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Beugenaussagen von Jugendlichen

Zum Prozeß Frenzel.

Der Prozeß Frenzel hat unser Augenmerk wieder einmal auf die Zeugenausfagen von Kindern und Jugendlichen gelenkt.

Jede Zeugenaussage vor Gericht stellt ein Problem dar, das durchaus nicht einfach zu lösen ist. Es beruht im wesentlichen auf dem Gegensatz zwischen Richter und Zeugen. Der Richter will die objektiven Tatsachen Hären, aber auch zugleich den Gesinnungs untergrund erkennen, auf dem fle erwachsen find. Der Zeuge, der irgendwie dem Geschehen nahe steht, legt unwillkürlich seine fub­Jeftive Anschauung dar und hat ein Interesse daran, sie durch Tat­fachen zu beweisen. Oft will er verschweigen, häufig beschönigen, häufig einen Eindruck verschärfen. Und schon hierbei ergibt sich, daß Menschen, die ihrem Wesen nach wahrhaftig und zuverlässig sind, schließlich leicht zu Aussagen kommen, die der objektiven Wahrheit nicht entsprechen. Die Art des richterlichen Fragens spielt eine große Rolle.

Diese Schwierigkeiten verschärfen sich, sobald es sich um Aus­fagen von Kindern und Jugendlichen handelt. Denn die kindliche Psyche ist außerordentlich eindrucksfähig und unterliegt der Suggestion in einem noch viel höheren Maße als die Psyche des Erwachsenen. Durch geschickte"(?) Fragen kann der Richter be­jahende oder verneinende Antworten aus dem Jugendlichen herause holen; er fann weiterhin durch ebenso geschicktes" Aneinanderreihen von Fragen, die sich logisch entwickeln, dauernde Widersprüche er­zielen, so daß zuletzt das Gegenteil von dem zuerst Behaupteten gesagt wird.

Dies hängt einmal mit der noch ungenügend ausgebildeten Fähigkeit des Jugendlichen zusammen, Wirkliches und Gedachtes, vielleicht besser gesagt: innerlich und äußerlich Erlebtes voneinander zu scheiden. Innerliche Erlebnisse oder Phantasieerlebnisse, zu denen auch Traumerlebnisse gehören( nach Freud sind die Träume Wunsch erfüllungen!!), sind oft weitaus eindrucksgewaltiger als tatsächliche äußere Erlebnisse. Diese letzten können sogar an der Seele spurlos vorübergehen, während die nur innerlich erlebten vom Bewußtsein aufgenommen, verarbeitet und somit zum geistig- gefühlsmäßigen Eigentum werden.

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Nun denke man sich einen jungen Menschen in der Puber­tätszeit. Quälende Triebkräfte sind in ihm wach geworden. Betätigen kann er sie nicht, das widerspricht der Sitte. So werden fie ins Unterbewußtsein verdrängt. Von hier aus steigen sie nachts, wenn der Wille ausgeschaltet ist, hervor. Es kommt im Traum -zu geschlechtlichen Handlungen. Sie werden so start erlebt, daß der Jugendliche nachher nicht weiß: habe ich geträumt, oder habe ich dies in Wirklichkeit erlebt. Kommt ein solches Träumen öfters vor, so wird allmählich das Bewußtsein mit diesen Vorstellungen derart erfüllt, daß die Grenze zwischen tatsächlicher Wirklichkeit und nur im Traum erlebter völlig verwischt wird Zieht man den Dedipus- Kompler heran, so wird weiter verständlich, daß ein pubertierendes Mädchen leicht als Objekt der geschlechtlichen Be­tätigung den Vater wählt und es so wohl zur erlebten( in der Seele des jugendlichen Menschen erlebten!) Blutschande kommt, tatsächlich aber nichts Derartiges geschehen ist. So lange das junge Mädchen nichts von seinen Erlebnissen verlauten läßt, lebt die Familie in Frieden.

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Nun kann aber irgendein Ereignis a uslösendes Moment werden: etwa ein Buch oder ein Film( es braucht kein Schund­roman und fein kitschiger Film zu sein auch durchaus gute Bücher können als Auslösung wirken!), ein Wort oder eine Predigt. Und hier ist auf eins hinzuweisen: eine Sprache, die nicht offen und ehrlich die Dinge beim Namen nennt, sondern die Worte so ge= braucht, daß die Menschen hinter ihnen etwas zu suchen haben, ist dem jungen Menschen in der Pubertätszeit besonders gefährlich. Denn seine sexuell erregte Phantasie findet in diesen Geheimnissen die entsprechende Kost; sie kann nun mit wahrer Wollust in diesen Worten wühlen und ihnen den Sinn unterlegen, der ihm die größte geschlechtliche Befriedigung verspricht.

Die

Sensationslust des Menschen wirft fonftift verschärfend; denn fle macht die junge Seele noch weiter empfänglich für inquisitorische Fragen nach geschlechtlichen Erlebnissen. Man mache sich flar, wie furchtbar klein das tatsächliche Erleben eines jungen Menschen heute in weiten Schichten des Bürgertums und des Proletariats ist, und wie die Not des Lebens zumeist alle Kräfte verschlingt. Der Jugendliche möchte aber mit allen seinen Fasern erleben. Findet er ein großes Ziel, das ihn erfüllt( Sozialismus, Pazifismus), dann ist es gut. Hat er dies aber nicht so muß er irgend etwas suchen, das ihn lockt, das seine Seele in Schwingungen versetzt und ihm starte sinnliche Erregungen verspricht. Die inziale Lage wirkt also auch auf diesem Gebiete entscheidend.

