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In ihrem Urteil weniger leicht einseitig, parteiisch oder beeinflußbar von der Umgebung!" Und zwar soll es dann in Deutschland   so vor sich gehen:Natürlich darf man. wie bisher, nicht die Stimmen der Anzahl nach zählen, sondern alle männlichen und alle weiblichen Stimmen müssen je auf eine ausschlaggebende Stimme zurückgeführt werden, so daß es niemals zu einer Ueber- stimmung des einen oder anderen Geschlechtes... kommen kann, wenn etwas ein Gesetz werden soll, das die Allgemeinheit bindet. In jedem Staat müssen also die Frauen darauf dringen, daß sie neben einer Männerkammer eine vollständig gleichberechtigte Frauenkammer bilden!"(Wir er- tauben uns schon jetzt, für die Frauenkammer den NamenKeme- nate" vorzuschlagen!) Die Krisenzeit ist günstiger Boden für Sonderlinge! Frauen an die Front. Unter dieser Ueberschrift bringt dieVossische Zeitung" in ihrer Abendausgabe vom 14. Juliaus Frauenkreisen" einen Leitartikel, der eine für das Denken bürgerlicher Frauen bezeichnende Verirrung und Verwirrung'darstellt". Die staatsbürgerliche Rolle, die wir Frauen zu spielen haben, wird folgendermaßen umrissen: Wir beteiligen uns nicht an der unfruchtbaren Parleipolitik der Männer, die dahin führt, daß eine Gruppe der anderen die Verantwortung zuschiebt, weil wir fühlen, daß etwas anderes nottut als der ständige zähe Kampf der Interessen, als das Verteidigen von überlebten Doktrinen und das Streiten um Macht und Geld. Wir verfechten eine neue Art von Solidaritätspolitik im Innern... eine Politik nämlich, die sich auf die Solidarität einer besonnenen liberalen Minderheit verläßt und... imstande sein wird, eine uneinsichtige radikale Mehrheit im Schach zu halten. Wir sind in Verfolg einer solchen neuen Solidaritätspolitik bereit, einer Regierung unser Aec- trauen zu bekunden, an deren Spitze ein des Handelns un- gewöhnlich fähiger Mann steht, der sich als ein Führer erwiesen hat, auch ohne sich auf eine solidarisch vertrauende Minder- heit zunächst verlassen zu können." Solche Verschiebungen vom realpolitischen aufs gefühlsmüßige Gebiet müssen gerade auch im Interesse der Frauen aufs schärfste abgelehnt werden. Ebenso wie bei Frau von Kardorff(siehe oben) spricht hier im Namen vonw i r Frauen" eine bestimmte politische und geistige Haltung, die weder die innere noch die äußere Berechtigung besitzt, als Ausdruckeines solidarischen Frauen- willens zu gelten, ja die geradezu den Ruf nach demstarken Mann" hinter einer gefühlsbelonlen Aranenpolitik" versteck!. Aber es kann heute weder eineMännerpolitik" noch eineFrauen- Politik" geben. Frauen und Männer, gleiche Glieder des Staates, sind in gleicher Weise an allem Geschehen mitverantwortlich und mitleidend, und es geht nicht an, die Katastrophen einer verfehlten Politik und eines falschen Wirtschaftssystems alsunfruchtbare Parteipolitik der Männer" hinzustellen. Gewiß, es gibt Sonder- interessen, Sondergebiete der Frau. Aber es gibt nur eine reale Politik, die für Mann und Frau den Ausweg aus dem Chaos bedeutet: der Kampf gegen das kapitalistische System. Frauen an die politische Front aber nicht mit solchen gutgemeinten Gefühls- täufchungen! Die spanische Krau. Von unserem Madrider   Korrespondenten. Die Schönheit der spanischen   Frau, das Feuer ihres Tempera- mentes sind in allen Sprachen besungen worden. Ueber alle Bühnen der Welt gingCarmen  ", die Oper von der Sevillaner Zigeunerin. Hunderte von Millionen haben sich nach ihrer Gestalt das Bild gs- formt, das sie