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Mussolinis Amazonen.

Das faschistische Weiblichkeitsideal.

Die Staatsvergottung des Faschismus, sein schrankenloses Macht­streben und sein Versuch, ein totales, die Gesamtpersönlichkeit um­faffendes Weltanschauungssystem aufzurichten, haben auch ein typisch faschistisches Weiblichkeitsideal geschaffen. Dieses ist in allen Zügen bestimmt von den Bedrüfnissen eines nach chauvinistischer Macht­entfaltung strebenden Staatswesens. Jedoch mit dem alten Lege­hennenideal der höchstmöglichen Kinderproduktion allein ist selbst in Mussolinien nicht mehr auszukommen. Der Aktivität der jungen weiblichen Generation müssen Ziele gesetzt, ihrem nicht mehr zu unterdrückenden Drang nach Selbstentfaltung muß das Bild eines faschistischen Frauentums entgegengehalten werden, das von dem zurückgezogenen, unfelbständigen Leben ihrer Mütter, dem nur die Flucht in die Religion als einziges Ventil offenstand, grund­fäßlich verschieden ist. So entstand jenes eigentümliche Weiblichkeits­ideal, das eine noch nicht erlebte

Mischung von Amazonenfum und Hausbackenheit darstellt. Am liebsten sähe es der Faschismus freilich, und hat dies auch mehr als einmal verkünden lassen, daß ihm diejenige Frau, die fleißig Kinder bekommt und sie im faschistischen Geifte erzieht, viel lieber ist als die eifrige Parteigenoffin, die im schwarzen Hemd von einer Versammlung in die andere, von einer Demonstration zur anderen stürmt. Aber da nun einmal die junge Italienerin trotz aller männlichen Ermahnungen zur Weiblichkeit" nicht hinter Turkestan   und Afghanistan   zurüd bleiben will, mußte man sich mehr übel als wohl dem unbequemen Zug der Zeit an­passen. Eine faschistische Frauen- und Mädchenorganisation ist auf­gezogen worden, deren Pragis eigentlich mit der faschistischen Theorie in Widerspruch steht.

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Dem Wirken der faschistischen Frauen- und Mädchen ,, bewegung" hat A. Turati allerlei schöne Grundsäge mitgegeben. Die junge Fa­schistin soll ihre Pflichten als Tochter, Schwester, Schülerin und Freundin mit Güte und Heiterkeit erfüllen, fie soll dem Bater lande dienen, den Duce lieben, freudig den Vorgesetzten gehorchen, sie soll sich den Verführern zum Bösen" widersetzen, körperliche Anstrengungen und Schmerzen ertragen lernen, die ,, dumme Eitel­feit" fliehen, die Arbeit lieben und in Glauben und Religion leben. Die Leitung der, Fascio Femminili  ", der weiblichen faschistischen Organisation, untersteht Augusto Turati  , dem Generalsekretär der Faschistischen   Partei, dem für die ,, Fascio Femminili" als Gene­ralsekretärin Angiola Moretti beigegeben ist, deren Arbeits­räume sich ebenfalls im Palazzo Littorio   in Rom  , dem Siz der fa­fchistischen Parteileitung, befinden.

Der Fascio Femminili  " murde 1921 gegründet und umfaßt zur Zeit etwa 4000 Zweigverbände mit rund 100 000 Mitgliedern. Dazu treten die Jugendorganisationen, und zwar: Die kleine Italienerin" für Mädchen bis zum 14. Lebensjahre mit etwa 640 000 Mitgliedern ,,, Die junge Italienerin" für Mädchen Dom 14. bis 18. Lebensjahre mit etwa 90 000 Mitgliedern und Die junge Faschistin" für Mädchen vom 18. bis 22. Jahre mit einer erheblich niedrigeren Mitgliederzahl. Die hohe Mitgliederzahl bei der ,, Kleinen Italienerin" ist darauf zurückzuführen, daß die Mäd­chen von den Schulen aus für die faschistische Organisation erfaßt werden. Je älter sie aber werden, desto schwerer wird es ihnen, wie übrigens auch den männlichen jungen Faschisten, sich als Kinder eines Boltes, das schon alle Werte einer liberalen Regierungsform und freien Persönlichkeitskultur fennengelernt hat, von dem Moloch des faschistischen Kollektivismus auffreffen zu lassen. Angesichts der ungeheuren äußeren Machtentfaltung des Faschismus und der Bor­teile, die er seinen Anhängern gewährt, find 100 000 erwachsene weib­liche Mitglieder wirklich nicht gerade überwältigend.

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Troy Berdammung der ,, dummen Eitelkeit" hat der Faschismus in leider richtiger psychologischer Berechnung es sich nicht nehmen lassen, besonders fleidsame Trachten für seine Mädchen­organisationen zu erfinden. Das schwarze hemd ist für die Fa­schistin abgeschafft worden, nur der politisch aktive Mann ist würdig, es zu tragen. Dafür tragen die Kleinen" und die ,, Jungen Italienerinnen" schwarze Faltenröckchen, weiße Blusen und schwarze Seidenkäppchen, während die Jungen Faschistinnen" ihr Abzeichen ftets, ihre Uniform, bestehend aus hellbraunem Sportkostüm, braunen Strümpfen und Schuhen und dunkelblauer Müze, nur auf Befehl bei besonderen Anläßen anlegen dürfen.

