IHilllHIlilliülHllfltllllilliltlZrauenstimme1�.16�48.30��] Beilage zum Vorwärks I 13. August 1931�1Die Kriegerwitwen.Was ist au? den Kriegerwitwen, heute. 17 Jahre nach Kriegs.ansbruch geworden? Wie haben sich diese in doppeltem Sinn«passiven und leidenden Opfer des Krieges ihr zerstörtes Leben ge>staltet? Die junge Generation, die nach ihnen schon zur Selb-ständigkeit erwachsen ist, scheint bereits das Schicksal dieser Arme«männenloser Ehefrauen zu verdecken und in Vergangenheit xe-raten zu lassen. So sehr hat nian anscheinend das Grauen und dieWirren des Krieg�schicksals der Frau schon verdrängt, daß man sieim.Völkischen Beobachter� und seiner Gefolgschaft.den durch dieeiserne Forderung der Pflicht aus aller Problematik gelösten Typusder Äriegerfrcu" bezeichnet!Wie im Gegenteil voller tragischer Problematik das Leben derKriegerwitwen sich gestaltet hat, davon gibt ein eben erschienenesBändchen.Kriegerwitwen gestalten ihr Schicksal',Lebenskämpfen deutscher Kriegerwitwen nach eigenen Darstellungen,zusammengestellt und herausgegeben von Helene Hurwitz-Stranz(Berlin, C. Heymanns Verlag), Bericht. Es will das öffentlicheInteresse stärker als bisher auf diese Hinterbliebe nen-Opfer lenken,weil die Mittel der Kriegerhinterbliebenenfürsorge beschnitten unddadurch die wirtschaftlich« Existenz der Kriegerwitwen und-watsennoch mehr verschlechtert hat. Um das Bild von dem Lebenskampfdieser Frauen möglichst eindringlich zu machen, hat man die Formeiner Monographie gewählt und Kriegerwitwen selbst ihreigenes Schicksal erzählen lassen. Dadurch tritt der Bericht überdie Gesamtlage, der nur im Anhang beigegeben ist, zu Unrecht allzustark in den Hintergrund. Denn man will vor allem auch wissen.wie groh die Schicht dieser Frauen ist und mal che sozialen Aus.Wirkungen sich ergeben. Deshalb sei hier diese kurze Uebersichtvorausgeschickt. Die Zahl der Kriegerwitwen wurde bei Kriegs.ende aufrund bIXl0i)0geschätzt. Ueber die Anzahl der seit Kriegsbeginn Versorgung?.berechtigt gewesenen Hinterbliebenen schien genaue Angaben. Dieerste amtliche Zählung hat 1924 stattgefunden(allerdings sind dabei.wie auch bei allen späteren Zählungen, die Hinterbliebenen ausfrüheren Kriegen und die Witwen der aktiven Militärs au, derVorkriegszeit mitgerechnet): sie stellte die Zahl der Versorgung?.berechtigten Witwen mit 365 009 fest. Ueber 200 000 W i t-wen hatten also zwischen 1918 und 1924 wiedergeheiratet, die Abfindungssumme und— in der Zeit derWohnungsnot und der Inflation— der eingerichtete Haushalt derKriegerwitwen bildeten eine Erleichterung für ihre Ehe-schlichung. Seit 1924 hat nur noch«in kleiner Teil wieder ge-heiratet, ein« mit dem zunehmenden Alter der Witwen leicht er-hlärliche Tatsache. In den letzten Iahren ist die Zahl der ver»sorgungsberechtigten Witwen wieder angestiegen, da erst jetzt nocheine unvermutet beträchtliche Reihe von Männern an den Folgenihrer Kriegsbeschädigung gestorben sind. So ergibt sich folcendesBild:Zahl der versorgungsberechtigten Kriegerwitwen:1918 1924 1926 1928 1930600 000 365 000 361000 359 000 362 000Aus dieser Armee von Kriegerwitwen, die heute, 13 Jahre nochFriedensschluß, dreieinhalb mal so groß ist als diedeutsche Reichswehr, erzählen nun 15 Frauen(danebennoch einige Fürsorgerinnen der Hinterbiiebenen-Organisationen) ihrkleines Einzelschickjal. Es sind also nur Beispiel« einer Schichtvon weiblicher Lebensarbeit verschiedenster Art, die nach eineinaleichen Schlag, einer gleichen Katastrophe, sich um