Unser Londoner Korrespondent, der soeben bei J. H. W. Diez ein Buch„ Das Antlik der britischen Arbeiterpartel" herausbringt, behandelt in einer Auffagreihe ble Probleme des gegenwärtigen briti schen Wahlkampfes. Der vorliegende Artikel stellt die Erweiterung bes Frauenwahlrechts bar. London , Anfang Mai 1929.
Mit dem 1. Mai ist das Wahlgefeß der tonservativen Regie rung, das allen Frauen vom 21. Lebensjahre an das Stimm recht verleiht, in Kraft getreten. Großbritannien besaß bekanntlich schon seit 1918 ein beschränktes Frauenwahlrecht; dies hatte die Altersgrenze für die wahlberechtigten Frauen auf 30 Jahre an gesetzt und überdies noch Einschränkungen gemacht, wonach ein Großteil der berufstätigen unverheirateten Frauen ausge schlossen war; das bisherige Frauenwahlrecht besaß also einen leicht plutokratischen Charakter, der naturgemäß den beiden bürgerlichen Parteien zugute gekommen ist. Eine eigentümliche Seite des bisherigen Stimmrechts bestand darin, daß es zwar den Frauen unter dreißig das attive, nicht aber das passive Wahlrecht versagte. Daraus ergab sich die Möglichkeit, eine Frau ins Unterhaus zu entsenden, die ihrerseits selbst noch nicht stimm berechtigt war. Dies ist nicht nur ein theoretischer Fall: die 24jährige Abgeordnete der Labour Party , Jenny Lee , ist zum Beispiel noch unter der Wirksamkeit des alten Wahlsystems von einem schottischen Wahlkreis ins Unterhaus entfandt worden, ohne selbst stimmberechtigt gewefen zu sein.
Die mit dem 1. Mai in Wirksamkeit tretenden neuen Wähler listen beziehen nunmehr sämtliche Frauen vom 21. Lebensjahre ab in die Wählerschaft ein. Das Bild, das sich bietet, gleicht im wefentlichen demjenigen der meisten europäischen Staaten; allerdings dürfte das Ueberwiegen der weiblichen Wähler schaft in Großbritannien prozentual größer sein als in den meisten tontinentalen Staaten. Noch sind nicht alle Wählerlisten der Deffentlichkeit zugänglich gemacht worden, aber von den 63 am 1. Mai fertiggestellten Listen weisen nicht weniger als 54 eine ent schiedene weibliche Majorität auf. In den 15 Wahlkreisen der Stadt London befizen die Frauen z. B. eine Mehrheit von 85 318 über die Männer; in der Grafschaft London , die über den Stadtbezirk der Hauptstadt hinausragt, gibt es eine halbe Million mehr stimmberechtigter Frauen als Männer. Deutlicher noch geht das Mißverhältnis von männlichen und weiblichen Wählern aus den Aufstellungen einer Reihe von Wahlkreisen an der Kanalküfte hervor. In vier Badeorten verhalten sich die weiblichen zu den männlichen Wahlberechtigten wie folgt:
Ort
Bournemouth
Southport
Yarmouth
Frauen 41 438 32719
Männer 23 374
22 250
16 271
16 355
23 869
19 899 25148 31 286
Insgesamt dürfte nach den Schähungen der englischen Presse die weibliche Wählerschaft um 3 meieinviertel Millionen größer sein als die männliche.
Dies außerordentliche zahlenmäßige lleberwiegen der weiblichen Wähler in Großbritannien hat in den jüngsten Wochen zu zahlreichen und nicht immer tiefgründigen Spekulationen über das voraussichtliche politische Verhalten der neuen weiblichen Wähler geführt. Dabei ist das ganze Problem, einer geheiligten englischen Gewohnheit entsprechend, so erörtert worden, als ob es fich hier um ein noch nie dagewesenes, einzig daftehendes Abenteuer handle, in das sich Großbritannien mit einem Kopfsprung stürze. Daß zahlreiche europäische Länder bereits eine viel jährige Erfahrung mit den weiblichen Wählern der neu einzugliedernden Kategorien befizen, würde den durchschnittlichen männ lichen Wähler, der seine Kenntnisse aus der Tagespresse schöpft, vermutlich höchlichst erstaunen. Die Infellage Englands hat bei der Erörterung des gesamten Fragenkomplexes in der Diskussion wieder einmal einen ihrer eigenartigsten Triumphe gefeiert.
Für die praktische Beurteilung der Lage ist allerdings bie völlige Außerachtlaffung aller tontinentalen Erfahrungen nicht einmal so ungünstig gewesen, denn die Situation ist tatsächlich psychologisch von derjenigen des Kontinents recht wesentlich unter. schieden. Es ist eine beinahe in allen kontinentalen Ländern mit Frauenstimmrecht bestätigte Tatsache, daß die Frauen sich eher als eine fonservative, benn eine fortschrittliche politische Kraft erwiesen haben. Hierbei mag in einer Reihe von Län dern die Tatsache mitgespielt haben, daß die margistischen sozia listischen Parteien des Kontinents infolge ihrer Vergangenheit bis zu einem gewissen Grade mit dem Odium antireligiöser Pro paganda belastet waren, was von den politischen Gegnern voll und ganz ausgebeutet worden ist. Wozu noch hinzutritt, daß die offene und vorurteilslose Erörterung segual ethischer und bevölkerungs
politischer Probleme durch die Mehrzahl der organisierten Sozialdemokraten zweifellos gewisse start in Traditionen wurzelnde weib. liche Wähler von der Stimmabgabe für die sozialistischen Parteien abgeschredt hat.