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Während die Organisationen der Kleinen" und der Jungen Italienerin" mit den entsprechenden Knabenorganisationen zur Na­tionalen Ballila" zusammengeschlossen sind, gehört die Junge Fa­schistin" völlig zur Bewegung und hat dieselbe Pflicht wie der männ­liche Faschist zur

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unbedingten Disziplin und blindem Gehorsam gegenüber den Befehlen der Führer.

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Da das Vereins- und Organisationsleben in Italien   außerhalb er faschistischen Organisationen so gut wie ausgerottet ist, müssen die faschistischen Mädchenorganisationen mancherlei Funktionen mit übernehmen, die in anderen Ländern von anderen Organisationen cusgeführt werden, deren Ausübung sich aber der Faschismus natür­lich als großes Berdienst anrechnet. Jm Fascio Femminili" wird Wohlfahrts- und Krantenpflege betrieben, in den Mädchenbünden Sport, Wanderung, Reifen, fünstlerische, wissen­schaftliche und berufliche Fortbildung, aber im Vordergrund steht die Erziehung tüchtiger Hausfrauen, Mütter und Batriotinnen". Auch die Verschickung von Großstadtkindern aufs Land wird von den Frauen und Mädchenorganisationen in ziemlich großzügiger Weise betrieben natürlich alles zur höheren Ehre des Duce und seines Systems. Den Unwillen der Kirche hat es erregt, daß sich faschistische weibliche Jugend auf den großen Sportfeften am 3ielschießen beteiligte. Selbst dieses nicht aus eigener, frauenrechtlicher Wurzel erwachsene, sondern nur vom militaristischen Männerstaat abgeleitete und übertragene Amazonentum ging der Kirche auf ihre, in diesem Punkte sehr empfindlichen Nerven. Ich hoffe, daß die italienischen Frauen in ihrer freien Zeit nicht turnen, sondern beten werden", fagte Pius XI  . Seit den Lateranverträgen nimmt der Faschismus darauf Rücksicht und vermeidet stärker alles, was nach weiblicher Emanzipation aussehen könnte. Die Auswirkungen der neuen firchenfeindlichen Politik bleiben abzuwarten.

Das Ideal des Faschismus aber sind die Mütter, die ,,, statt Wiegenlieder zu fingen,

an den Wiegen ihrer Säuglinge Kriegshymnen anftimmen". Troß grauenhafter llebervölkerung Italiens  , für die jetzt das Vor­friegsventil der Auswanderung so gut wie verschlossen ist, möchte Mussolini   am liebsten einen Fünfjahresplan für die Kinderproduktion aufstellen. Da das leider doch nicht möglich ist, wird alles bekämpft, was die natürliche Fruchtbarkeit der Raffe" irgendwie beeinträch tigen fönnte, vor allem natürlich die Abtreibung. Jeder italienische Arzt ist verpflichtet, jeden in seiner Bragis festgestellten Abort innerhalb 24 Stunden schriftlich der örtlichen Behörde zu melden. Die Folgen hilflos verblutende Frauen, die nicht wagen, sich an den Arzt zu wenden fann man sich leicht aus­malen. Die untere Grenze für das Heiratsalter wurde, auch zum Zwecke reichlicherer Kinderproduktion,

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für Männer" auf 16 und für Frauen" auf 14 Jahre fest­gesetzt; damit ist Muffolinien glücklich noch hinter die indische Gesetzgebung zurückgegangen!

Für pofitiven Mutterschutz durch Unterstützung aber wird weit weniger geleistet als 3. B. durch die deutsche   Sozialgesetzgebung. Ehe und Sexualmoral werden durch drakonische Strafbestim­mungen geschützt". Eine Konzession an den Vatikan   war die wiederherstellung der Gültigkeit der firchlichen Trauung und der Erklärung der Zivilehe als nicht obligatorisch. Junggeselien­und Ledigensteuer sollen die Ehefreudigkeit beleben. Auf Ehebruch stehen drei, auf Abtreibung fünf Jahre Zuchthaus. Ehescheidung gibt es nicht mehr, nur Ehetrennung, die fein Recht auf Wiederverheiratung gibt. Der ehegetrennte" Bartner kann also auch die unerhört schwere Bestrafung für Ehebruch" gewärtigen. Um nicht in die gefährliche Ehefalle zu gehen, ist in den unteren Schichten des Volkes

das jahrelange Zusammenleben der Verlobten immer mehr Brauch geworden.

Greift eine verlassene ,, Braut" einmal zum Messer, um ihre Ehre" zu rächen, so darf sie milde richterliche Beurteilung erwarten. Die ondere Kehrseite der mittelalterlichen Ehegesetzgebung bildet die weitverbreitete Prostitution, die in Italien   in balkanischen Formen auftritt mit der Besonderheit des sogenannten ,, Staggione Systems" in den Bordellen, d. h., daß die Prostituierten alle 14 Tage ihren Aufenthalt wechseln.

Nach den Erfahrungen im Vaterlande des Faschismus haben wir Frauen in Deutschland   keinen Anlaß, uns nach dessen ,, Segnungen", zu sehnen. Seine tiefen Schattenseiten verdunkeln das wenige Gute, das er gebracht hat, und das für Menschen europäischer Zivilisation auch auf anderem Wege erreichbar ist als auf dem der Diktatur, das durch Schuld, Verknechtung und Zerstörung führt. H. S.