kommt noch, daß die Druckerinnen täglich eine Stunde umsonst arbeiten müssen. Sie haben nämlich das gedruckte Geschirr zu dem Maler hinzutragen, der es fertigstellen muß. Für diese Extraarbeit wird ihnen keine Entschädigung gezahlt. Die Herren Tielsch& Co. scheinen Anhänger des alten englischen Sprichwortes zu sein: ,, Charity begins at home", d. h. Wohlthun fängt bei der eigenen Person an. Schmunzelnd fügen sie ihren Millionen noch die Ersparnisse" aus der nichtbezahlten Arbeit der armen Druckerinnen hinzu.

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Die Bindemädchen und Packerinnen haben bei zehnstündiger Arbeitszeit einen Tagesverdienst von 90 Pfennig bis 1 Mart. Sie stehen sich noch gut im Vergleich zu den Geschirr- und Kapsel­trägerinnen, den Brennhausarbeiterinnen und Abstauberinnen, deren Arbeit weit über Frauenkräfte hinausgeht. Kapitalistische Profitwuth kehrt sich natürlich nicht daran, daß so schwere Arbeit nur von Männern verrichtet werden sollte. Umsomehr ist es Pflicht der Ge­werbeaufsichtsbeamten des Regierungsbezirks Breslau  , ihr Augenmerk auf die bezeichneten Uebelstände zu lenken und ihre Beseitigung herbei­zuführen. Die Arbeit an den heißen Brennöfen ist eine geradezu mörderische zu nennen. Die Geschirr- und Kapselträgerinnen haben wieder unter dem entsetzlichen lungenzerstörenden Staub und Dunst zu leiden. Für diese aufreibende Arbeit werden Hungerlöhne von 3-4 Mark durchschnittlich pro Woche gezahlt. Sehr wenige unter diesen Arbeiterinnen bringen es auf 5 Mart.

Auch die Gießerinnen, Garnirerinnen, Formerinnen und Gla sirerinnen haben unter den gleichen gesundheitlichen Mißständen und elendesten Löhnen zu leiden. Sie arbeiten mit Männern in demselben Raum zusammen. Getrennte Aus- und Umkleideräume sind nicht vorhanden. Desgleichen fehlen Waschvorrichtungen. Auch hier ist es Pflicht des Fabrikinspektors einzuschreiten, damit diesen im höchsten Grade anstößigen Zuständen ein Ende gemacht wird. Es ist nur zu bezeichnend für unsere im Zeichen des Kampfes für Religion, Ordnung und Sitte stehende Zeit, daß von Seiten der umstürzlerischen Sozialdemokratie immer und immer wieder mit allem Nachdruck auf die Verwirklichung der einfachsten Anforderungen der Moral bezüglich der Fabrikbedingungen aufmerksam gemacht wer­den muß.

Die allgemeinen sanitären Verhältnisse der Porzellanarbeiter­schaft werden sogar von den Fabrikinspektoren als sehr ungünstige bezeichnet. Lungen-, Nieren- und Leberleiden kommen unter ihr nach den Berichten sehr häufig vor. Auch das Arbeitspersonal der Tielsch­schen Fabrik macht keine Ausnahme von der Regel. Die Arbeiterinnen haben noch unter besonderen Beschwerden zu leiden, die durch ungeeignete Beschäftigung hervorgerufen mit ihren weiblichen Funktionen auf das Engste zusammenhängen. Wäre den Porzellan­arbeiterinnen die Möglichkeit geboten, sich über diese Zustände einem weiblichen Fabrikinspektor gegenüber auszusprechen, so würde gewiß schon manches anders und besser geworden sein.

Die Behandlung des gesammten Personals der Tielsch'schen Fabrik ist eine äußerst in humane, ein Umstand, der mit zu dem Ausbruch des Streifes beitrug. Gemeine Schimpfworte sind seitens der Vorgesetzten im Verkehr mit den Arbeitern und Arbeiterinnen an der Tagesordnung.

