Das

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Lohnstlavinnen frohnden, die nämliche Fürsorge walten möchte, daß, 3. B. zwischen den einzelnen Maschinen ebenfalls ein mehrere Meter breiter Raum bleiben müßte. Darauf abzweckende Verordnungen lägen durchaus im Interesse der Arbeiterinnen, aber sie würden den Neu­bau oder Umbau sehr vieler Fabriken zur Folge haben, und deshalb wird man nicht so bald von ihnen hören. Die Versammlung in Markersdorf   wurde übrigens aufgelöst, als ein Arbeiter im Laufe der Diskussion einen Brief vorlas und kritisirte, den eine arme Webers­frau in tiefster Noth an den Pastor ihres Ortes gerichtet hatte. In Gesau wurde die Versammlung von vornherein verboten. gleiche Schicksal ereilte eine Versammlung, die in Apolda   stattfinden sollte. Dort war am 4. März eine Versammlung angemeldet, die­selbe wurde jedoch gleich nach der Eröffnung wieder aufgelöst. Ge­nossin Rohrlack sollte nun am 15. März in Apolda   referiren, ver­nahm aber bei ihrer Ankunft die Botschaft, daß sie nicht sprechen dürfe. Erst Abends 3/46 Uhr wurde das Verbot bekannt gegeben. Die Auflösung der ersten Versammlung hatte so agitatorisch gewirkt, daß eine kleine Völkerwanderung nach dem Versammlungslokal stattfand, die Hunderte und Aberhunderte von Arbeitern und Arbeiterinnen mußten nun umkehren. Das Verbot der Versammlung erfolgte, weil die Polizei eine Störung der Ordnung" befürchtete. Eine Störung der Ordnung hätte allerdings leicht erfolgen können, wären die Ar­beiter und Arbeiterinnen weniger an Disziplin gewöhnt, als es thatsächlich der Fall ist, denn in Folge des wiederholten Versammlungs­verbots hat natürlich große Erbitterung über solche Polizeimaßregeln besonders unter den Frauen Platz gegriffen. Im großen Ganzen ist die Agitation der Genossin Rohrlack sehr erfolgreich gewesen, insbe sondere hat sie anregend und fördernd auf die Frauen gewirkt. Daß trotz der ärmlichen Verhältnisse, in denen die Proletarierin lebt, trotz der spärlichen freien Minuten, über welche sie verfügt, die proletarischen Frauen sich in so großer Anzahl zu den sozialistischen   Versammlungen drängen, ist ein charakteristisches und erfreuliches Zeichen der Zeit. Es spricht davon, daß Aufklärung und Organisation einem Lebens­interesse der Proletarierinnen entsprechen, das von diesen immer flarer und bewußter empfunden wird. Und deshalb wird weder die schneidigste Handhabung, noch die kunstsinnigste Auslegung der Vereins­und Versammlungsgesetze im Stande sein, die proletarische Frauen­bewegung zu vernichten. Langsam, aber stetig schreitet sie vorwärts, dem unausbleiblichen Siege der Arbeiterklasse entgegen.

