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un wußte der Bengel, daß an all den tomischen steinernen Männern eine Geschichte hängt und der nächste, den er entdeckte, war glück­licherweise der Herkules auf dem Lühow play. Daran arbeiten wir nun seit Wochen: Immer wieder muß ich die Ge­fchichte erzählen, wie Hertules noch ein Baby war und doch schon o start, daß er zwei Schlangen erwürgte, in jeder Faust eine" und von der Hydra, so' ne olle Schlange mit neun Köpfen, die hat er totgemacht, als er ein großer Mann war. Und weil aus Jedem Hals immer zwei neue Köpfe herausgewachsen sind, wenn er einen abgehauen hat, hat er seinen Freund mitgenommen, der hat jeden Hals mit einer Fackel versengt, damit feine neuen Köpfe madsen fonnten". Herkules ist fabelhaft intereffant, die Stadt ist nun ein steinternes Bilderbuch, von Perseus   und Andromeda   habe Ich auch schon erzählen müssen, denn die sind doch am Mar­Stallgebäude gebaut", wie Hansel fagt. Nun ist es freilich so, daß nicht sehr viele Eltern imftande sein werden, ihren Kindern so nebenher die Sagenwelt lebendig zu machen. Ich selbst habe einen faft schmerzhaften Neid auf eine Jugendgespielin empfunden, weil the Bater mit ihr in die Museen ging und, selbst aus kleinen Ber­hältnissen stammend, alles tat, um seinen Kindern die Eroberung von Wissen und Bildung zu erleichtern. Er lernte mit seinen Kindern.

Aber es handelt sich hier ja nicht allein um ein paar Sagen mehr oder weniger, auch nicht darum, ob wir gerade diesen Stoff fo beherrschen, um davon erzählen zu können, sondern darum, daß wir, durch dieses Erzählen cder durch flug ausgewählte Bücher, unfere Kinder spielend ein Mehr an Bildung erwerben lassen, das fonst Vorrecht der Besitzenden ist. Es ist jetzt Mode, über das Ideal der allgemeinen Bildung" vor dreißig, vierzig Jahren sanft zu lächeln. Aber wie arm ist ein Mensch, der nur Fachwissen" und gefunden Menschenverstand" besitzt! Sicherlich, die Schule fann und soll nicht wieder zur Lernschule" früherer Jahre wer­den, in der wir mit Geschichtszahlen gefüttert wurden, ohne von den Zuständen jener Zeiten eine Ahnung zu haben und chemische Formeln auswendig lernten, ohne jemals felbft experimentieren zu dürfen. Es lebt mehr Hunger nach issen in den Men­schen und auch schon in den Kindern, als die beste Schule befriedigen tönnte. Darum muß die Zutost", die wir bieten, auch wirklich nahrhaft sein. Aber wie oft geben wir Steine statt Brot! Wie oft erlebe ich es, daß neben mir Bater oder Mutter etwas für einen zwölfjährigen Jungen" verlangen, wenn der sich ein Buch zum Fest gewünscht hat. Und dann friegt der Junge einen Band Karl May  " oder eine Jungensgeschichte, die genau so gehaltlos ist wie die noch immer nicht ausgestorbene Backfischgeschichte und könnte dafür ein Buch haben, das ihm ein Freund für das ganze Leben wäre: denn zwischen zehn und zwanzig Jahren legen wir den Grundstein für unser ganges Wissen. Man fönnte manchem zwölf­

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jährigen Jungen Zimmermanns Bauernfrieg" fchenten für die abenteuerlustigen gibt es genug Forschungsreisen von Stanley bis zu Rasmussens Thulefahrten. Gerade Ar beltereitern follien in der Auswahl der Geschentbücher doppelt wählerisch sein, denn in einem Haus, das nicht von Büchern stroyt, tommt jedes Buch viel mehr zur Geltung, ist jedes Buch doppelt tostbar