Durch ein sinnreich erdachtes System von Straf- und Defett­abzügen gestalten sich die oben geschilderten Lohnverhältnisse noch weit ungünstiger. Nicht selten kommt es vor, daß Mädchen des Sonn­abends bitterlich weinend ohne einen Pfennig Verdienst nach Hause gehen müssen. Keine Erholung, keine längere Ruhepause dürfen sich die Porzellanarbeiterinnen gönnen, wenn sie nicht verhungern wollen. Herr Tielsch dagegen, der Millionär, dessen Dasein nie von der geringsten Sorge um den kommenden Tag getrübt wird, erholt sich von dem Aerger, den ihm seine unbotmäßigen Arbeiter bereitet haben, in den theuersten Lurusbädern. Seine Mittel erlauben es ihm, die Mittel, welche er durch die Macht des Kapitals, auf Grund der heutigen Wirthschaftsordnung von Rechts wegen" aus dem Schuften und Schanzen seines Fabrikpersonals zieht. Diese Wirthschaftsordnung, diese Macht steht im vollsten Gegensatz zu den Interessen der Arbeiter und Arbeiterinnen. Gegen ihre brutalsten Uebergriffe, gegen ihre schreiendsten Mißstände bedürfen die Lohnsklaven eines durchgreifen­den, wirksamen Arbeiterschutzes, bedürfen sie der Macht der Organi­sation. Leider konnten sich bisher die Porzellanarbeiterinnen dem ca. 7000 Mitglieder zählenden Verband ihrer männlichen Kollegen nicht anschließen, da dessen Statuten dies verhinderten. Der Por­zellanarbeiterkongreß des nächsten Jahres wird jedoch jedenfalls eine Abänderung der diesbezüglichen Bestimmungen beschließen und damit die Möglichkeit schaffen, daß auch die Arbeiterinnen dieser Industrie der Organisation beitreten können. Immer flarer erkennen nach anderen Arbeiterkategorien auch die Porzellanarbeiter die Nothwendig feit, die Frauen aus Lohndrückerinnen zu aufgeklärten Mitkämpferinnen

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für bessere Arbeitsbedingungen zu erziehen und zu organisiren. Möchten auch in nächster Zukunft die Arbeiterinnen der Porzellanindustrie gleichfalls zu der Erkenntniß erwachen, daß ihr Anschluß an die ge­werkschaftliche Organisation dringende Nothwendigkeit ist und in ihrem ureigensten Interesse liegt, ihnen zu besseren Arbeitsbedingungen ver­hilft. Wir hoffen, daß der Streit zu Altwasser   u. a. auch weiten Schichten der Porzellanarbeiterinnen sinnenfällig zeigt, was die Macht der Organisation vermag und daß sie die praktischen Schlußfolgerungen ihrer Erkenntniß ziehen.

Bur Tage der Stettiner Arbeiterinnen.

In zwei früheren Artikeln( Nr. 4 und 5 der Gleichheit") wurde ziffernmäßig nachgewiesen, wie kärglich das Brot ist, das die Stettiner Arbeiterinnen in den graphischen Gewerben und in der Nähindustrie, bezw. den verschiedenen Zweigen sogenannter weiblicher Nadelthätigkeit erwerben. Die folgenden Ausführungen werden zeigen, daß die Betreffenden an Sorgen und Entbehrungen nichts voraus­haben vor ihren Kameradinnen verschiedener anderer Industriezweige. Auch deren Verdienst ist durchgehends so schmal, daß ihre Lebens­haltung einen entsprechend äußerst ärmlichen Zuschnitt tragen muß, daß er nicht immer zur Bestreitung der Nothdurft hinreicht, geschweige denn zur Befriedigung von Kulturbedürfnissen, die heutzutage doch auch in der Proletarierin sich regen.

