Lebensjahren. Die Kindersterblichkeit in der Arbeiterbevölkerung von Nancy   beträgt dagegen nur 17 Prozent( 12,8 Prozent im ersten, 4,2 Prozent im zweiten Lebensjahre). Die Sterblichkeit der Kinder der Zigarrenarbeiterinnen ist also mehr als doppelt so hoch als die Sterblichkeit der Arbeiterkinder in Nancy   überhaupt. Prof. Etiennes Erhebungen zeigen also die gleiche Thatsache auf, welche seinerzeit die treffliche Arbeit des badischen Fabrikinspektors Dr. Wörishoffer in helle Beleuchtung rückte: die anormal hohe Sterblichkeit der Kinder von Zigarrenarbeiterinnen. Des Weiteren lassen sie den Zusammenhang zwischen der hohen Kinder­sterblichkeit und der Berufsarbeit der Mutter lichtvoll hervortreten. Die Beschäftigung der Frauen in den Tabakfabriken während der Schwanger­schaft scheint nach Prof. Etiennes Ermittlungen keinen sehr schädigenden Einfluß auf die Entwicklung des Kindes auszuüben. Dagegen ist das Stillen nach Wiederaufnahme der Arbeit offenbar höchst gefährlich für die Säuglinge. Dringend sind weitere Untersuchungen der einschlägigen Verhältnisse geboten. Und bestätigen dieselben die Resultate der Etienne­schen Erhebungen, so liegt die Nothwendigkeit besonderer gesetzlicher Vorschriften betreffs der Beschäftigung stillender Mütter in Tabak­fabriken auf der Hand. Ebenso aber auch die Nothwendigkeit, für den Unterhalt der betreffenden Frauen durch staatliche oder kommu nale Versicherung zu sorgen.

Frauenarbeit auf dem Gebiete der Industrie, des Handels und Verkehrswesens.

* Francnarbeit in der nordamerikanischen Berufsstatistik. Aus den Ergebnissen des elften Zensus vom Jahre 1890 ist jetzt ein Spezialbericht erschienen, welcher die Anzahl derjenigen Personen im Alter von 10 Jahren und darüber zusammenstellt, die einer gewinn­bringenden Beschäftigung obliegen. Die Angaben über die Erwerbs­thätigkeit der Frauen sind für uns von besonderem Interesse. Die Zahl aller weiblichen Personen ist von 1880 bis 1890 von 24 636 963 auf 30554370, die Zahl der weiblichen Personen im Alter von 10 Jahren und darüber von 18025 627 auf 23 060 900 und die Zahl der gewinnbringend beschäftigten Frauen von 2647 152 auf 3914 571 gestiegen. Darnach waren 1880: 14,69% und 1890: 16,97% der Frauen im Alter von 10 Jahren und darüber erwerbsthätig. In 41 von den 49 Staaten und Territorien der Union   hat die Frauenarbeit zugenommen. Die acht Staaten, in denen die Frauenarbeit abnahm, sind zugleich diejenigen, in denen die Frauen und zwar hauptsächlich die Negerinnen, in der Landwirthschaft stark beschäftigt werden. Außer in der Landwirthschaft, wo die Zahl der beschäftigten Frauen von 22,46% aller im Jahre 1880 hier thätigen Arbeitskräfte auf 17,36% im Jahre 1890 zurückging, ist in der dritten Berufsklasse der amerikanischen   Zählung, der Klasse der in persönlichen Diensten stehenden Personen( Dienstmädchen, Wäscherinnen, Arbeiterinnen ohne bestimmte Berufsangabe), ein Rückgang von 2,03% zu bemerken. Interessant ist die bedeutende Zunahme der Frauenarbeit in der zweiten Berufsklasse, welche die Angehörigen von 20 verschiedenen Beschäftigungsarten umfaßt, unter anderem die Lehrer, Professoren, Künstler, Aerzte und Staatsbeamte. Die folgende Tabelle giebt eine Uebersicht über diese Zunahme:

Weibliche Staatsbeamte Künstlerinnen

Musikerinnen

Weibliche Professoren

Lehrerinnen.

Aerztinnen und Chirurginnen

1890

2172 2061

13 182

1880

4875 10815

34 519

6951

245 371 4557

154 375 2432

Im Verhältniß noch bedeutender ist der Unterschied der Anzahl der weiblichen Buchhalter, Stenographen, Bureau- und Bank- Ange­stellten 1880 und 1890. Während es deren im Jahre 1880 38 088 gab, beträgt ihre Zahl im Jahre 1890: 113 261! Zu der fünften Klasse( Gewerbe und Fabriken) gehört unter anderem das Beklei­dungsgewerbe. Während 1880 darin 380 643 Frauen beschäftigt waren, wurden 1890: 632 078 Arbeiterinnen gezählt. Die Textilindustrie weist folgende Zahlen auf, 1880: 164 730, 1890: 223 658 Arbeiterinnen. Die starke Zunahme der Frauenarbeit von 1880 bis 1890 ist augen­fällig, der zweiten und vierten Klasse strömen jedoch die auf eigenen Erwerb angewiesenen Frauen am meisten zu. Unsere, der Frauen­bewegung feindlich gegenüberstehenden deutschen   Spießbürger fönnten diesen Umstand als ein Argument für sich in Anspruch nehmen; handelt es sich doch gerade um die sogenannten höheren Berufe, in denen die Konkurrenz der Frauen ihnen besonders gefährlich zu werden droht.

