Frauenstimme

Nr. 348. Jabraang

Beilage zum Vorwärts

5. Februar 1931

Ehebegriff bei Hohenzollern  .

Was sich die erlauchten" Herrscher auf Kosten des Volkes erlaubten.

Wenn man die Berwilderung der Sitten der Gegenwart tabelt, so tann man taum ein schlechteres Vorbild aufstellen als die viel gepriesene gute alte Zeit". Nichts ist lügnerischer als die traditio. nelle Historie, von der schon der Philosoph Schopenhauer   sagt: ,, Die Geschichtsmuse Clio ist mit der Lüge so durch und durch infiziert wie eine Buhlerin mit Krankheitsgiften." Deshalb nimmt es nicht Wunder, wenn sich auch in der Geschichte der Hohenzollern  vielfach Legenden herausgebildet haben, die oft gerade das, was bel nüchterner Betrachtung zu fittlichen Bedenten Anlaß geben würde, in das Gegenteil verkehrt und zu einer gloriofen Handlung verklärt haben.

Nicht alles, was man in der Schule vom Großen Kurfürsten bis zu Wilhelm II.   gelernt hat, ist objektiv Geschichte. Allzu nahe sind die Hohenzollern   mit unserem eigenen Geschid verknüpft. Ihre Ber­gangenheit liegt noch immer ungefühnt auf unserer Gegenwart Eine ganz genaue Sittengeschichte des preußischen Königshauses auf rollen, hieße aber, die Schande des eigenen Boltes verewigen. Er. wähnt sei nur, daß Freiherr vom Stein, der Begründer des modernen preußischen Staates, über den Stammbaum der Hohen­ zollern  , in einer Mitteilung an Gneisenau, schon 1811 den Sag auf­stellte: Die Hohenzollern   sind ihren Ursprung nach Schwaben  , die sich durch Weiber aus fremden Volksstämmen vermischt haben."

Es waren meist geschäftstüchtige, resolute Frauenspersonen, die dle Schwäche oder Eitelkeit ihrer hohen Herren auszunuken ver. standen. Schon der Kurfürst Joachim Hettor besaß eine Geliebte, die ihn tüchtig schröpfte. Anna Sydow   war die Tochter eines Geschützgießers und ebenso schön wie raffgierig. Sie brandfchatte diesen furfürstlichen Hohenzollern   mit ihrer, tariflichen Zivillifte" und ihren fortwährenden Extra- Dotationen" mehr, als alle Gläubiger und Raubritter es mit vereinten Kräften vermochten. Dieser unge. mein prunfliebende Verschwender und politische Intrigant fonnte sich seine ,, teure" Liebe nur dadurch erhalten, daß er immer neue Steuern auf das unter seinen Lasten fast zusammenbrechende Bolt

bürdete.

Nicht ohne Komit ist, was die Ueberlieferung von Friedrich I.  , dem ersten König in Preußen, berichtet. Dieser Monarch, dessen Ehrsucht dem Beispiel Ludwigs XIV. nacheiferte, unterschied sich von seinem französischen Vorbilde nur darin, daß er sich sein heldenhaftes Aussehen nicht durch ein Lagerleben bei Sturm und Wind, sondern viel einfacher verschaffte. Er schmierte sein Gesicht mit Fett und Del ein und legte sich in die Sonne. um,.martialisch" auszusehen. Weil er es für seine vornehmste Pflicht hielt, seinen Rang unter den anderen europäischen   Großherren zu wahren, schaffte er sich, wie es am Hofe des Sonnenfönigs Sitte war, auch eine richtiggehende Mätresse an! Jeden Abend pflegte er mit ihr, der bekannten Gräfin Wartenberg, eine Stunde interessanter Konversation. Bon Geburt war diese Gräfin" die Tochter eines Weinhändlers in Cleve. Später war sie mit einem Kammerdiener verheiratet. Daß diese galante Konversation, wie sie damals Mode war, nur eine närrische Form bildete, geht aus dem Urteil der Gemahlin Friedrichs L., der Königin Sophie Charlotte  , hervor: Die ungebildete Person wurde von der Königin nur französisch angeredet, was sie nicht verstand. Außerdem heißt es über sie in einem zeitgenössischen Brief: Der König ist nicht eifersüchtig, er duldet, daß seine Bedienten bei seinen Mätressen liegen. Aber die Weiber sind jo leichtsinnig und unver­schämt, in Sonderheit die vom größten Hause sein, daß sie ärger sind als die in den Hurenhäusern."