Die in den drei Stettiner Waschanstalten beschäftigten weib­lichen Arbeitskräfte werden durch ihr Einkommen gerade nicht in die Versuchung geführt, zu schlemmen und zu prassen. In der größten der Waschanstalten, wo 23 Frauen und Mädchen thätig sind, spielt der Dampf eine große Rolle; er treibt die Waschmaschinen, die Dreh­rollen, eine Plättmaschine 2c. Die an den Waschmaschinen be­schäftigten Arbeiterinnen erhalten einen Wochenlohn von 9 Mk. Die Oberhemdenplätterinnen arbeiten auf Stück. Bezahlt wird für ein Oberhemd, je nachdem es alt oder neu ist, Kragen oder Man­schetten oder weder den einen noch die anderen hat: 10, 13, 15, 20 und 25 Pf. Eine sehr tüchtige Plätterin kann es in der Woche auf einen Verdienst von über 20 Mt. bringen, muß aber auch damit rechnen, daß Arbeitsmangel eintritt und der Verdienst zeitweilig zum Theil oder ganz ausbleibt. Die Rollwäscheplätterinnen stehen im festen Wochenlohn, der sich auf 7, 8 und 10 Mt. stellt. Die Arbeitszeit dauert von früh 7 bis Abends 7 Uhr( am Sonnabend bis 1/26 Uhr) mit einstündiger Mittags und je 1/2 stündiger Frühstücks­und Vesperpause. In der zweiten Waschanstalt sind 9 bis 10 Ar­beiterinnen beschäftigt, darunter 6 bis 7 Plätterinnen, welche im Monatsgehalt stehen und 15, 30 bis 40 Mt. erhalten. Eine einzige Plätterin verdient im Monat 60 Mt. Die drei Wasch­frauen werden wöchentlich mit 9 Mt. entlohnt. Ihre Arbeitszeit geht im Sommer von 7 bis 7, im Winter von 8 bis 8 Uhr, mit 1stündiger Mittagspause. Gefrühstückt und gevespert wird nach Be­darf", d. h. so kurze Zeit wie möglich; oft muß der Bissen Brot während der Arbeit in den Mund gesteckt werden. Für die Plätter­innen ist die Arbeitszeit fast unbeschränkt. Sehr oft müssen sie an den Wochentagen bis in die neunte, zehnte Abendstunde schaffen, nicht selten auch den ganzen Sonntag bis in die achte Stunde hinein, ohne einen Pfennig Entschädigung dafür zu erhalten. Auch die sanitären Zustände in diesem Geschäft lassen viel zu wünschen übrig. Die Arbeiterinnen stehen den ganzen Tag in einem Raum, der von heißen Wasserdämpfen undurchsichtig gemacht wird, bei jedem Temperaturwechsel erkälten sie sich und ziehen sich Krankheiten zu. Von der dritten Waschanstalt war die genaue Zahl der Arbeiterinnen nicht in Erfahrung zu bringen; sie soll die Mitte halten zwischen der Zahl der Arbeitskräfte, die in den beiden anderen Betrieben thätig sind. Die Lohnverhältnisse und Arbeitsbedingungen sind denen in der größeren Waschanstalt ähnlich.

Mit kargem Lohn für sehr anstrengende, zum Theil ungesunde Arbeit müssen sich die Arbeiterinnen in den beiden Zuckerfabriken begnügen. Die größte davon, die Pommersche Provinzial- Zuckersiederei, hat ununterbrochenen Betrieb. Sie beschäftigt etwa 275 Arbeiterinnen neben der gleichen Zahl von Männern. Noch vor wenigen Jahren wußte man in dieser Fabrik nichts von weiblichen Arbeitskräften. Mit der Vergrößerung des Betriebs und der Anwendung neuer Ma­schinen wurden die billigeren Arbeiterinnen eingestellt. Die Arbeits­zeit erstreckt sich für Tag- wie für Nachtschicht von 6 bis 6 Uhr, mit einer Mittagspause von zwei Stunden und je einer halben Stunde für Frühstück und Vesper. Der Lohn der Arbeiterinnen beträgt 9 bis 10,50 Mt., in einzelnen Fällen auch 13,50 Mt. pro Woche. Es herrscht im Betrieb eine strenge Arbeitsordnung. Mit dem Glocken­schlage werden die Thore geschlossen, und wer dann nicht in der Fabrik ist, der mag ruhig wieder nach Hause gehen, er wird für diese