der Anderen zum bittersten Leide um. Die Tagdieberei der oberenZehntausend wird ermöglicht durch die übermäßigen Arbeitslastendes werkthätigen Volks; das Wohlleben etlicher Weniger, ihrUeberflnß an allen Gütern des Lebens hat zur Voraussetzung dasDarben, das blutige Elend der Vielen; der Kultur, ja Ueber-kultur der Spitzen der Gesellschaft steht gegenüber die Unwissenheit,das Verkommen der breiten besitzlosen Masse.Lange trug das Proletariat sein Elend ohne zu rebelliren.Es hielt es für sein unvermeidliches Geschick, zu säen und nichtzu ernten, Brot zu schaffen und zu hungern, Paläste zu bauenund in den ungesundesten Löchern zu Hausen, Sammt und Seidezu weben und in Lumpen einherzugehen, die Voraussetzungen fürdie Entfaltung aller Kultur zu erzeugen und sich selbst zu Kulturdünger zermalmen zu lassen.Aber die fortschreitende Entwicklung steigerte die Qualen derProletarier und Proletarierinnen zu so unerträglichen, daß sieerwachten zum Bewußtsein ihres gemeinsamen Elends und derSolidarität der Interessen, welche sie miteinander verbindet, daßsie sich über ihre Klassenlage klar wurden. Mit diesem Bewußtsein fing die Wiedergeburt des Proletariats an. Mit ihr wurdeaber auch der Kampf unvermeidlich, der Kampf gegen das ausbeutende und herrschende Drohnenthum, der Kampf gegen dasganze Gesellschaftssystem, welches den Segen für Wenige in einenFluch für Viele verwandelt.Denn die jetzt Bevorrechteten, die Schooßkinder der kapitalistischen Ordnung der Dinge, wollen nicht auf ein Titelchenihrer Vortheile verzichten. Was ihnen Dichter, Philosophen undPhilanthropen im Namen des Idealismus von Gerechtigkeit undBruderliebe gesprochen, das ist wirkungslos verhallt wie die Stimmedes Predigers in der Wüste. Klasseninstinkt und Klasseninteresseder Besitzenden sind stärker als Einsicht und Idealismus. DasProletariat muß sich aus eigener Kraft zu besseren Lebensverhältnissen emporarbeiten, es muß mit eigener Hand seine Ketten brechenund seine Freiheit erkämpfen. Nur durch den Kampf von Klassezu Klasse ertrotzt es augenblickliche Vortheile und vollbripgt esdas Werk seiner endgiltigen Befreiung.So ist heutzutage die bürgerliche Gesellschaft allerwärts inzwei Lager gespalten. Hier die alte bürgerliche Welt mit ihrenUngerechtigkeiten, mit dem Wehklagen der Hungernden, dem Stöhnender Zertretenen nnd dem tollen Orgienjubel der Tänzer ums goldeneKalb. Dort die neue sozialistische Welt mit ihren Verheißungenfür Alle, die mühselig und beladen sind, mit ihrer Verwirklichungder allgemeinen Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Und zwischenbeiden der Kampf, der zähe, erbitterte Kampf.In welches Lager gehören all die Frauen, die mit der Handoder dem Kopf arbeiten?Sie haben ihren Platz im Lager des Proletariats, dem siebereits angehören oder durch die Macht der wirthschaftlichen Verhältnisse morgen angehören werden.Die wirthschaftliche Unabhängigkeit vom Manne, von dervaterrechtlichen Familie haben diese Frauen erkauft um den Preisihrer wirthschaftlichen Abhängigkeit von einem Kapitalisten, siewurden Lohnarbeiterinnen. Willkürlicher, härter als der Mannüber die Frau herrschte, herrscht der Unternehmer, der Brotherrüber die Lohnsklavin.„Du sollst keine anderen Götter habenneben mir, Du sollst kein anderes Bestreben kennen als das, mirProfite zu schaffen und meinen Reichthum zu mehren", ruft er ihrzu. Und dementsprechend muß sich ihr Leben nach seinem Belieben,mit Rücksicht auf sein Nutz und Frommen modeln. Dem Unternehmer häufen die Lohnarbeiterinnen Schätze auf Schätze, sich selbstaber erschaffen sie bittere Armuth und Entbehrungen aller Art.Damit der Profithunger des Kapitalisten befriedigt werde, müssensie sich mit kärglichen Löhnen begnügen, lernen sie die aufreibendeUeberarbeit kennen, das Schaffen an Feiertagen, die verderblicheNachtarbeit, dann wieder Zeiten der Arbeits- und