zu

Preußen, das in den früheren Jahrhunderten stets seinen Lehr­meister in Frankreich   sah, hat nicht nur durch die Schaffung seines Heeres nach franzöfifchem Muster( wie noch heute aus den meist franzöfifchen Rangbezeichnungen,..General  ", ,, Leutnant", Sergeant"," Marschall". Gendarm", aus Worten wie., Infanterie", Kavallerie", Armee", Estabron" usw. hervorgeht), sein Borbild zu erreichen versucht, sondern hat auch im staatlichen Aufbau nach den napoleonischen Kriegen von dem Geist an der Seine profitiert. Den­noch ist es unwürdig, zu welch lächerlicher Nachäfferei des Aus­landes fich z. B. Friedrich Wilhelm II. verstiegen hat. Als er die dreizehnjährige Tochter des Potsdamer Musikers Ente nach Paris   zur Ausbildung schickte, hatte er nichts anderes im Sinn, als aus ihr eine Mätreffe nach französischem Muster 3u machen. Ordergemäß heiratete fie, nachdem sie sich in Paris   im galanten Hofwefen vervollkommnet" hatte, den töniglichen Kammer. diener Rieh und beherrschte als Frau des Kammerdieners und Geliebte des Königs viele Jahre die bunte Galerie des Weiberhofes: Hofdamen, Tänzerinnen und Schauspielerinnen, dabei auch die Wäscherin Ninette Horst, teilten sich unter dem Kommando der Favoritin in die Gnade des Herrn. Diese Favoritin, die Dieners­frau Wilhelmine Rieß, gehört als Gräfin von Lichtenau der europäischen   Geschichte an. Fast hat sie sich einen größeren Ruf erworben als ihr gnädiger Förderer, den man nur als Nummer 2" Lichtenau, die außer den reichen Gütern, die ihr der preußische König unter den Friedrich Wilhelmen fennt. Denn der Einfluß der Gräfin schenkte, von ihm noch ein Barvermögen von 500 000 Talern erhielt, folger ihr Besitztum genommen wurde, setzte die persönliche Gnade war von weittragender Bedeutung. Ais ihr später von dem Thron Napoleons   fie wieder in ihr Eigentum ein. Das Schicksal Preußens lag in der Hand eines degenerierten Lüftlings, der, vollkommen abhängig von den Launen seiner Freundinnen und deren unbe herrschter Verschwendungsgier, die ungeheuren Geldmittel nur da durch aufbringen konnte, daß er rücksichtslos neue Steuern und Bölle einführte, die dem darbenden Volke das farge Brot entzogen.

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Der Begriff der Ehe stand bei den Hohenzollern   niemals hoch; selbst Friedrich der Große   hielt wenig von seiner Frau, der preußischen Königin Elisabeth Christine  , und sein Nachfolger, Friedrich Wilhelm II.  , wechselte die Frauen wie Handschuhe. Neben seinen vielen Liebschaften war er zweimal offiziell und zweimal zur linken Hand" verheiratet. Auch Friedrich Wilhelm III., das Sinn. bild des Biedermeierehemannes, ließ sich furze Zeit nach dem Tode der Königin Luise mit einer Gräfin Harrach morganatisch trauen. Ehen zur linken Hand" waren überhaupt an der Tagesordnung. Besonders beliebt wurden im 19. Jahrhundert Tänzerinnen; in Süd­ deutschland   Lola Montez  , in Preußen die Schwestern Fanny und Therese Elßler  , mit deren Namen Prinz Adalbert von Preußen verbunden ist. Therese Elßler   erhob Friedrich Wilhelm IV.   zur Freifrau von Barnom. Wir sehen also, daß es nicht erst dem vormaligen Kaiser Wilhelm II.   vorbehalten geblieben ist, sich schon faum nach Ablauf der Trauerzeit um feine geliebte Gemahlin Auguste Viktoria   mit einer neuen Ehepartnerin zu versehen, sondern daß man den hohen Pflichtbegriff. den man so gerr vom einfachen Manne verlangte, niemals in diesen erlauchten" Kreisen selbst beseffen hat. Wie auch die heute so gern gepriesene Theorie von der Reinerhaltung der Rasse am unbedenklichsten von den Hohen­ zollern   verlegt wurde! Hermann Walden.