M. R.

Aus dem Kampf. Das Leipziger Landgericht verurtheilte Genossin Rohrlack zu einer Gefängnißstrafe von vier Monaten, weil sie sich in einer Versammlung zu Sellerhausen bei Leipzig   einer Beleidigung des Dresdener Fabrikinspektors Siebdrath schuldig ge­macht haben soll. In einem Referat über die Fabritinspektion hatte Genoffin Rohrlack die Amtsthätigkeit des genannten Herrn einer scharfen, aber ihrer Meinung nach durchaus auf die Thatsachen be­gründeten und gerechtfertigten Kritik unterzogen. Im Jahre 1889 fand auf die Anzeige eines Arbeiters hin, der wegen Theilnahme an geheimen Versammlungen entlassen worden war, eine Revision der Dresdener   Bronzefabrik von Karl Meißner statt. Die Inspektion ergab, daß die gerügten Mißstände thatsächlich vorhanden waren. Der Gewerberath Siebdrath besichtigte jedoch nicht selbst die Fabrik, sondern beauftragte einen Assistenten Namens Friesner damit, der seit zwei Jahren todt ist und also nicht als Zeuge auf­treten konnte. Der Gewerberath Siebdrath sagte unter Eid aus, daß eine durch die Anzeige von Arbeitern angeregte Revision der Betriebe in derselben Art und Weise vor sich gehe, als wenn die Inspektion aus eigener Initiative des Gewerbeinspektors erfolge. Fabrikant Meißner sagte dagegen ebenfalls unter Eid aus, daß der Vertreter des Herrn Siebdrath sein Komptoir mit den Worten be­treten habe: Sie sind denunzirt worden, ich muß Ihre Fabrik be­sichtigen." Genoffin Rohrlack hatte die Angelegenheit der Aussage des Fabrikanten Meißner entsprechend dargestellt, mit dem Unter­schiede jedoch, daß sie den Gewerberath selbst und nicht einen Assistenten die fragliche Revision vornehmen ließ, ein Irrthum, der sich leicht dadurch erklärt, daß eben den Arbeitern die Person des Gewerbe­inspektors nicht bekannt war und deshalb mit der seines Assistenten verwechselt wurde. Die nämliche Behauptung war seinerzeit 1889 im " Sächsischen Wochenblatt", im Berliner Volksblatt" und anderen Arbeiterorganen, sowie in zahlreichen Versammlungen aufgestellt wor ben. Wurm 1891 im deutschen   Reichstag   Erwähnung gethan, ohne daß bei der letzteren Gelegenheit der sächsische Bundesrathsbevollmächtigte der Sachdarstellung widersprochen hätte. Das Offenburger Abend­blatt" hatte die Entlassung Siebdrath's gefordert, ohne daß Wider­spruch oder Anklage erfolgt wäre. Erst jetzt wurde eine solche gegen Genossin Rohrlack erhoben, die im besten Glauben und in Wahrung ber berechtigten Interessen der Arbeiter und Arbeiterinnen zu handeln

gemeint hatte. Wie bereits oben angeführt, standen sich unter Eid Zeugniß und Zeugniß gegenüber, der einzige Zeuge, der den Sach­verhalt hätte aufklären können, war todt, das Gericht schenkte der Aussage des Gewerbeinspektors Glauben. Es begründete sein bereits mitgetheiltes strenges Urtheil damit, daß die Aeußerungen der Ge­nossin Rohrlack vollständig aus der Luft gegriffen seien" und daß sie sich als eine gewerbsmäßige Verheßerin" gezeigt habe. In der nämlichen Angelegenheit waren noch die Genossen Herklot und Nickel angeklagt, die in der Diskussion die Fabrikinspektoren, bezw. die Polizei beleidigt haben sollen und dafür jeder eine Woche brummen müssen. Dem Urtheil- insbesondere dem gegen Genoffin Rohrlack gefällten kann man nur eins hinzufügen: sächsisch, echt sächsisch.

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Die Märzfeier.

Wie sich die Bourgeosie in beschränktem Klassenegoismus von den Jdealen wendet, für welche sie in ihrer Jugendzeit geschwärmt und in deren Namen sie das Volk zum Streite rief für ihre eigene Befreiung und Herrschaft, so möchte sie auch die großen Kampfestage und das An­denken der für Recht und Freiheit gefallenen Helden am liebsten aus der Geschichte streichen. Eine höchst fatale Erinnerung sind für sie die glor­reichen Märztage des tollen", frühlingsfrischen Jahres 1848, wo Volks macht Absolutismus   und Junkerthum tief demüthigte und der Neaktion ernstliche Zugeständnisse abrang. Gerade aber gegenwärtig kommt dem deutschen   Bürgerthum diese Erinnerung unbequem, muß es sie als eine peinliche Mahnung empfinden. Denn die Gegenwart hallt wieder von dem blödfrechen Angstgekreisch der gesellschaftlich Bevorrechteten nach Maul­korb und Peitsche für die besitzlose Masse, die ihr Recht begehrt und nichts als ihr gutes Recht.

