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Die Verkäuferin als Berufsideal.

Und andere kleine Tatsachen.

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Wo wird am häufigsten geheiratet?

Die meisten Eheschließungen unter den preußischen Großstädten im Jahre 1930 zählte die Stadt Harburg- Wilhelmsburg mit 10,7 auf das Taufend der mittleren Bevölkerung, ihr folgen die Städte Frankfurt  ( mit seiner guten Wohnungspolitik) und Berlin  . Die heiratsunlustigsten Bewohner haben die Industriestädte Gleiwig( 7,9) und Münster  ( 7,7). S. S.  

Die Berufsberatungsstatistiken der letzten Jahre zeigen in immer| Allerdings muß bei dieser Zählung die hohe Zahl der Kriegs, stärkerem Maße den steigenden Andrang der jungen beruffuchenden verlegten mit in Rechnung gestellt werden; aber auch die Berufss Mädchen zum Angestelltenberuf. Aber es ist nicht die gefährdung ist bei den Männern noch sehr viel stärker als bei den Stenotypistin oder die Kontoristin oder gar die in Film und Roman Frauen. Wichtig ist die Feststellung, daß als Ursache der Er= so rosenrot idealisierte Privatsekretärin, die als Berufsziel lockt, blindungen außer den Kriegsbeschädigungen in der Hauptsache sondern die Verkäuferin. Die übergroße Mehrzahl der weiblichen Vererbung ermittelt wurde; die Blennorrhöe( eine bei der Geburt Schulentlassenen, die den Angestelltenberuf wählen, wollen Ber übertragene Eiterinfektion) fam nur noch selten vor. Dagegen war täuferinnen werden. Trotzdem, was viele nicht wissen, gerade die Tuberkulose als Erblindungsurfache noch von Bedeutung. der Einzelhandel die niedrigsten Gehälter zahlt, und trotzdem, was doch alle wissen können, die Verkäuferin über viel weniger freie Zeit verfügt als ihre Kollegin im Büro, die schon am Nachmittag ,, heraus" tann oder Sonnabends den freien Nachmittag genießt während die Berkäuferin Abend für Abend im Geschäft stehen muß. Welche psychologischen Zusammenhänge liegen diesen Massen neigungen zugrunde? Abgesehen von der Vorstellung, hier vielleicht leichtere Lehrzeit oder schnellere Anstellungsmöglichkeiten zu finden, und abgesehen von Zeitströmungen, die irgendeinen Beruf zum Modeberuf stempeln: der Wunsch, als Verkäuferin hinterm Ladentisch zu stehen, ist der Wunsch, mit Menschen in Berührung zu kommen, ist der Wunsch nach Lebendigkeit, Abwechslung und Glanz. Hier ist im allgemeinen noch wenig mechanisiert, es lockt noch ein persönlicher Kontakt mit Menschen und Dingen. Nicht zufällig ist die Heiratshäufigkeit der Berkäuferin größer als in anderen Berufen allerdings kann es sich der Handelsunternehmer gestatten, die jüngsten und hübschesten( und nebenbei billigsten!) auszusuchen. Und wer ahnt, was für Ent­behrungen hinter dem wohlondulierten Bubikopf und dem schicken Kleidchen stecken? Es lockt in der Phantasie ein buntes Leben!

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Was Frauen verdienen end

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oder wie man Frauenarbeit zu bezahlen wagt: in der Schuh­Heimindustrie im Bezirk Frankfurt   a. M. wurde, nach einem Bericht des Gewerkvereins der Heimarbeiterinnen, versucht, den horrenden Lohn von 1,05 m. für 50 Paar Struppschuhe noch herabzusehen. Nach einer neuen Verarbeitungsmethode blieb der Heimarbeiterin für 50 Paar nur 35 Pfennig Arbeitslohn, wobei die Arbeit des Holens und Bringens der schweren Last Schuhe noch einbegriffen ist. Da die Firma mit dieser neuen Methode nicht den ,, gewünschten Erfolg" hatte, gab sie die Schuhe wieder zu den alten hohen" Löhnen in Heimarbeit. Strumpfhalternäherinnen verdienen für das Gros- Paar 96 Pfennige. Für Tapisserie liegen die Stundenlöhne zwischen 20 und 25 Pfennig! Der Aufwärts" berichtet, daß ein oberschlesisches Gut einer 26jährigen Landarbeiterin einen Bertrag zur Unterschrift vorlegte, in dem sie sich bereit erklären sollte ,,, in folge minderwertiger Arbeitskraft" trotzdem sie durchaus gefund und feit Jahren in der Landwirtschaft tätig war für einen Stundenlohn von 10( zehn!) Pfennigen zu arbeiten! Geburtenzahl und Säuglingssterblichkeit. Stadt Berlin   hat den zweifelhaften Borrang, die niedrigste Geburtenzahl von allen preußischen Großstädten zu haben: auf 1000 Berliner   tamen im Jahre 1930 nur 10,2 Ge­burten. Dagegen können die Städte Hindenburg   und Oberhausen  , beide mit überwiegend fatholischer Bevölkerung, den Rekord der größten Geburtenzahl aufweisen: auf 1000 Hindenburger tamen 23,, neue" Kinder, auf 1000 Oberhausener   22,3. Hohe Geburts­ziffern weifen auch die meisten Universitätsstädte auf: das erklärt sich aber nicht etwa aus einer besonderen Fruchtbarkeit der Studenten, sondern aus Einrichtungen von Kliniken und Ent­bindungsanstalten der Universitäten, zu denen die Frauen der ganzen Umgegend zur Entbindung kommen. Aber wieviele dieser Neugeborenen überstehen das erste Lebensjahr? Der geringsten Zahl von Säuglingssterbefällen kann sich die Stadt Frank­ furt am Main   mit ihrem sonnigen Klima erfreuen( 5,1 auf 100 Lebendgeborene). Dagegen sterben in den ausgesprochenen Industrieſtädten, in Halle im mitteldeutschen Rohlengebiet und in Remscheid   im Ruhrgebiet   noch mehr als jedes zehnte Neugeborene!