Die britische Arbeiterpartei ist infolge besonderer Umstände in feinerlei Verbindung mit weltanschaulichen Auseinandersetzungen getreten, hat niemals eine starte Freidenferbewegung in ihren Reihen gesehen und niemals Veranlassung gefunden, sich politisch mit einer Religionsgesellschaft auseinanderseßen zu müssen. Sie hat des ferneren in allen jenen zahlreichen kulturpolitischen Fragen, in denen so leicht Empfindlichkeiten verlegt werden, stets eine strikt neutrale, vielfach sogar tonfervative Haltung eingenommen. So große Schattenseiten diese mangelnde Trennungslinie im ful turellen Bezirke auch haben mag, so hat sie sich doch im politischen Alltagstampf und insbesondere bei den Wahlkämpfen als ein günstiges Moment für die Arbeiterpartei erwiesen, indem es den politischen Gegnern unmöglich gemacht wurde, dumpfe Kräfte und Leidenschaften gegen die britische sozialistische Bewegung zu mobili fieren. Dies hat der Labour Party , insbesondere bei gewissen weiblichen Wählerschichten, einen psychologischen Vorsprung ge geben, um den sie von allen übrigen sozialistischen Parteien der Welt beneidet werden muß. Dazu tritt noch ein weiteres, im Charakter des britischen Sozialismus selbst gelegenes Moment: Stärker gefühlsmäßig motiviert und in seiner Agitationssprache mit feinerlei wissenschaftlichen Ausdrücken belastet, ließ sich der britische Sozialismus der weiblichen Gefühls- und Gedankenwelt leichter anpassen als unser heimischer Sozialismus, der an das Verständnis der bisher unpolitisch gebliebenen Frauen weitaus größere Ansprüche stellt. Die Schwierigkeiten, die die Kandidaten der Arbeiterpartei bei den weiblichen Wählern zu überwinden haben werden, sind daher weitaus geringer, als diejenigen ihrer sozialistischen Kollegen auf dem Kontinent.
Man wird daher nicht fehlgehen, wenn man der Arbeiterpartei mit der Erweiterung des Frauenstimmrechts eine sehr günstige Prognose stellt, von den neuen weiblichen Wählern eine sehr wesentliche Verstärkung der unverkennbaren Stimmung des Landes zugunsten der Arbeiterpartei erwartet und die Auffassung vertritt, daß es der Arbeiterpartei gelingen wird, einen größeren Prozentjag der jungen weiblichen Wähler zu sich herüberzuziehen, als auf dem Kontinent.
Die britischen Zeitungen sprechen in diesen Wochen mit Vorliebe von dem großen" X" der kommenden Wahlen und meinen damit das Verhalten der neuen weiblichen Wähler. Nach dem Gefagten möchte es jedoch scheinen, als ob die Schwierigkeiten irgend welcher Voraussagen über den Ausgang der kommenden Wahlen nicht so sehr in der Unmöglichkeit liegen, das Verhalten dieser fünfeinhalb Millionen neuer Wählerinnen zu analysieren, sondern vielmehr im britischen Wahlsystem selbst, das im Zeitalter dreier sich bekämpfender Parteien mehr als je zuvor zu einem Babanquespiel geworden ist.
Die Schlacht der Säuglinge.
Anfang Mai verbreitete eine große deutsche Telegraphenagentur folgende Nachricht aus Butarest, der Hauptstadt Rumäniens : In Campulung in der Bukowina ist es zu einer Schlacht zwi schen Zigeunerbanden wegen einer Frau gekommen. Die Schläge reien arteten schließlich derart aus, daß die Frauen dabei mit ihren Säuglingen aufeinander losgingen. Nach den bisherigen Meldungen gab es einen Toten, 8 Schwerverletzte und 15 Leichtverletzte.
Hedi.
I.
Unserer Hedi, 7 Jahre, lege ich folgende Frage vor:
Als ich so flein war wie du, bekam ich für einen Pfennig vier Bonbons. Wieviel bekam ich da für zwei Pfennig?" Antwort( ganz fir): Für zwei Pfennig habe ich noch nicht gekauft." II.
Sie trinkt lieber Kaffee als Milch. Kürzlich sage ich zu ihr: Trint mal schön deine Milch, damit bu bicke Backen bekommst. Nach turzem Ueberlegen tommt folgende Antwort: Wie können denn die Backen dick werden, die Milch rutscht doch alle nach unten!“
III.
Im Januar bin ich infolge des Glatteises einmal ausgerutscht und hatte mir den Fuß verstaucht. Am nächsten Morgen fragt fie, wie es mir geht. Ich sage:„ Nicht gerade gut, ich werde wohl einige Tage humpeln müssen."
Darauf folgende Antwort: Da wird der Schaffner in ber Straßenbahn auch sagen:„ Bitte aufstehen, für eine Dame, friegsbeschädigt,"