Verdienstlofig-keit, Tage ohne Brot, Zimmer ohne Heizung und Licht, denPfandverleiher, die Asyle für Obdachlose, die Bettelsuppen, inso nnd so vielen Fällen— die Kupplerin, die Schande. Vorihren Augen locken Güter, so reich, so mannigfaltig, wie sie keineZeit gesehen. Sie und ihresgleichen haben diese Güter geschaffenund müssen nun mit leeren Händen stehen und darben. Ringsum sie sprudeln Bildungsguellen, wie sie keinem früheren GeschlechtAlm-Hassan.Ein Märchen ans dem Russischen.Weit, weit von hier, dort, wo auf hohen, schlanken Thürmengoldene Halbmonde im Sonnenschein glitzern, wo buntfarbige Mosaikkuppeln glänzen, wo Dattelpalmen mit ihren fächerartigen Wipfelnhoch in den blauen Himmel ragen, da wohnte einstmals, und wohntvielleicht auch jetzt noch, ein gutherziger Mann, Abu-Hassan.Viel Gut gab es in seinen großen Speichern, und es schien,als ob ihm die Schätze vom Himmel zufielen. Beinahe jeden Tagschwankten nach seinem Hof ganze Karawanen beladener Kameeleund brachten für seine Vorrathskammern die Reichthümer fremderLänder: feine, bunte Stoffe und Teppiche, goldgezierte, scharfeTürkensäbel, Jaspisschalen und blaue Türkise, auch rothe Rubinen,große silberfarbige Perlen und schwere Goldbarren. Mit Allemhandelte Hassan, und Alles hatte er im Ueberfluß.Jeden Tag stand er am frühen Morgen auf, machte seineFußwaschung, dabei nach der aufgehenden Sonne schauend, undsprach den Vers des Korans:„Wische ab die Thränen der Witwe,hilf dem Unvermögenden, sättige den Hungernden, stille den Durstdes Dürstenden."Und die Darbenden und Hungernden, die Krummen, dieBlinden, die Armseligen, allerlei Bettler und Fakire� standen schonlängst in Haufen ans Haffan's weitem Hofe und warteten auf seinErscheinen.Abu-Hassan trat heraus, setzte sich auf einen großen buntenTeppich, auf weiche Atlaskissen und rauchte aus langem Schlauchseine Wasserpfeife. Aber seine Sklaven und Angestellten brachtenganze Säcke voll Zechinen und Rupinen, und vertheilten sie freigebig unter alle die Bittenden und Wartenden.Und die ganze Menge schrie:„Groß ist Allah nnd sein Prophet! Groß der Khalif Abu-Hassan-Albenassar und sein getreuerSklave Abu-Hassan der Trost der Menschenwelt."Und Dichter traten ans der Menge, verbeugten sich tief vorAbu-Hassan, die Hände auf der Brust kreuzend und sangen dann laut:„Die Sonne scheint milde auf alle Menschen und wärmt alle freigebig mit ihren Strahlen. So thut durch seine Freigebigkeit der weiseAbu-Hassan allen Armseligen und Leidenden wohl! Gelobt sei Allah!„Die Rose ergießt ihren Duft über das Thal Harasem. Alsowird Gnade ergossen aus dem wohlduftenden Herz Abu-Hassan'süber alle Unglücklichen. Gelobt sei Allah!„Ein erquickender Born fließt aus seiner Seele, die Sterneder Weisheit schimmern in seinen Augen, Ambra des Mitleidenskommt von seinen Lippen. Er ist groß! Er ist der Trost derMenschenwelt! Gelobt sei Allah!"Und Abu-Hassan gab jedem Dichter eine Handvoll Zechinenzur Begeisterung.Dann kamen Derwische* und Fakire in schmutzige Lumpenund in Thierfelle gekleidet, mit Bärten, die bis zur Erde reichten.Demüthigen Herzens verbeugten sie sich tief vor dem„Trost derNienschenwelt" und sprachen zu ihm:„Es giebt keinen Gott, außer Gott, und Mohammed ist seinProphet! Die Thüren des Paradieses sind geöffnet für die Gottseligen. Lichte Huries erwarten sie im Schooße der Ewigkeit. Dergute Engel Dschebrail empfängt ihre Seelen auf dem Sterbebett.Vollkommene Glückseligkeit wird Allen zu Theil, die trauern undsorgen um die leidende Menschenwelt!"Und Abu-Hassan gab jedem Fakir eine Handvoll Rupinen,gleichsam als Vorschuß auf die zukünftige Glückseligkeit.Und er dachte, daß er wirklich der Trost sei der Menschenwelt, daß aus ihm ein Born fließe der Erqnickung für die Leidenden und der Heilung von allerlei Wunden und Schmerzen.* Muhamedanischc Bettelmönche in Indien.Muhamedanische Mönche.