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Nun versuchen freilich die proletarischen Organisationen, den Eltern bei der Auswahl der Bücher beizustehen aber diese Hilfe­leistung beschränkt sich auf die Zeit der üblichen Weihnachtsaus­| stellungen, und es sind unter den empfohlenen Büchern zwar viele gute Bücher, aber selten wird auf Standardwerfe zurüd­gegriffen im allgemeinen rät man, ebenso wie bei den großen Leuten", zur Unterhaltungslettüre. Vor allen Dingen liegt der Fehler darin, daß diese Beratung auf die turze Zeit vor Weih­nachten beschränkt ist; Geburtstage usw. gibt es doch das ganze Jahr hindurch! Hier wäre ein großes und dankbares Arbeitsfeld für die Kinderfreunde. Es müßte für Eltern und Kinder gleich zugänglich in jeder Gruppe ein Bücherfreund" als Be rater zur Verfügung stehen, einer, der seine Pappenheimer und Jeine Bücher fennt, der raten fann, was man fich wünschen und was man fchenken soll. Er müßte wissen, daß sich das Kind mit jedem Buche ein Stückchen Welt und Wissen erebern fann und soll. Eine Ergänzung für diesen Bücherdienst wären ge= legentliche Wanderungen durch die Heimatstadt, an denen man auch versuchen müßte, die Steine reden" zu lassen. Man sieht Berlin   anders, wenn man weiß, wo in den Kämpfen des Jahres 1848 die Barrikaden standen, und daß auf dem Neuen Martt" Hans Kohlhafe und Jud Lippold hingerichtet wurden; man geht nicht gleichgültig über die Lange Brücke" wenn irgend je= mand einem die Augen dafür geöffnet hat, daß hier nicht nur wieder mal ein Hohenzollerndentmal, sondern das beste Reiterdent­mal des Barock steht. Vielleicht wird man entgegnen, daß alle diese Dinge für die Jugend der tommenden Zeit belanglos feien, belanglos wie diese allgemeine Bidung", von der man jetzt auch nichts mehr wissen will. Und doch beweisen Volkshochschulen und Bildungsturse, wie groß der Hunger nach wiffen in all denen ist, die früher prinzipiell davon ausgeschlossen waren nur ein Mensch, der an der Grenze dieser beiden We'ten aufwuchs, tann wissen, wieviel schon das Kind aus dem gebildeten" Eltern­haus an Vorsprung hat allein durch das Wissen, das ihm so neben­her gegeben und überliefert wird. Ebenso wie wir dafür arbeiten, die materielle Lage des Arbeiterkindes fo zu gestalten, daß Beth­mann Hollwegs Wort von der Freien Bahn dem Tüchtigen" end­lich nicht mehr als ein Hohn wirkt, so follten mir auch daftir for­gen, daß die Gemeinschaft ihm für seinen Geist das gibt, was ihm die Familie durch die Schuld der Gesellschaft, nicht des einzelnen nicht geben tann! Rose Ewald.

Frauen im Alten Berlin"

Die große Berliner   Sommerschau Altes Berlin" in den Ausstellungshallen am Kaiserdamm zeigt auch die Entwicklungs= geschichte der Frau auf geistigem Gebiet, ihre Befreiung aus jahr hundertlanger Unterdrückung, ihr langfames Sich- entfalten auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens.

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Allerdings die ersten Säle schweigen von Frauenarbeit und Frauengeist. Doch gerade dieses Schweigen jagt mehr, als es das Wort vermöchte. Es erzählt von der Zeit des Berliner   3unft­wesens, als die geistige Enge im Einklang stand mit der Enge Sumpfer Gaffen. Da sehen die Frauen der Handwerfer aus ihren kleinen Häusern, da eilen sie über die Straßen zum Einkaufen, da wirken sie unermüdlich im Haushalt. Nur einige menige Frauen vernehmen das Grollen der französischen   Revolution, spüren mit feinem Gefühl, daß eine Zeitenwende bevorsteht: Frauen, die Zeit haben, die Wirkungen geistiger Strömungen zu verfolgen, wohl habende Bürgerinnen, Da ist Rahel Barnhagen und ihr Kreis, der die Frauenbewegung vorbereitet und start gefördert hat. Aus altem, wurmftichigem Rahmen sieht uns ein Delgemälde an: Rahel und ihr Bruder sie selbst mit dem nachdenklichen. scharfen Blick, der ihr schon als Kind zu eigen war. Ihre Bilder als junges Mädchen und als reife Frau vervollständigen den Eindruckt ihrer Persönlichkeit. Man fühlt ihr starkes Temperament man spürt Ihre ganze Warmherzigkeit, mit der fie fich für die Mütter eingefeht hat, für die Erleichterung der Chefcheidung zugunsten der Frau, für eine weitblickende Erziehung des Kindes. Nicht weit von ihr be gegnet uns Bettina von Arnim  , die nikt nur schwärme ifche Episteln verfaßt, sondern sich auch in eir mutigen Veröffentlichung für die Bekämpfung der Not der schleichen Weber eingefekt hat. Da sind ferner die flug und hohgebilhete Henriette Sert und die problematische Charlotte Steali, da ist Anna Gottheiner und Georgine pen Uttenhofen, alles Frauen, die es hinausdrängt aus dem engen Rahmen der ihnen zugewiesen ist. Im Verlag von Nicolai erscheinen Beröf ent­lichungen von Frauen: eine Reisebeschreibung Deu schlards und Italiens   von Elisa von der Recke   und Dichtungen einer eine fachen Frau aus dem Bolke. der Anna Karlchin, the man le' der bei Hofe eingeführt und der man dadurch das Befte und Notü fte Ihrer Bersönlichkeit geraubt hat. Die Ausstellung hat zwei ihrer Bücher unter las aufbewahrt: das letzte erschien 1792, rach them Tode, als in Frankreich   die große Revolution in der Errichtung der Republik   gipfelte.

