Die Versammlung schloß sich der platten Auffassung an, welche Frau Bieber Böhm seit Jahren mit unwandelbarer Ueberzeugungstreue und wohlmeinendem Eifer, aber ebenso unwandelbarer Verständnißlosigfeit vertritt. Sie erklärte sich mit der Aktion des Bundes deutscher Frauenvereine" solidarisch, der durch eine Petition für Abschaffung der gewerblichen Prostitution dem deutschen Vaterlande eine höhere Sittlichkeit durch Pickelhaubenkraft fabriziren will.
Uebrigens brachte der Frankfurter Frauentag nicht blos den Frauenrechtlerinnen Anlaß, hier und da einen Zipfel ihrer sozialen Einsichtslosigkeit aufzurollen. Der Oberbürgermeister von Frankfurt , Herr Adickes , machte ihnen in diesem Punkte erfolgreiche Konkurrenz. Es scheint im Buche des Schicksals geschrieben zu stehen, daß bei offiziellen Fest- und Begrüßungsreden meist mit Behagen Blech breitgewalzt wird. Und unter diesen grausamen Spruch eines unerbittlichen Fatums gebeugt, fand es Herr Adickes „ von hohem Werth, daß in unserer außerordentlich kritischen Zeit mit ihren subversiven Tendenzen die Frauenfrage wieder einmal eine autoritative Grörterung in diesem historisch bedingten Kreise findet". Wir wollen zur Entschuldigung des Herrn Adickes annehmen, daß er sich bei diesen blühenden Bl- üthen gar nichts gedacht hat, sondern sich in feierlicher Festesstimmung an den schönen Worten: subversiv, autoritativ und historisch ergötzte.
Daß dem Frauentag die höhere Weihe gegeben wurde durch Hochs auf fürstliche Persönlichkeiten, versteht sich für Jeden von selbst, der den in Demuth vor Fürstenthronen ersterbenden Bürgerstolz des Gros unserer Frauenrechtlerinnen kennt. Der Versammlung war ja auch die tief empfundene und tief gewürdigte Ehre zutheil geworden, daß die Kaiserin Friedrich einer der Sitzungen beiwohnte. Die Behörden der Stadt Frankfurt und auch verschiedene bedeutende Körperschaften brachten dem Kongreß ihre Sympathie entgegen. Die Haltung der Presse ihm gegenüber war im Allgemeinen eine wohlwollende. Die öffentliche Meinung" der bürgerlichen Welt beginnt allmälig auch in Deutschland der bürgerlichen Frauenbewegung etwas Verständniß entgegenzubringen, sie mit etwas weniger altersgrauem Philistervorurtheil zu würdigen als früher.
Wenn man in unseren Tagen das Kapitel der Unsittlichkeit aufblättert, so fehlt es gewiß darin nicht an Abschnitten, welche von dem ,, Kellnerinnenunwesen" handeln und den Gefahren, welche im Zusammenhang mit ihm die Sittlichkeit bedrohen. Mucker und Stöcker
Ein Traum von wilden Bienen.
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Rus Olive Schreiners„ Dreams", übersekt von M. I. Eine Mutter saß allein am offenen Fenster. Die Stimmen der unter den Akazienbäumen spielenden Kinder und der Odem des heißen Nachmittags drangen durch dasselbe herein. Ein und aus flogen die Bienen, die wilden Bienen, mit ihren Beinen voll gelben Blüthenstaubes, unaufhörlich summend, von und zu den Afazienbäumen fliegend. Die Mutter saß auf einem niedrigen Stuhl vor dem Tisch und stopfte Strümpfe. Aus einem vor ihr auf dem Tisch stehenden großen Korb nahm sie ihre Arbeit; ein Theil der= selben lag, das dort ruhende Buch halb bedeckend, auf ihren Knien. Ihr Blick war auf die ein- und ausgehende Nadel gerichtet; langsam und langsamer arbeitete sie, und vor ihren Ohren verschwamm das eintönige Gesumm der Bienen und der Lärm der Kinderstimmen zu einem wirren Gemurmel. Dann flogen die Bienen näher und näher um ihren Kopf. Sie wurde schläfrig und schläfriger, und sie legte ihre Hand mit dem darüber gezogenen Strumpf auf den Rand des Tisches und lehnte ihren Kopf darauf. Und die Stimmen der Kinder draußen wurden mehr und mehr traumartig. Bald schienen sie von fern, bald von näher zu kommen, dann hörte sie dieselben nicht länger, aber sie fühlte unter ihrem Herzen, wo das neunte Kind lag. So vornüber gebeugt und schlafend, während die Bienen ihren Kopf umflogen, gestaltete sich in ihrem Hirn ein Zauberbild; sie dachte, die Bienen streckten sich mehr und mehr in die Länge und würden zu menschlichen Gestalten und bewegten sich um sie her. Dann kam eine leise zu ihr heran und sagte:„ Laß mich meine Hand auf Deine Seite legen, wo Dein Kind schlummert. Wenn ich es berühre, so wird es werden wie ich."