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Der junge Mensch sucht also nach Sensationen. In die Zeitung zu kommen, Mittelpunkt eines Prozesses zu werden das bedeutet Hochspannung. Geheimnisvolle Andeutungen fallen. Schon fie machen interessant. Man will anscheinend nicht mit der Sprache heraus. Das Interesse der anderen wird noch größer. Man läßt sich drängen. Schließlich bricht's hervor. Der Zuhörer ist erregt. Die Erregung wirkt zurück auf den Sprecher. Er steigert sich. Er erzählt ganze Romane. Zuletzt weiß er überhaupt nicht mehr, was er erzählt hat.

Aber nun wird er festgenagelt. Vielleicht ist er selbst ver­wundert über das, was er gesagt haben soll. Doch nun fann er nicht mehr zurüd. Er will doch nicht als Lügner gelten. Seine Ehre scheint ihm in Gefahr. So tommt es zu weiteren lleber­steigerungen und Berleumdungen, zu einer Kette böser, unerquid­lichster Redereien.

Nun übertrage man das Gesagte auf den Fall Frenzel und versete sich in die Seele der fünfzehnjährigen Gertrud. Sie ist die jüngste von drei Schwestern, ein Nesthälchen, das meistens in den ersten Lebensjahren sehr verwöhnt, später häufig als die Kleine" zurückgesetzt wird. zurückgesetzt wird. Es fonnten also genügend Minderwertigkeits­gefühle entstehen.( Die Worte, daß sie der älteren Schwester nicht gehorchen und ihre Ueberlegenheit nicht anerkennen wollte, deuten auf eine Opposition auf diefer Grundlage hin.) Ein starker Geltungstrieb verbindet sich nun mit gewissen Rachegefühlen unbe­wußter Art: man rächt durch falsche Beschuldigungen die ertragenen Burückstellungen. Ziehen wir alle angeführten feelischen Momente heran, so wird uns flar wie die Beschuldigung der Blutschande auch gegenüber einem ganz Unschuldigen entstehen kann, und wie vorsichtig die Aussagen aller jugendlichen Zeugen in solchen Prozeffen zu beurteilen sind.

Daß das Pfarrerehepaar zumindest unpsychologisch handelte, wenn es diese Sache in die Deffentlichkeit brachte, ist sicher. Es hat überhaupt der Seele der Gertrud einen vermutlich unheilbaren Schaden zugefügt. Denn sei es, wie es fei, ist der Bater schuldig oder unschuldig, hat Gertrud ihre Erlebnisse zusammenphantasiert oder sie tatsächlich gehabt: diese Gerichtsverhandlung, denen fürchter­liche Monate in hochgradiger sexueller Erregung vorausgingen, ist eine Sensation für sie geworden. Ihre sexuellen Instinkte sind vermutlich nicht mehr zur Ruhe zu bringen, irgendwie werden sie nach Ausleben drängen.

Es täme jetzt alles darauf an, diesem jungen Menschen ein hohes Lebensziel zu zeigen, die Sehnsucht nach Erfüllung dieses Bieles   in ihm zu wecken und ihm Gelegenheit zu geben, sich in dieser Richtung zu betätigen. Henny Schumacher.

Herkules und die olle Schlange.

Laßt den Kinderaeist nicht verdurften!

Eine der reizendsten Episoden in den Jugenderinnerungen der folde Kurz, erzählt von den Kampfspielen zwischen ihren Brüdern und Spielgefährten: die spielten nicht Räuber und Gen darm, auch nicht Krieg" schlechthin Helden, und der Kampf ging um Troja  , man benahm sich stilecht, nein, fie waren alle griechische führte homerische Wortgefechte, Achill  ( das war, glaube ich, folde Kurz felbft) hatte einen fabelhaften Helm aus Goldpapier und man tämpfte ganz wie die Ueberlieferung befahl. Nun sind wahrschein lich auch damals den Gymnasialschülern die griechischen Sagen oft mals so veretelt worden, daß sie durchaus teine Luft hatten, sich in ihrem Privatleben noch weiter um die ollen Griechen zu fümmern. der Schule zwangsweise vorgesetzt kriegte: die deutsche Geschichte Es war uns meist doch alles viel intereffanter, was man nicht von fah ganz anders aus, wenn man sie nicht aus dem Schullesebuch, sondern aus dem Streckfuß Das deutsche Volk" lernen fonnte, Berlin   lernte man Bom Fischerdorf zur Weltstadt" von demselben Verfasser kennen, und daß dieser gute Demokrat manchmal eine ganz andere Meinung von den Dingen hatte, als die Schule fie lebren mußte, war nur ein Reiz mehr. So haben wir den weit­der Schule erworben. aus größeren und wertvolleren Teil unseres Wissens außerhalb

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Ich weiß, wir haben jetzt ja andere Schulen und man wird auch einwenden, daß die Jugend von heute nun mal ganz anders Ift". Vielleicht. aber ich mußte neulich an so manche Nöte meiner Jugend denken, als mein Herr Sohn mich meuchlings mit der Frage überfiel, wer denn eigentlich der Wassergott sei der da bei der Stadtbücherei sitzt; der Papa hatte ihn an mich verwiesen, Neptun erzählt. Na, mein Junge ist fünf Jahre alt man kann ihm denn Ihm hatte man in der bayerischen Boltsschule auch nichts von nicht viel mehr erzählen, als daß der alte Herr Neptun heißt und ,, im Märchenland vor vielen Jahren" im Wasser wohnte. Aber