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Arbeiterinnen- Bewegung.

In der Zeit vom 15. April bis 8. Mai fanden öffentliche Versammlungen statt in: Berlin  , öffentliche Versammlung aller in der Schuhindustrie beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen: Der Streit der Schuhmacher in Burg bei Magdeburg"( Genosse Pießzka); öffentliche Versammlung des Bildungsvereins für Frauen und Mädchen: , Der bürgerliche Frauenkongreß und die Bestrebungen der sozial­demokratischen Frauenvereine"( Genossin Greifenberg  ); öffentliche Ver­sammlung der Jalousiearbeiter und Arbeiterinnen: Die Arbeiter im Großbetrieb"( Herr Jalousiefabrikant Freese); öffentliche Versamm­lung für Frauen und Männer: May Stirner und Nietzsche  , die Philosophen des Anarchismus"( Genosse Roland); Bietigheim  , öffentliche Volksversammlung: Die Gesetzgebung im Klassenstaat" ( Genossin Zetkin); Braunschweig  , öffentliche Versammlung für Arbeiter und Arbeiterinnen: Die Bedeutung der Gewerkschaften für die Frauen"( Genossin Rohrlack); Dresden  , öffentliche Versamm­lung aller im graphischen Gewerbe beschäftigten Arbeiter und Arbeiter­innen: Der 1. Mai und seine Bedeutung für die Arbeiterschaft" ( Genosse Schmertosch); öffentliche Versammlung der in der Metall­industrie beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen: Die Frau in der Industrie"( Genossin Eichhorn); öffentliche Versammlung der Schneider und Schneiderinnen: Die gegenwärtigen Schneiderstreiks und der Einfluß der Organisation auf dieselben"( Genossin Baader- Berlin); Harburg  , öffentliche Versammlung für Frauen und Männer: ,, Darwinismus und Sozialismus"( Genosse Dr. Völkel); Kirch­steinbeck, öffentliche Volksversammlung: Die Bedeutung der Schule für das Volfsleben"( Genosse Krause); Langenbielau  , öffentliche Versammlung für Männer und Frauen: Wodurch können die Arbeiter zur Besserung ihrer Arbeitsverhältnisse beitragen?"( Genosse Eckstein­Zwickau); Leipzig  , öffentliche Versammlung der in mechanischen Schuh­und Schäftefabriken thätigen Arbeiter und Arbeiterinnen: Die wirth­schaftliche Lage der Fabrikschuhmacher und die Agitation des Verbands der Schuh- und Schäftefabrikanten gegen die Einführung der Sonntags: ruhe in den Schuhfabriken"( Genosse Schmidt). Die Versammlung er­klärte sich energisch für die Sonntagsruhe und gegen die Agitation des genannten Verbandes; Ottensen  , öffentliche Volksversammlung: Die Dienstbotenfrage"( Genosse Sittenfeld); Volkmarsdorf  , öffentliche Ver­sammlung des Bildungsvereins für Frauen und Mädchen: Die Frauen des Proletariats und der Militarismus"( Genossin Eichhorn- Dresden  ). Die Engelmacherin.

Ein Berliner   Silkenbild. Von Max Kreher. Kennen Sie Madame Rührmund, meine Gnädige? Nicht? Wie sollten Sie auch! Die Sphäre, in der Sie sich bewegen, schließt diese Bekanntschaft von vornherein aus, die reine Luft, die Sie täglich athmen, ist frei vom Dunst der Arbeiterviertel und jenem aus dem Geruch von Menschenschweiß, aufgehängter Wäsche und Küchenabfällen zusammengesetzten fragwürdigen Duft, den man am besten mit den Worten Es riecht nach Armuth" bezeichnet. Und doch würde Ihnen der Name nicht so fremd erscheinen, er­innerten Sie sich nur unseres letzten Gespräches. Es war von jenen beklagenswerthen Geschöpfen die Rede, welche vergeblich nach einem Vater rufen. Ein Zeitungsblatt, auf welches zufällig Ihr Blick fiel, gab die Anregung.

, Sechstausend außereheliche Kinder wurden im vorigen Jahre in Berlin   geboren?!" riefen Sie aus und fügten hinzu: Das ist ja fürchterlich! Was wird aus diesen Kindern, wo bleiben sie?" Als Antwort begann ich Ihnen eine Geschichte aus jenen Tagen zu erzählen, wo ich von früh bis spät nach meinem ersten Verleger suchte; ich nannte Ihnen flüchtig den Namen einer Frau, mit der ich weit draußen in einer Vorstadt Thür an Thür wohnte Ach, ich sehe im Geiste, wie Sie verständnißinnig nicken und höre Sie sagen: Ich entsinne mich jetzt, wir wurden damals durch einen mißliebigen Besuch gestört; benutzen Sie nur die Gelegenheit und fahren Sie fort zu erzählen.