Die

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Die Gebrechlichen.

Die kürzlich neu durchgeführte Gebrechlichenzählung im Deut­schen Reich zeigte einen auffallenden Unterschied in der Gebrechens. veranlagung zwischen den Geschlechtern. Bon Geburt an find die Frauen etwas geringer mit geistigen Gebrechen, dafür aber über­wiegend stärker mit förperlichen Gebrechen belastet als die Männer. Nur 8 von 100 Männern, aber 21 von 100 Frauenfind von Geburt an förperlich schwergebrechlich. Bei den Männern treten die meisten Gebrechen erst im Alter von 20 bis 30 Jahren auf.

Das Atemforfett.

Ueber das weitverbreitete Borkommen des sogenannten tem­forjetts" berichtete Dr. Hans v. Hattingberg fürzlich ausführ lich auf der Aerztetagung in Dresden  . Der feltsame Name Atem­forfett" für eine bestimmte Störung der Atmung und eine beträcht liche Berspannung und Versteifung der unteren Brustkorb- und oberen Bauchmustein erscheint Hattingberg dadurch gerechtfertigt, daß von den Patienten selber diese Verspannung subjektiv wie ein Kor fett" empfunden und auch so bezeichnet wird. Andere wieder sprechen von einem Ring" oder einem beengenden Reifen", der dem zuni Faß oder zum Kessel gewordenen Brustkorb fest aufliegt, oder der Patient hat ein Gefühl der Völle, bis zum Plazen. Ich hätte am liebsten meinen Rumpf angebohrt oder den Reifen aufgeschnit ten," erklärte ein Kranfer. Manche empfinden das Bedürfnis nach einem Gegendrud.

Die typische Atemftörung wird zumeist als Atemsperre" emp­funden oder in schwächeren Fällen als die Unmöglichkeit, durchz atmen". Es iſt, als ob ein Brett oder sonst ein mechanisches Hinder­nis dem normalen tiefen Atemzuge mit dem daran knüpfenden B- freiuungsgefühl entgegenstünde. Das Gefühl der Enge, der Be­drücktheit und Atemnot   versucht der Patient dadurch zu beseitigen, daß er von Zeit zu Zeit eine tief seufzende Ein- und Ausatmung ausführt; wenn die Atemsperre sich dann löst, tritt oft ein wieder. holtes Gähnen auf. Dieser überaus lästige und quälende Zustand, der sehr viel häufiger vorkommt als man gemeinhin annimmt, titt oftmals im Zusammenhange mit angstvoller Spannung, also etwa vor einem Eramen, vor Anstellungen und ähnlichen Zuständen Korsett­angstvoller Gespanntheit auf. Ein leichter Grad von atmung" ist außerordentlich häufig; ja, die Tatsache, daß es nur verschwindend wenige Großstadtmenschen gibt, die völlig frei atmen, hält Hattingberg für die einzige Ursache, daß diese verbreitete Er­scheinung bisher nicht beschrieben worden ist

Mit der Bezeichnung dieses Krankheitsbildes als Atemforfett" will Hattingberg die Störung der Zwerchfellfunktion besonders be tonen, mährend von anderer Seite her die Herzschmerzen oder die Angftgefühle in den Vordergrund cerüdt werden. Kritische Patien ten aber beschreiben das Schmerzgefühl in der Magengrube als ein von allen anderen natürlichen Schmerzen verschiedenes, schon wegen feines unheimlichen Charakters, als ein Gefühl, das sich überhaupt nicht definieren lasse, ein Schwanken zwischen der Empfindung der Bölle und Leere, zwischen Hunger und Nahrungsüberdruß, mit einer Beimischung von Angit, ja von Schuldgefühl.

Hattingberg knüpft án die von Urzeiten her bekannte, jetzt wieder anerkannte zentrale Stellung der Atmung, die charakterisiert werde durch ihr enges Busammenspiel zwischen Willkür und Un= willkür. Das Einatmen, das mehr der Willkür unterliege, befommit gegenüber der vorwiegend unwillkürlichen Atmung ein ungesundes llebergewicht. So entstehe ein langsam sich steigerndes Ringen um den Atem, ein Ringen gegen ein unbewußt selbst gesetztes Hinder­nis: der typische Vorgang der Neurose. Ein weiteres unterstütztes Moment sieht Hattingberg in der von der Medizin noch kaum be­achteten Typit der Rumpfhaltung, die zum Ausgangs punti eines eigenen Forschungszweiges der Literaturwissenschaft geworden ist.

Das Atemforsett" steht in engster Beziehung zu der Er. wartungsneurofe" Kraepelins oder der Angstneurose im Sinne Freuds  ; ja, sie ist selber eine Art der Angstneurose, bei der aber, wie erwähnt, die Zwerchfellstörung im Vordergrunde steht. Für den Seelenarzt kann die Kenntnis des Atemtorsetts" von therapeutischer Bedeutung werden, indem hier die Möglichkeit ge­geben ist, von unten her, vom Körperlichen aus, nervösen Störun gen beizukommen, ein Verfahren, das sich besonders bei seelisch un­komplizierten Naturen oder bei psychisch schwer zugänglichen Inpen empfiehlt, zumal da den Patienten durch Atemübung Haltungsübung und Gymnastik Ansatzpunkte zu eigener Mitarbeit und Willensftäh lung gegeben find, zur tätigen Mithilfe an ihrer Geſundung