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Auch als Künstlerin entfaltet sich die Frau im Alten Berlir." an der Wende der Neuzeit. Berühmte Namen stehen unter den verblaßten Frauenbildern, die von der Wand herabsehen: Caro­in a Lanz, Henriette Sonntag, Berta Unzel= mann von den Staatstheatern, Julie 3elter, die Sän eria, die zweite Frau Belters, und endlich Jenny Lind  , die schw= dische Nachtigall", in ihrer ganzen Lieblicht it. Langsam eröffn: n fich der Frau leitende Stellungen: Da ist die Direktorin eines Konservatoriums und ihr zur Seite stehen fünstlerische Leistungen von musikalischen oder schauspielerisch begabten Frauen, die ten Vergleich mit den männlichen Berufskollegen nicht zu scheuen brauchen. Auf literarischem Gebiete vervollständig n Fanny Lemald und Hedwig Dohm  , die viel angefeindete Frauen­rechtlerin, deren Uebersetzungen der Fabeln fontaines, Stid Jale einer Seele"," Der Frauen Natur und Recht und Die Mütt" die Ausstellung aufbewahrt, diese Entwicklung. Und endlich werden unter dem Titel Berlin   im Roman" zwei Fraven der Gegenwart, Clara Biebig, deren Manuskript Das täofiche Brot" vorliegt, und Alice Berend   mit ihrem Roman Spreemann u. Co." hervorgehoben.

Reben diesen bekannten Frauen aber sieht man immer meer hinein in die Schicht jener Frauen, deren Leben nur harte A beit ums tägliche Brot ist, die nur ganz selten einmal die Sorgen um den Alltag hinter sich lassen können. Da bücken sich die Wäsche­rinnen von Köpenick   tlef über ihre Leinemand. die fie müh­fam in dem tolten Wasser der vorbeifließenden Spree fäu err; da schleppen sie unermüdlich die schweren Waschkörbe von den Wo nungen nach dem Ufer, die kleinen Kinder fores m an der Hand, well fie fie nicht ohne Aufsicht laffen wollen. Und die humoristisch gehaltenen Bilder der energischen Anfelverfäferin, und der Ausruf her Verkäuferin von Spandauer   Brezeln: Koofen Ge rich sheene Spanboofte Rimtbrezeln?" fönnen nicht darüber binnen äschen daß die Pfennine, die diese Froven verdienen, hart und schwer er fämpft find. Das find die Frouen, die die Ausstellung entlich in einem besonderen Saat, der Käthe Kollwig und Hans Bauschet gewidmet it, zeigt: die Proletarierinnen von gern, die leter nur zu oft auch noch die Proletarierinnen von heute sind. So bietet die Sommerschau am Raiserdamm der Frau eine lebendige Anschauung der Vergangenheit ihres Geschlechts und da. mit einen starten Anfporn zur gemeinsamen Arbeit, zum wirffamen tatkräftigen Zusammenschluß aller werftätigen Frauen. E. M.