menschlichenWiederaufbau, um„Reparation" der Kriegzzerstörung bemüht. DieErzählerinnen stammen aus allen Kreisen und Altersschichten, di«Proletariertnnen berichten etwas wortkarger als die Frauen au«klein- und großbürgerlicher Herkunft. So unterschiedlich ihreäußeren Lebensumstände sind, sogleichartig formt dasselbe Erlebnis ihr Schicksal.Von dem schwarzen Tag, an dein sie, oft nach wochenlanger furcht-barer Ungewißheit, di« Nachricht bekamen, was geschehen sei, meistdurch den zurückgekommenen eigenen Brief mit dem Stempel.Ge-fallen!", berichten alle nur verhalten, an diese Wunde zurühren ist noch immer Z» schmerzhaft. Es heißt:„Dieser furchtbar«Moment ist nicht zu beschreiben." Oder«ine andere schreibt:„DieBriefträgerin hatte den Brief schon drei Tage, ehe sie den Mut fand,ihn mir zu geben." Die Aufrüttelung aus dem Schmerz kommtsehr bald und sehr nüchtern. Di« Rente ist so knapp, daß die Fraueneinen Gelderwerb suchen müssen, um vor allem die Kinder drrrchzu-halten. Auch die Begüterten kommen nach der Inflation in dieselbeZwangslage. Und nun ergibt sich ein erschreckender Eindruck ausdiesen Lebensschilderungen:Rur zwei oder drei dieser Frauen hoben vor der Ehe etwa»gelernt,«vomit lie fetzt etwas ansangen können.Die meisten haben sich, ohne eine» Beruf erlernt oder ausgeübt zuhaben, verheiratet, und stehen nun ratlos da. Sie haben Kindergeboren und erzogen, sie können Hausarbeit inachen, aber auf sichallein angewiesen, sich selbständig durchzuschlagen, das haben siebisher nicht gekonnt. Der Unterschied der Frauengeneration.mtritt hier zutage. Nur vi« Proletarierinnen haben vonfrüh auf gelernt, ihr Geschick selbständiger in die Hand zu nehmen.Aber um so höher ist es anzuschlagen, wie tapser diese Frauen anein ihnen fremdes Leben herangehen. Sie müssen nicht nur inner»lich den Verlust ihres Lebensgefährten zu überwinden versuchen.sondern auch äußerlich von vorn anfangen, sich mit 30 oder 40Jahren nochmal auf die Schulbank setzen. Dazu kommt noch vi«Versorgung des Haushalts und die Angst und Verantwortung umdie Kinder.Eine dreisachc Arbeil als Ernährerin, Haushälterin und ZRulterhaben diese Frauen zu leisten.Hier einige Berichte:„Frau A.(Mutter von 17 Kinvern, vondenen 11 gestorben sind!)' entschloß sich, an der Straß« Steinezu klopfen; sie fuhr Montags an den Arbeitsplatz und bliebbis Sonnabends dort. Die älteste Tochter betreute indessen zuHanse recht und schlecht die kleinen Geschwister. Die Schwerarbeitererhielten damals Zulagen an Lebensmitteln, diese Lebensmittel gabsie ihren Kindern, da zwei von ihnen krank waren. Diese schwer«Arbeit verrichtete Frau A. 11 Jahre lang, von 1914 bis 1925, bissie schwer unterleibsleidend wurde."Oder ein anderer Fall:„Eine Witwe, Deputantin, ist arbeits-unfähig infolg« ihres schlechten Gesundheitszustandes lind beziehteine Rente von 60 Proz. nach dem Reichsverjorgungsgefetz. Trotz-dem ist sie verpflichtet, nach morgens vor Beginn der Landarbeitauf dem Gut Brot zu backen, außerdem muß sie auf Anforderungdes Gutsherrn am Tag« Arbeit leisten. Bei Klagen, daß sie sichnicht wohl fühle und nicht arbeiten tonne, droht ihr der Gutshe:rmit Entzug der Zujatzrente."Oder aus anderem Milieu:„Eine Freundin. Offiziersfrau mitkleiner Pension, war nacheinander als Adresfenschreiberin, Packerin,Spitzensti ickerin tätig. Jetzt kocht sie seit 10 Iahren in einerSpeisung."Oder:„Ich gedenke einer Witwe, die schon anfing zu arbeiten,kaum daß sie sich von der Geburt des dritten Kindes erholt hatte.