Aber wie das Proletariat an Stelle der Bourgeoisie getreten ist als Vorkämpfer für eine freiheitliche Entwicklung, wie es die verrathenen politischen Ideale auf sein Banner geschrieben hat, so ist es auch das Proletariat, das in dankbarer Verehrung Derer gedenkt, die mit ihrem Blut die bürgerlichen Freiheiten bezahlten, deren die Arbeiterklasse für ihren Befreiungskampf nicht entrathen kann. Und nicht nur ihrer, auch der tapferen Kämpen und Märtyrer, welche 1871 in der Pariser Kom­ mune   das Banner des Sozialismus erhoben und mit der Republik   die Volksfreiheit bereits gegen die Bourgeosie vertheidigten.

In würdiger und imposanter Weise haben allerorten in Deutschland  flassenbewußte proletarische Männer und Frauen die Märzfeier begangen. Besonders großartig verlief die Feier in Berlin  , wo am 17. und 18. März ungezählte Tausende nach dem Friedhof der Märzgefallenen wallfahrteten und die Gräber der Freiheitshelden in blühende Blumen­gärten verwandelten. Gegen 300 Kränze wurden niedergelegt: vom Parteivorstand der Sozialdemokratie, den Redaktionen der Berliner   Partei­presse, den politischen und gewerkschaftlichen Arbeiterorganisationen, der Arbeiterschaft vieler großer Fabriken ze. Die proletarischen Frauenorgani­sationen waren ebenfalls durch reiche Kranzspenden vertreten, wie die Ge­nossinnen auch das Grab der unvergessenen und unvergeßlichen Agnes Wabniz mit einem herrlichen Kranz geschmückt hatten. Die meisten Blumenspenden trugen rothe Schleifen mit entsprechenden Widmungen, bezüglich deren die Polizei eine sehr strenge Zensur übte. Viele der Kern­sprüche, welche den Gefühlen des Proletariats am 18. März Ausdruck gaben, fielen der behördlichen Zensorscheere zum Opfer. Am Abend fanden in Berlin   zwölf, in der Umgegend sechs sehr gut besuchte, zum Theil überfüllte Versammlungen statt. Genosse Ledebour   feierte in einer der selben Genossin Wabnitz als eine der Edelsten und Besten der Nation". In zündenden Worten schilderte er die Ueberzeugungstreue und Selbst­losigkeit der hochherzigen Frau und stellte ihr die Gesinnungslosigkeit der Fürstinnen gegenüber, die um einer Krone willen ihre religiöse Ueber= zeugung wie ein Kleid wechseln. In allen größeren Städten des Deutschen Reichs wurde der 18. März ebenfalls in erhebender Weise ge= feiert. So in Hamburg  ( elf Versammlungen), Altona  , Ottensen  , Wandsbeck, Harburg  , Glückstadt  , Kiel  ( zwei Versammlungen),

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Bremen  , Bremerhaven  , Frankfurt   a. M., Frankfurt   a. O., Halle, Stuttgart  , München  , Nürnberg  , Fürth  , Leipzig  ( drei Versammlungen), Meißen   2c. 2c. In verschiedenen sächsischen Städten hatte sich auch die liebe Polizei die Gelegenheit zu einer Märzdemonstration nicht entgehen lassen. In Dresden   wurden die beiden geplanten Ver­sammlungen in letzter Stunde verboten, in Reichenbach  , Crimmitschau  , Wurzen   ze. hatten die angemeldeten Versammlungen das gleiche Schicksal. Ueberall, wo das klassenbewußte Proletariat der vergangenen und gegen­

wärtigen Kämpfe und des endlichen Sieges gedachte, den die geschichtliche Entwicklung dem Toben der reaktionären Mächte zum Trotz an seine Fahne, die Fahne des internationalen Sozialismus, heftet, da befanden sich unter den Feiernden auch zahlreiche Frauen. In vielen Versamm­lungen stellte das weibliche Proletariat gut die Hälfte der Versammlungs­