Für unsere Kinder
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er kurz hinweggegangen, und den Jungen und frachen, als wenn die haushohen Wogen schien es, daß es sich da um eine recht böse des Meeres wild am harten Felsen zerbersten. Zeit handeln mußte. Jetzt hörten sie auch von Am längsten aber klatschten und jubelten diesen Dingen. Aber so wie sie der Redner Hans Wellmann und seine Freunde. Na, sie erzählte, waren sie ganz, ganz anders vor sich hatten den Redner ja auch am deutlichsten gegangen, als es der Lehrer geschildert hatte. hören können, sie hatten doch ganz vorn geNicht der preußische König hatte die Beseffen. Einige Male war es Hans so vorfreiungskriege gewonnen, sondern das preu- gekommen, als wenn ihn der Blick des Redners ßische Volk; der König hatte sich sogar bis getroffen hätte. Hei, wie das Auge des Mannes zuletzt dem Freiheitsdrang des Volkes wider- blizte und sprühte! Es war Hans immer in setzt und statt dessen vor Napoleon scharwenzelt. Die innerste Seele gefahren. So reden zu Als dann der Krieg begann und der König können, das war etwas! Das möchte er auch mitgerissen wurde, versprach er dem Volke später einmal, wenn er groß war. eine freie Verfassung und eine gerechte und volkstümliche Regierung. Nachdem aber der Krieg zu Ende war und die deutschen Fürsten sich vor Napoleon nicht mehr zu fürchten brauchten, vergaßen sie die schönen Versprechungen. Auch der preußische König hatte sein Wort nicht gehalten und sein Nachfolger hatte das Volk gar noch schlechter behandelt.
Aber dann war eines schönen Tages das Faß übergelaufen. Das preußische Volt hatte mit der Faust auf den Tisch geschlagen und gesagt: Bis hierher und nicht weiter! Und es hatte sich selbst seine Rechte vom Tische genommen
auch ein freies Wahlrecht. Der König aber hatte mit sauersüßer Miene Ja und Amen sagen müssen. Das war 1848 gewesen.
Aber das Volk war zu vertrauensselig, zu gutmütig. Es ließ sich bald wieder beschwichtigen und einlullen und neue Fesseln anlegen. Und als ihm dann das freie Wahlrecht genommen wurde, da konnte es nur mit den Bähnen knirschen und zornig zuschauen; wehren fonnte es sich nicht mehr, denn die neuen Fesseln hielten schon zu fest.
Mit dem unfreien, ungerechten, ungleichen Wahlrecht, das dem preußischen Volte in den Beiten größter Unfreiheit aufgezwungen worden war, soll sich auch heute noch das preußische Volt begnügen? So fragte der Redner, und er antwortete: Das darf nicht sein! Ein schlechter Kerl, der sich in der Sklaverei und Unfreiheit wohl fühlt! Die preußischen Arbeiter wollen frei werden, wie sichs für denkende, selbst bewußte Männer geziemt. Und sie werden tämpfen, bis dieses große Ziel errungen ist! Als der Mann geendet hatte, erhob sich von allen Seiten orfanartig ein schier unaufhörlicher Beifallsjubel. Was Wunder! Wenn zehntausend Baar harter Hände krachend ineinanderschlagen, wenn sich Zehntausende rauher Kehlen einigen zu donnernden Rufen Hoch! und Bravo!- das muß schon wettern
Und dann erschollen die Klänge eines Liedes. Zuerst wollten sich die vielen Tausende von ungeübten Kehlen nicht zusammenfinden. Aber bald tamen sie in Taft und Schwung, und in mächtigen Rhythmen donnerte es über den Platz:
Das freie Wahlrecht ist das Zeichen, In dem wir siegen, nun wohlan! Nicht predigen wir Haß den Neichen, Nur gleiches Recht für jedermann. Die Lieb' soll uns zusammenketten, Wir strecken aus die Bruderhand, Aus geist'ger Schmach das Baterland, Das Volk vom Elend zu erretten. Das konnten Hans und die anderen Jungen auch, und hell und frisch stimmten sie ein: Nicht zählen wir den Feind, Nicht die Gefahren all,
Der Bahn, der kühnen, folgen wir, Die uns geführt Lassall'.
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Eine Stunde später standen die Jungen wieder an einer Straßenecke und spielten Murmel. Ganz so wie sonst waren sie mit ihren Gedanken nicht bei der Sache, bald kam der eine, bald der andere wieder auf das große Ereignis zu sprechen, das sie miterlebt hatten. Heinrich behauptete, er hätte auch ihren Lehrer in der Menschenmenge gesehen.
„ Er hat's ihnen aber auch ordentlich gegeben!"
Willi Meier konnte eine leise Besorgnis nicht unterdrücken, daß ihn jemand gesehen habe, der es seinem Vater wieder sagte.
" Darf dein Vater das denn nicht wissen?" ,, Nein, er ist ja Weichensteller, und die dürfen keine Sozialdemokraten sein."
Aber du kannst es doch sein," meinte Hans. Und Willi antwortete stolz:„ Ja, ich bin's auch!"
Heinrich stieß Hans leise an:
" Du, Hans, ist das da nicht der Mann, der die Rede gehalten hat?"