Sie fragte:„ Wer bist Du?"
sind dann in der Regel gar schnell bei der Hand, um die Schale einer wohlfeilen sittlichen Entrüstung über die verkommenen, lasterhaften Geschöpfe" auszugießen, welche die oft sehr schwachfüßige Tugend das sündige Fleisch ist ach so schwach! hervorragender Stützen von Familie, Christenthum und Sitte in den Herren recht angenehmer Weise zu Fall bringen. Ernsthafte Sozialpolitiker weisen dagegen darauf hin, daß die Ursache des„ Kellnerinnenunwesens" das Kellne rinnenelend ist, daß ein inniger Zusammenhang besteht zwischen der schmachvollen, skrupellosen Ausbeutung des weiblichen Personals der Restaurants, Cafés und Bierhäuser 2c. und den sittlichen Uebelständen, über welche sich die zahlungsfähige Moral baß entsetzt. Und mit Recht weisen sie auf diesen Zusammenhang hin. Die Ausbeutung der Kellnerinnen bildet eins der dunkelsten Blätter in der dunklen Geschichte der kapitalistischen Ausbeutung weiblicher Arbeitskraft, und wer der Sprache der Thatsachen nicht absichtlich sein Ohr verschließt, der muß zugeben, daß die Kellnerinnenausbeutung nicht blos die Unsittlichkeit begünstigt, sondern diese zum Theil direkt herausfordert.
Diese Binsenwahrheit wird wieder einmal in ihrem vollen Umfange bestätigt durch eine Umfrage, welche im letzten Frühjahre über die Erwerbsverhältnisse der Basler Kellnerinnen vorgenommen worden ist. Dieselbe zeigt, daß in Basel , der reichen Stadt, der frommen, christlichen Stadt, im Betreff der Kellnerinnenausbeutung die allerbedauerlichsten Zustände bestehen, Zustände, die auf die Sittlichkeit unbedingt verhängnißvoll zurückwirken müssen.
Am erbärmlichsten gestellt sind die bedienenden Damen" in den sogenannten„ feinen Restaurants", wo die„ honetten", die„ ,, anständigen" Leute verkehren. Einen Lohn giebt es da für die Kellnerin nicht, diese ist ausschließlich auf Trinkgelder angewiesen und dressirt. Je liebenswürdiger das Lächeln ist, mit welchem die Hebe kredenzt, je mehr ihre Kleidung ihre jugendlichen Reize zur Geltung bringt, je mehr sie ,, a Schneid" bei Rede und Antwort besitzt, um so eher darf sie auch von dem Wohlwollen der Herrschaften ein„ anständiges Trinkgeld" erwarten. Und ein solches hat die Kellnerin dringend nöthig. Denn nicht nur, daß sie leben muß, sie hat von ihrem„ Einkommen" auch allerhand ,, Vergütungen" an den„ Herrn Prinzipal" abzuführen. Für Ausfälle bei der Abrechnung sind die Kellnerinnen haftbar. Verluste an Gläsern und anderem Geschirr haben sie aus ihrer Tasche zu decken, auch dann, wenn sie nicht die geringste Schuld an dem Zerbrechen oder Verschwinden der Gegenstände tragen. Mit seinem Verständniß für das Wesen der kapitalistischen Plusmacherei lassen sich die Herren Wirthe die Gläser, Teller 2c. theurer bezahlen, als wie sie im ersten besten Laden verkauft werden. Die Ausbeutung
Und die Gestalt sagte:„ Ich bin die Gesundheit. Wen ich berühre, in dessen Adern wird das rothe Blut stets tanzen; er wird nicht Müdigkeit noch Schmerz kennen. Das Leben wird ihm ein langes Lachen sein."
,, Nein", sagte eine andere, laß meine Hand Dich berühren, denn ich bin der Reichthum, wen ich berühre, an dem werden materielle Sorgen niemals nagen. Er soll von dem Blut und dem Sehnen seiner Mitmenschen leben, wen er will und wonach seinem Auge gelüftet, das wird seine Hand haben. Er wird kein ich wünsche kennen." Und das Kind lag ruhig wie Blei.
Eine andere sagte:„ Laß mich Dein Kind berühren. Ich bin der Ruhm. Den Menschen, den ich berühre, führe ich zu einem hohen Hügel, wo Alle ihn sehen können. Wenn er stirbt, so ist er nicht vergessen, sein Name wird durch die Jahrhunderte herüber schallen, ein jeder Mensch wird ihn seinen Gefährten weiter nennen, denke Jahrhunderte hindurch nicht vergessen zu sein!"
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Und die Mutter lag ruhig athmend, doch in ihrem Traumbild drängten sich die Gestalten näher an sie heran.
"
Laß mich das Kind berühren", sagte eine, denn ich bin die Liebe. Wenn ich es berühre, so wird es nicht allein durchs Leben wandern. Wenn in der tiefsten Dunkelheit es seine Hand ausstreckt, so wird es eine andere Hand nahe finden. Wenn die Welt gegen es ist, so wird Jemand zu ihm sagen: ‚ Du und ich." Und das Kind erzitterte.
Aber eine andere drängte sich heran und sagte:„ Laß mich Deine Seite berühren, denn ich bin das Talent. Alles kann ich vollbringen was vorher vollbracht wurde. Ich berühre den Soldaten, den Staatsmann, den Denker und den erfolgreichen Politiker und den Schriftsteller, welcher niemals seiner Zeit voraus und niemals hinter derselben zurück ist. Wenn ich das Kind berühre, so wird es nie einen Mißerfolg beweinen."
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