207 klar, in welchem Umfange die Frau heutigentags für ihre wirthschaft- liche Existenz von dem Hause losgelöst ist. Andererseits lassen sie er­kennen. daß die Frau in Folge ihrer Geschlechtslage, ihrer Geschlechts­sklaverei, innerhalb der verschiedenen sozialen Schichten vorwiegend in den schlechter entlohnte», schlechter situirten Berufsarten thätig ist. Das vorzügliche Organ unserer österreichischen Bruderpartei, die Wiener  Arbeiter-Zeitung  ", bringt zu den diesbezüglichen Ver­hältnissen in Oesterreich   folgende Ausführungen: Die wirthschaftliche Stellung des weiblichen Geschlechts ist im Allgemeinen viel schlechter als die des männlichen. Gegenwärtig voll­zieh! sich, im Zusammenhange mit der allgemeinen Umwälzung der sozialen Verhältnisse, in der ökonomischen Lage der Frauen und Mädchen und in ihren Beziehungen zu den Männern eine tiefgehende Wandlung. Die österreichische Berufszählüng, deren Ergebnisse in den letzten Jahren veröffentlicht wurden, ermöglicht uns. die etwas nebelhaften Vorstellungen über die wirthschaftliche Position des weib­lichen Geschlechts in mancher Hinsicht durch Zahlen zu erhellen. Be­schäftigen wir uns zunächst mit der Frage: Welches ist die berufliche Stellung der weiblichen Bevölkerung Oesterreichs  ? Diese setzt sich zusammen aus etwa drei Millionen noch im Kindesalter stehenden Mädchen, ferner aus sechs Millionen erwachsenen Frauen und Mädchen, die ihren eigenen Beruf und Erwerb haben, und endlich aus zwei Millionen erwachsenen Personen weiblichen Geschlechts, die, ohne berussthätig zu sein, als Gattinnen oder Töchter leben. Aus diesen Zahlen geht hervor, wie lächerlich es ist. wenn man immer davon redet, daß das Weib nurim Hause walten" soll, während sechs Millionen, das ist weitaus der größte Theil der Personen weib­lichen Geschlechts, dem Erwerb nachgehen. Andererseits aber ist die Thatsache, daß es doch zwei Millionen erwachsener Frauen und Mädchen ohne eigenen Beruf, dagegen nur 190 000 berufslose Männer in Oesterreich   giebt, ein wichtiges Zeichen der wirthschaftliche» Unter­ordnung des weiblichen Geschlechts; die wirthschaftliche Stellung der Frauen ist schon deshalb eine schwächere, weil die Zahl der Nah­rungsstellen, die sie einnehme», geringer ist. als die Zahl der vom männlichen Geschlecht besetzten Nahrungsstellen. Doch hat nicht nur ein beträchtlicher Theil der Frauen keine» eigenen Erwerb, sondern es ist auch die wirthschaftliche Position jener Frauen, die einen Erwerb haben, im Allgemeinen eine viel un­günstigere als die der Männer. Die Statistik verzeichnet unter je 100 österreichischen Dienstboten 7 Männer und 93 Personen weib­lichen Geschlechts, unter 100 Arbeitern 47 Männer und 53 Frauen und Mädchen, unter 100 Angestellten 79 Männer und nur 21 Frauen und Mädchen, unter 100 Selbständigen 76 Männer und nur 24 Per­sonen weiblichen Geschlechts. Die vorstehenden Zahlen bieten viel­fache Veranlassung zur Kritik; so wurden zum Beispiel die Bediene­rinnen und die vazirenden Dienstboten, deren in Wien   allein 16 853 gezählt wurden, unter dieSelbständigen  " eingereiht; auch viele Heim­arbeiterinnen wurden alsSelbständige" gezählt. Trotz aller Mängel der Statistik aber geht unverkennbar aus derselben hervor, daß die besseren Nahrungsstellen der Selbständigen   und der An­gestellten überwiegend die Männer innehaben, während unter den Arbeitern und Dienstboten die Weiber vorwiegen. Die soziale Schichtung des weiblichen Geschlechts ist eine ganz andere als die des männlichen. Unter den Männern bilden die Selbständigen doch eine relativ breite Schichte und die Angestellten eine nicht unbedeutende Zahl, wenn auch die große Masse von den Arbeitern gebildet wird. Unter den Frauen aber sind verschwindend wenige selbständig und angestellt, weitaus die meisten berufsthätigen Frauen und Mädchen sind Arbeiterinnen. Die berufsthätigen Personen weib­lichen Geschlechts sind fast ausschließlich am unteren Ende der sozialen Stufenleiter zu finden, wo harte Arbeit geringen Lohn bringt. Durch diese Daten wird der Satz, die Frau soll nurim Hause walten", noch schärfer beleuchtet als durch die früher von uns festgestellte That­sache. daß drei Viertel aller Frauen im Erwerbsleben stehen. Es zeigt sich nämlich, daß es gerade die schwersten und am wenigsten lohnenden Berufe der Arbeiter und Dienstboten sind, in welchen mehr Frauen als Männer beschäftigt werden, während die lohnenderen Berufe den Männern vorbehalten bleiben. In der großen Zahl der beruflosen Frauen und in der von der männlichen abweichenden, viel ungünstigeren sozialen Schichtung der berufsthätigen Personen weiblichen Geschlechts kommt ihre schwächere wirthschaftliche Stellung zu klarem, zahlenmäßigem Ausdruck. Die Verschiedenheit der ökonomischen Verhältnisse beider Geschlechter hängt eng mit der politischen, gesellschaftlichen und persönlichen Abhängig­keit zusammen, in welcher sich das weibliche Geschlecht dem männ­lichen