seiner Gründung wurde der Verein polizeilich aufgehoben und zu gleicher Zeit die von Ger­trud Guilleaume- Schack gegründete Frauenzeitung Die Staats­bürgerin" verboten.

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Ungefähr zur gleichen Zeit ent­stand ein Arbeiterinnenverein, der sich auf den Norden Berlins   be­schränkte, der Berliner   Ar­betterinnenverein im Norden". Er wurde 1887 auf­gelöst. Mit dem Sozialistengesetz führte Bismarck   nicht nur den Kampf gegen die sozialdemo­kratische Partei. Die Gewerkschaftsbewegung wollte er gleich mit zerstören. Die gewerkschaftlichen Orga nisationen verfielen ebenfalls der Auflösung. Sie jetzten sich dagegen zur Wehr, indem sie lokale unpolitische" Fach­vereine gründeten. In Berlin   bildete sich ein Fachverein der Mäntelnäherinnen". Er hatte nur weibliche Mitglieder. Aufgelöst wurde er 1887.

Ueber die Beteiligung der Frauen an den anderen Fachvereinen gibt es feine zahlenmäßigen Angaben. Nur die Tatsache ihrer Beteiligung und stellenweise eifrigen Mit arbeit ist bekannt. Die Gesamtzahl der beim Infrafttreten des Sozialistengesetzes den gewerkschaftlichen Vereinigungen angeschlossenen Mitglieder betrug 50 000. Als das Gesetz fiel, war diese Zahl auf fast 250 000 angewachsen. Die ersten umfassenden Zahlen über weibliche Mitglieder der Gewerk­schaften stammen aus dem Jahre 1892. Damals gehörten den Gewerkschaften 232 000 Männer und 4500 Frauen an. Zum Vergleich sei darauf hingewiesen, daß 1927 dem ADGB  . Gewerkschaften mit 3,5 Millionen männlichen und 650 000 weiblichen Mitgliedern angeschlossen waren.

Die einzige Arbeiterinnenorganisation, die dem Sozia­