von der spanischen   Frau im Herzen tragen. Diese Hun- derte von Millionen haben sich ein völlig falsches Bild er- dichtet. D i e spanische Frau war niemals eine Carmen. Genau so wenig wie d i e deutsche Frau das blonde Gretchen mit den Hänge- zöpfen ist! Die spanische Frau war seit Jahrhunderten ein Gemisch von Orient und Okzident. Ein Produkt der christlich-kirchlichen Er- Ziehung und der im Lande haften gebliebenen maurischen Tradi- tion. Je weiter man nach dem Süden kani, desto stärker überwog die Tradition aus den Zeiten der Abderrahmäns, während im Norden, besonders in den große» Städten des Nordens, allmäh- lich Europa   einbrach. Es ist schwer, das Wesen der spanischen   Frau auf eine Formel zu bringen. Eine solche Formel muß immer schief sein, und so könnte sie kränken, wo uns doch nichts ferner liegt, als das Bolk, dessen Gastfreundschaft wir mit Dankbarkeit genießen, irgendwie zu ver- letzen. Immerhin, der Versuch ist notwendig! Dies etwa ist der Typus der spanischen   Frau, und zwar der Proletarierin wie der Bürgerin, aus der Zeit der letzte» Bourbonen  : Mutter ihrer Kinder, geboren, um Mutter zu werden. Unselbständig gegenüber den Dingen der äußeren Welk. Herrscherin im eigenen Hause. Dem Gatkett meist sehr treu, selbst aber nur zu oft betrogen. Das junge Mädchen wächst auf im Traume von einem phantastischen Liebesglllck. Bis die Zeit der Liebe herannaht. Mit ihr tritt die Wirklichkeit in fein Leben. Der Mann, der vielleicht angeschwärmt wird, muß von der Familie ferngehalten werden. In den wenigsten Fällen entscheidet das Gefühl über die Frage der Ehe. Materielle Gründe sind aus- schlaggebend, wenigstens in der Bourgeofie. Familienintsressen und die Aussicht auf Vermögen oder Stellung. Während der Brautzeit Schwärmerei oft genug kaum noch mit tatsächlichem Gefühl, nach der Eheschließung der Alltag: Kinder und das enge, eigene Haus, während der Mann im Klub oder im Cafe seine nicht von der meist kaum übermäßigen Arbeit verschlungene Zeit verbirgt. Auch die Arbeiierehe ist ähnlich geartet. Der Unterricht, den die Frau in der Jugend empfing, war höchst ininimal. Oft reichte er kaum zum Lesenlernen aus. Jedenfalls werden feine Früchte späterhin nur sehr beschränkt angewendet: daß die Frau ein Buch in die 5?and nimmt oder die Zeitung liest, gehört durchaus nicht zum Ueblichen. Im Leben des Staates, des Volkes hatte die Frau kaum etwas zu sagen. Nur die Kirche nahm sich ihrer an, zog sie in die Kreise ihrer charitativen Tätigkeit und versuchte, sie immer wieder als Mittel zur politischen Bearbeitung des meist selbst dem Beichtstuhl und der Kanzel fern bleibenden Gatten zu benutzen. Und die Ltirche war da» schlimmste Hemmnis auf dem Wege zu einer allmählichen Emanzi- pation der spanischen   Frau. Jeder Versuch, auch nur einen Hauch europäisch-modernen Lebens in das Dasein der Spanierin zu bringen, begegnete der erbitterten Feindschaft der Kirche. Man denke nur daran, wie noch in jüngster Zeit die Mitglieder des hochstehenden Madrider   Liceo-Klubs beschimpft wurde». Der Klub hat sich gerächt: er wurde ein geistiges Zentrum, aus dem heraus ein wesentliches Stück Arbeit an der inneren Vorbereitung zur Revolution geleistet wurde. So kommt es, daß gerade dieser Klub auch heute das Zentrum der neuen Frauenbewegung in Spanien   geworden ist. Der Same. der hier in vielen Jahren gelegt wurde, geht auf, und au» ihm gedeihen schon die ersten Früchte. Als die Mitglieder des ehemaligen Revolutionskomitees aus dem Madrider Gefängnis entlassen wurden, gab