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Also: Madame Rührmund, genannt die Mutter der Engel Sie lächeln? Ich verstehe: Sie finden diese Bezeichnung komisch; ich nur satirisch. Mein Stubenkollege, ein verpfuschter Student der Philosophie, ein guter Junge, der heute irgendwo in Amerika  sein Dasein fristet, hatte sie aufgebracht, als wir in der Stille eines Sommerabends im offenen Fenster lagen, die Dampfwolken des ehrlich getheilten Tabaksrestes der jenseitigen Häuserreihe ent­

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- Vereinsversammlungen fanden in der nämlichen Zeit statt in: Berlin  , Mitgliederversammmlung des Verbands der Textilarbeiter und Arbeiterinnen: Die Generalversammlung des Verbands in Hof  " ( Genosse Wagner); Vorstandswahl. Dem Vorstand gehört als Ver­treterin der Arbeiterinnen Genossin Drews an. Mitgliederversamm­lung des Vereins der Arbeiter und Arbeiterinnen der Wäsche und Kra­vattenbranche: Kassenbericht, Thätigkeitsbericht.- Generalversammlung des Verbands der in Buchbindereien, der Papier  - und Leder- Galanterie­waaren- Industrie beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen: Thätig­feitsbericht, Kassenbericht. Dem Verband gehören in Berlin   334 Arbeiter und 147 Arbeiterinnen an. Mitgliederversammlung des Vereins der Färber, Dekateure, Appreteure, Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen: Die Bedeutung der Organisation"( Genosse Jahn); Mitglieder­versammlung des Bildungsvereins für Frauen und Mädchen: Die Frau und die Gewerkschaft"( Genosse Adler); Kiel  , Generalversamm­lung des Bildungsvereins für Frauen und Mädchen: Die Entwick­lung der verschiedenen Religionssysteme"( Genosse Theiß); Thätig­keitsbericht, Kassenbericht, Revisorenwahl; München  , Mitglieder­versammlung des Verbands der Schneider und Schneiderinnen: Der Industriekongreß"( Genosse Häuslmeyr); Nürnberg  , Quartalver­sammlung des Frauen und Mädchenbildungsvereins: Thätigkeits­bericht, Kassenbericht; Ottensen  , Mitgliederversammlung des Zentral­vereins der Frauen und Mädchen Deutschlands  : Die ethische Bedeutung der modernen Arbeiterbewegung"( Genosse Saalfeld  ); Stettin  , Mitgliederversammlung des Frauenbildungsvereins: Macht Bildung frei?"( Genosse Ohl); Stuttgart  , Mitgliederversammlung des Vereins der im Flaschnergewerbe thätigen Arbeiter und Arbeiter­innen: Der Achtstundentag"( Genossin Zetkin); Wandsbeck, Mit­gliederversammlung des Verbands der Fabrik-, Land-, Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen: Kassenbericht, Thätigkeitsbericht, interne An­gelegenheiten.

- Die liebe Polizei! Heute können wir unseren Leserinnen ein ganzes Sträußchen lieblicher Blüthen der Polizeiwillkür   überreichen. In Wald wurde wegen Anwesenheit von Frauen eine öffentliche Volksversammlung aufgelöst, in der Genossin Schneider- Köln über das Thema referiren sollte: Der Kampf der Frau auf geistigem, wirthschaftlichem und politischem Gebiete." Als Grund der Auf­lösung gab der Ueberwachende mit der eigenen bekannten Polizei­findigkeit an, daß die Versammlung keine Volksversammlung, sondern eine politische Vereinsversammlung sei, an der Frauen nicht theil­gegenbliesen und dem stillverrauschenden Leben des tief unter uns brütenden Berlins   lauschten. Entsetzliches Kindergeschrei schallte aus dem Fenster unserer Nachbarin, eine Pause trat ein, dann ein Röcheln, ein leises Gurgeln- ein seltsamer überirdischer Ton, als wolle ein kleines Wesen noch einmal in einem einzigen Laut alles das ausdrücken, was es bisher gelitten hatte. Todtenstille die gleichgiltige, blecherne Stimme einer Frau: Es ist alle mit ihm, Anna lauf zum Doktor!" Der Philosoph blickte zum sternen­flaren Himmel empor und sagte: Die Mutter der Engel ist eine brave Frau, sie sorgt dafür, daß die Wanderung kleiner Seelen im besten Gange und ihr Schuldbuch da oben ewig offen bleibe." Unsere Wirthin im Fenster links hatte das vernommen, und am andern Tage sprach die ganze Nachbarschaft nur von der Mutter der Engel".

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Man würde sich eine durchaus falsche Vorstellung von der Pflegefrau recte Engelmacherin Madame Rührmund machen, malte man nach dem oben Gehörten sie sich im Geiste als ein häßliches, schmutziges Weib mit schlechten Manieren aus. Im Gegentheil- sie wiegt sich elegant in den Hüften, die weiße Haube leuchtet, der Mund lächelt, sobald es gilt, den Kundinnen" gegenüber zu repräsentiren. Frau Marthe im" Faust" könnte ihr als Vorbild gedient haben. Wie an ihrem Aeußeren, so sieht auch in ihrer Wohnung Alles blank und sauber aus; vom blinkenden Messingknopf der Klingelschnur bis zu den milchfarbenen Gardinen, welche dem Nachbar vis- à- vis unschuldsvoll in die Scheiben leuchten, und dent zinnernen und kupfernen Kochgeschirr, das die Bretter der Küche ziert. Die Rührmunden hält auf Ordnung in ihrem Haushalt ,, von wegen die Polizei", wie böse Zungen behaupten. Sauberkeit und Solidität machen immer einen guten Eindruck Niemand weiß das mehr zu schäßen, als Madame im vierten Stock rechts: so etwas imponirt, raubt das Mißtrauen und wahrt die Repu­tation. Wollte man den Hauswirth fragen, wer am pünktlichsten die Miethe in der Kaserne bezahle, so würde in der Antwort der Name Nührmund unausbleiblich sein; und würde man ihn weiter