gegenüber befindet. Plato dankte den Göttern für acht Wohl- thaten, die sie ihm erwiesen hätten: die erste sei, daß er als Freier. nicht als Sklave geboren sei; die zweite, daß er als Mann, nicht als Weib das Licht der Welt erblickt habe. Der Satz hat für verschiedene Zeiten in verschiedenem Maße Geltung, je nachdem die Lage der Frauen den Männern gegenüber eine mehr oder weniger gedrückte ist. Daß er auch für unsere Zeit gilt, dafür sind die angeführten Zahlen mit ein Beweis. Wenn es als so selbstverständlich bezeichnet wird, daß es besser sei. als Mann geboren zu werden, so möchten dem viele Frauen und Mädchen, die sich recht als Weiber fühlen. gewiß gern widersprechen. Es ist das eine sehr begreifliche Regung, die aber nichts an der thatsächlich im Allgemeinen viel geringeren öko­nomischen Macht und an den beschränkten Entwicklungsmöglichkeiten des iveiblichen Geschlechts ändert. Die Berufsstatistik giebt uns noch weitere Daten, die die öko nomische Unterordnung des weiblichen Geschlechts beleuchten. Wir haben nämlich bisher nur beobachtet, daß ein Theil der Frauen über­haupt keinen Beruf hat. die anderen viel mehr den tieferen und viel weniger den höheren Berussklassen angehören als die Männer. Aber es giebt innerhalb dieser Klaffen, und zwar sowohl innerhalb der Klasse der Selbständigen als innerhalb der der Arbeiter wieder sehr große Unterschiede der Berufsarten, und auch da nehmen die Männer die günstigeren, die Weiber die ungünstigen Stel­lungen ein. Unter den selbständigen Grundbesitzern spielen die Per sonen weiblichen Geschlechts eine sehr geringe Rolle: auf 89 männ liche kommen nur 11 weibliche Grundbesitzer. In der Großindustrie und im Großhandel treten die selbständigen Frauen noch mehr zurück. Von je 100 Betrieben, die sich mit der Verfertigung von Maschinen und Instrumenten beschäftigen, gehören nicht einmal 3 Betriebe Per­sonen weiblichen Geschlechts, unter 100 Bergbau- und Hütten­betrieben 13, unter 100 Papier  - und Lederfabriken 5. unter 100 Schaf­wollwebereien 5, unter 100 Leinen- und Jutewebereien sind 7 im Eigenthum von Personen iveiblichen Geschlechts. Die Selbständige» unter den Frauen und Mädchen finden wir meist in jenen Berufs­arten, in welchen kleine oder Zwergbetriebe die Regel bilden. So gehören von 100 Wäsche- und Weißnähereigeschäften 94 dem weib­lichen Geschlechte, von 100 Putzmachereien 70. von 100 Schneider­geschäften doch 30. von 100 Wirthsgeschäften 19 u. s. f. an. Wir sehen, wie in der Schichte der Selbständigen   die Frauen im Allgemeinen viel schlechtere Plätze haben als die Männer. Ebenso verhält es sich in der Arbeiterklasse. Hier finden wir. daß die Frauen hauptsächlich landwirthschaftliche Arbeiterinnen sind, und zwar in auffallendem Uebergewicht über die Männer. Es giebt dreieinhalb Millionen landwirthschaftlicher Arbeiterinnen, während die Zahl der männlichen Arbeiter in der Landwirthschaft nicht ganz zwei Millionen beträgt. Unter 100 landwirthschaftlichen Arbeitern sind also nur 36 männlichen, 64 weiblichen Geschlechts. Es kommt dies zum Theil daher, daß die Frauen und Töchter, die auf dem Hof ihres Gatten, beziehungsweise Vaters arbeite», als Arbeiterinne» ge­zählt wurden; zum Theil aber daher, daß thatsächlich die landwirth- schaftliche Arbeiterschaft und das Gesinde mehr aus weiblichen Per­sonen bestehen, während die männlichen Arbeiter, größere Verdienste suchend, in die Städte gewandert sind. Die ländlichen Arbeitskräfte bilden die am schlechtesten entlohnte und behandelte Schichte der Arbeiterklasse und sind zum größeren Theil weiblichen Geschlechts. In den städtischen Gewerben treten die Frauen und Mädchen gleich­falls in jenen Berufen mehr hervor, in welchen die Löhne schlechter sind. Es sind von je 100 mit der Bearbeitung von Eisen und Stahl beschäftigten Arbeitern nur 5 weiblichen Geschlechts, von je 100 Ar­beitern der Textilindustrie schon 46. von je 100 in der Weißnäherei thätigen sind 94 weiblichen Geschlechts. Daß die Frauenarbeit auch dort, wo die Frauen und Mädchen unmittelbar neben dem Manne beschäftigt sind, unvergleichlich schlechter bezahlt wird, ist eine allgemein bekannte Thatsache, für die aber aus der Berussstatistik keine das Maß dieser Unterschiede darstellenden Zahlen entnommen werden können. Die Berufsstatistik lehrt uns nur. daß in Oesterreich   etwa 2 Millionen erwachsener Frauen und Mädchen ohne wirthschastlichen Beruf leben, daß die 6 Millionen erwerbsthätigen Frauen unter den Selbständigen nur 24 Prozent, unter den Arbeitern mehr als 5 Prozent ausmachen, und endlich, daß das weibliche Geschlecht innerhalb der ver­schiedenen sozialen Schichten viel mehr in den schlechter situirten, viel weniger in den lohnenderen Berufsarten thätig ist als das männliche. Welcher Wechsel sich gegenwärtig i» der wirthschastlichen Stellung des weiblichen Geschlechts dem männlichen gegenüber vollzieht, wollen wir in einem folgenden Artikel untersuchen. r.