ihnen zu Ehren der Liceo-Klub einen Tee. Damals stand in erster Reihe der gefeierten Persönlichkeiten auch die Verteidigerin des gegenwärtigen Ministers für öffentliche Arbeiten A l b o r n o z, die junge Advokatin Victoria K e n t. Victoria Kent   war wenige Wochen darauf, als die früheren Insasse» des Modellgesängnisse» Minister wurden, die erste spanische Frau, die ein hohes staatliches Amt übertragen bekam: sie ist jetzt unter dem sozialistischen   Justiz- minister Fernando de los Rios Generaldirektorin des Gefängnis- wesens.(Die Stellung eines Generaldirektors entspricht der eines deutschen   Ministeriatdirektors) Die Republik   gibt der Frau theoretisch die Gleichberechtigung mit dem Manne. Praktisch vermag sie sie noch nicht zu verleihen, weil die spanische Frau in ihrer ganz übergroßen Mehrheit eben noch d i e Frau ist, die wir oben zeichnen mußten. So wird es unmöglich sein, der Frau das Wahlrecht im gleichen Umfange zu verleihen, wie wir es in Mitteleuropa   kennen. Für die Wahlen zur Nationalver- fammlung hat man sich dahin entschieden, der Frau zwar das passive, aber nicht das aktive Wahlrecht zu gewähren. Im Landkreise Madrid  sind zwei Advokatinnen, eben jene Victoria Kent   und die bekannte Clara Campoamor  , beides radikale Republikanerinnen, gewählt worden. Später wird man wahrscheinlich die Lösung der Wahlrechts- frage so versuchen, daß man zwar der selbständigen, berufstätigen Frau das aktive Wahlrecht gibt, nicht aber der nach dem bürgerlichen Rechte noch der rechtlichen Vormundschaft des Mannes unterworfene» verheirateten Frau. Es gibt stets eine erhebliche Reihe hervorragen- der Frauen, die für die Wahl in das Parlament in Frage kommen, wenn auch die große Masse noch gar keinen Begriff von Politik hat. Selbstverständlich muß die Republik   alles nur irgend Mögliche tun, um die Bildung der Frau zu heben. Die 7000 Volksschulen, die am 1. September dieses Jahres eröffnet werden sollen, sind ein erster Schritt dahin. Sie werden ganz wesentlich dem weiblichen Elemente zugute kommen. Und ebenso die weiteren 21 000 Volksschulen, die im Laufe weiterer vier Jahre eingerichtet werden sollen. Dazu kommt aber vor allem der offene Bruch mit der Tradition. Die Tradition" war stets der Krebsschaden des spanischen   Lebens. Sie ist mit der Revolution gebrochen. Damit ist der Weg frei zur Modernisierung des gesamten Lebens, besonders auch des Lebens der Weiblichkeit. Schon während der letzten Jahre sind einige Ansätze nach dieser Richtung gemacht worden. Meist gingen sie von den besitzenden Klassen, vor allem von der eiycm ausländischen Einfluß am meisten zugänglichen Hofgesellschaft aus. Aber die Ansätze, dle man dort sah, waren nicht immer erfreulich. Gerade in der Hof- gesellschaft wurde das WortFreiheit" recht bedenkenlos aufgefaßt und bedeutete nur zu oft Sittenlosigkeit. Daneben freilich fand auch der Sport weiteste Verbreitung. Und der Sport ist in fast allen Ländern der grgße Befreier vom alten Gerümpel verstaubter Vor- urteile gewesen. Die Republik   wird sich seiner auch weiterhin be- dienen, um ihre Aufgabe der Befreiung des spanischen   Menschen zu erfüllen. Die ganze Entwicklung kann nicht von heute auf morgen vor sich gehen. In den letzten' Monaten ist ein gewaltiger Sprung ge- macht worden. Das mit dem Umsturz vom 14. April Gewonnene muß erst einmal ausgebaut werden. Die Frau selbst hat die große und schwere Aufgabe, diesen Ausbau der ihr neu verliehenen Rechte durchzuführen. Die kommende Verfassung wird ihr die Möglichkeit dazu geben.