Eine Vermehrung der Zahl der Arbeiterinnen in der Großindustrie von Hamburg   fonstatirt der Bericht der Hamburger Fabritinspektion für 1896. Die Zahl der in Fabriken beschäftigten

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Arbeiterinnen ist von 5339 im Jahre 1895 auf 6070 im Jahre 1896 gestiegen. Ihre Gesammtzunahme gegen das Vorjahr hat 13,68% betragen, während die Zahl der Arbeiter überhaupt nur um 9,51% zugenommen hat. Es wurden in 405 Betrieben beschäftigt: 3952 Arbeiterinnen über 21 Jahren, 1974 von 16-21 Jahren und 144 von 14-16 Jahren. In 402 Betrieben wurden erwachsene und jugendliche Arbeiterinnen beschäftigt. In drei Betrieben, nämlich in einer Buchdruckerei und zwei Zigarrenfabriken schafften nur jugend­liche Arbeiterinnen. Die Zahl der erwachsenen Arbeiterinnen ist 1896 von 3610 auf 3952 gestiegen, die der Arbeiterinnen von 16-21 Jahren von 1600 auf 1974, und die der Arbeiterinnen von 14-16 von 129 auf 144. Besonders auffällig ist die starke Zunahme der Beschäftigung von Arbeiterinnen im Alter von 16-21 Jahren, sie betrug mehr als 23%, während die Zahl der Arbeiterinnen über 21 Jahren um mehr als 9% zugenommen hat. Am meisten wuchs die Zahl der Arbeiterinnen in der Nahrungs- und Genußmittel­industrie, insbesondere bei der Kaffeebohnenverarbeitung; auch in den Zigarrenfabriken stieg die Zahl der beschäftigten Arbeiterinnen be­trächtlich.

Frauenbewegung.

* Die offizielle Zulassung der Frauen zum Studium an der philosophischen Fakultät der Universität Wien   beginnt mit dem Anfang des Wintersemesters. Nach den kürzlich vom Unterrichts­ministerium erlassenen Bestimmungen sind die weiblichen Studenten den männlichen gleichgestellt. Wie eigenthümlich berührt es dagegen, wenn wir aus unserem lieben Vaterland folgende Historie vernehmen: Ein Berliner   Studentenverein forderte eine bekannte, sehr gemäßigte Führerin der Franenbewegung, Fräulein Helene Lange  , zu einem Vortrag auf. Die Dame nimmt die Aufforderung an. Die Studenten wie die Rednerin hatten jedoch die Rechnung ohne den Wirth ge­macht. Der Rektor der Universität erließ nämlich ein Verbot, wo­nach eine Frau keinen Vortrag in einem Studentenverein halten dürfe. Der Verein wandte sich beschwerdeführend an den Unterrichts­minister, Dr. Bosse, dessen Töchter, nebenbei bemerkt, bei Fräulein Lange zum Abiturienteneɣamen vorbereitet worden waren, der also als ein besonderer Beschützer der Frauenbewegung galt. Sieben Monate wartete man auf die Antwort, und als diese endlich eintraf, war die Ueberraschung nicht gering: Der Minister fand an dem Vor­gehen des Rektors nichts auszusetzen!

* Eine Gesellschaft zur Regelung der Auswanderung der Frauen ist in Frankreich   gegründet worden. Man wünscht die über zähligen Frauen den Kolonien zuzuführen, wo es ihrer viel zu wenig giebt. Da in Frankreich   augenblicklich 1312471 Frauen zwischen 20 und 30 Jahren allein im Leben stehen, dürfte die Gesellschaft guten Erfolg haben. Wie viele Frauen sind thöricht genug, eine unge­wisse Zukunft ihrem gegenwärtigen Schicksal vorzuziehen!

Weibliche Mitglieder der Aufsichtsbehörden im Schul­und Armenwesen fönnen in Schweden   seit 1885 amtiren. Die Schulbehörden von Stockholm   haben das diesbezügliche Recht sehr bald nach seinem Inkrafttreten ausgenutzt, und gegenwärtig gehören fast allen Schulräthen der schwedischen Hauptstadt ein oder mehrere weibliche Mitglieder an. Dagegen gelangte erst Ende des Jahres 1896 das erste weibliche Mitglied in die Armenbehörde. Die schwedischen Frauenrechtlerinnen sind überzeugt, daß in furzer Zeit eine größere Zahl weiblicher Armenpfleger thätig sein wird.

* Für das medizinische Institut für Frauen, das in Peters­ burg   errichtet wird, ist eine ganz Rußland   umfassende Sammlung eröffnet worden, an deren Spitze Damen der höchsten Aristokratie stehen. In Deutschland   sind wir in Sachen des Frauenstudiums noch nicht einmal so weit wie das barbarische" Rußland  !

* Ausschließlich Frauen sollen im Petersburger Komp­toir der Staatsbank in einer speziellen Abtheilung zum Abschneiden der Koupons von Werthpapieren angestellt werden. Auch die Leiterin der Sektion wird eine Dame sein. Das Personal ist auf 18 Ange­stellte berechnet und wird am 1. Oktober seine Thätigkeit beginnen.

Quittung.

Zu Agitationszwecken gingen folgende Beträge ein: Genossinnen in Altenburg   10 Mt.; Genossinnen in Köln   a. Rh. 10 Mt; J. M. Berlin   3 Mt.; Summa 23 Mt. Dankend quittirt

Frau M. Wengels Vertrauensperson.

Berlin   O, Fruchtstraße 30, Quergeb. 2 Tr.

Verantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Zetkin  ( Eißner) in Stuttgart  . Druck und Verlag von J. H. W. Diet Nachf.( G. m. b. h.) in Stuttgart  .